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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 02.09.2013, RV/0555-F/12

1. Prüfung der Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz 2. Steuerliche Behandlung von sogenannten überobligatorischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträgen zur beruflichen Pensionsvorsorge in der Schweiz

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Lenz Bereuter Gehrer, Wirtschaftsprüfungs- und SteuerberatungsgmbH & Co KG, 6850 Dornbirn, Eisengasse 34, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2011 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe betragen:


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Das Einkommen im Jahr 2011 beträgt:Die festgesetzte Einkommensteuer im Jahr 2011 beträgt:
195.704,17 €30.189,00 €
Berechnung der Einkommensteuer:
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit: Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag Pauschbetrag für Werbungskosten
223.119,97 € -27.223,80  € -132,00 €
195.764,17 €
Gesamtbetrag der Einkünfte
195.764,17 €
Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988):Pauschbetrag für Sonderausgaben
-60,00 €
Einkommen
195.704,17 €
Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt: (195.704,17 - 60.000,00) /2 + 20.235,00
88.087,09 €
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
88.087,09 €
Verkehrsabsetzbetrag
- 291,00 €
Grenzgängerabsetzbetrag
- 54,00 €
Gemäß § 67 (1) u. (2) EStG 1988, 6,00 % von 32.164,50
1.929,87 €
Einkommensteuer
89.671,96 €
Ausländische Steuer
-59.482,79 €
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG
-0,17 €
Festgesetzte Einkommensteuer
30.189,00 €

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (in der Folge kurz: Bw.) machte in ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2011 unter dem Titel "Doppelte Haushaltsführung" Mietkosten in Höhe von 18.699,50 € (CHF 1.950,00 x 12 Monate) als Werbungskosten geltend. Begründend führte sie aus, sie sei seit Jänner 2011 bei der Fa. X in XX in der Schweiz als Zentraleinkäuferin beschäftigt. Sie habe lediglich ein befristetes Dienstverhältnis und hätte bereits Anfang 2012 zur Niederlassung dieser Firma in YY (Schweiz) gewechselt. Auf Grund der Befristung ihres Beschäftigungsverhältnisses und wegen ihres Lebensabschnittspartners habe sie ihre mit Kaufvertrag vom erworbene Wohnung in Z (KG xx, EZ xxx, GST-NR xxxx) beibehalten. Die große Entfernung ihrer Arbeitsstelle in der Schweiz vom österreichischen Wohnort habe aber erfordert, sich am Beschäftigungsort eine Wohnung zu mieten.

Mit Einkommensteuerbescheid 2011 vom wurde den berufungsgegenständlichen Aufwendungen die Abzugsfähigkeit im Wesentlichen mit der Begründung verwehrt, grundsätzlich sei eine tägliche Rückkehr vom Beschäftigungsort an den Wohnort dann zumutbar, wenn die Entfernung zwischen diesen Orten weniger als 120 km betrage. Lediglich bei Vorliegen besonders schwieriger Straßen- und Verkehrsverhältnisse (zB schwer befahrbare Berg- und Passstraßen) könne laut Verwaltungspraxis und Rechtsprechung auch bei einer Entfernung von weniger als 120 km eine Unzumutbarkeit einer täglichen Rückkehr gegeben sein. Die Strecke Z. - XX sei gut ausgebaut (teilweise sogar Autobahn), betrage ca. 104 km und könne in einer Fahrzeit von 1 Stunde und 14 Minuten zurückgelegt werden. Eine Unzumutbarkeit liege daher nicht vor, es werde jedoch das große Pendlerpauschale in Höhe von 3.672,00 € gewährt.

