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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 27.10.2010, RV/0510-I/09

Haftung des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH für Abgabenschulden der KG

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Masseverwalter Dr. X., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Haftung gemäß § 9 i. V. m. § 80 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (kurz Bw.) war im Zeitraum vom bis zum Geschäftsführer (und ist seither Liquidator) der R-GmbH (kurz GmbH), die geschäftsführende Komplementärin der R-KG (kurz KG) war. Am wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet, das noch anhängig ist.

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Bw. zur Haftung gemäß §§ 9 und 80 BAO für folgende Abgabenschuldigkeiten der KG heran.


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Abgabenart
Zeitraum
Euro
Umsatzsteuer
6/2008
5.065,92
Umsatzsteuer
8/2008
10.187,35
Lohnsteuer
2006
7.338,48
Lohnsteuer
2007
7.542,68
Lohnsteuer
2008
28.407,31
Lohnsteuer
4/2008
19.092,08
Lohnsteuer
5/2008
21.370,10
Lohnsteuer
6/2008
10.306,59
Lohnsteuer
7/2008
2.154,72
Lohnsteuer
8/2008
17.149,25
Lohnsteuer
9/2008
19.053,58
Dienstgeberbeitrag
2006
740,77
Dienstgeberbeitrag
2007
685,98
Dienstgeberbeitrag
2008
2.067,31
Dienstgeberbeitrag
4/2008
7.301,81
Dienstgeberbeitrag
5/2008
9.906,91
Dienstgeberbeitrag
6/2008
7.931,94
Dienstgeberbeitrag
7/2008
9.339,37
Dienstgeberbeitrag
8/2008
7.650,12
Dienstgeberbeitrag
9/2008
7.845,11
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2006
72,43
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2007
66,80
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
2008
202,66
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
4/2008
713,95
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
5/2008
968,67
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
6/2008
775,57
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
7/2008
912,89
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
8/2008
748,01
Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag
9/2008
767,08
Einfuhrumsatzsteuer
5/2008
438,20
Säumniszuschläge
2007
3.029,88
Säumniszuschläge
2008
3.127,47
Summe
212.960,99

Im Begründungsteil des Haftungsbescheides wurde unter Bezugnahme auf § 80 Abs. 1 BAO ausgeführt, dass der Bw. als GmbH-Geschäftsführer verpflichtet gewesen wäre, für die Entrichtung der Abgaben der KG Sorge zu tragen. Bei der gegebenen Aktenlage müsse das Finanzamt davon ausgehen, dass der Bw. diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt habe. Die haftungsgegenständlichen Abgaben seien bei der primärschuldnerischen KG uneinbringlich.

In der dagegen erhobenen Berufung vom brachte der Bw. lediglich vor, dass kein Haftungstatbestand gegeben sei, weshalb die Aufhebung des Haftungsbescheides beantragt werde.

Das Finanzamt legte die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz unmittelbar zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen Berufenen alle Pflichten zu erfüllen, die dem von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Nach § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Die Geltendmachung der Haftung nach § 9 Abs. 1 BAO setzt somit voraus, dass eine uneinbringliche Abgabenforderung gegen den Vertretenen besteht, der als Haftungspflichtiger in Frage kommende zum Personenkreis der §§ 80 ff BAO gehört, eine schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten des Vertreters vorliegt, und die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich ist.

Die Vertreterhaftung ist eine Ausfallhaftung, welche die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden voraussetzt. Uneinbringlichkeit liegt vor, wenn Vollstreckungsmaßnahmen erfolglos waren oder voraussichtlich erfolglos wären. Nach Lehre und Rechtsprechung ergibt sich aus der Konkurseröffnung allein zwar noch nicht zwingend die Uneinbringlichkeit, diese ist aber jedenfalls dann anzunehmen, wenn im Lauf des Insolvenzverfahrens feststeht, dass die Abgabenforderung im Konkurs mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden kann. In einem solchem Fall ist daher kein Abwarten der vollständigen Abwicklung des Konkurses erforderlich. Dass das Konkursverfahren noch nicht abgeschlossen ist, steht somit der Erlassung eines Haftungsbescheides nicht entgegen (vgl. Ritz, BAO3, § 9 Tz 6, mwN).

