Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 31.08.2012, RV/0123-I/12

Keine Familienbeihilfe wegen fehlendem Aufenthaltstitel nach § 8 NAG

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, geb. am nn.xxxx.nnnn, Adr, vertreten durch Mag. László Szabó, Rechtsanwalt, 6020 Innsbruck, Claudiaplatz 2, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt für den Zeitraum Februar 2010 bis April 2011 die für die Kinder D., geb. am nn.xxxxxx.nnnn, und C., geb. am nn.xxxxx.nnnn, ausbezahlte Familienbeihilfe sowie die Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt € 5.981,80 zurück. Dies mit der Begründung, dass die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge im angeführten Zeitraum zu Unrecht ausbezahlt worden wären, da sich die Kinder nicht nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufgehalten hätten.

Dagegen richtet sich die Berufung vom mit der der Antrag gestellt wurde, den Bescheid ersatzlos aufzuheben bzw. in eventu gemäß § 26 Abs. 4 FLAG 1967 von der Rückforderung wegen Unbilligkeit abzusehen.

Begründend führte der Berufungswerber (im Folgenden kurz als Bw bezeichnet) aus, dass es zwar zutreffend sei, dass erst im Juli 2011 der Aufenthaltstitel ausgestellt worden sei, doch habe entgegen der Ansicht der Behörde schon im Bezugszeitraum ein Aufenthaltsrecht vorgelegen. Dem Bw sei ein "humanitäre Aufenthaltstitel" erteilt worden. Dies gründe sich unmittelbar im verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens, der das Recht des Betroffenen auf Aufenthalt wegen seines Integrationsgrades begründet. Die Voraussetzungen dafür wären daher schon gegeben gewesen, bevor dies durch den Aufenthaltstitel beurkundet worden sei.

Die Behörde sei sowohl bei der Zuerkennung als auch bei Auszahlung der Familienbeihilfe genauestens über den Aufenthaltsstatus informiert gewesen und es hätte sich keine neue Tatsache gegenüber den Zuerkennungsbescheiden ergeben. Der nunmehrige Bescheid stehe daher im Widerspruch zur Rechtskraft der Zuerkennungsbescheide und stünde deshalb mit der Rückforderung im Widerspruch.

Es sei zudem darauf zu verweisen, dass deshalb, weil die Familienbeihilfe bezogen wurde, der Bw und seine Familie keine Geldleistungen aus der Grundversorgung erhalten hätten, obwohl die Voraussetzungen dafür ab dem Zeitpunkt in dem der Bw seine Arbeitsstelle verloren habe, weil das Asylverfahren negativ entschieden worden ist, vorgelegen hätten.

Die Rückforderung würde daher zu einer nicht erträglichen Ungleichbehandlung führen. Zuerst versage man dem Bw die Grundversorgung wegen der Familienbeihilfe und sobald die Voraussetzungen für die Grundversorgung nicht mehr vorlägen, holt man sich die Familienbeihilfe zurück, ohne die die Grundversorgung gewährt worden wäre. Daher hätte man selbst bei einem rechtmäßigen Bescheid gemäß § 26. Abs. 4 FLAG 1967 von der Rückforderung wegen Unbilligkeit Abstand nehmen müssen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Der Bw sowie die Kinder D., geb. am nn.xxxxxx.nnnn, und C., geb. am , sind armenische Staatsbürger. Ihre Asylanträge wurden mit rechtskräftig abgewiesen. Auf Antrag vom wurde ihnen gemäß § 41a Abs. 9 NAG ein Aufenthaltstitel in Form der Rot-Weiß-Rot-Karte - plus mit einer Gültigkeit vom bis erteilt. Im Zeitraum zwischen der Abweisung der Asylanträge bis zur Erteilung der Rot-Weiß-Rot-Karte - plus verfügte die Familie über keine Aufenthalts- bzw. Niederlassungsberechtigung nach § 8 NAG. Aufgrund dieser Feststellung im Zuge des mit Schreiben vom eingeleiteten Überprüfungsverfahrens betreffend des Anspruches auf Familienbeihilfe forderte das Finanzamt mit Bescheid vom für den Zeitraum Februar 2010 bis April 2011 die ausbezahlte Familienbeihilfe sowie die Kinderabsetzbeträge wieder zurück.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und zweifelsfrei aus dem vom Finanzamt vorgelegten Familienbeihilfenakt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung -beschränkt" aus Gründen der Beachtung des Privat- und Familienlebens und des Integrationsgrades wurde weder vom Bw nachgewiesen, noch vom Magistrat der Stadt Innsbruck bestätigt. Von der beantragten Einholung der Stellungnahme der Sicherheitsdirektion kann Abstand genommen werden, da es darauf nicht ankommt.

