Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.07.2011, RV/1644-W/11

Kammerumlage

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes X vom betreffend Kammerumlage gemäß § 122 Wirtschaftskammergesetz 1998 für den Zeitraum 10-12/2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass die Berufungswerberin (in der Folge mit Bw. bezeichnet) am die Kammerumlage für den Zeitraum 10-12/2010 in Höhe von insgesamt 10.606,69 € gemeldet und entrichtet hat.

In der Folge beantragte die Bw. mit Schreiben vom , die Abgabenbehörde möge die Kammerumlage bescheidmäßig mit einem Betrag von EUR 0,--, jedenfalls aber mit Bescheid festsetzen und führte dazu aus, dass sich zwar rechnerisch für die Kammerumlage für das 4. Quartal 2010 ein Betrag von EUR 10.606,69 ergäbe, die Selbstberechnung der Kammerumlage aber aus folgendem Grund mit EUR 0,00 erfolge:

"1. Die Abgabenpflichtige ist eine Steuerpflichtige im Sinne des Artikels 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MWSt-Systemrichtlinie").2. Die Abgabepflichtige beruft sich auf einen Verstoß von § 122 WKG gegen Art 168 MWSt-Systemrichtlinie. Der Verstoß liegt darin, dass Art 168 MWSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsieht, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterzieht und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise eingeschränkt, die nach der MWSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen ist."

Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Kammerumlage (§ 122 Wirtschaftskammergesetz) für 10-12/2010 wie folgt fest:


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Bemessungsgrundlage
Kammerumlage
Händische Berechnung:
3.535.564,96 EUR x 3,00 %o
10.606,69 EUR
Für den Zeitraum bereits gebucht
10.606,69 EUR
Zur Nachzahlung
0,00 EUR

Begründend führte das Finanzamt ins Treffen, dass aufgrund der aktuellsten Berufungsentscheidung vom (siehe RV/0439-L/09) die ausgewiesene Kammerumlage (KU 1) zu entrichten sei. Die Kammerumlage (KU 1) sei nicht EU-widrig. Die Einforderung der Umlage stelle keine "Rückgängigmachung der gemäß Art 168 MWSt-Systemrichtlinie gewährten Vorsteuer dar. Auch ein Verstoß gegen Art 33 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie (neu Art 401) sei nicht gegeben, weil die Kammerumlage keine der Mehrwertsteuer ähnliche Abgabe sei. Auch die Niederlassungsfreiheit und das Beihilfenrecht würden durch das WKG in diesem Zusammenhang nicht verletzt.

Gegen diesen Bescheid wurde von der Bw. mit Schriftsatz vom Berufung erhoben und die Festsetzung der Kammerumlage 1 für das 4. Quartal 2010 mit einem Betrag von EUR Null begehrt. Die Bw. führte dazu im Wesentlichen folgendes aus:

"Die Bestimmung des Art 168 MWSt-Systemrichtlinie sei eindeutig, genau und unbedingt und erfülle daher die Voraussetzungen dafür, dass sich ein Einzelner vor den nationalen Behörden und Gerichten auf diese Bestimmung berufen könne. Wie der EuGH in ständiger Rechtsprechung ausführe, folge aus dem Mehrwertsteuersystem, dass die Steuerpflichtigen das Recht auf den Abzug der gesamten Steuerbelastung sofort ausüben dürften, sofern es keine Vorschrift gebe, die den Mitgliedstaaten eine Einschränkung dieses Rechts gestatte. Da derartige Einschränkungen in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten müssten, seien Ausnahmen nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig. Nach Ansicht der Bw. liege ein Verstoß von § 122 WKG gegen die Richtlinie insofern vor, als Art 168 MWSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsehe, während Art 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterziehe und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der genannten Richtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei. Zwar sei die Frage, ob die KU 1 eine der Umsatzsteuer vergleichbare Steuer sei, abschließend vom EuGH beantwortet worden, die Frage, wie weit ein Mitgliedstaat bei der Einschränkung des Vorsteuerabzuges gehen könne, müsse jedoch als offen betrachtet werden. Außerdem vertrete die Bw. die Rechtsmeinung, dass die extrem ungleiche und unverhältnismäßige Lastenverteilung durch Kammerumlagen nach § 122 WKG stark belastete Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtige, was eine gemeinschaftswidrige Beihilfe iSd Art 87 EG-Vertrag darstelle."

Die Berufung wurde dem Unabhängigen Finanzsenat ohne vorherige Erlassung einer Berufungsvorentscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Kammerumlage wurde im Berufungszeitraum von der Bw. bekannt gegeben und einbezahlt. Die Bw. führt jedoch ins Treffen, dass die Bestimmung des § 122 WKG gegen Art 168 und Art 401 der Richtlinie 2006/116/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie 2006/112) verstoße und eine gemeinschaftswidrige Beihilfe im Sinne des Art 87 EG-Vertrag vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2009/15/0172, betreffend einen sowohl hinsichtlich des rechtlichen Sachverhaltes als auch bezüglich der zu beantwortenden Rechtsfrage gleich gelagerten Beschwerdefall unter anderem folgendes erwogen:

"...1. Kammerumlage 1 und Richtlinie 2006/112:

