Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Vergütung von Energieabgaben nach dem Budgetbegleitgesetz 2011
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/17/0374 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom .
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, Sitzadresse, vertreten durch A Steuerberatungsgesellschaft mbH, Steuerberatungskanzlei, Kanzleiadresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes B vom betreffend die Abweisung eines Antrages auf Vergütung von Energieabgaben für das Jahr 2011 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Vergütung sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (im Folgenden "die Bw.") betreibt ein Hotel. Mit dem Formular ENAV 1 beantragte die Bw. am die Vergütung von Energieabgaben für das Jahr 2011 iHv EUR 1.291,02
Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Begründend führte die Abgabenbehörde hierzu aus, dass gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, für Antragszeiträume nach dem eine Energieabgabenvergütung nur noch für Betriebe zulässig ist, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht. Für sogenannte "Dienstleistungsbetriebe" sei somit die Energieabgabenvergütung für Zeiträume nach dem ausgeschlossen. Da es sich bei dem dem Antrag zu Grunde liegenden Betrieb um einen solchen Dienstleistungsbetrieb handle, sei der Antrag auf Energieabgabenvergütung als unbegründet abzuweisen.
In der hiergegen fristgerecht erhobenen Berufung vom wurde erneut die Gewährung der ursprünglich beantragten Energieabgabenvergütung beantragt. Die Bw. begründete ihr Berufungsbegehren damit, dass die in der Bescheidbegründung zitierte Bestimmung des § 2 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 7 EnAbgVergG in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, dem Art. 7 Abs. 1 B-VG widerspreche. Eine Einschränkung der Vergütung ab 2011 auf Betriebe, die ihren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter hätten, stelle eine Bevorzugung von Produktionsbetrieben gegenüber Dienstleistungsbetrieben mit ebenfalls hohen Energiekosten dar. Vom Grundgedanken der Energieabgabenvergütung, energieintensive Betriebe, welche durch die Energieabgaben stärker belastet werden, durch die teilweise Vergütung zu entlasten, sollte bei Hotelbetrieben nicht abgegangen werden. Für diese Differenzierung sei eine sachliche Rechtfertigung nicht erkennbar.
Auch bei den Gastwirtschafts- und Beherbergungsbetrieben falle auf Grund der "Produktion" von Speisen und dem Bereitstellen von umfassenden, energieintensiven Wellnessangeboten, welche für die Wettbewerbsfähigkeit im Tourismussektor dringend notwendig seien, eine deutliche Mehrbelastung durch die Energieabgaben an, sodass auch hier die der Vergütungsregelung zugrunde liegenden Erwägungen des Gesetzgebers Anwendung finden müssten. Die Einschränkung rein auf Produktionsbetriebe sei daher unsachlich und verfassungswidrig. Eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung sei aber nicht anzuwenden. Beantragt werde die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Das Finanzamt legte am die Berufung direkt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Nach § 1 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Vergütung von Energieabgaben (Energieabgabenvergütungsgesetz, im folgenden EnAbgVergG) idF BGBl. I Nr. 94/2004 sind die entrichteten Energieabgaben auf die in Abs. 3 genannten Energieträger für ein Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) auf Antrag insoweit zu vergüten, als sie (insgesamt) 0,5 % des Unterschiedsbetrages zwischen 1. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994 und 2. Umsätzen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 des Umsatzsteuergesetzes 1994, die an das Unternehmen erbracht werden, übersteigen (Nettoproduktionswert).
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde § 2 Abs. 1 EnAbgVergG geändert. Der bis dahin allen Betrieben offenstehende Vergütungsanspruch wurde auf Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, eingeschränkt.
§ 2 EnAbgVergG idF BGBl. I Nr. 111/2010 ist vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen (§ 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010).
2. In unionsrechtlicher Hinsicht stellt die Einschränkung des § 2 EnAbgVergG idF BGBl. I Nr. 111/2010 auf Produktionsbetriebe eine Beihilfe iSd Art. 107 AEUV dar.
Die Anwendung der der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EG) Nr. 800/2008; kurz: AGVO) ermöglicht einem Mitgliedstaat die sofortige Gewährung einer Beihilfe, ohne dass eine vorherige Anmeldung bei der Kommission erforderlich ist. Der Mitgliedstaat muss die Kommission lediglich binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten der Beihilfe anhand eines Informationsblatts über die Beihilfe informieren (siehe Art. 9 der AVOG; vgl. Bieber, ÖStZ 2012/89, 60).
