Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 17.12.2009, RV/3911-W/08

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des ES, vertreten durch GP, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Der Berufung wird insoweit Folge gegeben, als die Haftung auf € 11.096,24 anstatt € 51.687,40 eingeschränkt wird.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 Abs. 1 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der S-GmbH im Ausmaß von € 51.687,40 in Anspruch.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Bw im Wesentlichen aus, dass er in der Zeit von bis im Firmenbuch als Geschäftsführer des Unternehmens R-GmbH - nach Änderung des Firmenwortlautes S-GmbH - eingetragen gewesen sei.

Bei der Gründung, welche durch die Gesellschafter im Jahr 1999 erfolgt sei, sei ein interimistischer Geschäftsführer gesucht worden. Hiezu habe sich der Bw bereit erklärt. Er habe für diese Tätigkeit weder ein Gehalt noch einen Sachbezug oder gar eine Aufwandsentschädigung erhalten. Ziel seitens der Gesellschafter sei gewesen, dass in weiterer Folge ein anderer Geschäftsführer mit der hauptamtlichen Tätigkeit betraut werde. Die Arbeitsleitung des Bw sei daher in der gesamten Geschäftsführertätigkeit unentgeltlich gewesen.

In diesem Zusammenhang sei eine Erklärung zwischen sämtlichen Gesellschaftern und Geschäftsführern am abgeschlossen worden, welche der Behörde erster Instanz bereits mit Schriftsatz vom übermittelt worden sei. Daraus gehe hervor, dass der Bw lediglich interimistisch mit der Führung der Geschäfte betraut worden sei, hinsichtlich seiner Tätigkeit eine Schad- und Klagloserklärung übermittelt worden sei und eine Entpflichtungserklärung hinzugekommen sei. In weiterer Folge hätte der effektive Geschäftsführer KF mit der Geschäftsführung betraut werden sollen.

Obgleich eine Eintragung dessen Geschäftführerposition im Firmenbuch nicht erfolgt sei, sei KF seitens der Gesellschafter mit der vollen Geschäftsführungstätigkeit betraut worden. In dessen Verantwortungsbereich sei nicht nur die wirtschaftliche Gebarung des Unternehmens aus dem laufenden Betrieb gefallen, sondern auch insbesondere die Abwicklung aller finanziellen Angelegenheiten aus dem laufenden Betrieb, so im Wesentlichen auch gegenüber der GKK und den Finanzbehörden. Die Tätigkeit des Bw als eingetragener Geschäftsführer habe sich daher in weiterer Folge lediglich auf Verhandlungen mit den Förderstellen beschränkt, wobei im Rahmen dieser Gespräche mehrere Banken eingebunden gewesen seien.

Die Eintragung des KF hätte Ende 2001 erfolgen sollen, jedoch sei diese aufgrund seines eigenen Wunsches um ein paar Monate verschoben worden und hätte erst ab Juni 2002 durchgeführt werden sollen. Da offensichtlich die schlechte finanzielle Situation des Unternehmens KF als Ersten vor Ort bewusst geworden sei, habe dieser zur Überraschung sämtlicher Gesellschafter mit Ende Mai 2002 die Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt. Aufgrund dieses Umstandes sei seitens des Bw eine Sichtung der Unterlagen vorgenommen und erkannt worden, dass es zu einem Liquiditätsengpass aus dem laufenden Betrieb komme, zumal die Förderungsmittel noch nicht zur Gänze flüssig gestellt worden seien. Auf Basis dieses Umstandes hin sei durch den Bw ein Bericht an die Gesellschafter übermittelt und gleichzeitig eine ordentliche Generalversammlung einberufen worden, um die damalige Situation zu erörtern. Insbesondere sei darauf hingewiesen worden, dass eine Unterkapitalisierung eingetreten sei, sodass die Gesellschafter anteilmäßig Nachschüsse vornehmen müssten. Gleichzeitig sei darauf gedrungen worden, dass ein Nachfolger des effektiven Geschäftsführers vor Ort gefunden werde, und sei dies von sämtlichen Gesellschaftern zugesagt worden.

Ein Nachfolger sei in Herrn JW gefunden worden, welcher bis zu seiner Eintragung in das Firmenbuch die Durchführung jener Aufgaben vor Ort übertragen bekommen habe, welche KF bislang durchgeführt habe. Darunter seien insbesondere sämtliche Agenden gegenüber den Abgabenbehörden gefallen. Seitens des Bw seien die Verhandlungen wegen der Förderungszusagen weitergeführt und mehrfache Sitzungen in W abgehalten worden.

