Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSF vom 01.07.2011, RV/0178-F/10

Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0184 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Steurer und die weiteren Mitglieder Mag. Claudia Mauthner, Bernd Feldkircher und Dr. Klaus Holbach im Beisein der Schriftführerin Veronika Pfefferkorn über die Berufung des Bw., D., S., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch, vertreten durch Mag. Sebastian Tschiderer, vom betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO nach der am in 6800 Feldkirch, Schillerstraße 2, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

1) Hinsichtlich Umsatzsteuer 03/2008, Umsatzsteuer 06/2008, Umsatzsteuer 08/2008, Umsatzsteuer 09/2008, Umsatzsteuer 10/2008, Umsatzsteuer 11/2008, Umsatzsteuer 12/2008 und Umsatzsteuer 01/2009, die insgesamt mit einem Betrag von 12.090,60 € aushaften, wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

2) Hinsichtlich Haftung für Lohnsteuer 10-11/2008, Lohnsteuer 01-03/2009, Dienstgeberbeitrag 10-12/2008, Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10-12/2008 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008 sowie das erste Quartal 2009, der Verspätungszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 01/2008, 02/2008 und 03/2008 sowie der Säumniszuschläge 2008 und 2009 wird der angefochtene Bescheid gemäß § 289 Abs. 1 BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (in der Folge kurz: Bw.) war Gesellschafter und Geschäftsführer einer zwischenzeitig im Firmenbuch gelöschten Gaststättenbetriebs GmbH. Die Geschäftsführerfunktion hatte der Bw. laut Firmenbuch vom bis zum inne.

Mit Beschluss des Landesgerichtes X. vom wurde der Antrag über das Vermögen der Gesellschaft den Konkurs zu eröffnen, mangels Kostendeckung abgewiesen. Am erfolgte die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch.

Mit Bescheid vom zog das Finanzamt den Geschäftsführer gemäß § 9 BAO in Verbindung mit § 80 BAO zur Haftung für in einer angeschlossenen Rückstandsaufgliederung nach Abgabenart, Zeitraum und aushaftendem Betrag im Einzelnen aufgeschlüsselte Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin in Höhe von insgesamt 18.008,12 € heran. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Geschäftsführer sei verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die Abgaben des Betriebes entrichtet würden und es müsse das Finanzamt bis zum Beweis des Gegenteiles davon ausgehen, dass diese gesetzliche Verpflichtung schuldhaft verletzt worden sei. Die Haftung sei auszusprechen, da Einbringungsmaßnahmen gegenüber der Gesellschaft bisher erfolglos verlaufen seien.

Gegen den Haftungsbescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben und die Durchführung einer volksöffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung durch ein Tribunal im Sinne des Art. 6 EMRK in Senatsbesetzung begehrt. Zugleich wurde gegen einen nicht näher bezeichneten Abgabenbescheid eine Berufung eingebracht, mit der Begründung, ein Abgabenbescheid sei dem Geschäftsführer nie zugänglich gemacht worden. Soweit überhaupt ein Abgabenbescheid erlassen worden sein sollte, seien die darin enthaltenen Positionen, soweit sie mit dem Rückstandsausweis vom identisch sein sollten, falsch. Die dort angeführten Beträge könnten einerseits nicht zu Recht bestehen; soweit sie tatsächlich zu Recht bestünden, sei ein Großteil bereits bezahlt worden. Zum Beweis werde die Einvernahme des R.R., H., Steuerberater der Primärschuldnerin als Zeuge sowie die Einvernahme des I.S., Dn., letzter Geschäftsführer der Primärschuldnerin, ebenfalls als Zeuge, beantragt.

Der Haftungsinanspruchnahme wurde mit dem Vorbringen entgegengetreten, der Bw. habe seine Geschäftsführertätigkeit schon lange vor dem noch im Jahr 2008 zurückgelegt. Rechtlich bedeutsam sei nicht die "Austragung" im Firmenbuch, sondern die 2008 erfolgte Rücktrittserklärung gegenüber den Gesellschaftern und den Mitgeschäftsführern. Eine Fälligkeit von berechtigten Abgabenansprüchen gegen die Primärschuldnerin, die während aufrechter Geschäftsführertätigkeit des Bw. eingetreten sei, liege somit nicht vor.

Weiters könne aus der Nichteröffnung des Konkursverfahren gegen die Primärschuldnerin mangels Kostendeckung nicht geschlossen werden, dass diese nicht über genügend Vermögen verfügt habe oder dass diese nicht durch Geltendmachung berechtigter Ansprüche zu Vermögen gelangen hätte können (Einforderung von Stammeinlagen, sonstige Forderungen, etc.). Das Finanzamt hätte auch gegen die Löschung der Primärschuldnerin Einspruch erheben können. Gesamthaft sei somit das Finanzamt seinen gesetzlichen Einhebungs- und Ermittlungspflichten nicht nachgekommen. Unterlassungen der Finanzbehörde seien aber nicht dem Bw. zuzurechnen.

Auch setze Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Primärschuldnerin und eine Geltendmachung der Vertreterhaftung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass effiziente Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Primärschuldnerin erfolglos gewesen seien oder voraussichtlich erfolglos gewesen wären (z.B. ; ). Hätte das Finanzamt effiziente Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere exekutive Pfändungen der laufenden Tageslosungen gesetzt, oder rechtzeitig eine Unternehmensexekution durchgeführt, wären die laufenden Abgabenverbindlichkeiten problemlos zur Gänze eingebracht worden. Solche Maßnahmen habe das Finanzamt unterlassen. Für einen dadurch entstandenen Abgabenausfall hafte nicht der Bw.

