Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 12.10.2010, RV/0801-W/10

Betriebseinstellung wegen Erwerbsunfähigkeit

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/13/0017 eingebracht. Mit Erk. v. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zl. RV/7101679/2015 erledigt.


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Rechtssätze
Stammrechtssätze
RV/0801-W/10-RS1
Lag bereits bei Betriebseröffnung, die überdies nur knapp ein Jahr vor der Betriebsaufgabe erfolgte, eine Erwerbsunfähigkeit in dem Maße vor, dass der (die) Steuerpflichtige nicht in der Lage war, den Betrieb zu führen, steht eine Einkommensteuerbefreiung für die anlässlich der Entnahme ins Privatvermögen aufgedeckten stillen Reserven des Betriebsgebäudes nicht zu.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Stb., vom gegen den Bescheid des FA vom betreffend Einkommensteuer 2006 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Berufungsgegenständlich ist, ob anlässlich der Aufgabe zum eines erst am eröffneten Betriebes die aufgedeckten stillen Reserven des Gebäudes wegen Erwerbsunfähigkeit von der Einkommensteuer befreit sind.

a) Bescheid

In den am elektronisch und teilweise schriftlich eingebrachten Abgabenerklärung für das Jahr 2006 (AS 1ff) gab die Berufungswerberin (Bw.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb € 8.596,91 (Übergangsgewinn € 3.512,00 und Veräußerungsgewinn von € 0,00 jeweils zum Stichtag ) an. Das zuständige Finanzamt (FA) erließ am einen erklärungsgemäßen Einkommensteuerbescheid 2006, der eine festgesetzte Einkommensteuer von € 0,00 ergab. Mit Schreiben vom (AS 8ff) legte die Bw. ua. weitere Unterlagen betreffend Übergangs- und Veräußerungsgewinn vor.

Das FA führte beginnen mit eine Betriebsprüfung durch. In Tz 21 Veräußerungsgewinn des Berichts vom (AB Seite 165) stellte die Prüferin fest, mit Übergabsvertrag vom seien Teile (806/1160 Anteile) der Liegenschaft, welche die wesentliche Betriebsgrundlage der gewerblichen Zimmervermietung darstellen würden, per an die Bw. unentgeltlich übergeben worden. Das darauf befindliche Gebäude sei bereits von der Rechtsvorgängerin, der Mutter der Bw., zur Erzielung von Einkünften aus gewerblicher [Tätigkeit1] verwendet worden. Da der Betrieb von der Bw. fortgeführt worden sei, seien zwingend die Buchwerte gemäß § 6 Z 9 lit. a EStG 1988 fortzuführen. Am [richtig: 2007] sei dem FA die Betriebsaufgabe per mitgeteilt und der Jahreserklärung 2006 ein diesbezüglicher Betriebsaufgabegewinn erklärt worden. Dabei sei die Entnahme des Gebäudes zu Buchwerten erfolgt. Da jedoch im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe das Gebäude in das Privatvermögen entnommen worden sei, liege eine Entnahme zum Teilwert vor. Basis für die Ermittlung des Teilwertes bilde das von der Bw. vorgelegte Gutachten. Aus dem Gutachten [eines Immobiliensachverständigen] leitete die Prüferin einen Entnahmewert des Gebäudes (zugleich Veräußerungsgewinn) von € 58.442,31 ab.

Das FA erließ am nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid 2006.

b) Berufung

Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 erhob die Bw. nach Fristverlängerung zur Beiholung eines medizinischen Gutachtens die Berufung vom (AS 36) und brachte vor, es werde insbesondere bekämpft, dass gemäß Tz 21 des Betriebsprüfungsberichtes ein Veräußerungsgewinn in der Höhe von € 58.422,31 besteuert worden sei. Die Bw. habe laut einem der Berufung beigelegten Gutachten (AS 37ff) des gerichtlich beeideten Sachverständigen Dr. A im Dezember 2006 den Betrieb aufgegeben, da sie wegen schwerer [Behinderung] in einem Ausmaß erwerbsunfähig gewesen sei, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, ihren Betrieb fortzuführen. Gemäß § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 wäre daher der Veräußerungsgewinn steuerfrei zu behandeln und es werde daher beantragt diesen Betrag nicht der Einkommensteuer zu unterziehen.

c) Stellungnahme Prüferin

In der Stellungnahme vom (AS 52ff) gab die Prüferin an:

  • Betriebsübergabe:

Mit dem Übergabsvertrag vom habe die Mutter der Bw. in Folge Pensionierung Teile der Liegenschaft (806/1160 Anteile), welche die wesentliche Betriebsgrundlage darstellen würden, an die Bw. per unentgeltlich übergeben. Auf der Liegenschaft befinde sich ein Gebäude, welches bereits von der Rechtsvorgängerin zur Erzielung von Einkünften (gewerbliche [Tätigkeit1]) verwendet worden sei. Da der Betrieb von der Bw. fortgeführt worden sei, seien zwingend die Buchwerte gemäß § 6 Z 9 Iit. a EStG 1988 fortzuführen.

