Studienzeit - nur ein Toleranzsemester kann mitgenommen werden.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe für X, für Oktober 2008 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat mit Bescheid vom den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für den volljährigen Sohn des Berufungswerbers für Oktober 2008 abgewiesen. Als Begründung wird angeführt: "J. hat den ersten Studienabschnitt der Studienrichtung Völkerkunde (A307) bereits 2 Semester vor Ende der höchstzulässigen Studiendauer abgeschlossen (1. Diplomprüfung am ). Er hat dadurch das Toleranzsemester nicht benötigt. Im 2. Abschnitt beträgt die höchstzulässige Studiendauer 5 Semester (10/05-2/08) . Dadurch, dass er im 1. Abschnitt das Toleranzsemester nicht benötigt hat, hat sich die höchstzulässige Studiendauer um 1 Semester, also bis 9/2008 verlängert. Es ist nur die Übertragung des nicht benötigten Toleranzsemesters auf den 2. Abschnitt möglich. Das übrige Semester kann nicht im 2. Abschnitt angerechnet werden, daher wäre 9/08 die 2. Diplomprüfung fällig gewesen. Ab 10/08 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe."
Die dagegen eingebrachte Berufung vom wird wie folgt begründet:
"Ich berufe gegen den neuerlichen Abweisungsbescheid auf Familienbeihilfe vom und ersuche Sie, meine Berufung an die 2. Instanz weiterzuleiten (Telefonisches Gespräch mit Frau y). In der Beilage versucht mein Sohn J. die Gründe darzulegen." Schreiben des Sohnes des Berufungswerbers vom : "Der Grund meines Schreibens ist jener, dass das Ansuchen meiner Eltern um Familienbeihilfe für das 10. Semester leider abgelehnt wurde. Es handelt sich hierbei nicht um ein Ansuchen, welches dieses Semester betrifft, sondern um jenes des vergangenen Semesters. Meiner Ansicht nach, liegt hier allerdings ein Missverständnis vor, welches ich im Folgenden kurz erläutern möchte. Ich studiere seit dem Sommersemester 2004 Kultur- und Sozialanthropologie im Hauptstudium. Diese Studienrichtung gliedert sich laut Studienplan in zwei Abschnitte, von denen jeder vier Semester Mindeststudiendauer umfasst. Rechnet man nun zu jedem Abschnitt ein Toleranzsemester hinzu, so kommt man auf eine Studiendauer von zehn Semestern. Den ersten Abschnitt beendete ich im Sommersemester 2005, also nach nur drei Semestern, eines unter der bei vier Semestern festgelegten Mindeststudiendauer(Ich hätte mit dem Toleranzsemester 5 Semester Zeit). Mittlerweile befinde ich mich in der Endphase des Studiums, also beim Schreiben der Diplomarbeit. Doch zurück zum ersten Abschnitt. Dass ich den ersten Studienabschnitt bereits nach 3 Semestern einreichen konnte, will ich folgend erläutern: Ich konnte den ersten Abschnitt in drei Semestern absolvieren, weil ich glücklicherweise im letzten Semester dieses Abschnitts zwei Proseminare absolvieren konnte, statt wie vorgesehen. Dadurch war ich überhaupt in der Lage, diesen Abschnitt schon vorzeitig einzureichen. Natürlich hätte damit auch noch ein Semester "warten" können. Warum ich mich dagegen entschied, basiert auf zwei Dingen. Im zweiten Abschnitt sind nämlich diverse Seminare und Module zu absolvieren, die leider zumeist ziemlich überbucht sind, was bedeutet, dass es sein kann, in einem Semester keinen oder nicht den gewünschten Seminarplatz zu bekommen. Anders gesagt gibt es zu wenig prüfungsimmanente Lehrveranstaltungen (Seminare, Übungen etc...) für zu viele Studenten. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die fachinterne Spezialisierung aus. Bei der Vergabe dieser besagten Seminarplätze werden selbstverständlich jene Studierende, die den ersten Abschnitt bereits eingereicht haben, bevorzugt aufgenommen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass Studierende, die sich im ersten Abschnitt befinden, kaum Chancen haben Plätze in den gewünschten Seminaren des Zweiten Abschnittes zu bekommen, selbst wenn es sich vom Stoffumfang ausgehen würde. Deshalb wurde, und das ist mein zweiter Punkt, einerseits beim Finanzamt, andererseits bei der Studienprogrammleitung nachgefragt, ob ich nun zwei Toleranzsemester vom ersten in den zweiten Abschnitt mitnehmen kann, was mir damals von beiden Seiten bestätigt wurde, da ja im Endeffekt dieselbe Semesteranzahl herauskommt, wie bei einem Einreichen nach vier beziehungsweise fünf Semestern, nämlich zehn. Leider ließ ich mir dies nicht schriftlich bestätigen. Erst dann habe ich den ersten Abschnitt eingereicht, um eben meine Chancen im zweiten zu erhöhen. Dies passierte wie gesagt im Sommersemester 2005. Ich bin mir darüber im Klaren, dass ich mittlerweile im elften Semester bin und ich, beziehungsweise meine Eltern, deshalb auch vermutlich keinen Anspruch auf Familienbeihilfe mehr besitzen. Allerdings hätte ich für das vergangene Semester noch Familienbeihilfe beziehen müssen, habe diese aber nicht bekommen. Dies wurde vom Finanzamt Schärding damit begründet, dass ich eben nur ein Toleranzsemester aus dem ersten Abschnitt mitnehmen darf, was mir insofern widersprüchlich erscheint, da ich nun eigentlich für ein schnelleres Absolvieren des ersten Abschnittes bestraft werde. Meiner Meinung nach absolvierte ich im letzten Semester (also im Wintersemester 2008/09) mein zehntes in diesem Studium und müsste deshalb für dieses auch noch Familienbeihilfe beziehen können."