Gleichzeitig sei eine mehrfache außerordentliche Generalversammlung einberufen worden, um auf die wirtschaftliche Situation hinzuweisen, zumal die Absatzmärkte nicht in der gewünschten Art expandiert seien. In der Zwischenzeit seien allfällige laufende Zahlungen von laufenden Ansprüchen auf Weisung des Bw, soweit es in seinem Einflussbereich gelegen sei, unterbunden und ein dementsprechendes Schreiben an die jeweiligen Gläubiger übermittelt worden. Inhalt dieser Schreiben sei das Ersuchen um Abstandnahme von Eintreibungsmaßnahmen gewesen, da in weiterer Folge die Förderungslinien wieder hätten geöffnet werden sollen und dementsprechend die Liquidität des Unternehmens wieder hätte hergestellt werden können.

Dementsprechend seien aufgrund der offenen Postenliste laut Beilage "Altlasten" per keine Zahlungen mehr vorgenommen worden. Sollten tatsächlich einzelne Kleingläubiger bezahlt worden sein, so sei dies ohne Rücksprache mit dem Bw durch Herrn JW unter Beiziehung der Gesellschafter oder seitens des Steuerberaters erfolgt, welcher Zugang zu den Konten gehabt habe. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass derartige Kleinrechnungen Zug-um-Zug Geschäfte darstellten.

In der Zeit vom bis habe sich der Bw auf Urlaub befunden und diesen vorzeitig abgebrochen, da überraschend die S-AG, welche mit im Förderpool gewesen sei, die Kredite fällig gestellt habe. Dies sei insofern deshalb besonders überraschend, da in der Zeit des Urlaubs des Bw die S-AG dazu ein Förderungskonzept hätte erstellen sollen.

Durch den Verlust dieser positiven Finanzmittel sei daher der Bw verpflichtet gewesen, unverzüglich den Konkursantrag zu stellen, wobei dieser Antrag auch tatsächlich eingebracht worden sei. Die Einbringung sei innerhalb der 60 Tage Frist laut § 69 Abs. 2 KO und sohin zeitgerecht erfolgt. Wenige Tage danach habe die S-AG erklärt, dass es sich bei der Fälligstellung um einen Irrtum gehandelt habe, sodass rein theoretisch die Förderung hätte ausgeschüttet werden können. Infolge der zwischenzeitig eingetretenen Konkurseröffnung hätten nunmehr keine Förderungen ausgezahlt werden können. Es habe daher bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung und der Übermittlung der Kreditfälligstellung durch die S-AG eine positive Fortführungsprognose bestanden, sodass ein Verschulden wegen verspäteter Insolvenzeröffnung dem Bw nicht anzulasten sei.

Darüber hinaus sei durch die tatsächliche Geschäftsaufteilung der Geschäftsführung im Hinblick auf die Übertragung der Pflichten gegenüber dem Finanzamt an KF und JW diese aus den Agenden des Bw ausgeschieden. Damit bestehe auch keine unmittelbare Haftungsverpflichtung, da die Kontrolle auch tatsächlich durch den Bw durchgeführt worden sei und diese letztendlich durch die fristgerechte Antragsstellung beim Konkursgericht dokumentiert sei.

Eine Gläubigerbevorzugung habe ebenfalls nicht stattgefunden, zumal durch die Mitteilung des Zahlungsstopps an sämtliche Gläubiger und dem Ersuchen, vorerst von Einbringungsmaßnahmen Abstand zu nehmen, die Weisung des Bw eindeutig dokumentiert sei, dass keine Gläubigerbevorzugung eintrete.

Im erstinstanzlichen Verfahren seien Buchhaltungsunterlagen übermittelt worden. Dadurch sei dokumentiert, dass dem Bw keine Pflichtverletzung angelastet werden könne, da die liquiden Mittel am mit € 2.348,41 vorhanden gewesen seien, im Zeitpunkt der Konkurseröffnung (am ) diese letztlich mit null angesetzt gewesen seien.