In der fachärztlichen Bestätigung von Frau Dr. B vom werde zwar auf Grund der [Krankheit1] Symptomatik, die Arbeitsfähigkeit per verneint, aus dem Abschlussbericht der Reha-Klinik vom gehe allerdings hervor, dass die Bw. bei weitgehendem subjektiven Wohlbefinden an diesem Tag nach Hause entlassen worden sei.

Seitens der Betriebsprüfung werde davon ausgegangen, dass jedenfalls im Zeitpunkt der Betriebsübergabe die Bw. erwerbsfähig gewesen sei, da sonst wohl kaum eine notarielle Übergabe des Betriebes durch die Mutter stattgefunden hätte.

  • Gewerbeanmeldung - Betriebsführung 2006:

Per sei von der Bw. die Gewerbeanmeldung bei der Bezirkshauptmannschaft erfolgt. Da zahlreiche Belege (zB Inkassobestätigungen von Ausgangsrechnungen, Übernahme von Waren, "etc.") die Unterschrift der Bw. tragen würden, gehe die Betriebsprüfung davon aus, dass die Betriebsführung im Jahr 2006 durch die Bw. erfolgt sei. Eine [..] sei der Betriebsprüfung nicht bekannt.

  • Betriebsaufgabe:

Am sei die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung bei der Bezirkshauptmannschaft erfolgt. Weiters habe die Bw. beim AMS einen Antrag auf Arbeitslosengeld gestellt und sei dort im Zeitraum bis auf Arbeitssuche gemeldet gewesen.

Am habe die Bw. bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Dieser sei mit Bescheid vom abgelehnt worden, weil Berufsunfähigkeit nicht vorgelegen sei. In der Bescheidbegründung heiße es: "Das durchgeführte Verfahren ergab auf Grund der ärztlichen Gutachten zusammenfassend folgende maßgebliche Diagnose: - (die Detaildiagnose wurde aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht mitübermittelt) - jedoch: Maßnahmen der Rehabilitation kommen in Ihrem Fall nicht in Betracht, da Berufsunfähigkeit derzeit nicht vorliegt und (voraussichtlich) auch in absehbarer Zeit nicht eintreten wird."

  • Verfahren:

Am seien durch den steuerlichen Vertreter Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2006 elektronisch eingereicht worden und sei die Betriebsaufgabe mit einem Veräußerungsgewinn von € 0,00 erklärt worden.

Seitens des Steuerberaters sei die Entnahme des Gebäudes zu Buchwerten erfolgt. Da jedoch im Zusammenhang mit der Betriebsaufgabe das Gebäude in das Privatvermögen entnommen worden sei, liege eine Entnahme zum Teilwert vor. Als Basis für die Ermittlung des Teilwertes sei das von der Bw. vorgelegte Gutachten gewürdigt worden. Am sei der Beginn der Betriebsprüfung erfolgt und es sei ua. der im Prüfbericht dargestellte Veräußerungsgewinn in Höhe von € 58.442,31 festgestellt worden.

Trotz mehrmaligen Kontakts mit der Bw. (telefonisch Iaut Aktenvermerke, persönlich bei der Betriebsbesichtigung), welche sich immer wieder nach dem Verfahrensstand erkundigt habe, sei erstmalig am seitens des steuerlichen Vertreters die Erwerbsunfähigkeit der Bw. eingewendet worden. Die Steuerfreiheit des Veräußerungsgewinnes gemäß § 24 Abs. 6 Z 2 sei beantragt worden.

Über den Inhalt des im Zuge der Berufung vorgelegten Gutachtens könne, aus Ermangelung an medizinischen Kenntnissen, seitens der Betriebsprüfung keine Aussage getroffen werden.

Fest stehe jedoch, dass dieses Gutachten nicht bereits zum Betriebsaufgabezeitpunkt erstellt worden sei. Es würden darin ua. Arztbriefe und Berichte im Zeitraum bis laufend zitiert werden. Das Gutachten treffe auf Grund von Informationen und des Untersuchungszeitpunktes im Oktober 2009 rückwirkend eine Aussage über eine etwaige Erwerbsunfähigkeit im Zeitpunkt .

