Umfang des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Gebäuden ("Seeling") ab 2004
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/2231-W/05-RS1 | Diese Rechtslage ist - zumindest bei überwiegender privater Nutzung - auch für die Jahre ab 2004 anzuwenden (). |
Folgerechtssätze | |
RV/2231-W/05-RS1 | wie RV/1220-W/05-RS1 § 12 Abs. 2 Z 2 lit.a UStG 1994 ist unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit, also autonom, anwendbar. Soweit die gemischte Nutzung eines Gebäudes darauf zurückzuführen ist, dass ein Teil des Gebäudes als Private Wohnung des Unternehmers Verwendung findet, ergibt sich der anteilige Vorsteuerausschluss (auch abschließend) aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit.a UStG 1994. Einer Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Z 1 leg.cit bedarf es nicht (). |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch X, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes A, vertreten durch B, vom betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerber (Bw.), ein Ehepaar, errichteten im Jahr 2003 (2004 gab es noch Fertigstellungsarbeiten) in C, ein Einfamilienhaus; der Eigentumsanteil beträgt je 50%. Zwei Räume des Gebäudes (das sind 13,4% der Nutzfläche) werden ab 2004 vom Ehegatten als Ordination genutzt; die übrigen Räume (das sind 86,6% der Nutzfläche) werden privat verwendet. Die Bw. ordneten das Haus zu 100% dem Unternehmen zu und machten die Vorsteuer - in Anlehnung an das , "Seeling" - von den gesamten Errichtungskosten geltend.
Im Rahmen einer im Jahr 2005 stattgefundenen abgabenbehördlichen Prüfung, die die Zeiträume 2003 und 2004 umfasste, kam der Betriebsprüfer zu dem Schluss, dass bis zum die auf die nicht unternehmerische Nutzung eines gemischt genutzten Grundstückes entfallenden Vorsteuern grundsätzlich nicht abzugsfähig seien. Das habe auch der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom bestätigt. Das , "Seeling", sei nicht anzuwenden, weil Österreich von der Ausnahmeregelung des Art. 17 Abs. 6 zweiter Unterabsatz der 6. EG-RL Gebrauch gemacht habe. So sei im Zeitpunkt des Beitrittes ein Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Grundstücken nur insoweit zulässig - gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 - als die Entgelte hiefür nach einkommensteuerlichen Vorschriften Betriebsausgaben oder Werbungskosten gewesen seien, da die Leistungen nur insoweit als für das Unternehmen ausgeführt gegolten hätten. Ab habe auch der nicht unternehmerisch genutzte Teil dem Unternehmen zugeordnet werden können (ab 2000 der Regelfall). Der Ausschluss vom Vorsteuerabzug sei jedoch bestehen geblieben, da nunmehr der Eigenverbrauch gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 UStG 1994 unecht steuerbefreit gewesen sei.
Auf Grund der vorstehenden Ausführungen seien die Vorsteuern von den Errichtungskosten auf 13,4% (entsprechend der betrieblichen Nutzung = Ausmaß der steuerpflichtigen Vermietung) zu kürzen; die Eigenverbrauchsbesteuerung (86,6% der Gebäude-AfA) sei zu stornieren.
Ab sei die nicht unternehmerische Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Grundstückes auf Grund der Bestimmungen des § 3a Abs. 1a Z 1 letzter Satz UStG 1994 nicht steuerbar und sei der Vorsteuerabzug für damit im Zusammenhang stehende Leistungen gemäß § 12 Abs. 3 Z 4 UStG 1994 ausgeschlossen. Im Ergebnis entspreche dies der bis 2003 geltenden unechten Steuerbefreiung.