Im Übrigen hätten weder die Primärschuldnerin noch der Bw. den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel verletzt. Auch diesbezüglich werde zum Beweis die Einvernahme des R.R., H., Steuerberater der Primärschuldnerin als Zeuge sowie die Einvernahme des I.S., Dn., letzter Geschäftsführer der Primärschuldnerin, ebenfalls als Zeuge, beantragt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung unter Zitierung der für die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme maßgeblichen Judikatur im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, das Finanzamt habe auf Grund eines am vorgenommenen erfolglosen Vollstreckungsversuches und wegen der Nichteröffnung des Konkurses mangels Kostendeckung von der Uneinbringlichkeit der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten ausgehen dürfen.

Der Bw. sei weiters zu den Fälligkeitszeitpunkten der haftungsgegenständlichen Abgaben verantwortlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Bezüglich des vom Bw. behaupteten Rücktrittes als Geschäftsführer im Jahr 2008 sei anzuführen, dass gemäß § 17 Abs. 1 GmbHG eine Verpflichtung zur unverzüglichen Anmeldung des Erlöschens der Vertretungsbefugnis im Firmenbuch bestünde. Ein solcher Antrag sei aber erst am beim Firmenbuch eingebracht worden, woraufhin am die Löschung der Geschäftsführerfunktion des Bw. im Firmenbuch erfolgt sei. Gemäß § 17 Abs. 1 GmbHG könne ein Mangel der Bestellung Dritten gegenüber nur entgegengehalten werden, wenn der Mangel diesen bekannt gewesen sei. Somit habe das Finanzamt darauf vertrauen dürfen, dass der Bw. als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer für die Besorgung der Geschäfte der Primärschuldnerin im betreffenden Zeitraum verantwortlich gewesen sei.

Soweit die Abgabenansprüche bezahlt worden seien, sei keine Haftungsinanspruchnahme erfolgt, weshalb auch der diesbezügliche Einwand des Bw. ins Leere gehe. Bei den letztendlich in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten handle es sich im Wesentlichen um zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides aushaftende Selbstbemessungsabgaben (Umsatzsteuervoranmeldungen, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) sowie um Mindestkörperschaftsvorauszahlungen. Bezüglich der Lohnsteuer wäre der Bw. verpflichtet gewesen, die Auszahlung der Löhne so zu gestalten, dass die darauf entfallenden Abgaben anteilig entrichtet worden wären. Der Bw. wäre zudem hinsichtlich der haftungsgegenständlichen Abgaben auf Grund seiner Geschäftsführerfunktion zur Abgabe von Steuererklärungen verpflichtet gewesen. Ihm hätte auch aus der Buchführung im Hinblick auf die getätigten Umsätze bekannt sein müssen, inwieweit mit Nachforderungen seitens des Finanzamtes zu rechnen und daher für die Entrichtung der Abgaben Sorge zu tragen sein werde. Abgabenbescheide, die der Primärschuldnerin oder dem Bw. zugehen hätten können, existierten nicht, weil sämtliche haftungsgegenständlichen Abgaben vom Abgabenpflichtigen selbst zu berechnen und abzuführen gewesen wären. Das Berufungsvorbringen, die betreffenden Abgabenansprüche bestünden nicht zu Recht, werde - insbesondere im Hinblick auf die den Bw. als Geschäftsführer treffende Selbstberechnungs- und Abfuhrverpflichtung - nicht näher konkretisiert und könne daher nicht als ein gegen die Abgabenansprüche eingebrachtes Rechtsmittel gewertet werden.

Hinsichtlich des Vorbringens, die Abgabenbehörde habe effiziente Vollstreckungsmaßnahmen unterlassen, sei anzumerken, dass es gemäß den geltenden Abgabenverfahrensvorschriften grundsätzlich Sache des Geschäftsführers sei, für eine pünktliche Abfuhr der von der Primärschuldnerin geschuldeten Abgaben Sorge zu tragen und nicht grundsätzlich die Abgabenbehörde die geschuldeten Abgabenbeträge exekutiv einzubringen habe. Das Vorbringen, die Unterlassungen des Finanzamtes seien dem Bw. nicht vorwerfbar, gingen somit ins Leere. Vielmehr habe es der Bw. unterlassen, darzutun, inwieweit diese abgabenrechtlichen Pflichten nicht von ihm verletzt worden seien. Die Abgabenbehörde habe daher von einer schuldhaften Pflichtverletzung und damit verbunden, von einem vorliegenden Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Uneinbringlichkeit ausgehen dürfen.

Mit Schriftsatz vom wurde die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt. Darin wurden die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung als gänzlich an der relevanten Thematik vorbeigehend gewertet. So treffe den Bw. als Geschäftsführer der Primärschuldnerin keineswegs eine "volle Beweislast". Vielmehr bestünde eine amtswegige Ermittlungspflicht. Die Behörde hätte zunächst Ermittlungen anzustellen und Feststellungen darüber zu treffen gehabt,

- welche Abgabenschuldigkeiten bei der Primärschuldnerin tatsächlich noch aushaften,

- zu welchem Zeitpunkt der Bw. seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt hat,

- welche Zahlungen auf die Abgabenschuldigkeiten der Primärschuldnerin seit dem Zeitpunkt der Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit durch den Bw. noch geleistet worden sind,

- ob weitere Zahlungen deshalb unterblieben sind, weil ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz oder der Bevorrechtungsgrundsatz der Ab- und Aussonderungsberechtigten verletzt worden wäre,

- ob und welche rechtlich möglichen Einbringungsmaßnahmen das Finanzamt unterlassen hat.