Da eine dezitierte Erwerbsunfähigkeit zum Betriebsaufgabezeitpunkt seitens der Betriebsprüfung daraus nicht festgestellt werden könne, werde der Sachverhalt gemäß dem ablehnenden Bescheid des zuständigen Sozialversicherungsträgers (Pensionsversicherungsanstalt) gewürdigt. Dieser habe, wie bereits dargestellt, mittels Bescheid vom die Berufsunfähigkeitspension abgelehnt, weil Berufsunfähigkeit nicht vorgelegen sei.

d) Gegenäußerung Bw.

Die Bw. führte in der Gegenäußerung vom (AS 58) aus, die Prüferin würdige in Punkt 1 die Betriebsübergabe sowie die Betriebsführung aus ihrer Sicht. Das Ende 2005 eine gewisse Besserung eingetreten sei, stelle auch das Gutachten von Dr. A vom fest. Das Gutachten stelle aber auch auf Seite 13 fest, dass es 2006 zu einer weiteren Verschlechterung gekommen und Ende 2006 der Zustand so gewesen sei, dass die Bw. nicht in der Lage gewesen sei, den Betrieb weiterzuführen.

Wenn in Punkt 3 ausgeführt werde, dass die Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag vom auf Berufsunfähigkeitspension abgelehnt habe, so sage das nicht, dass die Bw. in der Lage gewesen sei, einen Betrieb zu führen. Richtig stelle die Betriebsprüferin auch fest, dass sie aus Ermangelung an medizinischen Kenntnissen zum Gutachten keine Aussage treffen könne.

Wenn der Gutachter im Jahr 2009 rückwirkend die Erwerbsunfähigkeit zum mit wissenschaftlichen Mitteln feststelle, so sei das seine Sache und könne "von uns Laien, die zum Gutachten mangels medizinischer Kenntnisse keine Aussage treffen können, diese Arbeit nicht angezweifelt werden".

Gemäß § 24 EStG habe die Erwerbsunfähigkeit der Gutachter und sonst niemand festzustellen. Die Betriebsaufgabe sei am auf Grund des Krankheitszustandes erfolgt. Wenn sich Ende 2007 eventuell eine vorübergehende Besserung ergeben haben sollte, so besage das nichts darüber, dass die Bw. Ende 2006 unfähig zur Betriebsführung gewesen sei. Außerdem spreche der ablehnende Bescheid der PVA von Berufsunfähigkeit und nicht von der Fähigkeit einen Betrieb zu führen. Wie aus dem Gutachten hervorgehe, kommt es in der Krankheit der Bw. abwechselnd zu schwer [Krankheit1] Episoden und sie schwenke dann über Nacht in [Krankheit1a] [Zeiten] um. Daraus dürfte zu erklären sein, dass die Bw. vorübergehend aktiv sein könne und dann wieder in [Zeiten] komme, in denen sie unmöglich einen Betrieb führen könne. Eine solche Krankheit würde es verantwortungslos erscheinen lassen, auf die Dauer einen Betrieb zu führen.

Das FA legte die Berufung dem UFS zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Berufung, weil laut Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Mit Schreiben vom legte die Bw. dem FA einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom vor, wonach ein Anspruch der Bw. auf Berufsunfähigkeitspension gemäß §§ 86, 254, 256 und 271 ASVG für die Zeit vom bis anerkannt wurde. Zur Begründung führte die Pensionsversicherungsanstalt aus, auf Grund des Ergebnisses der medizinischen Begutachtung wird der Bw. die Pension derzeit nur befristet zuerkannt. Sollte sich die Bw. nach Ablauf der Frist weiterhin berufsunfähig fühlen, so sei die weitere Zuerkennung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach dem Ende des Leistungsbezuges zu beantragen.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Betriebsausübung weniger als ein Jahr

Im Übergabs- und Wohnungseigentumsvertrag vom (DB Seite 6ff) übergab die Mutter der Bw. und deren Bruder die berufungsgegenständliche Liegenschaft samt Gebäude und belastende Pfandrechte zu im Vertrag angegeben Anteilen gegen die Gegenleistung des Wohnrechtes der Mutter und des Vaters (Bw.) bzw. ordentliche und notwendige Pflege im Krankheitsfall oder Altersbehinderung (Bruder) zu im Vertrag jeweils näher geregelten Bedingungen. Laut Punkt Viertens des Vertrages sollte die jeweilige Übergabe zum Stichtag erfolgen.