Bekanntlich müsse jedoch vor einer Konkurseröffnung ein Kostenvorschuss in der Höhe von € 3.000,00 erlegt werden, sodass die vorhandenen Kassabestandsmittel in die Konkurseröffnungsgerichtsgebühren geflossen seien. Die offenen Verbindlichkeiten (fällig) hätten am € 1,655.879,62 und am € 6,323.078,90 betragen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass in der Beobachtungzeit bis ein vorwerfbarer Abbau der Finanzmittel und deren Befriedigungsquote eingetreten wären, so errechne sich eine Verteilungsquote am von 0,14% im Gegensatz zu 0% am . Bei dieser Berechnung bleibe auch die Argumentation zu Gunsten des Bw, nämlich dass innerhalb von 60 Tagen ab Feststellung der Überschuldung und der negativ zu beurteilenden Fortführungsprognose gemäß § 69 KO der Konkursantrag zu stellen sei und die Pauschalgebühr für die Eröffnung des Antrages von rund € 3.000,00 seitens der Konkursmasse zu zahlen sei, unberücksichtigt. Bei Berücksichtigung der Konkurseröffnungskosten ergäbe sich eine Nullquote sowohl per 15. August als auch am .

Wie aus dem Anmeldeverzeichnis des Insolvenzverfahrens über die S-GmbH ersichtlich sei, seien auch für die letzten Monate keine Löhne mehr bezahlt worden. Am seien keine liquiden Mittel im maßgeblichen Umfang vorhanden gewesen, welche die Ansprüche der Finanzbehörde hätten befriedigen können, sodass von einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht ausgegangen werden könne. In der vorgelegten Abrechnung, aber auch aus dem Konkursakt sei eindeutig ersichtlich, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Ansprüche keine liquiden Mittel vorhanden gewesen seien, sodass eine Verpflichtung zur Überweisung nicht bestanden habe. Vielmehr sei die Verpflichtung nach § 69 KO vorgelegen, innerhalb der 60 Tage Frist die Insolvenz zu beantragen. Diese Frist sei auch tatsächlich eingehalten worden, zumal die Kreditfälligstellung und Rückziehung der Förderungsansprüche bei der S-AG die negative Fortführungsprognose habe eintreten lassen.

Darüber hinaus sei der Bw lediglich als Geschäftsführer im Firmenbuch ersichtlich gewesen. Intern seien für die Finanzabwicklungen zwei weitere Vertreter, und zwar vorerst KF und in weiterer Folge JW mit der Geschäftsführung effektiv betraut worden. Für den Bw habe es lediglich eine Überwachungsverpflichtung gegeben, der er nachweislich entsprochen habe.

Mit Berufungsvorentscheidung vom schränkte das Finanzamt die Haftung auf € 8.291,84 ein.

Mit Eingabe vom beantragte der Bw die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit Eingabe vom brachte der Bw ergänzend vor, dass es nicht richtig sei, dass allfällige Missverständnisse zwischen dem Abgabenschuldner einerseits und der finanzierenden Bank andererseits im konkreten Fall keinen Einfluss auf die Folgehaftung gegenüber Finanzverbindlichkeiten hätte.

Im Zuge der dargelegten Unterlagen sei ersichtlich, dass durch die irrtümliche Schließung der Kontorahmen durch das Bankinstitut der Bw ohne Verschulden an der Durchführung der Zahlungsverpflichtungen an die Behörde gehindert gewesen sei. Ein Verschulden sei jedoch der maßgebliche Umstand, der die Haftungsbegründung auslöse, sodass dieser Umstand sehr wohl in die Erwägungen der Behörde miteinzubeziehen sei.

Selbst für die Beträge in Höhe von € 1.038,52 (L 6/2002), € 6.786,23 (L 7/2002) und € 130,96 (L 1-7/2002) sei keine Haftung des Bw gegeben. In der Beilage sei eine Aufstellung der Bankgeschehnisse in der Zeit vom 31. Juli bis beigelegt. Aus dieser Aufstellung ergebe sich, dass den Bw keine Schuld an der Nichtentrichtung der Lohnsteuer bis 7/2002 treffe. Aufgrund des § 78 Abs. 3 EStG sei davon auszugehen, ob zum Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne von objektiven Gesichtspunkten aus eine Gefahr dafür bestanden habe, dass auch die anteiligen Lohnsteuern am Fälligkeitstag an das Finanzamt gezahlt werden könnten. Umgelegt auf den konkreten Fall ergebe sich daher, dass in der Zeit von der Auszahlung der Löhne und Gehälter am bis zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer und Lohnabgaben am die Verhältnisse ohne Verschulden des Bw sich so dramatisch verändert hätten, dass die Zahlung der Lohnsteuer an das Finanzamt nicht mehr möglich gewesen sei.

