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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 04.07.2011, RV/1848-W/11

Familienbeihilfe für Flüchtlinge, auf die das AsylG 1997 anzuwenden ist

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Indira A, Hausfrau, Adr vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt, 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10, vertreten durch ADir. Christine Nemeth, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe entschieden:

Der Berufung wird, soweit diese nicht bereits durch die Berufungsentscheidung , stattgebend erledigt wurde, Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.

Der Berufungswerberin steht Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) für die Kinder Chawarz, Chazmurard, Zelemach auch für den Zeitraum Mai 2004 bis Jänner 2007 und für ihr Kind Saur auch für den Zeitraum Juli 2005 bis November 2006 zu.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) Indira A beantragte ab September 2003 Familienbeihilfe für ihre Kinder Chawarz (geboren 1993), Chazmurad (geboren 1994), Zelemchan (geboren1999) und in weiterer Folge - ab Juli 2005 - für den am geborenen Saur.

Der Bw. und ihrer Familie kommt jedenfalls seit ihrer Einreise nach Österreich am Flüchtlingseigenschaft zu; die diesbezüglichen Bescheide des UBAS datieren vom (Gatte), (Bw.), (Saur) und (Chawarz, Chazmurad, Zelemchan).

Mit dem angefochtenen Bescheid vom hat das Finanzamt Wien 4/5/10 den diesbezüglichen Antrag vom teils zurück- und teils abgewiesen.

Mit Berufungsentscheidung , gab die Abgabenbehörde zweiter Instanz der gegen den Bescheid vom erhobenen Berufung vom teilweise Folge und sprach aus, dass für Chazmurad, Chawarz und Zelemchan der Bw. Familienbeihilfe von September 2003 bis April 2004 zustehe. In der Begründung der Entscheidung führte die Berufungsbehörde hinsichtlich des Zeitraumes Mai 2004 bis zur Asylgewährung aus, dass der Bescheid vom für Chazmurad, Chawarz und Zelemchan der Rechtslage entspreche (Asylgewährung für diese Kinder Februar 2007), während für Saur Familienbeihilfe bis November 2006 (Asylgewährung für Saur im Dezember 2006) nicht zustehe.

Eine gegen diese Berufungsentscheidung erhobene Beschwerde der Bw. hat der VwGH mit Beschluss , zurückgewiesen. Nach Ansicht des Höchstgerichts habe die Berufungsbehörde neben der Stattgabe der Berufung für bestimmte Kinder und bestimmte Zeiträume keinen weiteren Abspruch getroffen. "Dass die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid in dem Umfang, in dem ihr nicht stattgegeben wurde, abgewiesen würde, wird auch in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Bescheides nicht ausdrucklich formuliert."

Da nach Ansicht des Höchstgerichts somit die Berufung vom noch teilweise unerledigt ist, hat seitens der Berufungsbehörde nunmehr ein bescheidmäßiger Abspruch über die Berufung, soweit diese demzufolge noch offen ist, zu erfolgen.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 3 FLAG 1967 in der für den Berufungszeitraum (grundsätzlich) anzuwendenden Fassung lautet:

"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 , rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) In den Fällen des Abs. 2, Abs. 3 letzter Satz und Abs. 4 letzter Satz wird für nachgeborene Kinder die Familienbeihilfe rückwirkend gewährt. Gleiches gilt für Adoptiv- und Pflegekinder, rückwirkend bis zur Begründung des Mittelpunktes der Lebensinteressen im Bundesgebiet (§ 2 Abs. 8) durch den Elternteil und das Kind. Als nachgeborene Kinder gelten jene Kinder, die nach dem Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels oder der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten an den zusammenführenden Fremden geboren werden."

§ 50y Abs. 2 FLAG 1967 lautet:

"(2) Die §§ 3 Abs. 2 und 38a Abs. 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 142/2004 treten mit in Kraft. Ausgenommen sind jene Fälle, in denen bis einschließlich des Tages der Kundmachung dieses Bundesgesetzes Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde."

