Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 12.09.2013, RV/2832-W/10

Freiwillige Abfertigung oder Kündigungsentschädigung?


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Miterledigte GZ:
RV/2830-W/10
RV/2831-W/10

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, Adresse, vertreten durch Goldsteiner und Partner, Steuerberatungs GmbH, 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 7, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag und des Säumniszuschlages für das Kalenderjahr 2006 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Bescheide betreffend Festsetzung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag bleiben unverändert.

Die Bescheide betreffend Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und Festsetzung eines Säumniszuschlages werden abgeändert. Die Lohnsteuer wird mit € 2.817,47 und der Säumniszuschlag wird mit € 56,34 festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Bei der Berufungswerberin (in Folge: Bw.) hat eine Prüfung der lohnabhängigen Abgaben (GPLA - Prüfung) für die Kalenderjahre 2006, 2007 und 2008 stattgefunden. Im Bericht wurde vom Prüfungsorgan festgehalten, dass laut einer Vereinbarung vom dem Dienstnehmer M die Weiterzahlung seines Lohns bis Ende November zugesagt worden sei. Bei der Lohnverrechnung seien die laufenden Bezüge für diesen Zeitraum als freiwillige Abfertigung behandelt worden. Im Zuge der Prüfung werde daher das Dienstverhältnis bis Ende November verlängert. Vom Prüfungsorgan wurde eine Hinzurechnung von € 17.925,00 für die Monate September bis November vorgenommen und die Lohnsteuer mit € 2.891,55, der Dienstgeberbeitrag mit € 806,63, der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag mit € 75,29 sowie ein Säumniszuschlag ermittelt.

Das Finanzamt hat sich den Prüfungsfeststellungen angeschlossen und der Bw. die sich aus der Neuberechnung ergebenden Abgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und den Säumniszuschlag) mit Bescheiden vom für das Kalenderjahr 2006 zur Zahlung vorgeschrieben.

Gegen die Bescheide hat der steuerliche Vertreter Berufung erhoben. In der Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das Dienstverhältnis mit M in einer Vergleichsvereinbarung vorzeitig einvernehmlich mit gelöst worden sei. Um den Dienstnehmer zu dieser einvernehmlichen Auflösung zu bewegen, sei die Auszahlung einer freiwilligen Abfindung in Höhe von € 18.000,00 vereinbart worden. Diese Abgangsentschädigung sei bei der Abrechnung August 2006 als freiwillige Abfertigung ausbezahlt und nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 mit dem festen Steuersatz von 6% versteuert worden.

Weiters wurde ausgeführt, dass nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 sämtliche Abfertigungen und Abfindungen die aus Anlass der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bezahlt würden, sozialversicherungsfrei seien und nicht dem Dienstgeberbeitrag, dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und der Kommunalsteuer unterlägen. Diese Bestimmung umfasse somit freiwillige Abfertigungen genauso wie Abgangsentschädigungen. Außerdem wurde vom steuerlichen Vertreter noch angeführt, dass nach § 49 Abs. 3 Z 7 ASVG diese Vergütungen nicht als Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1 und 2 ASVG gelten. Beitragsfrei blieben Abgangsentschädigungen. Bei diesen handle es sich meist um einmalige Abfindungszahlungen an einen Dienstnehmer, um diesen zu einer vorzeitigen (meist einvernehmlichen) Auflösung des Dienstverhältnisses zu bewegen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung hat das Finanzamt dargelegt, dass eine freiwillige Abfertigung nur dann nachträglich aus einem Vergleich herausgerechnet werden könne, wenn bereits zu Beginn des Dienstverhältnisses die Bezahlung einer solchen Abfertigung vereinbart worden wäre. Es widerspreche auch den Erfahrungen des täglichen Lebens, wenn ein Dienstverhältnis in Form eines Vergleiches beendet werde, auch noch eine freiwillige Abfertigung zuzuerkennen.

Vom steuerlichen Vertreter der Bw. wurde daraufhin ein Vorlageantrag eingebracht. Ergänzend wurde ausgeführt, dass M Gesellschafter und Geschäftsführer der Bw. gewesen sei. Sein Anteil habe 24% betragen. Das Dienstverhältnis sei nicht in Form eines Vergleiches beendet worden, sondern es sei eine Vereinbarung getroffen worden, dass neben der gesetzlichen Abfertigung auch eine freiwillige Abfertigung zur Auszahlung gelangte, damit M einer rascheren Übertragung der Geschäftsanteile zustimme sowie die Abberufung als Geschäftsführer habe durchgeführt werden können. Bei einer Kündigung durch den Dienstgeber hätte die gesetzliche Kündigungsfrist erst mit geendet. Die freiwillige Abfertigungszahlung sei keine Vergleichszahlung und daher nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 abgerechnet worden. Es werde daher die ersatzlose Aufhebung der Bescheide beantragt und außerdem der Antrag gestellt eventuell die Besteuerung der Abgangsentschädigung gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 vorzunehmen.