Die obig angeführten Ermittlungen und Feststellungen seien bislang nicht erfolgt. Vielmehr habe sich die Erstbehörde mit der Zitierung der für die Rechtmäßigkeit einer Haftungsinanspruchnahme maßgeblichen Judikatur begnügt, ohne konkrete schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Pflichten durch den Bw. festzustellen.

Tatsache sei, dass der Bw. spätestens am seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe. Vom bis sei I.S. alleinvertretungsbefugter handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen. Daher hätte auch I.S. die Löschung der Vertretungsbefugnis des Bw. im Firmenbuch veranlassen müssen, nicht aber der Bw., der dazu nicht mehr befugt gewesen sei. Der Verweis der Abgabenbehörde erster Instanz auf § 17 Abs. 3 GmbHG sei gänzlich verfehlt. Auch könne sich das Finanzamt schon deshalb nicht im Nachhinein auf einen Vertrauensschutz im Sinne des § 17 Abs. 3 GmbHG berufen, weil in diesem Zeitraum keine Haftungsinanspruchnahme des Bw. erfolgt sei.

Zudem stelle ein Rückstandsausweis keine Entscheidung darüber dar, welche Abgaben gegenüber der Primärschuldnerin tatsächlich bestünden, wenn über die davon betroffenen Abgaben noch kein in Rechtskraft erwachsener Bescheid erlassen worden sei. Mit Selbstberechnung und Abfuhrverpflichtung habe dies überhaupt nichts zu tun. Daher seien zunächst Bescheide über die relevanten Abgaben der Primärschuldnerin zu erlassen, da dem Bw. insoweit gemäß § 248 BAO eine Rechtsmittelbefugnis zustünde.

Hätte die Abgabenbehörde ab dem Frühjahr 2008, also vor dem , effiziente Vollstreckungsmaßnahmen (Fahrnisexekution, Pfändung der Einnahmen im Gastlokal, Gewerbepfändung, etc.) gegenüber der Primärschuldnerin durchgeführt und als Gläubigerin allenfalls auch einen Konkursantrag gestellt (§ 70 KO), wäre entweder überhaupt kein berechtigter Abgabenanspruch verblieben oder die Primärschuldnerin hätte unter Bedachtnahme auf die Gläubigerrechte der restlichen Gläubiger keine weiteren Zahlungen an das Finanzamt leisten dürfen. Es seien somit Feststellungen darüber zu treffen, ab welchem Zeitpunkt das Finanzamt welche Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin in die Wege geleitet habe und dadurch welche Zahlungen erhalten habe. Der amtswegigen Ermittlungspflicht sei keinesfalls Genüge getan, wenn seitens der Abgabenbehörde eine Aufstellung verfasst werde, in der die angeblich noch aushaftenden Abgaben aufgelistet würden und der Bw. müsse sodann unter Beweis stellen, dass er nicht schuldhaft gehandelt habe. Ob der Bw. eine rechtmäßig bestehende Abgabenschuld der Primärschuldnerin verursacht habe und ob er dabei rechtswidrig gehandelt habe, könne erst beurteilt werden, wenn die obig angeführten Sachverhaltsfeststellungen getroffen worden seien. Nach Feststellung einer "Verursachung" und Rechtswidrigkeit sei zu prüfen, ob den Bw. eine schuldhafte Pflichtverletzung treffe. Das Vorliegen einer solchen sei jedoch deshalb zu verneinen, weil der Bw. zu den Fälligkeitszeitpunkten der in Haftung gezogenen Abgaben nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin gewesen sei.

In der am abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung hat der Bw. nochmals betont, dass er bereits im Mai 2008 seine Geschäftsführerfunktion zurückgelegt habe. Auf Befragung gab der Bw. bekannt, dass diese Zurücklegung nicht schriftlich festgehalten worden sei. Sowohl während des Zeitraumes, als er als Geschäftsführer tätig gewesen sei, als auch danach, habe er als Koch für die Primärschuldnerin gearbeitet. Nach Zurücklegung der Geschäftsführertätigkeit sei der für diese Tätigkeit erhaltene Bezug niedriger gewesen. Weiters wurde seitens des Bw. nochmals eingewandt, dass bei Setzung von Vollstreckungsmaßnahmen seitens der Abgabenbehörde der gesamte Rückstand der Primärschuldnerin einbringlich gewesen wäre.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 224 Abs. 1 BAO werden die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

Gemäß § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Berufung gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch berufen. Beantragt der Haftungspflichtige die Mitteilung des ihm noch nicht zur Kenntnis gebrachten Abgabenanspruches, so gilt § 245 Abs. 2 und 4 sinngemäß.

Voraussetzung für eine Haftung sind eine Abgabenforderung gegen den Vertretenen, die Stellung als Vertreter, die Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung, eine Pflichtverletzung des Vertreters, dessen Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit.

Seitens des Bw. wird sowohl das Bestehen der in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten gegenüber der Primärschuldnerin in Streit gestellt, als auch deren rechtskräftige und richtige Festsetzung im Bezug auf den Bw., die Uneinbringlichkeit dieser Abgabenforderungen, eine abgabenrechtliche Pflichtverletzung des Bw. bzw. ein allfälliges Verschulden an dieser Pflichtverletzung sowie deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit.

