Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 28.01.2009, RV/0428-F/07

1) Anschaffung einer Multimedia Station für behindertes Kind als außergewöhnliche Belastung? 2) Schulgeld für Sonderschule mit Pflegegeld gegenzuverrechnen?

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/0026 eingebracht (Amtsbeschwerde). Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0428-F/07-RS1
Hier: Anschaffung einer Multimedia Station
Folgerechtssätze
RV/0428-F/07-RS1
wie RV/0227-F/06-RS1
Der Einsatz einer Infrarotwärmekabine für einen Steuerpflichtigen, der an Herz-, Wirbelsäulen-, Atemwegs- und Kniegelenksbeschwerden leidet, stellt weder eine Heilbehandlung noch ein Hilfsmittel im Sinne der Verordnung des BMF, BGBl. 1996/303, dar. Ihre Anschaffung ist eine reine Vermögensumschichtung und verwirklicht keine außergewöhnliche Belastung.
RV/0428-F/07-RS2
wie RV/2122-W/05-RS1
Gemäß § 5 Abs. 3 der VO über außergewöhnliche Belastungen BGBl. Nr. 303/1996 sind Aufwendungen für den Sonderschulbesuch eines zu 100% behinderten Kindes, für welches erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird, zusätzlich und ohne Gegenverrechnung mit dem gewährten Pflegegeld als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Adr, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2006 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem am Ende der folgenden Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen, das einen Bestandteil dieses Bescheidspruches bildet.

Entscheidungsgründe

In seiner Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 brachte der Berufungswerber vor, der Alleinverdienerabsetzbetrag sei nicht berücksichtigt worden. Überdies weise er auf die 100%-ige Behinderung seines Sohnes DC hin. Dieser habe ab September 2006 das Schulheim M besucht. Entsprechende Rechnungen über die Entrichtung eines Schulgeldes von zusammen 1.227, 39 € wurden beigelegt. Gleichzeitig wurde eine Rechnung der Firma SC in R betreffend den Erwerb und Einbau einer Multimedia Station in das Fahrzeug des Berufungswerbers über 1.755,00 SFr. eingereicht.

Mittels Ergänzungsersuchens wurde der Berufungswerber seitens der Abgabenbehörde I. Instanz gebeten zu erläutern, welche Beweggründe für die Anschaffung der Multimedia Station vorlägen sowie Unterlagen und Prospekte einzureichen .

Auf dem im Akt befindlichen Exemplar des Ergänzungsersuchens befindet sich unten der handschriftlich angebrachte Text: "Die Berufung wird in diesem Punkt zurückgezogen." Unterschrift: ÜS (Gattin des Steuerpflichtigen).

Ein in der Folge im Akt aufscheinender Prospekt zeigt neben anderen Geräten einen farbig markierten "Deckenmonitor mit DVD-Laufwerk", der laut Anzeigentext u. a. über einen eingebauten Infrarot - Empfänger für IR - Kopfhörer sowie zwei IR - Kopfhörer verfügt und eine IR - Fernbedienung hat. Als Preis ist ein Betrag von 725,- ausgewiesen, wobei nicht erkennbar ist, ob es sich um € oder SFr. handelt. Es findet sich in der kopierten Prospektseite auch kein Hinweis auf die Lieferfirma.

In einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung wurde der Alleinverdienerabsetzbetrag berücksichtigt. Ebenfalls in Ansatz gebracht wurden der monatliche Freibetrag gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl. 1996/303) sowie das Schulgeld gemäß Abs. 3 leg. cit. Beide wurden mit dem monatlich erhaltenen Pflegegeld von 801,52 € gegenverrechnet und wirkten sich steuerlich nicht aus.

In offener Rechtsmittelfrist langte bei der Abgabenbehörde I. Instanz eine als "Ansuchen um Wiederaufnahme des Steuerverfahrens 2006" bezeichnete Eingabe ein. Darin wurde vorgebracht, die für den schwerstbehinderten DC sowohl aus therapeutischen Gründen, als auch aus Sicherheitsgründen beim Autofahren installierte Multimedia Station habe Kosten verursacht, die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen seien.

Beigelegt war ein Schreiben der Kinderärztin Dr. DM aus D, in welchem sie erläuterte: Der 1999 geborene Sohn des Berufungswerbers leide an einer schweren geistigen und körperlichen Entwicklungsverzögerung. Er besuche das Schulheim M. Bei Autofahrten zeige er ein agressives Verhalten gegenüber Eltern und kleiner Schwester, indem er schlage, kratze und schreie sowie Gegenstände um sich werfe. Dies habe bisher gemeinsame Autofahrten unmöglich gemacht. Der Berufungswerber habe nun anlässlich der sommerlichen Urlaubsreise in die Türkei eine Multimedia Station mit Bildschirm im Auto installieren lassen. DC habe daraufhin kein agressives Verhalten mehr gezeigt, sondern sei zufrieden gewesen. Die Türkeireise habe ohne Probleme durchgeführt werden können.