Gemäß dem Kontostand bei der S-AG, Zessionskonto der Rezyrit Kunststoffverwertung GmbH, habe sich am ein Kontostand von € -105.281,15 ergeben. Ausnutzbar sei ein Betrag bis zu € 726.728,34 gewesen. Am habe das Konto € -173.928,17 betragen. Eine Ausnutzung sei daher zu diesem Zeitpunkt wegen der Umbuchung von Bankspesen auf das Zessionskonto nicht mehr möglich gewesen. Am habe der Kontostand € -172.235,73 betragen, jedoch habe die S-AG jegliche Auszahlung verweigert. Da am laut Schreiben der S-AG die zukünftigen Einnahmen aus der laufenden Zession freigegeben würden, sei in der DS ein neues Zessionskonto der R-GmbH eröffnet worden, welches jedoch mit Eröffnung am lediglich mit Kreditgebühren belastet gewesen sei und daher einen Minusstand von € 2.840,47 aufgewiesen habe und erst durch Zubuchungen am und letztlich zu einem Kontoplus von einem ausnutzbaren Rahmen von € 3.923,29 geführt habe. Es sei daher die R-GmbH Mitte August 2002 nicht in der Lage gewesen, die ausstehenden Steuern aus den vorangegangenen ausbezahlten Löhnen zu bezahlen, obgleich zum Zeitpunkt der Lohnauszahlung Ende Juli in Folge des offenen Rahmens bei dem Zessionskredit der S-AG die Auszahlungsmöglichkeit vorgelegen sei.

Es werde daher ergänzend die Aufstellung des Bw vom einhergehend mit der Kontobewegungsaufstellung der S-AG (eingehend in der Anfechtungsklage des Masseverwalters im Konkursverfahren über die Gemeinschuldnerin) sowie weiters der Girokontoauszug der DS und die Seite 24 der Anfechtungsklage des Masseverwalters gegenüber der S-AG sowie letztlich die Zessionsfreigabeerklärung der S-AG vorgelegt. Daraus sei letztlich der Umstand nachweisbar, dass die Vermögenssituation zwischen und ohne Verschulden des Bw in einer Weise sich geändert habe, welche die gleichmäßige Befriedigung des Finanzamtes nicht mehr zugelassen habe.

Darüber hinaus werde aus advokatorischer Vorsicht noch vorgebracht, dass die Geltendmachung der Haftung für Lohnsteuer nur insoweit zulässig sei, als die betreffende Abgabe im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides noch nicht entrichtet sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Beträge insoweit bezahlt worden seien, da nach erfolgten Jahresausgleichen von den einzelnen Dienstnehmern die Einkommensteuerbescheide erlassen worden seien. Hinsichtlich dieser Teilbeträge sei daher eine Haftungsbescheiderlassung unzulässig ().

Mit Eingabe vom übermittelte der Bw auf Vorhalt vom ein Schreiben des Bw vom an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S-GmbH, eine interne Mitteilung des KF vom , einen Gesellschafterbeschluss vom , ein Rundschreiben der R-GmbH vom , Schreiben des KF vom und , ein Schreiben des Bw vom an alle Gesellschafter, eine Besprechungsnotiz vom betreffend Übernahme der Unternehmensleitung durch KF, eine Vereinbarung betreffend Entpflichtung des JW bezüglich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der R-GmbH , eine von JW als Geschäftsleitung gezeichnete Information der Herstellergarantie und ein Schreiben des Herrn I (Gesellschafter) vom an

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Laut Eintragung im Firmenbuch oblag dem Bw. als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Gs vom die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft.

Bezüglich der eingewendeten "effektiven" Geschäftsführung durch KF und JW, denen die Pflichten gegenüber dem Finanzamt übertragen worden seien, ist vorerst darauf hinzuweisen, dass lediglich der Bw als Geschäftsführer im Firmenbuch eingetragen und dem Finanzamt mit Eingabe vom als zeichnungsberechtigter Geschäftsführer bekanntgegeben wurde. Auch wurden zahlreiche Eingaben an das Finanzamt (etwa die Erklärung gemäß § 6 Abs. 3 UStG vom , Abgabenerklärungen für 1999 vom und für 2000 vom , Umsatzsteuervoranmeldung für Oktober 2001 vom ) vom Bw unterfertigt.