Laut dem Informationsblatt, das der Kommission in Anwendung von Art. 9 AGVO übermittelt wurde (Notifizierung- bzw. Registrierdatum vom ), hat die Beihilfe eine Laufzeit vom " - " (siehe Amtsblatt der Europäischen Union vom , C-288/20 f.) 2011, C-288/ 21). Folglich konnte sich auch eine "Genehmigung durch die Europäische Kommission" iSd § 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF BGBl. I Nr. 111/2010 nur auf diese Zeit beziehen.
3. Das Finanzamt nimmt den Standpunkt ein, dass der in § 4 Abs. 7 EnAbgVergG verankerte Vorbehalt lediglich die - "dem Grunde nach" erfolgte - Genehmigung des § 2 EnAbgVergG betreffe, nicht jedoch auch den in § 4 Abs. 7 EnAbgVergG genannten Zeitraum nach dem , da es sich bei diesem nur um den Zeitraum handle, der für die Berechnung der Höhe der Beihilfe heranzuziehen sei. Unter der Laufzeit im Sinne des Formblatts (laut Anhang III der AGVO) sei der Zeitraum zu verstehen, in dem die Beihilfe gewährt werden bzw. in dem über einen Antrag auf Zuerkennung der Beihilfe abgesprochen werden kann (vgl. Amtsbeschwerde und Stellungnahme des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom im Verfahren zu VwGH-Zl. 2012/17/0175). Eine anspruchsbezogene Auslegung wird abgelehnt.
4. Gegen diesen Standpunkt spricht, wie die Berufungsentscheidung des -I/12 darlegt, dass
a.) die Kurzmitteilung iSd Art. 9 Abs. 1 AGVO binnen 20 Arbeitstagen ab dem Inkrafttreten der Beihilferegelung (iSd Art. 2 Z 2 AGVO) zu übermitteln ist, mit dem Gemeinsamen Markt aber nur solche Beihilferegelungen vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (nunmehr: Art. 107 AEUV) freigestellt sind, die alle Voraussetzungen des Kapitels I der AGVO erfüllen (sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II der AGVO entsprechen). Da sich Art. 9 der AGVO im ersten Kapitel der AGVO befindet und mit der Kurzmitteilung vom eine Freistellung (erst) ab dem in Anspruch genommen wurde, können auch die Rechtsfolgen des Art. 3 der AGVO nicht schon ab dem eingetreten sein.
b.) unter der "Laufzeit" nur die "Laufzeit der Beihilfemaßnahme" verstanden werden kann (Art. 9 Abs. 2 der AGVO). Bei Inkrafttreten einer Beihilferegelung, die nach der AGVO freigestellt ist, veröffentlicht der betreffende Mitgliedstaat den vollständigen Wortlaut der Maßnahme im Internet. Die von den Mitgliedstaaten vorgelegte Kurzbeschreibung nach Art. 9 Abs. 1 AGVO enthält eine Internetadresse, die direkt Zugang zum vollständigen Wortlaut der nationalen Beihilfemaßnahme gibt. Der in der Kurzmitteilung vom enthaltene Link führt zum Energieabgabenvergütungsgesetz in der geltenden Fassung (und stellt auf Grund des in ihm enthaltenen Abfragedatums einen weiteren Hinweis auf eine verspätete Meldung dar; ABl. vom , C 288/21).
c.) in der entsprechenden Zeile des Formblatts (Anhang III der AGVO) ausdrücklich vorgesehen ist, dass unter der "Laufzeit" eine Angabe zur "Regelung", dh aber zur nationalen Beihilferegelung" iSd Art. 2 Z 2 AGVO, zu machen ist (siehe ABl. vom , L 214/43) und
d.) folglich auch eine systematische und in sich konsistente Auslegung der AGVO nur für ein anspruchsbezogenes Verständnis der Fußnote 3 des Anhangs III der AGVO (Formblatt) sprechen kann.