Der , Spar, ausgesprochen, dass die Sechste Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer (77/388/EWG), insbesondere ihre Artikel 17 Abs. 2 (Recht auf Vorsteuerabzug) und Artikel 33, der Erhebung einer Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 (nach § 57 HKG idF BGBl. Nr. 661/1994; vgl. den hg. Vorlagebeschluss vom , 96/15/0065) nicht entgegenstehe.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausführlich (in der Beschwerde insoweit nicht bekämpft) dargelegt, dass einerseits § 122 WKG (in allen wesentlichen Teilen) der Bestimmung des § 57 HKG (idF BGBl. Nr. 661/1994) und anderseits Artikel 17 Abs. 2 und 33 der Sechsten Richtlinie den Bestimmungen der Artikel 168 und 401 der Richtlinie 2006/112 entsprechen.... Eine Änderung der Rechtsprechung des EuGH seit dem Urteil vom zum "Charakter von Umsatzsteuern" liegt nicht vor (vgl. zu Artikel 33 der Sechsten Richtlinie und C-312/06, Kögaz u.a., Rn 26 ff; zur Richtlinie 2006/112 , Europäische Kommission gegen Republik Polen, Rn 44 ff; vgl. auch den C- 156/08, Monika Vollkommer).

Aus dem Urteil des EuGH, C-318/96, ergibt sich auch unzweifelhaft, dass eine Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 nicht in richtlinienwidriger Weise in das Recht auf Vorsteuerabzug eingreift. Auch Ruppe vertritt in SWI 1998, 121 ff (124)), die Ansicht, dass die Kammerumlage 1 nicht im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388 steht.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass die Richtlinie 2006/112 der Erhebung einer Abgabe mit den Merkmalen der Kammerumlage 1 nach § 122 Abs. 1 bis 6 WKG nicht entgegensteht. ...

...3. Beihilfenverbot

Die Beschwerdeführerin rügt hiezu, die extrem ungleiche und unverhältnismäßige Lastenverteilung durch Kammerumlagen nach § 122 WKG beeinträchtige stark belastete Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch Umlagelasten von über 50.000 EUR jährlich und begünstige eine Vielzahl von Kammermitgliedern, die überhaupt nicht oder unter der Kopfquote (Finanzbedarf der Wirtschaftskammern dividiert durch die Mitgliederzahl) mit Umlagen belastet würden. Dies sei als gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe iSd Artikel 87 EG zu qualifizieren: Die einen würden auf Kosten der anderen privilegiert und befreit. Darin liege der Kern unzulässiger Beihilfen durch unsachliche Steuerbefreiungen. Eine Gruppe ("free rider") erfahre so einen Wettbewerbsvorteil durch Steuerverschonung, wohingegen die anderen ("Zahler") umso stärker belastet würden. Vier von zehn Kammermitgliedern würden keine Kammerumlage 1 zahlen. Somit sei eine wettbewerbsverzerrende Begünstigung der "free rider" gegeben.

Artikel 87 EG (nunmehr Artikel 107 AEUV) soll verhindern, dass der Handel zwischen Mitgliedstaaten durch von staatlichen Stellen gewährte Vergünstigungen beeinträchtigt wird, die in verschiedenartiger Weise durch die Bevorzugung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen. Voraussetzung für die Qualifizierung einer nationalen Maßnahme als staatliche Beihilfe sind die Finanzierung dieser Maßnahme durch den Staat oder aus staatlichen Mitteln, Vorliegen eines Vorteils für ein Unternehmen, Selektivität dieser Maßnahme und Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und daraus resultierender Verfälschung des Wettbewerbs (vgl. und C-41/05, Air Liquide, Rn 27 f).

Der Begriff der Beihilfe umfasst nicht nur positive Leistungen, sondern auch staatliche Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen regelmäßig zu tragen hat, und die somit obwohl sie keine Subvention im strengen Sinne des Wortes darstellen, diesen nach Art und Wirkung gleichstehen (vgl. EuGH aaO, Rn 29).

Ein Schuldner einer Abgabe kann sich aber nach ständiger Rechtsprechung des EuGH in seinem Abgabenverfahren nicht darauf berufen, dass die Befreiung anderer Unternehmen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich der Zahlung dieser Abgabe zu entziehen. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Steuer und die vorgesehene Steuerbefreiung integraler Bestandteil einer Beihilfemaßnahme wären. Dies würde voraussetzen, dass das Aufkommen aus der Abgabe notwendig für die Finanzierung der Beihilfe verwendet werde, was im gegenständlichen Fall nicht zutrifft. Es besteht kein zwingender Zusammenhang zwischen einer Abgabe und der Befreiung von dieser Abgabe zugunsten einer Gruppe von Unternehmen; die Anwendung einer Abgabenbefreiung und deren Umfang hängen nicht vom Aufkommen aus der Abgabe ab (EuGH, aaO, Rn 46; vgl. auch u.a., Nazairdis u.a., Rn 44; vgl. auch die Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung des Beihilfenrechts durch die einzelstaatlichen Gerichte, 2009/C 85/01, vom , Rn 73 bis 75).

Damit steht aber das Beihilfenverbot der Erhebung der Kammerumlage 1 jedenfalls nicht entgegen (vgl. zum fehlenden Verwendungszusammenhang auch das hg. Erkenntnis vom , 2005/17/0230)...."

Für den Berufungsfall folgt daraus, dass die gegenständliche Meldung und Entrichtung der von der Bw. selbst berechneten und betragsmäßig unbestritten gebliebenen Kammerumlage für das 4. Quartal 2010 der geltenden Rechtslage entspricht.

Erweist sich die bekannt gegebene Selbstberechnung aber als richtig, so ist die Erlassung eines Abgabenbescheides nicht zulässig (vgl. ).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 122 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998

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