In der fristgerecht eingebrachten Berufung wurde eine erklärungsgemäße Veranlagung beantragt. Zur Begründung brachte der steuerliche Vertreter der Bw. vor, die Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr an den Wohnort sei in jedem Einzelfall zu prüfen. Die im angefochtenen Bescheid genannte Grenze von 120 km stelle lediglich einen Richtwert dar, könne im Einzelfall aber auch unterschritten werden. Zudem sei fraglich, ob ein Abstellen auf die Fahrzeit mit einem privaten Verkehrsmittel für die Beurteilung der Zumutbarkeit überhaupt zulässig sei, weil nicht von vorneherein angenommen werden könne, dass die Bw. ein privates Verkehrsmittel benutze. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln würde die einfache Fahrtzeit inklusive Wartezeiten und Fußweg zu diesen aber deutlich über zwei Stunden und dreißig Minuten liegen und die tägliche Fahrtzeit somit über fünf Stunden betragen. Überdies sei die tatsächliche Fahrzeit mit privaten Verkehrsmitteln auf Grund von verkehrsbedingten Behinderungen (Baustellen, Staus) auf dieser Strecke generell deutlich länger als die im Routenplaner angeführte Zeit. Hinzu komme, dass die täglichen Arbeitszeiten der Bw. sehr unregelmäßig gewesen seien und Arbeitstage überwiegend 11 Stunden gedauert hätten. Bei einem elfstündigen Arbeitstag sei eine mehr als dreistündige Autofahrt bzw. eine ca. fünfstündige Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln jedenfalls unzumutbar. Zu beachten sei auch, dass die Anstellung in XX auf ein Jahr befristet gewesen sei und danach eine Anstellung in YY vereinbart gewesen sei. Ohne diese Befristung hätte die Bw. auf Grund der Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr an ihren österreichischen Wohnort ohnehin ihren Lebensmittelpunkt in die Schweiz verlegt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung nach Wiedergabe der höchstgerichtlichen Judikatur zur "Doppelten Haushaltsführung" sinngemäß mit der Begründung abgewiesen, österreichischer Wohnort der Bw. sei nicht Z. , sondern B.. Die Entfernung des Wohnsitzes in B. vom Arbeitsort der Bw. in XX in der Schweiz betrage laut Routenplaner (google.maps.at) 98,10 km und die Fahrzeit 1 Stunde, 13 Minuten. Da der österreichische Wohnsitz im Streitjahr somit weniger als 120 km vom Arbeitsort entfernt gewesen sei, die durchschnittliche Fahrtdauer mit einem Pkw ca. 1 Stunde und 15 Minuten betrage und sich eine besondere Unzumutbarkeit aus dem Streckenverlauf nicht entnehmen lasse (75,3 km der Strecke seien Autobahn) sei auch bei unregelmäßigen Dienstzeiten eine tägliche Rückkehr an den Wohnort in B. zumutbar. Die Behauptung, die Wegzeit würde sich durch Staus und Baustellen ganzjährig so verlängern, dass eine tägliche Rückkehr unzumutbar sei, entpuppe sich bei genauerer Betrachtung als eine haltlose Schutzbehauptung. Wäre dies tatsächlich der Fall, würden nicht ca. 8000 in Österreich wohnhafte Grenzgänger den täglichen Arbeitsweg in die Schweiz auf sich nehmen.

Der angefochtene Bescheid sei weiters insofern abzuändern, als das Pendlerpauschale nicht zu gewähren sei. Denn die Strecke zwischen dem Wohnort in B. und der Arbeitsstätte sei nicht mehr als zehnmal im Monat zurückgelegt worden.

Eine Abänderung des angefochtenen Bescheides sei auch deshalb vorzunehmen, weil nicht die gesamten als Werbungskosten geltend gemachten BVG-Beiträge als solche zu berücksichtigen seien. Die BVG-Beiträge seien in die berufliche Pensionsvorsorge (BVG, 2. PK-Säule) gemäß Gesetz und gemäß Pensionskassenreglement einbezahlt worden. Laut Art. 8 BVG sei aber lediglich der koordinierte Arbeitslohn zwingend zu versichern. Die gemäß Art. 16 BVG zu leistenden Altersgutschriften würden auf Grund des Alters der Bw. (Jahrgang YYY) 7% betragen, wobei gemäß Art 66 BVG zumindest 50% vom Arbeitgeber einzubezahlen seien. Die im Rahmen des Pensionskassenreglements höher einbezahlten Beiträge seien laut Gesetz nicht obligatorisch sondern überobligatorisch und damit keine Pflichtbeiträge im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h EStG 1988. Folglich könnten für das Jahr 2011 vom koordinierten Arbeitslohn (CHF 59.140,00) nur 3,5% als Pflichtbeiträge berücksichtigt werden (CHF 2.070,60 anstelle von CHF 16.629,00). Die vom Arbeitgeber bezahlten überobligatorischen Altersgutschriften seien als Vorteil aus dem Dienstverhältnis dem Bruttolohn (KZ 350) hinzuzurechnen (plus CHF 14.558,40). Die überobligatorischen Arbeitnehmer-BVG-Beiträge (CHF 14.558,40 bzw. 11.633,96 €) könnten nur als Topf-Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988 (KZ 455) zum Ansatz gelangen.