Die Eingabe wurde als Vorlageantrag an die Abgabenbehörde II. Instanz gewertet. In einem nachgereichten Schreiben wies der Berufungswerber darauf hin, dass der bei der Kennzahl 471 (nicht regelmäßige Ausgaben für Hilfsmittel) in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung verzeichnete und für die Multimedia Station aufgewendete Betrag von 1.755,00 ein SFr. - Betrag sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

In seinem Abs. 6 bestimmt § 34 EStG 1988:

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

Im § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,BGBl. 1996/303, wird normiert, dass nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenenAusmaß zu berücksichtigen sind. Nach § 1 Abs. 3 leg. cit. sind Mehraufwendungen gemäß § 4 der Verordnung nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,BGBl. 1996/303, sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 € vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

In Abs. 3 leg. cit. ist normiert, dass zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 auch Aufwendungen gemäß § 4 leg. cit. sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind.

1) Multimedia Station

Zur gewünschten Einstufung der Multimedia Station als "Hilfsmittel" im Sinne des § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,BGBl. 1996/303, ist auszuführen: Die Multimedia Station weist als ein modernes, marktgängiges, technisches Gerät keine spezifischen, ausschließlich auf die Bedürfnisse des behinderten Sohnes des Berufungswerbers abgestimmten Eigenschaften aus. Sie ist so, wie sie der Händler anbietet, für jeden - gerade auch für jeden gesunden Menschen - einsetzbar, nutzbar und nachgefragt. Der Umstand, dass der Sohn des Berufungswerbers während langer Autofahrten durch den Einsatz des Gerätes (Abspielen von DVD´s o.ä.) abgelenkt werden kann und sein sonstiges agressives Verhalten einstellt, kann als zufälliges, wenn auch situationsbezogen positives, Nebenprodukt einer für jeden verwendbaren Technik angesehen werden. Er macht aber die Mutimedia Station - auch unter Einbeziehung der kinderärztlichen Bestätigung über die beruhigende Wirkung - nicht zu einem medizinischen Hilfsmittel oder einer Therapie, die einer ärztlichen Verschreibung zugänglich wären.

Mit dem bisher Ausgeführten ist aber auch bereits der Bogen zur "Gegenwerttheorie" gespannt: Um als außergewöhnliche Belastung qualifiziert werden zu können, bedarf es prinzipiell einer vermögensmindernden Ausgabe. Von einer solchen spricht man dann, wenn sie einen endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder Wertverzehr nach sich zieht. Bloße Vermögensumschichtungen führen nicht zu einer Vermögensminderung und sind daher einer Einstufung als außergewöhnliche Belastung nicht zugänglich. Eine Multimedia Station nach Art der in Streit stehenden und laut Aktenmaterial spezifizierten weist nach Rechtsüberzeugung des Unabhängigen Finanzsenates keine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit auf. Vielmehr handelt es sich um ein handelsübliches Produkt, das gerade Nicht-Kranke als Klientel anspricht und ihnen zur Unterhaltung und Zerstreuung dient. Ihre Anschaffung bewirkt keinen Wertverzehr, sondern schafft einen Gegenwert und verkörpert damit eine bloße Vermögensumschichtung. Eine solche ist aber nach steuerrechtlichem Verständnis keine außergewöhnliche Belastung. Da somit eine Belastung an sich nicht vorliegt, ist - nach Ausscheiden einer Anwendbarkeit des § 4 der zitierten Verordnung - auch eine Subsumtion unter die Generalnorm des § 34 Abs. 1 bis 4 EStG 1988 nicht weiter zu untersuchen, fehlt doch insofern das Grundtatbestandsmerkmal (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band III, WUV Universitätsverlag, 2006, Wien, RZ 20 zu § 34 und die dort zitierte Judikatur).

Die für Anschaffung und Installation der Multimedia Station verausgabten Kosten waren daher nicht als einkommensmindernde außergewöhnliche Belastung anzuerkennen (vgl. UFS, , RV/0227-F/06).

2) Schulgeld

Die Abgabenbehörde I. Instanz hat nicht nur betreffend den Pauschbetrag von monatlich 262 €, sondern auch in Bezug auf das Schulgeld für das Schulheim M eine Gegenrechnung mit dem Pflegegeld durchgeführt, sodass sich keine steuermindernde Wirkung ergab. Sie setzt sich damit in Widerspruch zum Wortlaut des § 5 Abs. 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen,BGBl. 1996/303, der von bestimmten Aufwendungen spricht, die zusätzlich zum gegebenenfalls verminderten Pauschbetrag nach Abs. 1 leg. cit. im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen sind, wobei eine Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld ausdrücklich nicht vorgesehen ist (vgl. Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Band III, WUV Universitätsverlag, 2006, Wien, Rz 18 zu § 35, , ). Explizit handelt es sich bei den genannten Aufwendungen um solche für Hilfsmittel und Heilbehandlung gemäß § 4 der Verordnung sowie um das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte.

Der angefochtene Bescheid war daher insoweit abzuändern, als das Schulgeld im Betrag von 1.227,39 € ohne Gegenverrechnung mit dem Pflegegeld einkommensmindernd in Ansatz zu bringen war.

Insgesamt war wie im Spruch zu entscheiden.

Beilage : 1 Berechnungsblatt

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
Doralt, EStG 11. Auflage, § 34 Tz 20
VwGH, 2002/13/0134
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 2009, 101
UFSjournal 2010, 97

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at