1) Rechtmäßigkeit des Abgabenanspruchs

In der Berufung bzw. im Vorlageantrag wurde dazu vorgebracht, eine Haftungsinanspruchnahme setze die vorherige Erlassung von Abgabenbescheiden voraus, und zwar auch dann, wenn es sich wie bei der Umsatzsteuer, dem Dienstgeberbeitrag sowie dem Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag um Selbstbemessungsabgaben handle oder um Abfuhrabgaben wie die Lohnsteuer. Die betreffenden Bescheide müssten zudem bereits in Rechtskraft erwachsen sein. Sollten bereits Abgabenbescheide erlassen worden sein, seien diese unrichtig bzw. würden die festgesetzten Abgaben zum Großteil nicht mehr aushaften.

Diesen Einwendungen ist Folgendes entgegenzuhalten: Die in § 9 iVm § 80 BAO normierte persönliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH wird als Maßnahme der Abgabeneinhebung durch Haftungsbescheid (§ 224 BAO) geltend gemacht. Eine solche Haftungsinanspruchnahme setzt lediglich den Bestand von Abgabenschuldigkeiten voraus, nicht jedoch, dass diese Abgaben dem Erstschuldner gegenüber bereits geltend gemacht bzw. dass gegenüber dem Primärschuldner rechtsrichtige oder formell rechtskräftige Bescheide erlassen wurden. Sofern über jene Abgabenschulden, für die der Haftungspflichtige in Anspruch genommen wurde, noch nicht bescheidmäßig abgesprochen wurde, ist nicht in einem dem Haftungsverfahren vorangestellten Verfahren, sondern im Haftungsverfahren selbst über die Richtigkeit der Abgaben zu entscheiden. Sind gegenüber dem Primärschuldner entsprechende Abgaben- oder Haftungsbescheide ergangen, kann der Haftungspflichtige im Haftungsverfahren zwar nicht mit Erfolg Einwendungen gegen die Richtigkeit der Abgaben erheben, sein Rechtsschutzinteresse ist aber deshalb gewahrt, weil ihm § 248 BAO das Recht einräumt, auch gegen die Abgabenanspruchsbescheide Berufung einzulegen. Da dieses Berufungsrecht die Kenntnis der zur Festsetzung der Abgabenansprüche führenden Grundlagen voraussetzt, hat die Behörde dem Haftungspflichtigen auf Antrag Grund und Höhe der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten bekannt zu geben (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 248 E 24 ff). Eine solche Bekanntmachung hat durch Zusendung einer Ausfertigung bzw. Ablichtung der maßgeblichen Bescheide über die Abgabenansprüche, allenfalls durch Mitteilung der Bescheidinhalte zu erfolgen.

Gegenständlich wurde unter anderem die Umsatzsteuer für die Zeiträume 03/2008, 06/2008, 08/2008, 09/2008, 10/2008, 11/2008, 12/2008 und 01/2009 in Haftung gezogen. Hinsichtlich der betreffenden Abgaben wurden seitens der Primärschuldnerin bzw. ihres Vertreters beim zuständigen Finanzamt gemäß § 21 Abs. 3 UStG 1994 Voranmeldungen eingereicht, wobei die Richtigkeit dieser selbst berechneten Abgaben von der Abgabenbehörde nicht in Zweifel gezogen wurde. Eine Entrichtung dieser Abgaben unterblieb mit Ausnahme der Umsatzsteuer 03/2008 jedoch gänzlich (die in Höhe von 2.636,91 € gemeldete Umsatzsteuer 03/2008 wurde zwischenzeitlich in Höhe von 707,61 getilgt, sodass lediglich hinsichtlich des Restbetrages von 1.929,39 € eine Haftung ausgesprochen wurde). Mit Bescheid vom wurde sodann die Umsatzsteuernachforderung 2008 mit 0,00 € festgesetzt und mit Bescheid vom die Umsatzsteuernachforderung 2009, ebenfalls mit 0,00 € festgesetzt (d.h. die Festsetzungen entsprechen den in den jeweiligen Voranmeldungen erklärten Umsätzen und Vorsteuern).

In Haftung gezogen wurde weiters die Körperschaftsteuer für die Zeiträume 07-09/2008, 10-12/2008 und 01-03/2009. Basis für diese Vorschreibungen ist der am erlassene Vorauszahlungsbescheid, mit dem für 2006 und die Folgejahre eine Mindestkörperschaftsteuer in Höhe von 1.750,00 festgesetzt wurde (5% von 35.000,00 €). Somit ist auch hinsichtlich der gegenständlichen Körperschaftssteuervorauszahlungen eine bescheidmäßige Absprache erfolgt.

Die Lohnsteuer 01-12/2008 wurde von der Primärschuldnerin mit insgesamt 3.150,77 € errechnet und angemeldet. Für 01-09/2008 wurde die Lohnsteuer auch entrichtet, für 10-12/2008 unterblieb eine solche. In Folge einer bei der Primärschuldnerin durchgeführten Lohnsteuerprüfung wurde mit Bescheid vom die Lohnsteuer 2008 anstatt wie bisher gemeldet mit 3.150,77 € mit 2.729,78 € festgesetzt. In Haftung gezogen wurde die Lohnsteuer 10/2008 in Höhe von 272,38 € und die Lohnsteuer 11/2008 in Höhe von 313,00 €.

