Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 27.10.2010, RV/0856-L/10

Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr vom über die Abweisung eines Antrages auf erhöhte Familienbeihilfe für L ab Februar 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin bezog für ihre Tochter L erhöhte Familienbeihilfe, zuletzt aufgrund einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom (Grad der Behinderung 50 %; Nachuntersuchung in drei Jahren).

Am fand diese Nachuntersuchung bei Dr. J K, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde statt. In dessen Gutachten vom , dem von der leitenden Ärztin Dr. M B am zugestimmt worden war, wurde aufgrund der Diabetes mellitius Typ 1 bei einem Rahmensatz von 20 bis 40 % bei gut eingestelltem, stabilem DM Typ 1 ein Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 %, voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhalten, festgestellt. Die Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. In diesem Gutachten werden als relevante vorgelegte Befunde zwei Befunde des Dr. X vom LKH Steyr vom und angeführt.

Am sandte das Finanzamt der Berufungswerberin ein Formblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe zu, welches von dieser am unterfertigt und ergänzt an das Finanzamt retourniert wurde, bei dem es am einlangte. Dabei wurde das vorgedruckte Feld "Ich beziehe für dieses Kind erhöhte Familienbeihilfe, da es erheblich behindert ist" angekreuzt und handschriftlich folgender Hinweis ergänzt: "Erhöhte Familienbeihilfe aufgrund von Diabetes Typ 1". Weitere Ergänzungen betrafen das von der Tochter der Berufungswerberin betriebene Studium, zu dem auch eine Reihe von Unterlagen vorgelegt wurden.

