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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 15.10.2010, RV/1540-W/10

Krankheitsbedingte Unterbrechung der Berufsausbildung ist bei einer Dauer von 20 Monaten beihilfenschädlich

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw, in W, vertreten durch Rath & Partner, Rechtsanwälte und Strafverteidiger, 8020 Graz, Friedhofgasse 20, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum Mai 2008 bis Juni 2009 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Schreiben vom überprüfte das Finanzamt den Anspruch auf Familienbeihilfe der Bw für ihre Tochter V, geboren 1987.

Die Bw teilte mit, dass die Tochter seit dem erwerbstätig sei und daher kein Anspruch auf Familienbeihilfe mehr bestehe. Sie legte gleichzeitig ein Schreiben der ExternistenprüfungskommissionB vom vor, in dem mitgeteilt wurde, dass V seit dem September 2006 als Externistin zur Ablegung von Zulassungsprüfungen und zur Reifeprüfung zugelassen sei. Sie besuche keinen Unterricht und von acht Zulassungsprüfungen habe sie bisher fünf erfolgreich abgelegt, die jüngste Zulassungsprüfung sei am abgelegt worden. Weiters wurde ein Schreiben der DSA XY vom September 2009 vorgelegt, in dem diese bestätigte, dass V von November 2008 bis Juni 2009 in psychotherapeutischer Behandlung gewesen sei. Aufgrund von schweren Konzentrationsstörungen und Panikattacken sei es V in dieser Zeit nicht möglich gewesen, für größere Prüfungen zu lernen.

Das Finanzamt forderte mit Bescheid vom die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für die Monate Mai 2008 bis Juni 2009 zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass von einer Berufsausbildung nicht mehr ausgegangen werden könne, da die Tochter seit dem April 2008 zu keiner Prüfung mehr angetreten sei.

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung eingebracht. Die Bw brachte darin vor, dass die Tochter seit mehreren Jahren unter schweren Depressionen gelitten habe, die sich Ende 2009 langsam zu bessern begonnen hätten. In diesem Zeitraum sei es ihr trotz ernstlichen und zielstrebigen Bemühens nicht möglich gewesen, für größere Prüfungen zu lernen. Nachdem die Therapie im Herbst 2009 Erfolg gezeigt habe, habe die Tochter wieder lernen können und im Jänner 2010 erfolgreich eine Zulassungsprüfung abgelegt.

Das Finanzamt entschied am mit abweisender Berufungsvorentscheidung. Anspruch auf Familienbeihilfe bestünde nur, wenn Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, für einen Beruf ausgebildet würden und wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung eines Berufes nicht möglich wäre. Werde die Berufsausbildung unterbrochen, könne die Familienbeihilfe nicht zuerkannt werden.

Die Bw beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Es stimme zwar, dass die Tochter zwischen Mai 2008 und Juni 2009 keine Prüfungen abgelegt habe, daraus könne aber nicht automatisch auf ein mangelndes Bemühen, die Externistenprüfung abzulegen, geschlossen werden. Sie habe in dieser Zeit an erheblichen Depressionen gelitten. Dies habe es ihr völlig unmöglich gemacht, für Prüfungen zu lernen. Selbst die Tätigkeiten des täglichen Lebens wie Nahrungsaufnahme und Körperpflege hätten für die Tochter erhebliche psychische und physische Anstrengungen bedeutet. Daher sei es bis Ende 2009 undenkbar gewesen, dass sich die Tochter dem enormen Stress einer Prüfung oder dem Lernen ausgesetzt hätte. Der Nichtantritt sei daher nicht auf Desinteresse, sondern nur auf den schlechten Gesundheitszustand zurückzuführen. Die Bw habe dies alles schon in der ersten Instanz vorgebracht, welche dadurch gezwungen gewesen sei, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Da dies unterblieben sei, sei der Bescheid mit einem erheblichen Verfahrensmangel belastet. Erst gegen Ende 2009 hätten die Therapien zu greifen begonnen. Die Tochter habe dann auch wieder die erforderliche Kraft zur Vorbereitung auf Prüfungen aufgebracht und habe in der Folge auch zahlreiche Examen erfolgreich abgeschlossen. Im Moment fehlten der Tochter für die Externistenreifeprüfung nur noch 2 bis 3 Teilprüfungen. Dem Vorlageantrag beigelegt war eine Bestätigung der ExternistenprüfungskommissionB vom . Darin wurde bestätigt, dass V von acht Zulassungsprüfungen bisher 6 erfolgreich abgelegt habe und dass die jüngste Zulassungsprüfung am abgelegt worden sei.

Die Bw führte noch aus, dass die Rückforderung im Hinblick auf ihre schwere familiäre Situation absolut unbillig wäre, da sie als Mutter massivst mit der Tochter mitleide. Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 FLAG 1967, dass die Oberbehörden die nachgeordneten Abgabenbehörden anweisen könnten, von der Rückforderung Abstand zunehmen, seien daher erfüllt. Es werde daher beantragt, den Rückforderungsbescheid aufzuheben bzw. aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung abzusehen.

Das Finanzamt legte die Berufung zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Unabhängige Finanzsenat ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

Die Tochter der Bw ist im Dezember 1987 geboren.

Seit September 2006 ist sie bei der ExternistenprüfungskommissionB als Externistin zur Ablegung von Zulassungsprüfungen und zur Reifeprüfung zugelassen. Sie besucht keinen Unterricht. Von acht Zulassungsprüfungen hat sie ab Oktober 2006 bis Dezember 2007 fünf Zulassungsprüfungen erfolgreich abgelegt.