Für den Zeitraum 01-05/2009 erklärte die Primärschuldnerin Lohnsteuern in Höhe von insgesamt 584,30 €. Die Lohnsteuern für 04/2009 und für 05/2009 wurden entrichtet, nicht aber die Lohnsteuern für 01-03/2009. Mit Bescheiden vom wurde im Anschluss an die Lohnsteuerprüfung die seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Lohnsteuer für 07/2009 mit 1.373,04 € festgesetzt und jene für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 1.928,18 (bisherige Lohnsteuer 01-07/2009: 1.957,34 €). In Haftung gezogen wurden die Lohnsteuer für 01/2009 in Höhe von 229,32 €, die Lohnsteuer für 02/2009 in Höhe von 225,73 € und die Lohnsteuer für 03/2009 in Höhe von 225,73 €.

Die Dienstgeberbeiträge 01-12/2008 wurden von der Primärschuldnerin mit insgesamt 4.920,11 € errechnet und angemeldet, eine Entrichtung dieser Beiträge erfolgte für 01-09/2008, für 10-12/2008 unterblieb eine solche. Mit Bescheid vom wurde der Dienstgeberbeitrag für 2008 mit 4.899,10 € festgesetzt (das ergibt eine Nachforderung von 21,01 €). Eine Haftungsinanspruchnahme erfolgte hinsichtlich des Dienstgeberbeitrages 10/2008 in Höhe von 379,02 €, des Dienstgeberbeitrages 11/2008 in Höhe von 666,98 € und des Dienstgeberbeitrages 12/2008 in Höhe von 367,21 €.

Für den Zeitraum 01-05/2009 erklärte die Primärschuldnerin Dienstgeberbeiträge in Höhe von insgesamt 1.593,46 €. Die Dienstgeberbeiträge 04/2009 und 05/2009 wurden entrichtet, nicht aber jene für 01-03/2009. Mit Bescheiden vom wurde der seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Dienstgeberbeitrag für 07/2009 mit 604,46 € festgesetzt und jene für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 1.887,92 € (bisheriger Dienstgeberbetrag 01-07/2009: 2.197,92 €). Hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge 01/2009 in Höhe von 323,53 €, 02/2009 in Höhe von 308,24 € und 03/2009 in Höhe von 308,24 € wurde eine Haftung ausgesprochen.

Die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 01-12/2008 wurden von der Primärschuldnerin mit insgesamt 424,61 € errechnet und angemeldet, entrichtet wurden jedoch lediglich jene für die Zeiträume 01-09/2008. Mit Bescheid vom wurde der Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 2008 mit 426,41 € festgesetzt (das ergibt eine Nachforderung von 1,80 €).

Für die Zeiträume 01-05/2009 wurden Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag in Höhe von insgesamt 138,09 € gemeldet. Mit Bescheiden vom wurde der seitens der Primärschuldnerin nicht gemeldete Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für 07/2009 mit 52,39 € festgesetzt und jene für den Zeitraum 01-07/2009 mit insgesamt 163,62 € (bisheriger Dienstgeberbetrag 01-07/2009: 190,48 €). Eine Haftungsinanspruchnahme erfolgte für die Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag 10/2008 in Höhe von 32,85 €, 11/2008 in Höhe von 57,81 €, 12/2008 in Höhe von 31,82 €, 01/2009 in Höhe von 28,04 €, 02/2009 in Höhe von 26,71 € und 03/2009 in Höhe von 26,71 €.

Mit Bescheiden vom wurden wegen nicht zeitgerechter Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Zeiträume 01/2008, 02/2008 und 03/2008 Verspätungszuschläge in Höhe von insgesamt 598,02 € festgesetzt. Mit Bescheiden vom wurden wegen Nichtentrichtung der Umsatzsteuern 02/2008 und 03/2008 am Fälligkeitstag Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 114,51 € festgesetzt. Mit Bescheid vom wurde wegen Nichtentrichtung der Umsatzsteuer 12/2008 am Fälligkeitstag ein Säumniszuschlag in Höhe von 68,05 € festgesetzt. Für sämtliche der angeführten Nebenansprüche und Nebengebühren erfolgte eine Haftungsanspruchnahme des Bw..

Zu beachten ist dabei, dass dem Bw. anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides () weder Abschriften der bis zu diesem Zeitpunkt erlassenen Bescheide übermittelt wurden (das sind sämtliche Bescheide mit Ausnahme der erst am bzw. am erlassenen Umsatzsteuerbescheide 2008 und 2009), noch ihm Kenntnisse über den Grund und Inhalt dieser haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche verschafft wurden. Erst im Rahmen der Berufungsvorentscheidung wurde ihm mitgeteilt, dass es sich bei den in Haftung gezogenen Abgaben im Wesentlichen um Selbstbemessungsabgaben (Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag) sowie um Mindestkörperschaftsvorauszahlungen handle. Wie der Verwaltungsgerichtshof insbesondere in seinen Erkenntnissen vom , 2005/13/0145, und vom , 98/13/0115, zum Ausdruck gebracht hat, wird dem Rechtsschutzgedanken des § 248 BAO aber nur dann wirksam Rechnung getragen, wenn der Haftungspflichtige bereits zum Zeitpunkt der bescheidmäßigen Geltendmachung der Haftung über die Inhalte und die Gründe der Abgabenansprüche informiert wird, weil er nur so in der Lage ist, allenfalls gebotene Verteidigungsmittel richtig zu beurteilen und einzusetzen. Dem Haftungspflichtigen soll somit von der Behörde über die haftungsgegenständlichen Abgabenansprüche in einer Weise Kenntnis verschafft werden, die ihm die Prüfung der Richtigkeit der Abgabenfestsetzung ermöglicht bzw. sicherstellt, dass die Positionen seiner Rechtsverteidigung nicht schwächer sind als diejenigen, die der Abgabepflichtige gegen den Abgabenbescheid einzunehmen in der Lage ist (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO³ § 248 E 24ff).