Das Finanzamt wertete diese Eingabe als Antrag auf (weitere) Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, wies diesen Antrag mit Bescheid vom jedoch für den Zeitraum ab Februar 2010 ab. Im Gutachten des Bundessozialamtes (vom , welches dem Bescheid angeschlossen war und bereits oben erwähnt wurde) sei ein Grad der Behinderung von 40 % bescheinigt worden, weshalb ab Februar 2010 kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe (mehr) bestehe.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Eingabe vom , beim Finanzamt eingelangt am , Berufung erhoben. Die Berufungswerberin führte darin aus, es sei richtig, dass ihre Tochter am um 18.00 Uhr in die Ordination des Dr. K zur Untersuchung vorgeladen worden und dort auch zeitgerecht in Begleitung ihres Freundes erschienen sei. Es habe festgestellt werden müssen, dass Dr. K einen äußerst gestressten Eindruck gemacht habe. Eine Untersuchung in dem Sinn habe nicht statt gefunden, vielmehr sei von Dr. K einleitend angenommen bzw. festgestellt worden, dass es ihrer Tochter gut gehe, da sie Insulinpumpenträgerin sei. Nach der Frage nach dem HbA1C-Wert und dem augenärztlichen Befund sei für Dr. K die Untersuchung abgeschlossen gewesen. Das von ihrer Tochter mitgeführte Begleitschreiben des behandelnden Internisten Dr. X (LKH Steyr) vom sei von Dr. K abgelehnt worden. Er habe sich mit den Worten, er hole sich die notwendigen Informationen direkt vom LKH Steyr, geweigert, es zu lesen. Es habe definitiv nichts vorgelegt werden können, und es sei das Schreiben des Dr. X im Gutachten nicht berücksichtigt worden. Es seien noch Erkundigungen nach dem jeweiligen Studium ihrer Tochter und deren im Wartezimmer sitzenden Freund erfolgt. Nach 5 Minuten sei ihre Tochter entlassen worden. Der Satz im Gutachten, wonach ihre Tochter voraussichtlich nicht dauern außerstande sei, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sei im gegenständlichen Fall nicht verständlich, weil es sich bei ihrer Tochter um eine Studentin handle, die jetzt auf Familienbeihilfe angewiesen sei. Nach Beendigung des Studiums bzw. bei Antritt eines Dienstverhältnisses erlösche ohnedies der Anspruch auf Familienbeihilfe. Die letzte Begutachtung durch Dr. K liegt drei Jahre zurück, damals sei eine Behinderung von 50 % attestiert worden. Da sich seit der letzten Begutachtung weder eine Änderung noch eine Verbesserung im Krankheitsbild ihrer Tochter ergeben habe, sei es absolut unverständlich, wie es nunmehr zu einem negativen "Bescheid" kommen habe können. Eine gleichaltrige Studienkollegin ihrer Tochter leide ebenfalls unter Diabetes Mellitus Typ 1, sei ebenfalls Insulinpumpenträgerin, jedoch sei dieses Mädchen im Bezirk Ried/lnnkreis zu Hause. Sie habe etwa zur selben Zeit eine Vorladung bei einem Sachverständigen im Bezirk Ried/Innkreis erhalten. Dieser habe sich die paar letzten Messungen auf dem Blutzuckergerät angesehen und habe ohne weiteres 50 % Behinderung und somit den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe attestiert. Ihre Tochter sei seit August 2008 im Besitz des Führerscheins der Klasse B, jedoch aufgrund ihrer Erkrankung nur auf Zeit. So habe sie sich nach drei Jahren einer Untersuchung durch den Amtsarzt und einer gesonderten durch den Augenarzt zu unterziehen, woraufhin ein neuer Führerschein (wieder auf Zeit) ausgestellt werde. Es entstünden Kosten in Höhe von ca. 160 € (augenärztliches Gutachten 70 € und neuer Führerschein ca. 90 €). In fünf Jahren müssten die Untersuchungen erneut erfolgen, es müsse wieder ein neuer Führerschein ausgestellt werden und es würden neue Kosten entstehen. Die Kosten seien von ihrer Tochter selbst zu tragen. Aufgrund der chronischen Erkrankung fielen monatlich Rezeptgebühren für Insulin sowie Kosten für Hand- und Fußcremes an. So müssten die Fingerkuppen aufgrund der häufigen Einstiche beim Blutzuckermessen (ca. 10 Messungen pro Tag) sehr gut gepflegt werden, da sonst Verhornungen und somit verfälschte Messergebnisse drohten. Auch die Füße müssten bekanntlich bei Diabetikern sehr gut gepflegt werden. Die Termine beim Internisten nehme ihre Tochter sehr genau. Alle zwei Monate müsse sie ins LKH Steyr fahren und würden dort die Blutzuckermessungen besprochen, Änderungen vorgenommen und der HbA1C-Wert sowie Cholesterinwerte bestimmt, sowie Nierenfunktion etc. überprüft. Die im Sachverständigengutachten angeführte gute Einstellung sei nicht zuletzt das Ergebnis der regelmäßigen Kontrollbesuche beim Internisten in Steyr. Die Kosten für die Fahrten und die nicht unerheblichen Parkgebühren müssten jedoch von ihrer Tochter selbst getragen werden. Die Kosten für Lebensmittel bei Diabetikern Typ 1 seien hoch. Es würden keine Diabetiker-Lebensmittel eingekauft, es werde jedoch auf Qualität und Frische der Produkte geachtet, und das sei teuer. Ihre Tochter könne nur begrenzt Nahrungsmittel z.B. von Hofer essen. Diese wären zwar kostengünstiger, ihre Blutzuckerwerte seien jedoch danach katastrophal, ebenso wie bei Fertigprodukten. Es kämen bei den Kohlehydraten nur hochwertige Vollkornprodukte und teilweise Nahrungsmittel aus dem Reformhaus in Frage. Eine gesunde Ernährung sei ihr sehr wichtig, um eventuelle Folgeschäden hintanzuhalten. Ihre Tochter sei sehr fleißig und ehrgeizig in ihrem Studium der Sozialwirtschaft. Die Stresssituationen vor den Prüfungen würden sich jedoch negativ in ihren Blutzuckerwerten (und letztendlich in ihrem HbA1C-Wert) niederschlagen. Durch die inkonstanten Werte käme es häufig zu Schlafstörungen (Durchschlafschwierigkeiten wegen Hypos) und aufgrund der häufigen Blutzuckerkontrollmessungen zu Konzentrationsschwierigkeiten und letztlich auch zu Misserfolgen bei den Klausuren. Sie habe den ersten Abschnitt ihres Studiums trotz intensiver Bemühungen aufgrund einer negativen Klausur nicht innerhalb von vier Semestern abschließen können, es wären jedoch bereits Kurse des zweiten Abschnittes belegt und positiv abgeschlossen worden. Bei Bezug der erhöhten Familienbeihilfe gäbe es keine zeitliche Begrenzung bzw. falle laut Auskunft des Finanzamtes der Zeitrahmen von drei Semestern und einem Toleranzsemester für den Abschluss des ersten Abschnittes weg. Nach dem vierten Semester und einer negativ absolvierten Klausur sei ihrer Tochter durch das o.a. Gutachten die erhöhte Familienbeihilfe im Februar 2010 aberkannt worden, und wäre somit der erste Abschnitt nicht zeitgerecht abgeschlossen worden, weshalb sie plötzlich ganz ohne Familienbeihilfe dagestanden sei. Der nunmehrige finanzielle Druck habe einen Umstieg vom Diplomstudium auf das Bakkalaureatstudium erfordert. Es werde ihr seit Februar 2010 zumindest die nicht erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend wieder gewährt. Aus all diesen Gründen ersuche sie um die neuerliche Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen und Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe zur Abdeckung der oben dargestellten erhöhten Kosten aufgrund chronischer Krankheit.