Der fristgerecht eingebrachte Vorlageantrag richtet sich gegen die Nichtanerkennung von Werbungskosten aus dem Titel der "Doppelten Haushaltsführung" sowie gegen die Behandlung der überobligatorischen BVG-Beiträge als Vorteil aus dem Dienstverhältnis bzw. gegen deren Wertung als Topf-Sonderausgaben.

1) "Doppelte Haushaltsführung"

Der steuerliche Vertreter der Bw. betonte nochmals, dass die Bw. im Jahr 2011 in Z, und nicht in B. wohnhaft gewesen sei. Es sei auch eine Tatsache, dass die Strecke Z. - XX im Jahr 2011 infolge von umfangreichen Staus, die durch Baustellen verursacht worden seien, nicht in der im Routenplaner angegebenen Zeit von eine Stunde und zwanzig Minuten zurückgelegt werden hätte können. Die gegenteilige Annahme der Finanzverwaltung gehe schon deshalb ins Leere, weil nicht davon ausgegangen werden könne, dass alle 8000 Grenzgänger in Z. wohnen und nach XX pendeln würden. Vielmehr würde der Umstand, dass sich die Bw. eine Kleinstwohnung in der Schweiz zu einem monatlichen Mietpreis von CHF 1.950,00 nehmen hätte müssen, auf die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr vom Beschäftigungs- an den Wohnort hindeuten. Überdies seien im Sinne der Steuergerechtigkeit die Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung schon deshalb anzuerkennen, weil es der Bw. - die keine Kinder habe und die ledig und alleinstehend sei - auch problemlos möglich gewesen wäre, den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in die Schweiz zu verlagern.

2) Überobligatorische BVG-Beiträge

Der steuerliche Vertreter der Bw. führte dazu aus, dass die zweite Säule der Schweizer Alterssicherung die an das Arbeitsverhältnis gekoppelte berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversorgung sei. Diese berufliche Vorsorge solle zusammen mit der ersten Säule die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung ermöglichen (Absicherung des Lebensstandards). Neben der Altersvorsorge würden auch die Risiken Tod und Invalidität abgedeckt. Während in der AHV/IV die Berufungstätigen für die Rentner zahlen würden (Umlageverfahren), spare bei der beruflichen Vorsorge jeder für sich persönlich (Kapitaldeckungsverfahren). Die berufliche Vorsorge sei seit 1985 obligatorisch, d.h. verpflichtend. Die rechtliche Grundlage für die berufliche Vorsorge sei das Bundesgesetz vom über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (in der Folge: BVG). Das BVG sehe die obligatorische Versicherung aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab einem bestimmten Jahreseinkommen (sog. Eintrittsschwelle) vor. Die Versicherung gegen die Risiken Tod und Invalidität laufe ab dem 1. Januar des Jahres, in dem der Arbeitnehmer das 17. Altersjahr erreiche. Das Alterssparen beginne am 1. Januar nach Erreichen des 24. Altersjahres (vgl. Art. 7 BVG).

Verantwortlich für Organisation und Durchführung sei der Arbeitgeber. Der Arbeitgeber errichte eine eigene registrierungspflichtige Vorsorgeeinrichtung oder er schließe sich einer fremden Vorsorgeeinrichtung an. Anders als die staatlich organisierte AHV/IV sei die berufliche Vorsorge eine privatrechtliche Versicherung mit privaten Vorsorgeeinrichtungen (Pensionskassen und Stiftungen). Laut Internetinformation (vgl. www.a.ch/de/207/Produkte.htm; www.a.ch/de/96/Organisation.htm) stelle die gegenständliche Pensionskasse, welche die strittige Zahlung an den Berufungswerber geleistet habe, eine Vorsorgeeinrichtung dar, die im Rahmen des BVG die versicherten Arbeitnehmer gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität und Tod versichere.