Lediglich für den Zeitraum zwischen und stünde der volle Vorsteuerabzug von den in diesen Monaten anfallenden Errichtungskosten zu, da die Steuerbefreiung für den Verwendungseigenverbrauch von Grundstücken weggefallen sei. Im Zuge der Betriebsprüfung werde einerseits auf den Ansatz eines umsatzsteuerpflichtigen Eigenverbrauches verzichtet, andererseits der Vorsteuerabzug aus den Errichtungskosten für Jänner bis April 2004 auch nur im Ausmaß von 13,4% berücksichtigt, da die Änderung der Rechtslage zum zu einer Änderung der Verhältnisse gemäß § 12 Abs. 3 bzw. Abs. 10 UStG 1994, und somit wiederum zu einer Vorsteuerberichtigung, führen würde.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und erließ am die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004, in denen es nur die auf den unternehmerisch genutzten Gebäudeteil entfallenden Vorsteuern zum Abzug zuließ und die Versteuerung des Eigenverbrauches aus der Privatnutzung des Hauses stornierte.
Gegen die oa. Umsatzsteuerbescheide erhob der steuerliche Vertreter der Bw. am Berufung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit; begehrt werde die erklärungskonforme Festsetzung der Besteuerungsgrundlagen, i. e. die Zuerkennung des Vorsteuerabzuges auch für den privat genutzten Gebäudeteil.
Über die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 hat der Unabhängige Finanzsenat bereits in seiner Entscheidung - nachdem der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des bei ihm anhängigen Beschwerdeverfahrens Zl. 2005/14/0035 mit Beschluss vom , Zl. 2006/15/0056, ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 234 EG an den EuGH gerichtet hatte, dazu am das Urteil des EuGH, C-460/07, ergangen war und der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0100, die Beschwerde des Ausgangsverfahrens abgewiesen hatte - abgesprochen (die Berufung wurde als unbegründet abgewiesen; zu den Berufungsausführungen des steuerlichen Vertreters betreffend den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003 siehe dort).
Über die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 konnte der Unabhängige Finanzsenat in seiner oa. Entscheidung , noch nicht absprechen, weil zur streitgegenständlichen Rechtsfrage (Zulässigkeit des Vorsteuerabzuges auch für den privat genutzten Gebäudeteil ab 2004) noch ein Beschwerdeverfahren beim Verwaltungsgerichtshof anhängig war. Über diese Beschwerde hat das Höchstgericht nunmehr mit Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0222, abgesprochen (dazu ausführlich unten im Erwägungsteil in dieser Berufungsentscheidung).
In der Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 führte der steuerliche Vertreter zusammenfassend aus, dass sich der nach österreichischer Rechtslage vorgesehene, nicht steuerbare Eigenverbrauch für die private Verwendung eines gemischt genutzten Gebäudes, das zur Gänze dem Unternehmen zugeordnet sei, als nicht mit den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts vereinbar erweise, da die Ausnahmebestimmung des Art. 6 Abs. 2 2. Satz der 6. EG-RL keine taugliche Basis bilde. Somit sei auch das korrespondierende Vorsteuerabzugsverbot gemeinschaftsrechtswidrig, da - als Ausfluss zur Entscheidung "Seeling" - der Eigenverbrauch somit steuerpflichtig zu behandeln und der Vorsteuerabzug zu gewähren sei. Darüber hinaus bestünden auch Bedenken, dass das Vorsteuerabzugsverbot per se gemeinschaftsrechtswidrig sei. Sohin sei aber im gegenständlichen Fall das Recht auf Vorsteuerabzug hinsichtlich des dem Unternehmen zugeordneten, aber nicht unternehmerisch genutzten Grundstücksanteiles zu Unrecht verwehrt worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
Streit besteht im gegenständlichen Fall darüber, ob hinsichtlich des gemischt genutzten Gebäudes ab dem Jahr 2004 der volle Vorsteuerabzug zusteht oder - wie in den Jahren bis einschließlich 2003 - nur die auf den unternehmerisch genutzten Gebäudeteil entfallenden Vorsteuern abzugsfähig sind.