Der Berufung war das erwähnte Begleitschreiben des Dr. X vom angeschlossen. Dieser führte darin aus, dass die Tochter der Berufungswerberin seit dem Frühjahr 2006 an der Abteilung für Innere Medizin im Krankenhaus Steyr betreut werde. Dabei besuche sie mehrmals im Jahr die dortige Diabetesambulanz. Das Krankenhaus habe bei Diabetes mell. I, welcher bereits mit einer Insulinpumpe versorgt gewesen sei, die fachspezifische Betreuung übernommen. Dabei habe von Beginn an ein selbständiges und gewissenhaftes Vorgehen bemerkt werden können. Trotz einer gewissen Automatisierung durch die Insulinpumpe müsse die Patientin mehrmals täglich für sich therapeutische Entscheidungen treffen und sich wechselnden Anforderungen von Arbeit und Freizeit, zwischenzeitlich auftretenden Änderungen wie etwa Erkältungskrankheiten bewusst anpassen. Sie habe den Nachteil in Kauf genommen, sich bereits im Jugendalter mit einer chronischen Stoffwechselstörung auseinander setzen zu müssen, wodurch sie in ihrer Lebensentfaltung hin und wieder behindert sei. Zu ihren zusätzlichen Aufwendungen gehöre auch eine spezialisierte Ernährung und eine überdurchschnittliche Anzahl von Arztbesuchen (z.B. routinemäßige Augenarztkontrollen). Da er als behandelnder Arzt die Anliegen der Tochter der Berufungswerberin unterstützen möchte, ersuche er, diese Stellungnahme bei der Entscheidung über die erhöhte Familienbeihilfe zu berücksichtigen.

Das Finanzamt forderte daraufhin ein weiteres Sachverständigengutachten an. In einem von Dr. W Y, Facharzt für Innere Medizin, aufgrund einer Untersuchung vom am erstellten Gutachten, dem am vom leitenden Arzt Dr. C T zugestimmt worden war, wurde neuerlich der Gesamtgrad der Behinderung mit 40 %, voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhalten, festgestellt. Die Untersuchte sei voraussichtlich nicht dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Nach eingehender Darstellung von Anamnese, Behandlung/Therapie, Untersuchungsbefund, vorgelegten Befunden und Diagnose, wurde in der Rahmensatzbegründung ausgeführt, dass dieser 20 bis 40 % betrage. Der obere Rahmensatz werde aufgrund der Insulinpumpentherapie und der häufigen Stoffwechselselbstkontrollen vorgenommen. Eine Anhebung auf 50 % sei bei stabiler Stoffwechseleinstellung nicht vorliegend. Die Insulinpumpentherapie sowie die engmaschigen Blutzuckerselbstkontrollen seien in der Einschätzung mit dem oberen Rahmensatz bereits enthalten.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom die Berufung unter Hinweis auf das neuerlich eingeholte Sachverständigengutachten, in dem wiederum nur ein Grad der Behinderung von 40 % bescheinigt worden sei, ab.