Das BVG sei ein Minimalgesetz. Es enthalte nur Mindestvorschriften. Die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen müsse jede Pensionskasse mindestens erfüllen. Es erlaube den Vorsorgeeinrichtungen, bessere bzw. teurere Versicherungslösungen als die gesetzliche Minimalvariante anzubieten (vgl. Art. 6 BVG). Die Pensionskassen könnten beispielsweise auch eine niedrigere Eintrittsschwelle und eine höher versicherte Besoldung bestimmen. Weiter gehende Lösungen würden auf betrieblicher Ebene beschlossen und in der Pensionskasse realisiert (die Minimalanforderungen würden als Obligatorium bezeichnet. Würden die Leistungen darüber hinausgehen, würden sie als überobligatorisch bezeichnet). Das Pensionskassenreglement umschreibe die einzelnen Punkte, die weiter gehen würden als das gesetzlich vorgeschriebene Minimum (vgl. www.bsv.admin.ch/kmu/ratgeber/00848/00851/index.html?lang=de).

Vorliegend werde ohne Gesetzesänderung ein Tatbestand, der über Jahre hinweg gleich ausgelegt worden sei, plötzlich aufgrund einer Änderung interner Richtlinien völlig anders interpretiert. Eine solche Vorgangsweise widerspreche eindeutig dem Grundsatz von Treu und Glauben. Wäre diese Rechtsansicht bekannt gewesen, hätte die Bw. jedenfalls ihren Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in die Schweiz verlegt.

Die von der Finanzverwaltung gewählte unrichtige Vorgangsweise würde überdies zu einer Doppelbesteuerung führen, da im Pensionsfall diese Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 2 lit. b EStG 1988 (iVm § 124b Z 53 EStG 1988) zu versteuern seien.

Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Vorsorgeeinrichtungen gemäß Art. 50 BVG reglementarische Bestimmungen über die Leistungen, die Organisation, die Verwaltung und Finanzierung, die Kontrolle sowie das Verhältnis zu den Arbeitgebern, den Versicherten und den Anspruchsberechtigten erlassen würden. Würden derartige Reglements höhere Beitragsleistungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verpflichtend vorsehen - dies sei hier der Fall - sei aufgrund der gesetzlichen Regelung des Reglements (statutenmäßige Regelungen) von verpflichtenden Beiträgen gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h EStG 1988 auszugehen.

Über die Berufung wurde erwogen:

I) Doppelte Haushaltsführung

Werbungskosten sind gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Demgegenüber bestimmt § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften ebenso wenig abgezogen werden dürfen, wie nach Z 2 lit. a dieser Gesetzesbestimmung Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Aufwendungen des Steuerpflichtigen für eine doppelte Haushaltsführung (Familienwohnsitz, weiterer Wohnsitz am Beschäftigungsort) sind steuerlich nur abzugsfähig, wenn eine berufliche Veranlassung für die doppelte Haushaltsführung besteht. Von einer beruflichen Veranlassung ist dem Grunde nach auszugehen, wenn der Familienwohnsitz des Steuerpflichtigen so weit von seinem Beschäftigungsort entfernt ist, dass ihm die tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst (bzw. die Wohnsitzverlegung nicht zumutbar) ist (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102 Stichwort "Doppelte Haushaltsführung"). Wird die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz somit als zumutbar erachtet, ist der Zeitwohnsitz zwingend als nicht beruflich veranlasst zu werten, ohne dass es einer Klärung der Gründe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes bedarf.

Sowohl in der Judikatur als auch in der Lehre wird einhellig davon ausgegangen, dass auch bei alleinstehenden Steuerpflichtigen Umstände vorliegen können, die die Verlegung eines bestehenden, ständigen Wohnsitzes am Heimatort an einen (unüblich weit entfernten) Arbeitsort für vorübergehend oder auch dauerhaft unzumutbar machen (; ; RV/0240-G/08; Doralt, EStG13, § 16 Tz 200/1 ff). Unabdingbare Voraussetzung für die Berücksichtigung von Werbungskosten aus dem Titel der doppelten Haushaltsführung ist aber, dass der (alleinstehende) Steuerpflichtige am Heimatwohnsitz seinen Lebensmittelpunkt hat und dass er dort nicht lediglich in einem fremdem Haushalt eingegliedert ist, sondern einen "eigenen Haushalt" führt.