Da eine Berechnung der Lohnsteuernachforderung im Prüfungsakt nicht enthalten war, wurde das Finanzamt ersucht eine rechnerische Darstellung der Nachforderung zu übermitteln und zum vom steuerlichen Vertreter im Vorlageantrag gestellten Eventualantrag, die Abgangsentschädigung nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 zu versteuern, Stellung zu nehmen. Das Finanzamt ist diesem Ersuchen nachgekommen und hat eine Berechnung der Nachforderung übermittelt und bekannt gegeben, dass, da die Zahlung in Form eines Einmalbetrages erfolgte, kein Einwand gegen die Besteuerung der Zahlung gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 vorliege.

Über die Berufung wurde erwogen:

Auf Grund der vorliegenden Unterlagen wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Aus einer von der Referentin eingeholten Firmenbuchabfrage geht hervor, dass die Bw. infolge rechtskräftiger Abweisung eines Antrages auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens aufgelöst ist. Am Datum erfolgte die Löschung der Firma gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit.

Die Löschung der GmbH im Firmenbuch hat nach übereinstimmender Rechtsprechung der Höchstgerichte bloß deklaratorischen Charakter (vgl. und ). Eine GmbH besteht auch nach ihrer Löschung im Firmenbuch fort, solange Rechtsbeziehungen zu Gläubigern oder Schuldner bestehen. Die Rechtspersönlichkeit der GmbH besteht daher solange fort, als noch ein Abwicklungsbedarf besteht, was dann der Fall ist, wenn Abgabenverbindlichkeiten einer solchen GmbH bescheidmäßig festzusetzen sind (vgl. Ritz, BAO Kommentar, § 79 Tz 11). Der ehemalige Geschäftsführer fungiert in diesem Stadium als "geborener Liquidator" (vgl. ), weshalb diese Berufungsentscheidung an den ehemaligen Geschäftsführer zu richten ist.

M stand in einem Dienstverhältnis zur Bw. Laut Firmenbuchauszug war M bis zum auch Geschäftsführer und Gesellschafter der Bw. Die Vereinbarung vom umfasst 9 Punkte. Im Punkt 1 ist ua. angeführt, dass M per als Geschäftsführer der Bw. ausscheidet und mit der Abrechnung noch die Gehälter bis sowie der aliquote 13. und 14. Monatsgehalt und der gesetzliche Abfertigungsanspruch ausbezahlt werden. Urlaubsanspruch und sonstige Ansprüche bestehen per nicht. Nach dem vorliegenden Lohnkonto für das Kalenderjahr 2006 hat die Bw. an M von Jänner bis August Löhne ausbezahlt. Auf der Monatsabrechnung August ist der laufende Bruttobezug, der Sachbezug PKW, die aliquoten Sonderzahlungen, die gesetzliche Abfertigung (€ 22.184,64), die freiwillige Abfertigung (€14.143,05), die Bemessungsgrundlagen (Sozialversicherung und Lohnsteuer für laufende Bezüge und Sonderzahlungen) sowie die Abzüge (Sozialversicherung und Lohnsteuer) angegeben. Die Lohnsteuer für den laufenden Bezug ist mit € 4.041,10 und die Lohnsteuer für die Sonderzahlung(en) ist mit € 2.515,16 am monatlichen Gehaltszettel für August ausgewiesen.

Strittig ist im vorliegenden Fall nach welcher Bestimmung des § 67 EStG 1988 der als freiwillige Abfertigung bezeichnete Betrag zu versteuern ist.

Rechtliche Erwägungen

Gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 sind sonstige Bezüge, die bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses anfallen (wie zum Beispiel freiwillige Abfertigungen und Abfindungen), mit den Steuersätzen des Abs. 1 zu versteuern, soweit sie insgesamt ein Viertel der laufenden Bezüge der letzten zwölf Monate nicht übersteigen. Für die über dieses Ausmaß hinausgehenden freiwilligen Abfertigungen trifft Abs. 6 weitere detaillierte Regelungen.

Gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 sind Kündigungsentschädigungen sowie andere Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume mit dem Steuersatz zu versteuern, der dem laufenden Bezug des Kalendermonats der Auszahlung entspricht. Diese Bezüge sind insoweit begünstigt, als ein Fünftel (nach Abzug der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge) steuerfrei bleibt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfasst die begünstigte Besteuerung des § 67 Abs. 6 EStG 1988 nur solche Bezüge, deren unmittelbare Ursache die Beendigung des Dienstverhältnisses ist (vgl. mit weiteren Nachweisen).