Im Vorlageantrag vom führte die Berufungswerberin aus, dass es sich bei der Krankheit ihrer Tochter ganz sicher nicht nur um eine vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen und psychischen Bereich handle. Diabetes mellitus Typ 1 sei nicht heilbar, und ihre Tochter müsse sich jeden Tag mit dieser Krankheit auseinandersetzen. Nur ihrer eisernen Disziplin, die nicht zuletzt auf der Angst vor Folgeschäden basiere, sei es zu verdanken, dass ihre Werte so seien wie seien. Die im Sachverständigengutachten angesprochene Insulinpumpentherapie sei nur so gut wie sie ihre Tochter handhabe. Die Nahrung müsse nach wie vor gewogen, in Broteinheiten umgerechnet und manuell in die Pumpe eingegeben werden. Die ebenfalls angesprochenen engmaschigen Blutzuckerselbstkontrollen müssten eben auch von ihrer Tochter durchgeführt werden und zwar auch während der Vorlesungen und insbesondere bei Klausuren, denn in Stresssituationen könnten die Blutzuckerwerte schon einmal verrückt spielen. Bei einer Unterzuckerung müsste dann z.B. erklärt werden, warum man während der Klausur etwas essen müsse. Auch beim Sport müssten vermehrt Blutzuckerselbstkontrollen durchgeführt werden, während des Tanzkurses (Silberkurs) komme es dann schon einmal vor, dass sie wegen Unterzuckerung aussetzen müsse, bis ihr Wert wieder im Normalbereich liege. Auch beim Nordic Walking oder Laufen müsse sie immer - für den Fall einer Unterzuckerung - Fruchtsaft oder Brot mit sich tragen (Traubenzucker und Blutzuckermessgerät sowieso). Mit diesen körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen müsse sie Tag für Tag umgehen, ein Leben lang. Von "vorübergehend" könne also keine Rede sein. Ihrer Disziplin sei es hoffentlich zu verdanken, dass sie die gefürchteten Folgeschäden hintanhalten könne. Im Übrigen sei in der Berufungsvorentscheidung in keiner Weise auf die in der Berufung angeführten krankheitsbedingten erhöhten finanziellen Aufwendungen (Fahrten ins LKH Steyr, Kosten für das Parkhaus beim LKH Steyr, augenärztliche Untersuchen, Ernährung) eingegangen worden. Schließlich verwies die Berufungswerberin unter Hinweis auf ihre Ausführungen in der Berufung neuerlich auf die unterschiedlichen Beurteilungen in den Bezirken Ried im Innkreis und Kirchdorf.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, anhand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach dem Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (z.B. ). Gleiches gilt für die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum der Erhöhungsbeitrag zur Familienbeihilfe zusteht.

Durch das neue Sachverständigengutachten vom , welchem die am durchgeführte Nachuntersuchung zugrunde lag, trat eine Änderung in der Sachlage ein, da darin nur mehr ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 % festgestellt wurde, während im Gutachten vom noch ein Grad der Behinderung von 50 % attestiert worden war, sodass die Weitergewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung des Kindes neu zu beurteilen war. Bei dieser Sachlage konnte das Finanzamt die Ausführungen der Berufungswerberin im retournierten Formblatt zur Überprüfung des Beihilfenanspruches (gerade noch) als Antrag auf Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe ab Februar 2010 werten.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom ab. Die Bestimmungen der Absätze 4 bis 6 des § 8 FLAG lauteten zu diesem Zeitpunkt wie folgt:

(4) Ab erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist, monatlich um 138,3 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom , BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