Zur (Un-)Zumutbarkeit der täglichen Rückkehr von der Arbeitsstätte zum Wohnort äußert sich das Gesetz nicht explizit, sodass diese Frage im Wege der Interpretation zu klären ist. In der Literatur (z.B. Doralt, EStG11, § 4, Tz 348; Fröhlich, Typisierende Betrachtungsweise und doppelte Haushaltsführung, in SWK 9/2010, S. 391 ff) wird vielfach in Anlehnung an die Verwaltungspraxis die Ansicht vertreten, dass bei einer Entfernung von 120 km (und mehr) eine tägliche Rückkehr jedenfalls unzumutbar ist. In begründeten Einzelfällen - etwa bei schlechten Straßenverhältnissen, schwierigem Gelände oder einzukalkulierenden Verzögerungen auf Grund einer Großbaustelle - kann auch schon bei geringeren Entfernungen eine Unzumutbarkeit gegeben sein. Der Verwaltungsgerichtshof wiederum hat in seiner Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass ein alleiniges Abstellen auf die Entfernung grundsätzlich für die Klärung der Zumutbarkeitsfrage im Zusammenhang mit der beruflichen Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung nicht ausreichend ist. Vielmehr sei neben dem Kriterium der Entfernung des Wohnortes von der Arbeitsstätte auf die bei vernünftiger Wahl der Fahrtroute und des Verkehrsmittels übliche Gesamtwegzeit - hier sind insbesondere die Verkehrsverhältnisse, also Beschaffenheit und Art der Wegstrecke maßgeblich - sowie auf Erfordernisse des Dienstbetriebes (Lagerung der Dienstzeit, Pünktlichkeit) Bedacht zu nehmen. In diesem Sinne hat das Höchstgericht in seinen Erkenntnissen vom , 91/14/0227, und vom , 99/14/0340, ausgesprochen, dass eine tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz bei einer Entfernung zwischen Arbeitsstätte und Familienwohnort von 78 km bzw. 83 Kilometern und einer Fahrtzeit von einer Stunde jedenfalls zumutbar ist. Im Erkenntnis vom , 2008/15/0239, hat der Verwaltungsgerichtshof selbst bei mehrstündigen Arbeitsunterbrechungen und spätabendlichen Dienstzeiten (bis 23.00 Uhr) eine tägliche Rückkehr an einen 73 km vom Familienwohnort gelegenen Beschäftigungsort bei einer Fahrtzeit von 60 Minuten als zumutbar erachtet, weil im Beschwerdefall zwischen den Fahrten zum Beschäftigungsort Ruhezeiten von mehr als 8 Stunden gewährleistet waren.

Auch in der Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenates sind in Übereinstimmung mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die primären Kriterien bei der Unzumutbarkeitsprüfung der Entfernungs- und der Zeitfaktor, die Erfordernisse des Dienstbetriebes sowie die Möglichkeit der Einhaltung einer Ruhezeit von über 8 Stunden. So wurde in der Entscheidung des , bei einem 104,27 km vom Arbeitsort entfernten Wohnsitz und einer aufzuwendenden Fahrtzeit von 1 Stunde, 16 Minuten, auch bei gelegentlich abzuleistenden Überstunden eine Zumutbarkeit der täglichen Heimkehr bejaht. Ebenso wurde in den Entscheidungen des , und vom , RV/0863-G/09, bei zurückzulegenden Distanzen von 100 km bzw. 113 km bei Fahrzeiten von einer Stunde, zehn Minuten bzw. einer Stunde, drei Minuten (davon 105 km/54 Minuten Autobahn) die tägliche Rückkehr als zumutbar erachtet (siehe auch : 99 km, Fahrzeit eine Stunde, 28 Minuten; RV/0651-G/06: 86 km, Fahrzeit ca. eine Stunde; RV/0200-G/06: 90 km, Fahrzeit eine Stunde, dreizehn Minuten; RV/0060-K/07: 78 km, Fahrzeit unter einer Stunde).

