Zurückweisung eines Antrages auf Androhung bzw. Festsetzung einer Zwangsstrafe
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2663-W/10-RS1 | Es besteht kein subjektives Recht auf Erlassung einer Zwangsstrafe. Ein dahingehender Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen. |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., W, vertreten durch Vertretung, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Androhung bzw. Festsetzung einer Zwangsstrafe entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Bw. beantragte mit Schreiben , von ihm unter Androhung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO zu verlangen, die im Schreiben des Finanzamtes vom genannten Unterlagen zu dem genannten oder einem anderen vom Finanzamt festzusetzenden Termin in das Finanzamt zu verbringen, und die Befolgung dieser Anordnung unter Festsetzung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Der Antrag wurde damit begründet, dass er ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstelle, um im Rechtsmittelverfahren vor dem Unabhängigen Finanzsenat bzw. in weiterer Folge im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eine Klärung der Frage zu finden, ob das ausdrückliche Verlangen des Abgabepflichtigen, die Einsichtnahme in die von ihm bereitzustellenden Belege ausschließlich in den Kanzleiräumen des steuerlichen Vertreters des Bw. vorzunehmen, den Bestimmungen des § 164 Abs 2 BAO entspreche. Diesbezüglich wurde angemerkt, der Bw. sei nicht bereit, die Gewahrsame über die fraglichen Belege aufzugeben.
Mit Zurückweisungsbescheid vom wurde der Antrag des Bw. mit der Begründung zurückgewiesen, dass die BAO keinen Antrag auf Androhung bzw. Festsetzung einer Zwangsstrafe vorsehe.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung vom beantragte der Bw. den Zurückweisungsbescheid aufzuheben, und eine meritorische Entscheidung zu treffen, indem
der Antrag mit der Begründung abgewiesen werde, dass vom Prüfungsorgan in dem beim Bw. derzeit stattfindenden Außenprüfungsverfahren die Vorlage von Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes in Ansehung des § 164 Abs. 2 BAO zu Unrecht verlangt worden sei, bzw.
in eventu dem Antrag stattgegeben werde, und dem Bw. die Vorlage der gegenständlichen Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes unter Androhung einer Zwangsstrafe aufgetragen werde.
Zur Begründung des Berufungsbegehrens wird ausgeführt, dass - wie sich schon aus dem Antrag vom und der diesem angeschlossenen Dienstaufsichtsbehörde an das Bundesministerium für Finanzen ersehen lasse - im Rahmen des Außenprüfungsverfahrens zwischen dem Prüfungsorgan und dem Bw. Streit darüber bestehe, ob dieser (sehr umfangreiche) Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes vorzulegen habe, oder ob das Prüfungsorgan in Ansehung des § 164 Abs. 2 BAO verpflichtet sei, diese Einsichtnahme in den Kanzleiräumen des steuerlichen Vertreters des Bw. vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund stelle der Antrag vom ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsdurchsetzung dar: Reagiere nämlich der Bw. auf eine Aufforderung zur Vorlage von Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes mit dem auf § 164 Abs. 2 BAO gestützten Verlangen, die Einsichtnahme in seinen Räumen bzw. in denen seines steuerlichen Vertreters durchzuführen, so habe die Abgabenbehörde die Möglichkeit mit Androhung bzw. Festsetzung einer Zwangsstrafe vorzugehen. Das beantragte Zwangsstrafenverfahren stelle somit dasjenige vorgezeichnete Verfahren dar, durch welches eine Klärung erlangt werden könne, ob die Vorlage der Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes zu erfolgen habe, oder ob der Bw. die Einsichtnahme in den Kanzleiräumlichkeiten seines steuerlichen Vertreters verlangen könne.
Bemerkt werde, dass auch das Bundesministerium für Finanzen in seiner Beantwortung der Dienstaufsichtsbeschwerde vom die Ansicht vertrete, dass die strittige Frage -sollte das Finanzamt die Rechtsauffassung des Prüfungsorgans teilen - im Wege eines Zwangsstrafenverfahrens zu klären sei, werde der Bw. doch im letzten Satz des Antwortschreibens ausdrücklich für den Fall unterschiedlicher Gesetzesauslegungen auf den Rechtsweg verwiesen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Den vom Finanzamt vorgelegten Unterlagen ist folgendes Verwaltungsgeschehen zu entnehmen:
Im Rahmen einer Außenprüfung besteht zwischen dem Prüfungsorgan und dem Bw. Streit darüber, ob das Prüfungsorgan verlangen könne, dass die zu prüfenden Unterlagen in das Finanzamt verbracht werden, oder ob der Bw. darauf beharren könne, dass ausschließlich in der Kanzlei seines steuerlichen Vertreters in Anwesenheit von Vertrauenspersonen in die Unterlagen Einsicht genommen werde. In Beantwortung der in diesem Zusammenhang vom Bw. an das Bundesministerium für Finanzen gerichteten Dienstaufsichtsbeschwerde wurde dem Bw. mitgeteilt, dass kein Grund für eine dienstaufsichtsbehördliche Maßnahme vorliege. Für den Fall unterschiedlicher Gesetzesauslegungen wurde der Bw. auf den Rechtsweg verwiesen.