Über die Berufung wurde erwogen:
Der relevante Gesetzestext des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG lautet:
"Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester."
Dazu wird in der Berufungsentscheidung des , wörtlich ausgeführt: "Der Berufungswerber argumentiert weiter, seine Tochter habe den ersten Studienabschnitt unter Einrechnung der Verlängerung für das sechsmonatige Auslandsstudium in London zeitgerecht im Juni 98 abgelegt und damit könne gemäß § 2 Abs. 1it. b FLAG 1967 einem weiteren Studienabschnitt (hier dem zweiten Studienabschnitt) ein Semester zugerechnet werden. Dem Berufungswerber ist hier zu entgegnen, dass zwischen dem laut Gesetz jedenfalls zustehenden "Toleranzsemester" (Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1it. b FLAG 1967 ist dann anzunehmen, wenn die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester überschritten wird) und dem bei Nachweis einer Erkrankung oder eines Auslandsstudiums möglichen "Verlängerungssemester" zu unterscheiden ist. Während nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 die "vorgesehene Studienzeit" (= die durch Gesetz oder Verordnung festgelegte Studiendauer) das so genannte "Toleranzsemester" noch nicht beinhaltet, umfasst die "Studienzeit" die "vorgesehene Studienzeit" und das Toleranzsemester. Diese nach Verbrauch des Toleranzsemesters "abgelaufene" Studienzeit kann durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium zusätzlich verlängert werden. Mit dem Verlängerungssemester soll der Beihilfenanspruch erhalten bleiben, wenn ein Studierender einen Studienabschnitt infolge einer relevanten Studienbehinderung nicht in der "Studienzeit" (= "vorgesehene Studienzeit" inkl. Toleranzsemester) absolviert hat. Nur wenn ein Studienabschnitt ohne "Verbrauch" des Toleranzsemesters in der "vorgesehenen Studienzeit" absolviert wird, kann dem folgenden Studienabschnitt ein weiteres Semester zugerechnet werden. Dadurch kommt es im Ergebnis zu einer Belohnung der Studierenden, die in einen Studienabschnitt abschließen, ohne das ihnen zustehende "Toleranzsemester" zu benötigen. Und nur dieses Toleranzsemester kann in den nächsten Studienabschnitt mitgenommen werden."
In einer weiteren Berufungsentscheidung des RV/0776-G/07, wird ausgeführt: "Der Gesetzeswortlaut unterscheidet sohin zwischen der "vorgesehenen Studienzeit" und der "Studienzeit". Während die vorgesehene Studienzeit das so genannte "Toleranzsemester" noch nicht beinhaltet, umfasst die "Studienzeit" die "vorgesehene Studienzeit" und das Toleranzsemester. Nur diese "Studienzeit" wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (z.B. Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert, nicht jedoch die "vorgesehene Studienzeit". Dadurch soll der Beihilfenanspruch erhalten bleiben, wenn ein Studierender einen Studienabschnitt infolge einer relevanten Studienbehinderung nicht in der "Studienzeit" (= "vorgesehene Studienzeit" und Toleranzsemester) absolviert. Aber nur dann, wenn ein Studienabschnitt in der "vorgesehenen Studienzeit" (ohne Toleranzsemester) absolviert wird, kann einem weiteren Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Dadurch kommt es gleichsam zu einer Belohnung der Studierenden, die in einen Studienabschnitt abschließen, ohne das ihnen zustehende "Toleranzsemester" zu benötigen. Dieses Toleranzsemester kann im Ergebnis in den nächsten Studienabschnitt mitgenommen werden. Die Anordnungen des FLAG 1967 decken sich insoweit auch mit dem Studienförderungsrecht, weil auch hier gemäß § 19 StudFG die "Anspruchsdauer" aus wichtigen Gründen verlängert werden kann. Und auch hier verlängert sich gemäß § 18 Abs. 1 StudFG die Anspruchsdauer des folgenden Abschnittes nur dann um ein Semester, wenn ein Studierender den vorhergehenden Abschnitt in der "vorgesehenen Studiendauer" (ohne Toleranzsemester) abgeschlossen hat."
Der Sohn des Berufungswerbers hat den ersten Studienabschnitt unbestritten in der "vorgesehenen Studienzeit" (ohne Toleranzsemester), sogar ein Semester früher, abgeschlossen. Somit konnte dem zweiten Studienabschnitt ein Semester zugerechnet werden. Wie auch aus dem Bescheid des Finanzamtes hervorgeht, wäre dieser Abschnitt schließlich bis September 2008 zu absolvieren gewesen. Tatsächlich erfolgte der Abschluss des zweiten Studienabschnittes nicht in der dafür vorgesehenen Zeit (incl. des mitgenommenen Toleranzsemesters). Daher lagen im Oktober 2008 die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe nicht vor.
Aus den angeführten Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at