Die hier haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten wurden durch einen weiteren Haftungspflichtigen entrichtet.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Steuerberater, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) war im Zeitraum bis handelsrechtlicher Geschäftsführer der X-GmbH. In der Folge wurde die Firma per gemäß § 40 FBG wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.
Mit Schreiben vom teilte das Finanzamt dem Bw. mit, dass auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt € 25.516,76 aushaften würden und er für diese zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden könne, es sei denn, er weise nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, für die Entrichtung der aushaftenden Abgaben Sorge zu tragen.
Im diesbezüglichen Antwortschreiben führte der Bw. aus, dass in seiner Zeit als Geschäftsführer der GmbH von ihm sämtliche Grundaufzeichnungen und Belege ordnungsgemäß erfasst, alle Rechnungen bezahlt, gesammelt und an den damaligen Steuerberater zur Verbuchung monatlich übergeben worden seien.
Sämtliche Abgaben und Steuern seien immer termingerecht entrichtet und die Jahresabschlüsse innerhalb des vom Gesetz vorgesehenen Zeitraumes erstellt und beim Firmenbuch vorgelegt worden. Alle Steuererklärungen seien vom Steuerberater zeitgerecht beim Finanzamt eingereicht worden.
Eine Heranziehung zur Haftung als Geschäftsführer könne daher nicht zum Tragen kommen.
Mit Bescheid vom wurde der Bw. als ehemaliger Geschäftsführer der genannten GmbH für deren aushaftenden Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 25.516,76 gemäß §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen. Diese setzen sich aus der Umsatzsteuer 09/03 in Höhe von € 24.537,64, dem Dienstgeberbeitrag 03/04 in Höhe von € 67,84, dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von € 11,28 und einem ersten Säumniszuschlag 2003 in Höhe von € 900,00 zusammen.
Zur Begründung wurde ein Standardformular mit der gängigen Rechtsprechung zur Haftung beigelegt.
In der gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht eingebrachten Berufung wurde ausgeführt, dass es richtig sei, dass der Bw. im für die Abgabenfestsetzung maßgeblichen Zeitraum handelsrechtlicher Geschäftsführer der genannten Gesellschaft gewesen sei. In diesem Zeitraum seien die Buchhaltung, die Umsatzsteuervoranmeldungen sowie die Lohnverrechnung vom steuerlichen Vertreter ordnungsgemäß erstellt und sämtliche Abgaben termingerecht abgeführt worden.
Nach Veräußerung der Geschäftsanteile habe der Bw. nicht mehr die Funktion als Geschäftsführer innegehabt. Er habe daher auch nicht die Möglichkeit gehabt, die gegenständlichen Vorschreibungen zu prüfen bzw. dagegen Rechtsmittel zu erheben.
Zu dem Zeitpunkt, als der Bw. seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe, sei die Gesellschaft noch nicht insolvent gewesen und hätten die Nachforderungsbeträge ohne Weiteres bezahlt werden können, wobei zuvor eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit seitens des Bw. stattgefunden hätte.
Es sei daher nicht schwer darzulegen, dass eindeutig Gründe gegeben seien, welche den Bw. gehindert hätten, die vermeintliche abgabenrechtliche Verpflichtung zu erfüllen, zumal er von den Nachforderungen der Abgabenbehörde nicht einmal Kenntnis gehabt habe. Die Annahme einer schuldhaften Pflichtverletzung sei daher ausgeschlossen.
Im Übrigen sei der Bw. nicht in der Lage, die geforderten Abgabenbeträge zu entrichten, da er neben seinen Pensionseinkünften nur ein sehr geringfügiges zusätzliches Einkommen beziehe und für zwei minderjährige Kinder unterhalts- und sorgepflichtig sei.
Mit Berufungsvorentscheidung vom wies das Finanzamt die Berufung als unbegründet ab und führte aus, dass der Bw. im Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer vom bis eingetragen gewesen sei. Da die Fälligkeitstage der Abgaben, für die er zur Haftung herangezogen worden sei, innerhalb dieses Zeitraumes lägen, hätte der Bw. ohne weiteres dafür Sorge tragen können, dass diese Abgaben entrichtet würden.
Dagegen beantragte der Bw. die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Der Bw. habe in der Berufung den Sachverhalt eingehend erläutert und die Sachlage aus seiner Sicht dargelegt.
Es könne nicht rechtens sein, dass der Bw. als ausgeschiedener Geschäftsführer, der während des gesamten Betriebsprüfungsverfahrens auch gar nicht mehr in Kontakt mit der Gesellschaft gewesen sei und somit weder vom Ergebnis der Betriebsprüfung Kenntnis habe erlangen können noch deswegen die Möglichkeit gehabt habe, die Abgabennachforderungen zu überprüfen und zu bekämpfen, nunmehr zur Haftung herangezogen werden solle. Dies widerspreche jeglichem Gerechtigkeitsempfinden.