Aus den obigen Ausführungen folgt, dass die nicht zeitgerechte, d.h. erst nach Ablauf der Berufungsfrist gegen den Haftungsbescheid - und damit gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch - erfolgte nähere Konkretisierung der Abgabenansprüche einen nicht sanierbaren Verfahrensmangel zur Folge hat, weshalb der angefochtene Haftungsbescheid hinsichtlich Lohnsteuer 10-11/2008, Lohnsteuer 01-03/2009, Dienstgeberbeitrag 10-12/2008, Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10-12/2008 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008 sowie das erste Quartal 2009, der Verspätungszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 01/2008, 02/2008 und 03/2008 sowie der Säumniszuschläge 2008 und 2009 gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufzuheben war. Die Ermächtigung des § 289 Abs. 1 BAO zur kassatorischen Erledigung von Berufungen, deren Voraussetzung wesentliche Verfahrensmängel des erstinstanzlichen Verfahrens sind, liegt zwar im Ermessen der Behörde, ist aber vor allem angesichts des oben zitierten Erkenntnisses des , in derartigen Fällen die einzige Möglichkeit einer gesetzmäßigen Entscheidung (siehe dazu auch ,, RV/0570-L/09, sowie , RV/0368-L/11, ).

Hinsichtlich Umsatzsteuer 03/2008, Umsatzsteuer 06/2008, Umsatzsteuer 08/2008, Umsatzsteuer 09/2008, Umsatzsteuer 10/2008, Umsatzsteuer 11/2008, Umsatzsteuer 12/2008 und Umsatzsteuer 01/2009 sind keine von den Voranmeldungen abweichenden Festsetzungsbescheide ergangen. Nach Auffassung des Unabhängigen Finanzsenates hatte das Finanzamt auch keine Veranlassung, den Bw. anlässlich der Erlassung des Haftungsbescheides darüber zu informieren, dass es sich dabei um gemeldete Umsatzsteuer gehandelt hat. Denn - wie bereits dargelegt wurde - ist, sofern über Abgabenansprüche noch nicht bescheidmäßig abgesprochen wurde, im Haftungsverfahren selbst über deren Richtigkeit zu entscheiden.

Der Unabhängige Finanzsenat kann allerdings nicht nachvollziehen, weshalb diese selbst gemeldeten Umsatzsteuern unrichtig sein sollten. Auch das Finanzamt hat die in den jeweiligen Voranmeldungen erklärten Umsätzen und Vorsteuern als zutreffend erachtet und deshalb entsprechende Jahresumsatzsteuerbescheide erlassen (siehe dazu oben). Mangels ausreichender Präzisierung des Beweisthemas liegt daher kein nach § 183 Abs. 3 BAO beachtlicher Beweisantrag vor.

Nicht nachvollzogen werden kann auch der Einwand des Bw. im Vorlageantrag, seitens der bescheiderlassenden Behörde sei keine Feststellung darüber getroffen worden, ob die in Haftung gezogenen Umsatzsteuern bei der Primärschuldnerin tatsächlich noch aushafteten. Die abgabenrechtliche Haftung setzt, entsprechend dem Prinzip der Akzessorietät, den Bestand einer Schuld voraus, d.h. eine Haftung kann nur geltend gemacht werden, sofern und solange eine entsprechende Abgabenforderung gegen den Erstschuldner besteht. In Entsprechung dieses Grundsatzes hat das Finanzamt den Bw. als Haftungspflichtigen für einen Großteil der gegenüber der Primärschuldnerin zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides bestehenden Abgabenschulden in Anspruch genommen. Zur Information darüber, wie sich der zu diesem Zeitpunkt bestehende in Haftung gezogene Abgabenrückstand der Primärschuldnerin zusammensetzt, wurde ein Rückstandsausweis beigelegt, in dem der Haftungsbetrag nach Abgabenart, Zeitraum, Fälligkeitstag und aushaftendem Betrag aufgegliedert wurde. Ob die Primärschuldnerin neben dem Haftungsbetrag weitere Abgabenschulden hatte (Stand zum laut Abgabenkonto: 26.266,82 €) ist für die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme ohne Belang. Wie eine Abfrage des Abgabenkontos der Primärschuldnerin am ergab, haften die gegenständlichen Umsatzsteuern zudem noch immer unberichtigt aus, sodass die Aufrechterhaltung der Haftung insofern zulässig ist. Sollte der Einwand des Bw. darauf abzielen, dass die Richtigkeit der Verbuchungen der Gebarung in Frage gestellt wird - für das Vorliegen einer solchen Unrichtigkeit besteht aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates aber kein Anhaltspunkt - wäre dies nicht im Haftungsverfahren zu klären, sondern müsste die Erlassung eines Abrechnungsbescheides beantragt werden.