5. Bei der strittigen Beihilferegelung handelt es sich um eine Rückvergütung von Abgaben. Die Gewährung der Beihilfe ist an die im Gesetz normierten Voraussetzungen gebunden (sie ist "ermessensfrei"), wobei kein Zweifel darüber bestehen kann, dass sich das BMF, auch wenn es in der Kurzmitteilung als "Bewilligungsbehörde" angegeben wurde, nicht zur Gewährung von Beihilfen "verpflichten" kann. Da es lediglich dazu berufen ist, das Gesetz zu vollziehen (vgl. dessen § 4 Abs. 2), kann auch unter dem "Zeitraum, in dem sich die Bewilligungsbehörde zur Gewährung von Beihilfen verpflichten kann" (Fußnote 3 des Formblatts in Anhang III der AGVO), nur der zeitliche Anwendungsbereich des Energieabgabenvergütungsgesetzes (und nicht der Zeitraum, in dem über Anträge auf Gewährung der Beihilfe abgesprochen werden kann) zu verstehen sein.
Bei den im Energieabgabenvergütungsgesetz normierten Vergütungen handelt es sich um "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird, zB durch den Verbrauch von Energieträgern im Betrieb (vgl. § 2 Abs. 2 EnAbgVergG). Auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung kommt es nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs im Sinne des § 4 Abs. 1 BAO (zB ).
6. Käme es nur darauf an, dass die Beihilfe von der Europäischen Kommission "dem Grunde nach" bzw. ab irgendeinem Zeitpunkt genehmigt würde, könnte sich ein Mitgliedstaat darauf beschränken, eine im Sinn des Art. 9 Abs. 1 AGVO verspätete Kurzmitteilung zum Anlass zu nehmen, um Vergütungen für ggf. weit zurückreichende Anspruchszeiträume (zeitliche Anwendungsbereiche nationaler Beihilfenregelungen) zu gewähren. Dass eine solche Vorgangsweise mit der AGVO nicht vereinbar ist, versteht sich von selbst, würde sie doch dazu führen, dass die in Art. 9 Abs. 1 AGVO normierte Frist von den Mitgliedstaaten nicht mehr eingehalten werden müsste.
Wäre nur entscheidend, dass die Beihilfe im Zeitraum bis (Laufzeit) gewährt wird bzw. über Anträge auf Gewährung der Beihilfe in diesem Zeitraum abgesprochen wird, könnte - nach derzeitiger Rechtslage - gerade über Ansprüche des Kalenderjahres 2013 bzw. eines vom Kalenderjahr 2013 abweichenden Wirtschaftsjahres 2013/2014 nicht mehr bescheidmäßig abgesprochen werden. Es ist nicht vorstellbar, dass die Autoren der Kurzmitteilung vom von einem solchen Verständnis ausgegangen sind.
7. § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz kann nur so gelesen werden, dass die Änderung der Rechtslage (Einschränkung auf Produktionsbetriebe) mit in Kraft treten sollte, bereits das Inkrafttreten des Gesetzes aber von der Genehmigung der Europäischen Kommission bzw. einem gleichgestellten Vorgang (Freistellung) abhängig sein sollte. In diese Richtung deuten auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (981 Blg XXIV. GP). Selbst wenn der Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission nicht in das Gesetz aufgenommen worden wäre, dürfte es, weil es die Rechtsgrundlage unbestritten einer Beihilfe bildet, auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben nicht ohne Genehmigung der Europäischen Kommission angewendet werden.
8. Damit mangelt es aber an der Erfüllung des Vorbehaltes iSd § 2 iVm § 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF BGBl. I Nr. 111/2010 ("Genehmigung der Europäischen Kommission") für den Monat Jänner 2011. Die Einschränkung des Vergütungsanspruches auf Produktionsbetriebe kommt daher für Jänner 2011 noch nicht zur Anwendung. Dem Berufungsbegehren musste daher für den Monat Jänner 2011 entsprochen werden. Gegen eine zeitanteilige Bemessung der Vergütung wurde auch seitens des Finanzamtes keine Einwendungen erhoben.
9. Hinsichtlich des restlichen Zeitraums des Kalenderjahres (Februar bis Dezember 2011) war die beantragte Vergütung gemäß § 2 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 7 EnAbgVerG idF BGBl. I Nr. 111/2010 als unbegründet abzuweisen. Der Ansicht der Bw., das eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung nicht anzuwenden ist, kann nicht gefolgt werden. Eine Normprüfungskompetenz ua. zur Frage, ob eine gesetzliche Regelung gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz verstößt, kommt dem Unabhängigen Finanzsenat nicht zu. Er ist an die bestehenden und ordnungsgemäß kundgemachten Gesetze gebunden, und zwar auch dann, wenn sie möglicherweise (oder tatsächlich) verfassungswidrig sind.
10. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 |
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