Es erfolgten noch zwei (nicht erfolgreiche) Prüfungsantritte im Februar 2008 und im April 2008.

Im Jänner 2010 und im Mai 2010 wurden noch zwei weitere Zulassungsprüfungen erfolgreich abgelegt. Im September 2010 erfolgte die Abmeldung als Externistin. Es wurde ein Zeugnis über die sieben erfolgreich abgelegten Prüfungen ausgestellt.

Die Tochter der Bw litt seit mehreren Jahren an schweren Depressionen, sodass die Tätigkeiten des täglichen Lebens erhebliche Anstrengungen bedeuteten. Sie war dadurch nicht in der Lage, für Prüfungen zu lernen oder zu diesen anzutreten. Eine Besserung ist Ende des Jahres 2009 eingetreten.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, der Auskunft der ExternistenprüfungskommissionB und dem glaubwürdigen Vorbringen der Bw und ist insofern nicht strittig.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 haben Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Ziel einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung eines angestrebten Berufes oder das Ausbildungsziel zu erreichen. Das Ablegen von Prüfungen, die in der jeweiligen Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essentieller Bestandteil der Berufsausbildung. Berufsausbildung liegt daher nur vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist und durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versucht wird, dieses Ziel zu erreichen. Eine Ausbildung jedoch, bei der der Auszubildende während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind für einen bereits vorher entstandenen Anspruch auf Familienbeihilfe die der Natur der Dinge entsprechenden Unterbrechungen des tatsächlichen Ausbildungsvorganges nicht schädlich. Hiezu gehören beispielsweise Erkrankungen, die die Berufsausbildung auf begrenzte Zeit unterbrechen oder Urlaube oder Schulferien. Derartige Unterbrechungen stellen keine Beendigung der Berufsausbildung dar.

Im Erkenntnis () hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass bei einer mehrjährigen krankheitsbedingten Unterbrechung der tatsächlichen Berufsausbildung der Familienbeihilfenanspruch nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht bestehen bleibe, weil in einem solchen Fall die Berufsausbildung nicht mehr aufrecht sei. Sei also das Anspruch vermittelnde Kind auf Grund einer Erkrankung durchgehend gehindert, die für die Ausbildung erforderlichen Prüfungen abzulegen, könne in diesem Zeitraum Ausbildung nicht angenommen werden.

In der angeführten Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof eine Zeitspanne von 24 Monaten als beihilfenschädlich angenommen. In einer weiteren Entscheidung zu dieser Problemstellung lag nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes auf Grund der für 11 Monate dauernden krankheitsbedingten Unterbrechung der Ausbildung eine mehrjährige krankheitsbedingte Unterbrechung nicht vor (). Weiters hat der Verwaltungsgerichthof in weiteren Entscheidungen eine Unterbrechung für die Dauer von einem Semester () und eine zweimalige Unterbrechung für die Dauer von jeweils einem Semester () als für den Beihilfenanspruch nicht schädlich angesehen.

Im vorliegenden Fall hat die Tochter der Bw von April 2008 bis Jänner 2010 keine Prüfungen abgelegt. Nach dem glaubwürdigen Vorbringen der Bw war die Tochter durch eine depressive Erkrankung am Ablegen von Prüfungen gehindert. Die krankheitsbedingte Hinderung, Prüfungen abzulegen, währte zwanzig Monate. Dies ist eine Zeitspanne, die bereits deutlich über einem Jahr liegt und schon nahe an eine zweijährige Unterbrechung heranreicht. Der Unabhängige Finanzsenat kommt daher unter Abwägung der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zu dem Schluss, dass eine Unterbrechung von 20 Monaten bereits eine im Sinne der dargestellten Judikatur mehrjährige Unterbrechung darstellt und eine Berufsausbildung nicht mehr angenommen werden kann. Für diesen Zeitraum der krankheitsbedingten Hinderung war die Ausbildung nicht mehr aufrecht.

Da sich die Tochter der Bw in diesem Zeitraum daher nicht in Ausbildung befand, steht für diesen Zeitraum Familienbeihilfe nicht zu.

Einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht gemäß § 33 Abs. 4 Z 3 lit. a EStG 1988 im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ab dem Jahr 2000 ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 50,90 Euro für jedes Kind zu. Besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, so besteht in gleicher Weise auch kein Anspruch auf den Bezug des Kinderabsetzbetrages.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht für denjenigen, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückzahlung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat.

Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, so ist § 26 Abs. 1 FLAG 1967 anzuwenden. Die Ausführungen zur Rückzahlungsverpflichtung auf Grund des § 26 FLAG 1967 gelten daher uneingeschränkt auch für die zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträge.

Die Rückforderung der Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Mai 2008 bis einschließlich Juni 2009 erfolgte damit zu Recht.

Die Bw ersuchte, von der Rückforderung gemäß § 26 Abs. 4 FLAG 1967 abzusehen. Der § 26 Abs. 4 FLAG 1967 ermächtigt die Oberbehörden im Rahmen ihres Aufsichtsrechtes die nachgeordneten Abgabenbehörden anzuweisen, von der Rückforderung abzusehen. Der Unabhängige Finanzsenat ist zur Entscheidung über die Berufung zuständig. Er stellt keine Oberbehörde mit Aufsichtsrecht im Sinne der zitierten Bestimmung dar. Eine derartige Anweisung fällt somit nicht in seinen Zuständigkeitsbereich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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