2) Stellung des Bw. als verantwortlicher Vertreter der Primärschuldnerin für die in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten

Der Bw. hat vorgebracht, dass er spätestens am seine Geschäftsführertätigkeit zurückgelegt habe, diese Zurücklegung aber nicht schriftlich festgehalten worden sei. Der Fälligkeitstag sämtlicher in Haftung gezogener Abgaben läge nach diesem Zeitpunkt. Auch deshalb sei die Haftungsinanspruchnahme zu Unrecht erfolgt.

Zutreffend ist, dass die Zurücklegung der Geschäftsführungsbefugnis durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung des Geschäftsführers gegenüber der GmbH erfolgt (der Generalversammlung oder den Gesellschaftern). Eine solche Niederlegung wirkt unabhängig von der Eintragung im Firmenbuch; dieser Eintragung kommt nur deklarative Wirkung zu (; ; Ritz, BAO³, § 9 Tz 17).

Der Bw. hat allerdings keinen Nachweis für seine Behauptung erbracht, er habe seine Geschäftsführertätigkeit am zurückgelegt. Vielmehr ergab eine seitens des Unabhängigen Finanzsenates vorgenommene elektronische Abfrage der Urkundensammlung des Firmenbuches, dass der Bw., der seit dem Geschäftsführer der Primärschuldnerin war, mit Gesellschafterbeschluss vom als Geschäftsführer abberufen wurde. Die Eintragung der Abberufung im Firmenbuch erfolgte am . Mit Notariatsakt vom und somit in etwa zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion behauptet wird, hat der Bw. sämtliche Gesellschaftsanteile abgetreten. Auch konnte an Hand der Akten nicht verifiziert werden, dass das Entgelt, das der Bw. für seine Tätigkeit als Koch im Betrieb der Primärschuldnerin nach Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion erhalten hat, tatsächlich geringer war als jenes vor dem behaupteten Zeitpunkt der Zurücklegung dieser Funktion. So wurde dem Finanzamt für den Zeitraum bis ein Nettoeinkommen in Höhe von 9.021,96 € gemeldet und für den Zeitraum bis ein solches in Höhe von 5.919,06 €. Als Folge der Feststellung, dass der Bw. die Geschäftsführerfunktion vom bis zum innehatte, ist nunmehr zu prüfen, ob der Fälligkeitstag der in Haftung gezogenen Umsatzsteuern vor dem liegt.

Die Umsatzsteuer 03/2008 war gemäß § 210 Abs. 1 BAO in Verbindung mit § 21 Abs. 1 UStG am fällig, die Umsatzsteuer 06/2008 am , die Umsatzsteuer 08/2008 am , die Umsatzsteuer 09/2008 am , die Umsatzsteuer 10/2008 am und die Umsatzsteuer 01/2009 am . Somit fiel der Fälligkeitstag sämtlicher in Haftung gezogener Umsatzsteuern in die Zeit der Vertretungstätigkeit des Bw.. Die Nichtentrichtung dieser Abgaben ist daher objektiv als eine Verletzung der dem Bw. obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten anzusehen.

3) Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung

Außer Streit steht, dass mit Beschluss des Landesgerichtes X. vom der Antrag über das Vermögen der Gesellschaft den Konkurs zu eröffnen, mangels Kostendeckung abgewiesen wurde und am die amtswegige Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch erfolgte.

Bei Vorliegen eines solchen Sachverhaltes kann aber - entgegen der Rechtsmeinung des Bw. - auf die Uneinbringlichkeit der Abgabenschulden geschlossen werden (siehe dazu ; ; ; ; ; Ritz, BAO³, § 9 Tz 6). Bei Inanspruchnahme der Haftung des Vertreters einer juristischen Person kommt es auch nicht darauf an, ob bzw. wann die Abgabenbehörde Exekutionsmaßnahmen zur Hereinbringung der offenen Abgabenforderungen gesetzt hat bzw. ob sie rechtzeitig einen Konkursantrag gestellt hat, sondern eben nur darauf, dass die Abgabenforderungen uneinbringlich geworden sind und dies die Folge der schuldhaften Verletzung der dem Vertreter auferlegten Pflichten ist (; ).

Hinsichtlich des Einwandes, bei Setzung effizienter Vollstreckungsmaßnahmen gegenüber der Primärschuldnerin vor dem wäre kein berechtigter Abgabenanspruch verblieben, ist überdies anzumerken, dass der Fälligkeitstag sämtlicher in Haftung gezogener Abgaben nach diesem Zeitpunkt liegt.

4) Verschulden an der Pflichtverletzung und die Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit

Wie obig ausgeführt wurde, ist die Nichtentrichtung der in Haftung gezogenen Umsatzsteuern objektiv als eine Verletzung der dem Bw. obliegenden abgabenrechtlichen Pflichten anzusehen. Diese objektive Pflichtverletzung der Nichttilgung wäre dann nicht vorwerfbar, wenn der Primärschuldnerin zu den maßgeblichen Fälligkeitstagen überhaupt keine liquiden Mittel zur Verfügung gestanden wären. Von der gänzlichen Illiquidität der Primärschuldnerin zu den Fälligkeitszeitpunkten ist aber schon deshalb nicht auszugehen, weil laut Akten bis einschließlich Juli 2009 sämtliche Löhne ausbezahlt wurden (unter anderem auch an den Bw.) und zumindest bis Mai 2009 Umsätze getätigt wurden. Da die Primärschuldnerin im Gastgewerbe tätig war (Betreibung einer Pizzeria) und in diesem Geschäftszweig die Vereinnahmung der Umsätze bei Leistungserbringung üblich ist, ist aus der Sicht des Unabhängigen Finanzsenates zudem der Schluss zulässig, dass die Umsätze auch vereinnahmt wurden.