Zur strittigen Frage des Umfanges des Vorsteuerabzuges bei gemischt genutzten Gebäuden ab dem Jahr 2004 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2009/15/0222, Nachstehendes zu Recht erkannt:
"Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 gelten Lieferungen und sonstige Leistungen, deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 sind, als nicht für das Unternehmen ausgeführt. Dieselbe Regelung fand sich in § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1972.
§ 20 Abs. 1 EStG 1988 erfasst in Z 1 "die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge" und in Z 2 lit. a "Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung". Aufwendungen des Unternehmers für die seinen privaten Wohnzwecken dienende Wohnung stellen nicht abzugsfähige Aufwendungen der Lebensführung dar. Werden wie im Beschwerdefall einzelne Räume eines Gebäudes unternehmerisch und andere Räume für eigene Wohnzwecke genutzt, richtet sich die Ermittlung des zu nicht abziehbaren Aufwendungen führenden Anteils grundsätzlich nach der anteiligen Nutzfläche (vgl. näher zur Berechnung das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0100). Der Anordnung des § 12 Abs. 2 lit. a UStG 1994 iVm § 20 Abs. 1 Z 1 und 2 EStG 1988 zufolge sind daher in Bezug auf ein Gebäude, bei welchem einzelne Bereiche überwiegend Wohnzwecken des Unternehmers gewidmet sind, die Umsatzsteuern, welche auf eben diese Räume entfallen, vom Vorsteuerausschluss erfasst.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , 2009/15/0100, ausgesprochen hat, ist § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unabhängig von § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 autonom anwendbar. Soweit die gemischte Nutzung eines Gebäudes darauf zurückzuführen ist, dass ein Gebäude als private Wohnung des Unternehmers Verwendung findet, ergibt sich der anteilige Vorsteuerausschluss daher aus § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994. Einer Bezugnahme auf § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 bedarf es nicht, womit die Änderung der nationalen Rechtsordnung hinsichtlich § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 für die Anwendbarkeit des § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 unerheblich ist (vgl. , Puffer Rz 95 f).
§ 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 ist in seinem Normenbestand demgegenüber unverändert geblieben. Eine Änderung bestehender Rechtsvorschriften durch den nationalen Gesetzgeber hat diesbezüglich nicht stattgefunden.
Wenn der Beschwerdeführer nun meint, das Beibehaltungswahlrecht des Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) sei ab dem Jahre 2004 aufgrund einer kurzzeitigen Interpretationsaussage des Bundesministeriums für Finanzen in den Umsatzsteuerrichtlinien (AÖF 206/2004) hinsichtlich § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 durch die Verwaltungspraxis aufgegeben worden, so ist der Beschwerde zunächst entgegen zu halten, dass im Jahresumsatzsteuerbescheid 2004 entsprechend § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 von der Abgabenbehörde kein Vorsteuerabzug gewährt worden ist.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 nach der ständigen hg. Rechtsprechung nur jene Räume erfasst, die überwiegend privat genutzt sind (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom , 2009/15/0100 und den hg. Vorlagebeschluss vom , 2006/15/0056 = EU 2007/0008 sowie das darin verwiesene hg. Erkenntnis vom , 2005/14/0091). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Interpretationsaussage des Bundesministeriums für Finanzen in den Umsatzsteuerrichtlinien stellt dagegen nicht auf überwiegend privat genutzte Einheiten ab, sondern betrifft lediglich eine private Nutzung bis 50 % (vgl. das im AÖF 206/2004 unter Rz 2003 angeführte Beispiel mit einer 50 %igen Privatnutzung). Eine Aufgabe des Vorsteuerausschlusses hinsichtlich überwiegend privat genutzter Räume gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 kann darin also auch aus diesem Grund nicht erblickt werden.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher [...] abzuweisen."
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass die auf die privat genutzten Gebäudeteile entfallenden Vorsteuern - das Aufteilungsverhältnis ist unbestritten - auch in den Jahren ab 2004 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 12 Abs. 2 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at