Der Bw. bzw. sein steuerlicher Vertreter geht nun in seiner Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid davon aus, dass eine Klärung dieses Streitpunktes nur erfolgen könne, wenn über seinen Antrag auf Androhung und Verhängung einer Zwangsstrafe meritorisch entschieden wird.
Strittig ist somit, ob der Bw. einen Rechtsanspruch auf Erlassung eines Bescheides hat, der darüber abspricht, ob wegen der Verweigerung der Vorlage von zu prüfenden Unterlagen in den Amtsräumen eine Zwangsstrafe zu verhängen ist. Diesbezüglich sind folgende rechtliche Überlegungen anzustellen:
Gemäß § 111 Abs. 1 BAO sind die Abgabenbehörden berechtigt, die Befolgung ihrer auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffenen Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.
Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muss § 111 Abs. 2 BAO zufolge der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist.
Gemäß § 111 Abs. 4 BAO ist gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.
Zweck der Zwangsstrafe ist, die Abgabenbehörde bei Erreichung ihrer Verfahrensziele zu unterstützen und die Partei (z.B. Abgabepflichtiger, Auskunftsperson) zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten zu verhalten (vgl. Ritz, BAO³, § 111 Rz 1 und die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs).
Zwangsstrafen dürfen nur zur Erzwingung auf Grund gesetzlicher Befugnisse getroffener Anordnungen angedroht und festgesetzt werden (vgl. Ritz, BAO³, § 111 Rz 2). Die Festsetzung einer Zwangsstrafe zur Erzwingung einer nicht im Rahmen eingeräumter gesetzlicher Befugnisse getroffenen behördlichen Anordnung wäre (somit) rechtswidrig und müsste im Berufungsfall aufgehoben werden (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 111 Anm 3).
Daraus kann aber nicht das Recht einer sich den Anordnungen der Abgabenbehörde widersetzenden Partei auf Erlassung eines eine Zwangsstrafe festsetzenden Bescheides abgeleitet werden, damit nach Einbringung ordentlicher und außerordentlicher Rechtsmittel im Rahmen der darüber abzuführenden Verfahren die Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung geklärt werden kann. Ein Antragsrecht der sich den behördlichen Anordnungen widersetzenden Partei auf Erlassung eines eine Zwangsstrafe festsetzenden Bescheides ist nämlich in der das Abgabenverfahren regelnden Bundesabgabenordnung nicht vorgesehen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung festhält, sind schon nach der allgemeinen Verwaltungsrechtslehre Anträge immer dann zurückzuweisen sind, wenn zu ihrer Einbringung keinerlei Berechtigung besteht (vgl. , 1377/69, , 89/13/0052)
Da aber eine gesetzliche Berechtigung für einen Antrag auf Festsetzung einer Zwangsstrafe gemäß § 111 BAO nicht gegeben ist, hat das Finanzamt den in Streit stehenden Antrag des Bw. zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
Bezüglich des Argumentes, eine meritorische Entscheidung über den Antrag auf Androhung und Festsetzung einer Zwangsstrafe sei als notwendiges Verteidigungsmittel von enormer Wichtigkeit, sei angemerkt, dass das Ersuchen auf Vorlage der Unterlagen in den Amtsräumen des Finanzamtes mit Schreiben vom iSd § 164 Abs 2 BAO als verfahrensleitende Verfügung iSd § 94 BAO zu verstehen ist, da dadurch weder das Verfahren noch einen Verfahrensabschnitt abgeschlossen wird. Gemäß § 244 BAO ist gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen ein abgesondertes Rechtsmittel jedoch nicht zulässig. Solche Verfügungen können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden.
Daher können während der Außenprüfung aufgetretene Verfahrensfehler erst im Rahmen eines gegen die gegebenenfalls im Anschluss an die Außenprüfung erlassenen Bescheide anzustrengenden Rechtsmittelverfahrens aufgegriffen werden. In diesem Sinne ist auch der Hinweis im Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen vom zu verstehen, dass etwaige unterschiedliche Rechtsauffassungen auf dem Rechtsweg zu klären seien.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 164 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 111 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 111 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 111 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 94 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 244 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at