Der Bw. behauptet nun zwar nicht das Vorliegen einer gänzlichen Illiquidität der Primärschuldnerin zu den maßgeblichen Fälligkeitspunkten, wendet aber ein, er habe den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger nicht verletzt. Als Beweis dafür beantragte er die Einvernahme des Steuerberaters der Primärschuldnerin sowie die Einvernahme des letzten Geschäftsführers der Primärschuldnerin als Zeugen.

Wie aus den Akten zu ersehen ist, ist aber die Behauptung der Gleichbehandlung aller Gläubiger schon deshalb nicht zutreffend, weil im maßgeblichen Zeitraum ( bis ) sämtliche Löhne bezahlt wurden, der Abgabenrückstand im selben Zeitraum jedoch von 1.836,61 € auf 16.011,47 € angewachsen ist. Überdies spricht auch das Berufungsvorbringen, bei Setzung effizienter Vollstreckungsmaßnahmen wären die Abgabenverbindlichkeiten problemlos gänzlich einbringlich gewesen, gegen die tatsächliche Gleichbehandlung sämtliche Gläubiger. Zeugeneinvernahmen als Beweis für eine Tatsache, deren Unrichtigkeit bereits an Hand der Akten zu ersehen ist, werden aber als nicht zielführend erachtet.

Behandelt der Vertreter Abgabenschulden des Vertretenen schlechter als die übrigen Verbindlichkeiten, die aus dem von ihm verwalteten Vermögen zu begleichen sind, liegt darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden. Mangels rechnerischen Nachweises einer allfälligen quantitativen Unzulänglichkeit der zu den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel - auf diese Möglichkeit wurde in der Berufungsvorentscheidung, der insofern Vorhaltscharakter zukommt, hingewiesen - kommt auch keine Einschränkung der Haftung auf jenen Betrag in Betracht, um den bei gleichmäßiger Behandlung sämtlicher Gläubiger die Abgabenbehörde mehr erlangt hätte, als sie infolge des pflichtwidrigen Verhaltens des Vertreters tatsächlich bekommen hat.

Bei schuldhafter Verletzung der Vertreterpflicht, für die Entrichtung der Abgaben aus den Mitteln des Vertretenen zu sorgen, darf die Abgabenbehörde überdies davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit ist.

5) Ermessen

Die Heranziehung zur Haftung ist eine Ermessensentscheidung, die im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung des berechtigten Interesses des Bw. beizumessen, nicht zur Haftung für Abgaben herangezogen zu werden, deren Uneinbringlichkeit bei der Primärschuldnerin feststeht und deren Nichtentrichtung durch ihn verursacht wurde. Unter dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" ist das "öffentliche Interesse an der Einhebung der Abgaben" zu verstehen.

Eine seitens des Unabhängigen Finanzsenates vorgenommene Abfrage bei der Österreichischen Sozialversicherung ergab, dass der Bw. seit gewerblich selbständig erwerbstätig ist. Die Höhe der Einkünfte des Bw. und seine Vermögensverhältnisse hat der Bw. zwar nicht bekannt gegeben; angesichts des Alters des Bw. (Jahrgang XX) und des Umstands, dass er Einkünfte bezieht, kann aber nicht von vorneherein von einer Unbilligkeit einer Haftungsinanspruchanspruchnahme ausgegangen werden.

Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liegt vor allem darin, dass nur durch diese Maßnahme überhaupt eine zumindest teilweise Einbringlichkeit der betreffenden Abgaben gegeben ist, und nur so dem öffentlichen Interesse an der Abgabenerhebung nachgekommen werden kann. Gesamthaft war daher in Ausübung des freien Ermessens dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse des Bw., nicht zur Haftung herangezogen zu werden, der Vorzug zu geben.

Der Haftungsbescheid war somit hinsichtlich Lohnsteuer 10-11/2008, Lohnsteuer 01-03/2009, Dienstgeberbeitrag 10-12/2008, Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 10-12/2008 und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 01-03/2009, Körperschaftsteuervorauszahlungen für das dritte und vierte Quartal 2008 sowie das erste Quartal 2009, der Verspätungszuschläge hinsichtlich Umsatzsteuer 01/2008, 02/2008 und 03/2008 sowie der Säumniszuschläge 2008 und 2009 gemäß § 289 Abs. 1 BAO aufzuheben. Hinsichtlich der nach wie vor aushaftenden Umsatzsteuer 03/2008 in Höhe 1.929,30 €, der Umsatzsteuer 06/2008 in Höhe von 874,11 €, der Umsatzsteuer 08/2008 in Höhe von 1.554,95 €, der Umsatzsteuer 09/2008 in Höhe von 1.532,16 €, der Umsatzsteuer 10/2008 in Höhe von 58,68 €, der Umsatzsteuer 11/2008 in Höhe von 1.144,17 €, der Umsatzsteuer 12/2008 in Höhe von 3.402,69 € und der Umsatzsteuer 01/2009 in Höhe von 1.594,54 €, insgesamt sohin eines Betrages von 12.090,60 € war die Berufung als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 224 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Bestand von in Haftung gezogenen Abgabenschuldigkeiten
wesentlicher Verfahrensmangel
Rechtmäßigkeit der Gebarung am Abgabenkonto
Uneinbringlichkeit der Abgabenforderungen
abgabenrechtliche Pflichtverletzung
Verschulden an der Pflichtverletzung
Ermessen

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