§ 55 Abs. 1FLAG 1967 lautet:

"Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005 , treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 , sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, in Kraft."

Die §§ 73 und 75 AsylG 2005 lauten wie folgt:

"§ 73. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit in Kraft.

(2) Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76/1997 tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des außer Kraft.

(3) (Verfassungsbestimmung) § 42 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 tritt mit Ablauf des außer Kraft.

(4) Verordnungen auf Grund dieses Bundesgesetzes können bereits ab dem auf seine Kundmachung folgenden Tag erlassen werden. Sie dürfen jedoch frühestens mit In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes in Kraft gesetzt werden."

"§ 75. (1) Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. § 27 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Behörde zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens führen würde, nach dem verwirklicht wurde. § 57 Abs. 5 und 6 ist auf diese Verfahren mit der Maßgabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen führen.

(2) Ein nach dem Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl - Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 , eingestelltes Verfahren ist bis zum nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Abs. 1. Ein nach dem AsylG 1997 eingestelltes Verfahren ist bis zum nach den Bestimmungen des AsylG 1997 fortzusetzen und gilt als anhängiges Verfahren im Sinne des Abs. 1.

(3) Karten nach dem AsylG 1997 behalten ihre Gültigkeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt.

(4) Ab- oder zurückweisende Bescheide auf Grund des Asylgesetzes, BGBl. Nr. 126/1968 , des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992 , sowie des Asylgesetzes 1997 begründen in derselben Sache in Verfahren nach diesem Bundesgesetz den Zurückweisungstatbestand der entschiedenen Sache ( § 68 AVG ).

(5) Einem Fremden, dem am die Flüchtlingseigenschaft zugekommen ist, gilt, soweit es zu keiner Aberkennung oder keinem Verlust der Flüchtlingseigenschaft gekommen ist, der Status des Asylberechtigten als zuerkannt.

(6) Einem Fremden, dem am eine befristete Aufenthaltsberechtigung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 oder des AsylG 1997 zugekommen ist, gilt der Status des subsidiär Schutzberechtigten als zuerkannt."

Seit dem PensionsharmonisierungsG (ab ) stellt § 3 FLAG 1967 seinem klaren Wortlaut nach für die Anspruchsvoraussetzungen der Familienbeihilfe darauf ab, ob tatsächlich bereits Asyl gewährt worden ist (Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG (Gamlitzer Kommentar), § 3 Rz 249 unter Hinweis auf ; ; ; ; ; ).

Nach der derzeitigen Rechtslage haben somit Asylwerber - anders als bis zum PensionsharmonisierungsG - vor der Zuerkennung des Asyls in Österreich weder selbst einen Anspruch auf Familienbeihilfe noch vermittelt ein asylwerbendes Kind einen derartigen Anspruch, es sei denn, es handelt sich um subsidiär Schutzberechtigte (vgl. Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG (Gamlitzer Kommentar), § 3 Rz 248).

§ 50y Abs. 2 FLAG 1967 erster Satz sieht abweichend von der Grundregel des Art. 49 Abs. 1 B-VG, wonach Gesetze an dem ihrer Herausgabe und Versendung im Bundesgesetzblatt folgenden Tag Verbindlichkeit erlangen, bloß vor, dass die durch das PensionsharmonisierungsG vorgenommene Neufassung des § 3 Abs. 2 FLAG 1967 rückwirkend bereits mit in Kraft tritt. Damit wurde der Beginn des zeitlichen Bedingungsbereichs der Neufassung vom (der Tag der Kundmachung des Pensionsharmonisierungsgesetzes war der ) auf den vorverlegt, ohne jedoch auch für den davor liegenden Zeitraum eine Aussage zu treffen. Der zweite Satz des § 50y Abs. 2 FLAG 1967 nimmt diese Vorverlegung für bestimmte Fälle wieder zurück, und zwar für jene, in denen bis einschließlich Asyl nach dem AsylG 1997 gewährt wurde. Das bedeutet, dass in derartigen Fällen ungeachtet der im ersten Satz angeordneten Rückwirkung auch für Zeiträume nach dem (bloß) auf die Eigenschaft als Flüchtling nach der Flüchtlingskonvention und nicht auf die Asylgewährung abzustellen ist (vgl. Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG (Gamlitzer Kommentar), § 3 Rz 255 f. unter Hinweis auf ).