Einem durch ein behördliches Verfahren Beschwerten müsse im österreichischen Rechtssystem die Gelegenheit gegeben werden, von den ihn belastenden Tatsachen Kenntnis zu erlangen, um sich durch ein ordentliches Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe wehren zu können. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Verfahren nicht gegeben, da der Bw. im Zeitpunkt des Betriebsprüfungsverfahrens nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei und ihm bis heute keinerlei Informationen über das Ergebnis des Verfahrens vorlägen und dies jedenfalls ohne sein Verschulden, da er nachseinem Ausscheiden als Geschäftsführer keinerlei Informationen von der GmbH mehr erhalten habe.
Im Übrigen sei der Bw. nach wie vor davon überzeugt, dass sämtliche Abgaben in dem Zeitraum, in dem er Geschäftsführer gewesen sei, ordnungsgemäß und fristgerecht abgeführt worden seien. Dies würde man, sollte es diese Gelegenheit geben, auch tatsächlich erhärten und unter Umstanden sogar beweisen können.
Tatsächlich habe der Bw. keinerlei Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt. Er selbst sei seinen abgabenrechtlichen Verpflichtungen zu seiner Zeit pflichtgemäß nachgekommen. Die Buchhaltung, die Lohnverrechnung und auch die Umsatzsteuervoranmeldungen seien von der steuerlichen Vertretung damals erstellt und die Abgaben in seinem Auftrag von der Gesellschaft pünktlich entrichtet worden.
Es könne dem Bw. nicht vorgeworfen werden, das Einbringen eines Rechtsmittels gegen das Ergebnis der Betriebsprüfung versäumt zu haben, da er dazu gar nicht die Möglichkeit gehabt habe. Es könne ihm daher in keiner Weise eine schuldhafte Pflichtverletzung oder Fahrlässigkeit welcher Art auch immer unterstellt werden.
Eine Haftung könne daher nicht zum Tragen kommen. Der Haftungsbescheid möge ersatzlos aufgehoben werden.
Weiters wäre der Bw. gar nicht in der Lage, die erforderlichen Abgabenbeträge zu entrichten, weil er insgesamt nur ein sehr geringes Einkommen habe und für zwei minderjährige Kinder unterhalts- und sorgepflichtig sei.
In dem die Berufung ergänzenden Schreiben vom wies der Bw. auf das Erkenntnis des , hin, welches eine unzumutbare späte Geltendmachung einer Geschäftsführerhaftung anspreche: "Erfolgte die Konkursaufhebung im Insolvenzverfahren der Primärschuldnerin im Jahre 2004, die Heranziehung des ehemaligen Geschäftsführers zur Haftung jedoch erst 2009, müssten besondere Umstände vorliegen, die eine so späte Haftungsinanspruchnahme rechtfertigen könnten. Ist dies nicht der Fall, überwiegt die Unbilligkeit der Geltendmachung der Haftung angesichts lange verstrichener Zeit die vom Finanzamt ins Treffen geführte Zweckmäßigkeitserwägung, wonach die Haftung eine geeignete Maßnahme sei um den Abgabenausfall zu verhindern".
Im vorliegenden Fall solle der Bw. mit Haftungsbescheid vom zur Haftung für Abgaben aus den Jahren 2003 und 2004 herangezogen werden. Die nach menschlichem Empfinden diesem Bescheid innewohnende Unbilligkeit werde durch das UFS-Erkenntnis eindeutig herausgestrichen. Abgesehen davon sei, wie im Vorlageantrag bereits ausgeführt, dem Bw. kein Verschulden vorzuwerfen, da er keinerlei Möglichkeit gehabt habe, das Ergebnis der Betriebsprüfung zu kontrollieren oder es zu beeinspruchen.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Persönliche Haftungen erstrecken sich gemäß § 7 Abs. 2 BAO auch auf Nebenansprüche im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 BAO. Zu diesen Nebenansprüchen gehören gemäß § 3 Abs. 2 lit. d BAO insbesondere die Nebengebühren der Abgaben, wie die Stundungs- und Aussetzungszinsen, der Säumniszuschlag und die Kosten (Gebühren und Auslagenersätze) des Vollstreckungs- und Sicherungsverfahrens, worunter gemäß § 26 AbgEO insbesondere Pfändungsgebühren und die durch die Vollstreckungsmaßnahmen verursachten Barauslagen (somit auch Postgebühren) fallen.
Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Voraussetzung für die Haftung sind eine Abgabenforderung gegenüber der vertretenen juristischen Person, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.
Das Finanzamt hat mitgeteilt, dass die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten mittlerweile von einem weiteren Haftungspflichtigen entrichtet wurden.
Da somit die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten am Abgabenkonto der X-GmbH nicht mehr unberichtigt aushaften, war der Berufung stattzugeben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Wien, am
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at