Die Bestimmungen der Absätze 4 und 5 blieben in weiterer Folge unverändert, § 8 Abs. 5 FLAG lautet dagegen in der seit geltenden, durch das BGBl. I 81/2010 geschaffenen Fassung:

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Die zeitliche Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides vom , mit dem die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe "ab Februar 2010" abgewiesen wurde, erstreckt sich auf den Zeitraum bis zum Eintritt einer Änderung der Sach- oder Rechtslage (siehe auch dazu das bereits zitierte Erkenntnis des mit Hinweis auf ). Eine solche Änderung der Rechtslage trat durch das Bundesgesetz BGBl. I 81/2010 am ein, mit dem die Bestimmung des § 8 Abs. 5 FLAG die oben dargestellte Fassung erhielt. Ab diesem Zeitpunkt gelten nicht mehr die zitierten Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes sowie der Richtsatzverordnung, sondern jene des Behinderteneinstellungsgesetzes und der neu geschaffenen Einschätzungsverordnung.

Die Sache des gegenständlichen Berufungsverfahrens bildet damit die erstinstanzlich entschiedene Abweisung des Antrages auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für die Tochter der Berufungswerberin im Zeitraum der Monate Februar 2010 bis August 2010. Der Grundbetrag der Familienbeihilfe wurde vom Finanzamt rückwirkend ab Februar 2010 wieder gewährt. Insofern verdrängt diese Bewilligung die ursprüngliche Abweisung betreffend auch den Grundbetrag. Im Ergebnis liegt eine materielle Derogation vor (vgl. dazu Stoll, BAO, 946), auch wenn die Gewährung der Familienbeihilfe nicht mit Bescheid erfolgt, sondern darüber gemäß § 12 FLAG nur eine Mitteilung ausgestellt wird, der kein Bescheidcharakter zukommt. Für den Zeitraum Februar 2010 bis August 2010 gelten die eingangs dargestellten Bestimmungen in der Fassung vor der Änderung durch das Bundesgesetz BGBl. I 81/2010.

Durch die Bestimmung des § 8 Abs. 6 FLAG hat der Gesetzgeber nicht nur die Frage des Grades der Behinderung, sondern auch die damit in der Regel unmittelbar zusammenhängende Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, der eigenständigen Beurteilung der Familienbeihilfenbehörden entzogen und dafür ein qualifiziertes Nachweisverfahren eingeführt, bei dem eine für diese Aufgabenstellung besonders geeignete Institution eingeschaltet wird und der ärztliche Sachverstand die ausschlaggebende Rolle spielt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass die Frage, ob eine behinderte Person voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, nicht schematisch an Hand eines in einem bestimmten Zeitraum erzielten Einkommens, sondern nur unter Berücksichtigung von Art und Grad der Behinderung bzw. der medizinischen Gesamtsituation der betroffenen Person beurteilt werden kann. Der Gesetzgeber hat daher mit gutem Grund die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit jener Institution übertragen, die auch zur Beurteilung des Behinderungsgrades berufen ist. Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (). Daraus folgt, dass de facto eine Bindung der Beihilfenbehörden sowie des Unabhängigen Finanzsenates an die Feststellungen der im Wege des Bundessozialamtes erstellten Gutachten gegeben ist. Nur wenn sich diese Gutachten als unschlüssig erweisen würden, könnte im Rahmen einer "qualifizierten Auseinandersetzung" im Sinne der zitierten Rechtsprechung von diesen abgegangen werden.

Die Berufungswerberin hat im gegenständlichen Fall aber keine Gründe vorgebracht, die gegen die Schlüssigkeit der Gutachten vom (Dr. K) und vom (Dr. Y) sprechen würden. Dem Einwand, dass im erstgenannten Gutachten das Begleitschreiben des Dr. X nicht berücksichtigt worden wäre, ist zweierlei entgegen zu halten. Zum einen handelt es sich dabei um kein ärztliches Gutachten, sondern nur um ein "Ersuchen" des behandelnden Arztes, der "die Anliegen" der Tochter der Berufungswerberin "unterstützen möchte", seine "Stellungnahme" bei der Entscheidung über die erhöhte Familienbeihilfe zu berücksichtigen. Zum anderen werden im Gutachten des Dr. K vom als relevante Befunde ohnedies zwei Befunde des Dr. X vom und angeführt. Insofern wurde dessen medizinische Beurteilung nicht "übergangen".