Nun hat der Verwaltungsgerichtshof allerdings nach Ergehen der Berufungsentscheidung , in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass § 3 FLAG 1967 i.d.F. Fremdenrechtspaket 2005 § 55 FLAG 1967 zufolge für Personen, denen gegenüber gemäß § 75 AsylG 2005 das Asylverfahren noch nach dem Asylgesetz 1997 abgeführt wird, die also vor dem einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren am noch anhängig war, auch für Zeiträume ab nicht anzuwenden ist (; ; ; 2007/15/0219; ; : ; ; ; ; ; ; ; ).

Für diesen Personenkreis kommt daher § 3 FLAG 1967 zunächst noch i.d.F. des PensionsharmonisierungsG BGBl I 2004/142 zur Anwendung (vgl. Aigner/Wanke in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG (Gamlitzer Kommentar), § 3 Rz 257 unter Hinweis auf -G/08; -K/08).

Auf die Asylverfahren war noch das AsylG 1997 anzuwenden. Den aktenkundigen Bescheidauszügen des (damaligen) Unabhängigen Bundesasylsenats zufolge wurden von der (damaligen zweitinstanzlichen) Asylbehörde jeweils gemäß § 55 AsylG 2005 § 38 Abs. 1 AsylG 1997, teilweise auch § 44 Abs. 1 AsylG 1997 als Rechtsgrundlage der jeweiligen Erkenntnisse des UBAS herangezogen.

Dies bedeutet, dass zufolge § 55 Abs. 1 FLAG 1967 i.V.m. § 75 AsylG 2005 § 3 FLAG 1967 in folgender Fassung (BGBl. Nr. 367/1991) heranzuziehen ist:

"§ 3. (1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom , BGBl. Nr. 55/1955 , und des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge , BGBl. Nr. 78/1974 .

(3) Ist der Elternteil, der den Haushalt überwiegend führt (§ 2a Abs. 1), nicht österreichischer Staatsbürger, genügt für dessen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn der andere Elternteil österreichischer Staatsbürger ist oder die Voraussetzungen nach Abs. 1 oder 2 erfüllt."

Nach der zufolge § 55 Abs. 1 FLAG 1967 anzuwendenden früheren Rechtslage hatte die Beihilfenbehörde selbständig materiell zu prüfen, ob einer Person Flüchtlingseigenschaft zukommt. Anders als nach heutiger Rechtslage stellte § 3 bei Asylwerbern nicht auf das Vorliegen eines Bescheides über die Zuerkennung von Asyl ab. Die Frage, ab welchem Zeitpunkt die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs.2 FLAG 1967 a.F. zukommt, ist von der Beihilfenbehörde eigenständig zu prüfen (; ; ). Der nach § 12 AsylG 1997 vorgesehene Bescheid, dass dem Fremden kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, hat nur deklarativen Charakter und hindert nicht die Gewährung von Familienbeihilfe für Zeiträume vor Stellung eines formellen Asylantrags ().

Aus den diesbezüglichen Erkenntnissen des (damaligen) UBAS ergibt sich die Flüchtlingseigenschaft der Bw. und ihrer Familie.

Abgesehen von der Flüchtlingseigenschaft sind die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) für die Kinder der Bw. nicht strittig.

Der Berufung ist daher, soweit diese noch unerledigt ist, nunmehr Folge zu geben.

Der Bw. steht Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbetrag) für die Kinder Chawarz, Chazmurard, Zelemach auch für den Zeitraum Mai 2004 bis Jänner 2007 und für ihr Kind Saur auch für den Zeitraum Juli 2005 bis November 2006 zu.

Wien, am

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