Auch lässt schon die Bezeichnung "effektiv" ebenso wie die Bezeichnung "de facto" erkennen, dass es sich hier um eine rechtliche, jedenfalls nicht um eine Dritten gegenüber rechtlich wirksame Beschränkung der Geschäftsführerbefugnisse des Bw handelt (vgl. , 0169). Obwohl dem Bw bereits in der Berufungsvorentscheidung vorgehalten wurde, dass ein De-facto-Geschäftsführer kein Vertreter im Sinne des § 80 Abs. 1 BAO und des § 18 Abs. 1 GmbHG ist, ist der Bw dem im Vorlageantrag nicht entgegengetreten und hat zudem der Aufforderung auf Vorlage der Bestellungsbeschlüsse des KF und des JW zu Geschäftsführern der S-GmbH mit Vorhalt vom nicht entsprochen. Vorgelegt wurden lediglich ein - nicht unterfertigter - Gesellschafterbeschluss vom über die Übertragung des operativen Geschäftes (Unternehmensleitung der R-GmbH) an KF sowie eine - ebenfalls nicht unterfertigte - Vereinbarung betreffend Entpflichtung des JW bezüglich seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der R-GmbH. Allerdings geht aus dem Schreiben des Gesellschafters I vom hervor, dass KF vorerst als Mitglied der Geschäftsleitung (Unternehmensleiter) tätig war, d.h. ohne die sonst üblichen Haftungen und Verbindlichkeiten eines Geschäftsführers. In der Besprechungsnotiz vom mit KF wird dessen Tätigkeit bis zur Übernahme der Geschäftsführung, wobei inzwischen der Bw Geschäftsführer bleibt, als Handlungsbevollmächtigter in der Funktion Unternehmensleitung bezeichnet. Da KF somit vorerst als Unternehmensleiter, aber noch nicht als Geschäftsführer eingestellt wurde, vermag die Zeichnung diverser Schreiben durch ihn als Geschäftsleiter keinesfalls seine Funktion als Geschäftsführer darzulegen.

Bestätigt wird dies zudem durch das Schreiben des Bw vom an den Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S-GmbH, in welchem der Bw ausführt, dass im Juni 2001 KF de facto die Geschäftsführungsagenden übernommen habe. Anfang Juni 2002 sei JW als Assistent der Geschäftsleitung und designierter Geschäftsführer aufgenommen worden. Er habe seitdem die operativen Agenden der Gesellschaft geleitet. Der Behauptung, KF und JW wären als Geschäftsführer bestellt worden, kann somit nicht gefolgt werden, zumal auch eine Beendigung der Geschäftsführungsfunktion des Bw, der laut Besprechungsnotiz vom und Schreiben vom wohl nur bis zu deren Bestellung als Geschäftsführer interimistisch bleiben sollte, nicht einmal behauptet wurde.

Dem Einwand, dass die Arbeitsleistung des Bw in der gesamten Geschäftsführertätigkeit unentgeltlich gewesen sei, ist zu entgegnen, dass dies nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () der Annahme der schuldhaften Pflichtverletzung nicht entgegensteht.

Die nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Aufhebung des Konkurses gemäß § 139 KO mit Beschluss des Gs vom fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Dem Einwand des Bw., dass KF und JW mit der effektiven Geschäftsführung betraut worden seien, ist zu entgegnen, dass der verantwortliche Vertreter nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht von seiner Verantwortung befreit wird, wenn er seine abgabenrechtlichen Pflichten auf eine andere Person überträgt. Es treffen ihn in einem solchen Fall Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung zu Haftungsfolgen nach § 9 BAO führen kann. Es gehört zu den Pflichten des zur Vertretung einer juristischen Person Berufenen, durch geeignete Aufsichts- und Überwachungsmaßnahmen, insbesondere durch Einrichtung von Kontrollmechanismen dafür Sorge zu tragen, dass die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten tatsächlich erfolgt. Der zur Vertretung einer juristischen Person Berufene hat die Tätigkeit der von ihm beauftragten Person in solchen Abständen zu überprüfen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten verborgen bleibt (vgl. Ritz, Bundesabgabenordnung³, § 9 Tz 13). Der Bw. hat konkrete Umstände, aus denen sich ergäbe, dass ihm trotz pflichtgemäßer Überwachung der mit den abgabenrechtlichen Agenden betrauten Personen die Abgabenrückstände verborgen bleiben konnten, nicht behauptet.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Bezüglich der mit Haftungsbescheid geltend gemachten Lohnsteuer ergibt sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr durch den Bw nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 90/13/0143) aus der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichen, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstellt.