Dem Vorbringen im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist zunächst entgegen zu halten, dass in keinem der vorliegenden Gutachten eine nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen und psychischen Bereich unterstellt worden wäre. In beiden Gutachten wurde festgestellt, dass die Behinderung voraussichtlich mehr als 3 Jahre anhaltend sei. Die fortdauernde gesundheitliche Beeinträchtigung der Tochter der Berufungswerberin aufgrund der Diabetes steht außer Streit. Zu prüfen war im Rahmen der Gutachten neben dem Grad dieser Behinderung die Frage, ob die Patientin voraussichtlich dauernd außer Stande sein wird, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Zum Grad der Behinderung ist festzuhalten, dass die im Gutachten des Dr. Y festgestellte stabile Stoffwechseleinstellung allein mit dem Hinweis darauf, dass in den im Vorlageantrag näher geschilderten Situationen vermehrt Blutzuckerselbstkontrollen durchgeführt werden müssen, nicht als unschlüssig qualifiziert werden kann, weshalb ein Abgehen von der Einstufung des Gesamtgrades der Behinderung mit 40 % aufgrund der aufgezeigten Bindungswirkung rechtswidrig wäre.

Hinsichtlich der Frage, ob die Beeinträchtigung eine künftige Selbsterhaltung ausschließt, wurde in der Berufung darauf hingewiesen, dass es sich bei der Tochter der Berufungswerberin um eine Studentin handle, die jetzt auf Familienbeihilfe angewiesen sei; nach Beendigung des Studiums bzw. Antritt eines Dienstverhältnisses erlösche ohnedies der Anspruch der Familienbeihilfe. Damit verkennt die Berufungswerberin aber, dass gerade die Frage der künftigen Selbsterhaltungsfähigkeit nach Beendigung des Studiums zu prüfen war. Während des Studiums besteht regelmäßig ohnedies ein Unterhaltsanspruch im Sinne des § 140 ABGB. Diese künftige Selbsterhaltungsfähigkeit ihrer Tochter nach Abschluss des Studiums wurde aber auch von der Berufungswerberin nicht in Abrede gestellt.

Insgesamt gesehen wurde daher keine Unschlüssigkeit der vorliegenden Gutachten aufgezeigt, sodass diese der Beurteilung des Grades der Behinderung sowie der Frage der voraussichtlich dauernden Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, zugrunde gelegt werden mussten.

Zu den ins Treffen geführten krankheitsbedingten Mehrkosten muss darauf hingewiesen werden, dass diese die Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe nicht zu begründen vermögen. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Bewilligung dieses Erhöhungsbetrages wurden bereits oben eingehend dargestellt; krankheitsbedingte Mehrkosten zählen nicht dazu.

Schließlich sei zu den von der Berufungswerberin erwähnten unterschiedlichen Beurteilungen in den Bezirken Ried im Innkreis und Kirchdorf angemerkt, dass weder das Finanzamt als Beihilfenbehörde erster Instanz noch der Unabhängige Finanzsenat als Berufungsbehörde auf die Erstellung der Sachverständigengutachten Einfluss haben. Es wäre aufgrund der oben erläuterten Bindungswirkung dieser Gutachten rechtswidrig, von einer zutreffenden gutachterlichen Einstufung des Grades der Behinderung mit 40 % abzugehen, weil in angeblich "vergleichbaren" Fällen ein höherer Grad der Behinderung festgestellt worden sei. Damit würde sich die Beihilfenbehörde bzw. der Unabhängige Finanzsenat zu Unrecht gerade jene Kompetenz anmaßen, die der Gesetzgeber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. den gutachterlich tätigen Ärzten übertragen hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at