Wird - wie im vorliegenden Fall - die Vertreterhaftung zu einem Zeitpunkt geltend gemacht, zu dem der Konkurs der erstschuldnerischen Gesellschaft noch anhängig ist, bedarf es konkreter Feststellungen über die Befriedigungsaussichten bei der insolventen Gesellschaft, insbesondere über das zur Befriedigung der Konkursforderungen verfügbare Massevermögen. Der Unabhängige Finanzsenat hat den Masseverwalter im Konkurs der KG um Mitteilung ersucht, bis wann voraussichtlich mit einer Beendigung dieses Verfahrens zu rechnen sei, und weiters, ob bzw. gegebenenfalls in welcher voraussichtlichen Höhe eine Konkursquote zur Ausschüttung gelangen werde. Dieses Auskunftsersuchen wurde vom Masseverwalter der KG dahingehend beantwortet, dass das Konkursverfahren frühestens in zwei bis drei Jahren (allenfalls auch später) beendet sein werde. Die Ausschüttung einer Konkursquote sei (wie schon bei Konkurseröffnung) auszuschließen. Eine solche Möglichkeit bestünde nur dann, wenn der Abschluss eines Zwangsausgleiches gelänge. Allerdings seien die Aussichten für einen Zwangsausgleich gegenwärtig als nicht existent anzusehen (vgl. Schreiben des u. Antwortschreiben des MV v. ).

Aus der Insolvenzdatei zur Aktenzahl LG ..., ..S..., ergibt sich dazu, dass das Konkursgericht einem von der KG mit ihren Gläubigern am abgeschlossenen Zwangsausgleich mit Beschluss vom die Bestätigung versagt hat (§§ 153 f KO). Im April 2010 hat der Masseverwalter dem Konkursgericht die Masseunzulänglichkeit im Sinn des § 124a KO angezeigt.

Nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz ist unter diesen Umständen die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenforderungen im Konkurs der KG mangels ausreichenden Vermögens nicht befriedigt werden können, reicht doch die Konkursmasse seit geraumer Zeit nicht einmal zur Befriedigung der Masseforderungen aus. Da im Hinblick auf die Angaben des Masseverwalters kein Grund zur Annahme besteht, dass im weiteren Verlauf des Konkursverfahrens doch noch ein rechtswirksamer Zwangsausgleich zustande kommen könnte, muss mit einer Entscheidung über die Berufung gegen den Haftungsbescheid nicht länger zugewartet werden.

Der Bw. gehörte zu den im § 80 Abs. 1 BAO genannten Vertretern, weil er Geschäftsführer jener GmbH war, die geschäftsführende Komplementärin der erstschuldnerischen KG war. Bei einer GmbH & Co. KG wird die Gesellschaft durch die Komplementär-GmbH, somit im Ergebnis durch deren Geschäftsführer vertreten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat dieser Geschäftsführer die abgabenrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die der GmbH obliegen und damit auch die abgabenrechtlichen Pflichten, die die KG treffen. Bei schuldhafter Pflichtverletzung haftet er für die Abgaben der KG (vgl. , , ).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vertreterhaftung hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen sei, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung im Sinn des § 9 Abs. 1 BAO annehmen darf. Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist; dabei trifft den Vertreter eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht (vgl. z. B. ; ; ; ; , mwN).

Das Finanzamt hat dem Bw. im Haftungsbescheid eine Verletzung der Verpflichtung zur Entrichtung von Abgaben für die KG aus deren Mitteln vorgeworfen. Der Bw. hat auf diesen Vorwurf in der Weise reagiert, dass er das Vorliegen eines Haftungstatbestandes ohne Angabe von Gründen in Abrede gestellt hat. Durch diese Einlassung in der Berufung gegen den Haftungsbescheid wurde keine abgabenbehördliche Ermittlungspflicht betreffend das Fehlen eines Verschuldens im Sinn des § 9 BAO ausgelöst. Weiters war der Unabhängige Finanzsenat nicht zur Aufnahme bestimmter Beweise verhalten, weil sich aus der bloßen Bestreitung der Haftungsvoraussetzungen keine nachvollziehbaren, einer Beweisführung erst zugänglichen Sachverhaltsbehauptungen ergeben. Da vom Bw. im erstinstanzlichen Haftungsverfahren kein - auch nur einigermaßen konkretisiertes - Entlastungsvorbringen erstattet wurde, blieb der Unabhängige Finanzsenat zur Annahme berechtigt, dass der Bw. der Abgabenzahlungspflicht schuldhaft nicht nachgekommen ist. Hat der Bw. schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war (vgl. ; ; ).

Abschließend wird noch darauf hingewiesen, dass mit Gerichtsbeschluss vom (AZ ..S....) auch über das Vermögen des Bw. das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Als Insolvenzverwalter im Konkurs des Bw. wurde der Masseverwalter im Konkurs der KG bestellt. Da nach der Konkurseröffnung über das Vermögen des Bw. der Insolvenzverwalter an dessen Stelle tritt, soweit es sich um Angelegenheiten der Masse handelt, war die Berufungsentscheidung an den Insolvenzverwalter zu richten. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes würde eine an den Gemeinschuldner (seit IRÄG 2010: Schuldner) gerichtete Erledigung durch die bloße Zustellung an den Insolvenzverwalter diesem gegenüber nicht wirksam (vgl. ; ; ).

Somit war wie im Spruch angeführt zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführer
Komplementär-GmbH
Verweise


Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at