Laut Zentralem Melderegister hatte die Bw. ihren Hauptwohnsitz vom bis in ZZ. Der Unabhängige Finanzsenat erachtet daher die Angaben der Bw. im Vorlageantrag, wonach diese im Streitjahr an der genannten Adresse wohnhaft war, als zutreffend.

Eine Überprüfung der tatsächlichen Entfernung des Wohnortes in ZZ, vom Beschäftigungsort in XX., sowie der dafür zu veranschlagenden Fahrzeit mittels frei zugänglicher Online-Routenplaner ergab, dass die Entfernung zwischen 104,1 km (www.oeamtc.at; "maps.adac.de"; "maps.google.at") und 105 km (www.viamichelin.at") beträgt. Die Fahrtzeit wird mit 1 Stunde, 10 Minuten ("maps.google.at") angegeben bzw. 1 Stunde, 19 Minuten (www.oeamtc.at; "maps.adac.de") bzw. 1 Stunde 23 Minuten ((www.viamichelin.at"), wobei der weitaus überwiegende Teil (85 km) auf Schnellstraßen zurückgelegt werden kann.

Die Bw. erachtet nun zwar die in den Online-Routenplanern angegebenen Entfernungen für zutreffend, stellt aber in Streit, dass diese Strecke im Streitjahr in den dort angegebenen Zeiten zurückgelegt werden konnte. Als Ursache für die längeren Wegzeiten werden durch Baustellen verursachte umfangreiche Staus angeführt.

Obwohl die Bw. ihr Vorbringen nicht näher konkretisiert hat (beispielsweise durch Aufzählung der einzelnen Baustellen bzw. Nennung einer Großbaustelle), zieht der Unabhängige Finanzsenat nicht in Zweifel, dass es auf der betreffenden Strecke fallweise zu Verkehrsbehinderungen und damit zu Zeitverzögerungen infolge von Baustellen gekommen ist. Dass die Strecke allerdings generell bzw. überwiegend nicht in der in den Online-Routenplanern angegebenen Zeit zurückgelegt werden konnte, erachtet der Unabhängige Finanzsenat nicht als glaubhaft, zumal trotz umfangreicher Internet-Recherchen (zB "www.oemtc.at/verkehrsservice"; "www.linker.ch/eigenlink/verkehrsinfos_staus.htm") die Existenz permanenter Baustellen auf dieser Strecke nicht verifiziert werden konnte. Zudem betrug die tägliche Arbeitszeit nach Aussage der Bw. überwiegend 11 Stunden, sodass davon ausgegangen werden kann, dass die betreffenden Fahrten nicht zu Verkehrsspitzenzeiten erfolgt sind, wodurch sich das Risiko allfälliger durch Staus bedingter Zeitverzögerungen minimiert. Der Unabhängige Finanzsenat geht daher in freier Beweiswürdigung davon aus, dass für die ca. 105 km lange, überwiegend auf Schnellstraßen zurückzulegende Strecke "ZZ - XX." in der Regel eine Fahrzeit von ca. 1 Stunde 20 Minuten zu veranschlagen ist. Bei der als gegeben erachteten Distanz und Fahrzeit hat der Unabhängige Finanzsenat - wie obig dargelegt wurde - in der Vergangenheit bereits mehrfach die Zumutbarkeit der täglichen An-/Rückreise zum Wohnort bejaht. Da die Bw. darüber hinausgehende Gründe für eine wesentliche Erschwerung der täglichen Rückkehr nach Z. nicht dargetan hat (insbesondere wurde nicht die Möglichkeit der Einhaltung von täglichen Ruhezeiten von über 8 Stunden in Abrede gestellt), erachtet die Abgabenbehörde zweiter Instanz eine solche auch gegenständlich für zumutbar.