Rechtliche Erwägungen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Gemäß § 8 Abs. 1 NAG in der vom bis geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 135/2009 werden Aufenthaltstitel erteilt als:

1. "Niederlassungsbewilligung" für eine nicht bloß vorübergehende befristete Niederlassung im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (Abs. 2) mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" (Z 3) zu erlangen;

2. Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" (Z 4) zu erhalten;

3. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

4. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - Familienangehöriger" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

5. "Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69a).

Nach dessen Abs. 2 werden Niederlassungsbewilligungen gemäß Abs. 1 Z 1 erteilt als:

1. "Niederlassungsbewilligung - Schlüsselkraft", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten nach §§ 12 Abs. 4 oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

2. "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;

3. "Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

4. "Niederlassungsbewilligung - beschränkt", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gilt, berechtigt;

"Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt.

Da im Rückforderungszeitraum Februar 2010 bis April 2011 weder der Bw noch die Kinder Inhaber eines der genannten Aufenthaltstitel war, besteht für diesen Zeitraum auch kein Anspruch auf Familienbeihilfe. Das gleiche gilt gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 auch für den Kinderabsetzbetrag.

Der vom Bw ins Treffen geführte "humanitäre Aufenthaltstitel" - nach § 44 Abs. 3 NAG, idF BGBl. I Nr. 29/2009, bei Vorliegen der Voraussetzungen in Form einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt" auszustellen - ist entgegen dem Berufungsvorbringen für den maßgeblichen Zeitraum weder dem Bw noch seinen Kindern erteilt worden. Das allfällige Vorliegen der Voraussetzungen, ohne dass ein diesbezüglicher Antrag gestellt worden ist oder von Amts wegen ein derartiger Aufenthaltstitel erteilt wurde, genügt nach dem eindeutigen Wortlaut des § 3 Abs. 1 und 2 FLAG 1967 nicht.

Abgesehen davon, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die Verpflichtung zur Rückzahlung von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe lediglich auf objektive Momente abstellt, kann das behauptete Wissen der Behörde über den Aufenthaltsstatus nicht nachvollzogen werden. Erst im Zuge der Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe mit Schreiben vom erhielt das Finanzamt Kenntnis von der Abweisung der Asylanträge.

Im Übrigen wird die Familienbeihilfe nicht mit Bescheid zuerkannt. Nach § 10 Abs. 2 FLAG wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt. Ein Fortdauern des Anspruchs, wenn die Voraussetzungen dafür zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben waren, ist dem FLAG fremd. Die Anspruchsvoraussetzungen müssen für jeden Kalendermonat erfüllt werden (vgl. Hebenstreit in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 10 Rz 4).

Zum Hinweis, dass wegen des Familienbeihilfenbezuges, die Unterstützung aus der Grundversorgung versagt worden wäre, ist entgegen zu halten, dass dem Finanzamt der Wegfall der Voraussetzungen für den Familienbeihilfenanspruch nur mitgeteilt werden hätte müssen. Eine Ungleichbehandlung kann durch die Rückforderung der unberechtigt bezogenen Beiträge deshalb nicht erblickt werden.

Nach § 26 Abs. 4 FLAG 1967 sind die Oberbehörden ermächtigt, in Ausübung des Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung des unrechtmäßigen Bezuges abzusehen, wenn die Rückforderung unbillig wäre. Die Bestimmung räumt der jeweiligen Partei des Verwaltungsverfahrens aber keinen Anspruch auf die Ausübung dieses Aufsichtsrechtes ein. Das Unterlassen von auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes gerichteten Maßnahmen kann daher auch nicht mit Berufung bekämpft werden (vgl. ). Davon abgesehen verkennt der Bw, dass nicht der Unabhängige Finanzsenat als reine Rechtsmittelbehörde, sondern der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Oberbehörde in Familienbeihilfenangelegenheiten ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

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