Der unter Hinweis auf das zu § 47 Abs. 3 EStG ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/13/0004, vorgebrachte Einwand, dass die Geltendmachung der Haftung für Lohnsteuer nur insoweit zulässig sei, als die betreffende Abgabe im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides noch nicht entrichtet sei, ist schon deshalb nicht zielführend, weil dieses Erkenntnis die Haftung des Arbeitgebers für einzubehaltende Lohnsteuer und nicht die Haftung gemäß § 9 BAO betrifft.

Abgesehen davon, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () die Meldung von einbehaltenen Lohnabgaben an das Finanzamt dafür spricht, dass die entsprechenden Löhne auch tatsächlich ausbezahlt worden sind, ist dem Einwand, dass auch für die letzten Monate keine Löhne mehr bezahlt worden seien, zu entgegnen, dass der Bw in der Eingabe vom selbst den Zeitpunkt der Auszahlung der Löhne und Gehälter mit konkretisiert hat.

Dass für die Entrichtung der übrigen haftungsgegenständlichen Abgaben keine (ausreichenden) Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw mit dem Hinweis auf eine dramatische Veränderung der Verhältnisse nach Auszahlung der Löhne und Gehälter am , sodass die Zahlung der Lohnsteuer an das Finanzamt nicht mehr möglich gewesen sei, für die Zeit ab August 2002 behauptet.

Für die Entrichtung des Dienstgeberbeitrages 2001 in Höhe von € 2.808,00 und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag 2001 in Höhe von € 314,24, welche am fällig wurden und mit Bescheid vom festgesetzt wurden, standen der Gesellschaft somit ausreichende Mittel zur Verfügung, zumal durch die Verbuchung der Umsatzsteuer 12/2001 am am Abgabenkonto der Gesellschaft ein Guthaben in Höhe von € 41.005,27 entstand, welches am rückgezahlt wurde.

Zum stand der Gesellschaft laut Eingabe vom bei fälligen Verbindlichkeiten in Höhe von € 1,655.879,62 an liquiden Mittel ein Betrag von € 2.348,41 zur Verfügung, sodass sich eine Quote der liquiden Mittel zu den fälligen Verbindlichkeiten von 0,14% errechnet. Entsprechend dem Gleichbehandlungsgrundsatz hätten die am fälligen haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten - mit Ausnahme der Lohnsteuer, für die zufolge der Bestimmung des § 78 Abs. 3 EStG Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gilt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar³, § 9 Tz 11) - mit dieser Quote befriedigt werden müssen. Aufgrund des Nachweises, welcher Betrag bei anteilsmäßiger Befriedigung der Forderungen an die Abgabenbehörde abzuführen gewesen wäre, haftet der Bw somit nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nur für die Differenz zwischen diesem und der tatsächlich erfolgten Zahlung. Die Haftung war daher hinsichtlich der Umsatzsteuer 6/2002 in Höhe von € 12.748,89 auf den bereits in der Berufungsvorentscheidung vom angeführten Betrag von € 17,85 einzuschränken. Da auch die Kammerumlage 4-6/2002 in Höhe von € 313,91 am fällig wurde, war die Haftung auch diesbezüglich auf € 0,44 zu vermindern.

Die Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 7/2002 in Höhe von € 27.546,65 kann dem Bw nicht als schuldhafte Pflichtverletzung zum Vorwurf gemacht werden, weil diese erst am fällig wurde, also zu einem Zeitpunkt, in dem der Bw infolge Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft am nicht mehr darüber verfügungsberechtigt war.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () bezüglich der verbleibenden haftungsgegenständlichen Abgaben auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der S-GmbH im Ausmaß von € 11.096,24 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Geschäftsführer
schuldhafte Pflichtverletzung
Uneinbringlichkeit
Überwachungsmaßnahmen
De-facto-Geschäftsführer
liquiden Mittel
Gleichbehandlungsgrundsatz

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at