Von einer freiwilligen Abfertigung im Sinne des § 67 Abs. 6 EStG 1988 kann nicht gesprochen werden, wenn eine Zahlung geleistet wird, um den Dienstnehmer zur vorzeitigen Auflösung eines Dienstvertrages zu bewegen. Derartige Zahlungen fallen unter die Bestimmung des § 67 Abs. 8 EStG 1988 (siehe zum insofern vergleichbaren § 67 EStG 1972 das Erkenntnis des ).

Bei Vorliegen eines der in § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 genannten Fälle hat die Versteuerung auch dann nach dieser Bestimmung - und nicht gemäß § 67 Abs. 6 EStG 1988 - zu erfolgen, wenn ein Zusammenhang mit der Beendigung eines Dienstverhältnisse besteht, wie dies bei Kündigungsentschädigungen und Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen für künftige Lohnzahlungszeiträume in der Regel der Fall sein wird.

Der steuerliche Vertreter der Bw. hat nach Auffassung der Berufungsbehörde glaubhaft dargelegt, dass die Zahlung an M deswegen erfolgte um ihn zur vorzeitigen Auflösung seines Dienstverhältnisses zu bewegen. Eine Besteuerung dieser Zahlung hat nach den vorstehenden Ausführungen nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 zu erfolgen. Auf der vorliegenden Gehaltsabrechnung für August wurde die Zahlung von der Bw. wie folgt abgerechnet:

Sonderzahlungen:


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UR/WR
€ 5.849,49
Gesetzliche Abfertigung
€ 22.184,64
Freiwillige Abfertigung
€ 14.143,05
Summe
€ 42.177,18
SV SZ
€ 257,79
BMG SZ
€ 41.919,39
6% LSt
€ 2.515,16

Bei den laufenden Bezügen für August 2006 wurde eine freiwillige Abfertigung von € 3.856,95 in die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuer miteinbezogen und die Lohnsteuer von der Bw. mit € 4.014,10 am Gehaltszettel ausgewiesen. Dies bedeutet, wenn man den Betrag der freiwilligen Abfertigung von € 3.856,95 aus der Bemessungsgrundlage der laufenden Bezüge ausscheidet, dass die Lohnsteuer von den laufenden Bezügen € 2.112,63 beträgt. Somit entfällt auf die freiwillige Abfertigung € 1.928,47 (€ 4.014,10-€ 2.112,63) Lohnsteuer. Insgesamt wurden von der Bw. für die freiwillige Abfertigung € 2.777,05 (€ 1.928,47 und € 848,58/ 6% von € 14.143,05) Lohnsteuer einbehalten.

Da die Besteuerung nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 zu erfolgen hat, ist der von der Bw. als freiwillige Abfertigung bezeichnete Betrag von € 14.143,05 und von € 3.856,95 somit insgesamt € 18.000,00 wie folgt zu versteuern:


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Zu versteuernder Betrag
€ 18.000,00
Frei gem. § 3 (1) 15 lit. a EStG 1988
€ 75,00
Summe
€ 17.925,00
Abzüglich Sozialversicherung
€ 2.025,00
Abzüglich Pendlerpauschale
€ 67,50
Bemessungsgrundlage
€ 15.832,50
Ein Fünftel
€ 3.166,50
Bemessungsgrundlage
€ 12.666,00
Lohnsteuer laut Tarif
€ 5.595,00
Lohnsteuer entrichtet
€ 2.777,53
Lohnsteuernachforderung
€ 2.817,47

Dem Berufungsbegehren auf Versteuerung der Abgangsentschädigung gemäß § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 konnte gefolgt werden. Auf Grund der oben dargestellten Berechnung beträgt die Nachforderung an Lohnsteuer € 2.817,47.

Säumniszuschlag

Nach § 217 Abs. 1 BAO sind, wenn eine Abgabe, ausgenommen Nebengebühren (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO), nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet wird, Säumniszuschläge entsprechend den im § 217 BAO nachfolgenden Bestimmungen zu entrichten. Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung normiert, dass der erste Säumniszuschlag 2% des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages beträgt. Abs. 10 leg. cit. bestimmt, dass Säumniszuschläge, die den Betrag von € 50,00 nicht erreichen, nicht festzusetzen sind, was für Abgaben deren Selbstberechnung nach Abgabenvorschriften angeordnet oder gestattet ist, mit der Maßgabe gilt, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgaben- oder Haftungsbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.

Durch die Versteuerung der Abgangsentschädigung nach § 67 Abs. 6 EStG 1988 bzw. in der Berufungsentscheidung nach § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 ist von der Bw. für das Kalenderjahr 2006 zu wenig Lohnsteuer abgeführt worden. Die Vorschreibung des Säumniszuschlages wegen nicht rechtzeitiger Entrichtung der Lohnsteuer erfolgte daher vom Finanzamt zu Recht.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at