Der Berufung zum Erfolg verhelfen vermag auch nicht der Einwand der Bw., wonach die einfache Fahrzeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln inklusive Wartezeiten und Fußweg deutlich über zwei Stunden und dreißig Minuten betrage. Die Bw. besitzt nachweislich einen PKW und sie hat im Berufungsfall auch nicht dargetan, dass ihr die Verwendung dieses, für die gegenständliche Strecke am besten geeignete Verkehrsmittel nicht möglich gewesen wäre bzw. dass sie dieses im Bedarfsfall nicht verwendet hat. Somit ist nicht darauf abzustellen, welchen Zeitaufwand die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erfordern würde. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für eine steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung war daher der Berufung in diesem Punkt nicht Folge zu geben.

Der Unabhängige Finanzsenat teilt zudem die in der Berufungsvorentscheidung vertretene Rechtsansicht, wonach der Bw. für das Streitjahr auch kein großes Pendlerpauschale zusteht. Denn die Bw. hat die Feststellung in dieser als Vorhalt anzusehenden Entscheidung, wonach die Arbeitsstätte im Streitjahr überwiegend vom Schweizer Wohnort angetreten worden sei, nicht in Streit gestellt, sodass nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 16 Abs. 1 Z 6 lt. c EStG 1988 erfüllt sind.

II) Beiträge im Rahmen der beruflichen Pensionsvorsorge

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h EStG 1988 zählen zu den voll abzugsfähigen Werbungskosten auch Beiträge von Arbeitnehmern zu ausländischen Pensionskassen, die aufgrund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung zu leisten sind.

Gemäß § 26 Z 7 lit. a zweiter Teilstrich EStG 1988 zählen die auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung geleisteten Beiträge des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.

Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit darüber, wie die sogenannten überobligatorischen Beitragszahlungen der Bw. und ihres Arbeitgebers steuerlich zu behandeln sind.

Der Unabhängige Finanzsenat hat sich bereits in zahlreichen Judikaten (zB RV/0437-F/10; RV/0542-F/12; RV/0564-F/12; RV/0558-F/12; RV/0554-F/12; RV/0049-F/13) mit dieser Frage rechtlich auseinandergesetzt und ist zu folgendem Ergebnis gelangt: Alle Schweizer Arbeitnehmer (auch Grenzgänger) und Arbeitgeber sind seit dem Jahre 1985 nicht nur arbeitsvertraglich bzw. obligationenrechtlich (ZGB, OR), sondern letztlich auch öffentlich-rechtlich verpflichtet, die im Reglement vorgesehenen Beiträge in die Vorsorgeeinrichtung einzubezahlen (Art. 66 BVG; BVV 2). Diese faktische, obligationenrechtliche und durch öffentliches Recht rahmengesetzlich geregelte und kontrollierte Verpflichtung zur Beitragsleistung geht über eine rein dienstvertragliche, aber auch über eine kollektivvertragliche Verpflichtung in ihrer Intensität und allgemeinen Breitenwirkung erheblich hinaus. Insofern steht auch die Judikatur des VwGH betreffend die Nichtanerkennung kollektivvertraglich verpflichtender Beiträge als Werbungskosten einer Auslegung im dargelegten Sinn nicht entgegen (, ). Diese Überzeugung lässt sich noch mit verfassungs- und abkommensrechtlichen (Freizügigkeitsabkommen) Überlegungen untermauern.

Der Unabhängige Finanzsenat schließt sich auch gegenständlich der obig wiedergegebenen Rechtsmeinung an. Die strittigen Pensionskassenbeiträge sind demzufolge zur Gänze, also auch im Bereich des Überobligatoriums, als Beiträge von Arbeitnehmern zu ausländischen Pensionskassen, die auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung zu leisten sind (Pflichtbeiträge iSd § 16 Abs. 1 Z 4 lit. h EStG 1988), zum Werbungskostenabzug zuzulassen und diesbezügliche Arbeitgeberbeiträge fallen als Beitragsleistungen des Arbeitgebers für seine Arbeitnehmer an ausländische Pensionskassen auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung (Beiträge des Arbeitgebers iSd § 26 Z 7 lit. a EStG 1988) nicht unter die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bzw. sind nicht steuerbar.

Der Berufung war daher in diesem Punkt Folge zu geben.

Gesamthaft war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am

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