Mit Schreiben vom (Dauerbelege Seite 1ff) zeigte die Bw. beim FA die Eröffnung ihres Gewerbetriebes [Tätigkeit1a] mit Beginn der Tätigkeit an. Zuvor übte die Mutter auf der Liegenschaft die gleiche Tätigkeit aus.

Die Bw. bezog während der Jahre vor Betriebseröffnung (nach vorliegenden Unterlagen der Finanzverwaltung zumindest seit 1994) ausschließlich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, so etwa im letzten Jahr 2005 vom 1. Jänner bis 28. Februar Lohn als angestellte Teilzeitbeschäftigte von ihrem damaligen Ehemann (Beruf1), vom 1. März bis 3. April Arbeitslosengeld für 34 Tage vom Arbeitsmarktservice Österreich sowie am 2. Mai und 18. November Leistungen der Gebietskrankenkasse.

Zusammen mit den Abgabenerklärungen für das Jahr 2006 gab die Bw. gegenüber dem FA mit Schreiben vom (Eingangstempel FA) eine Aufgabe des Betriebes zum an (Akt Seite 6).

Nach ihren Angaben übte die Bw. somit den Gewerbebetrieb nur im Zeitraum 10. Jänner bis , somit weniger als ein Jahr aus.

In der Einkommensteuerklärung 2006 vom machte die Bw. noch keine Steuerfreiheit gemäß des § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 geltend, die Bw. erklärte einen Veräußerungsgewinn von € 0,00 (steuerneutrale Entnahme zu Buchwerten, AS 4).

Die Prüferin wies in ihrer Stellungnahme - von der Bw. unbestritten - darauf hin, dass die Bw. erst während der Außenprüfung am eine Steuerfreiheit gemäß des § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 wegen Erwerbsunfähigkeit geltend machte [vgl. auch der Aktenvermerk der Prüferin über die Besprechung mit dem Steuererberater am , AB Seite 150: "Der steuerliche Vertreter wendet erstmals (Prüfung seit 10/2008) ein, dass die Abgabepflichtige im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe erwerbsunfähig war gemäß § 24 (6). Nichtversteuerung stiller Reserven, da die Steuerpflichtige den Betrieb (war auch Hauptwohnsitz) infolge einer [Behinderung1] aufgegeben hat. Bzgl. Erwerbsunfähigkeit wegen Behinderung wird Gutachten in Auftrag gegeben. Arzt ist jedoch bis Ende Juli in Urlaub."]

2. Betriebsaufgabe wegen Behinderung?

Die ersten beiden Sätze des § 24 Abs. 6 EStG 1988 lauten:

"Wird der Betrieb aufgegeben und werden aus diesem Anlass Gebäudeteile (Gebäude) ins Privatvermögen übernommen, so unterbleibt auf Antrag die Erfassung der darauf entfallenden stillen Reserven. Voraussetzung ist, dass das Gebäude bis zur Aufgabe des Betriebes der Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen gewesen ist, auf das Gebäude keine stillen Reserven übertragen worden sind und einer der folgenden Fälle vorliegt:"

Die Bw. beruft sich auf die Anwendung des Falles der Ziffer 2 des § 24 Abs. 6 EStG 1988, welche lautet:

"2. Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher oder geistiger Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist auf Grundlage eines vom Steuerpflichtigen beizubringenden medizinischen Gutachtens eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zu beurteilen, es sei denn, es liegt eine medizinische Beurteilung durch den für den Steuerpflichtigen zuständigen Sozialversicherungsträger vor."

Durch BGBl I 2008/85 (SchenkMG 2008) wurde mit Wirkung ab der vormalige Begriff "Gebrechen" durch "Behinderung" ersetzt, wobei laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage dies nur im Sinne einer einheitlichen Diktion mit anderen hier nicht berufungsgegenständlichen Abgabenvorschriften geschah.

Die oben zitierte Fassung des § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 wurde durch das BGBl I 2005/161 (AbgÄG 2005) geschaffen. Davor lautete die Ziffer 2 noch wie folgt:

"2. Der Steuerpflichtige ist wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen in einem Ausmaß erwerbsunfähig, dass er nicht in der Lage ist, seinen Betrieb fortzuführen oder die mit seiner Stellung als Mitunternehmer verbundenen Aufgaben oder Verpflichtungen zu erfüllen."

Den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AbgÄG 2005, das die auf den berufungsgegenständlichen Fall anzuwendende Fassung des § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 einführte, ist zu entnehmen:

"Die Beurteilung der betriebsbezogenen Erwerbsunfähigkeit als Tatbestandsvoraussetzung für Begünstigungen im Einkommen- und Erbschaftssteuerrecht erfordert regelmäßig zunächst eine medizinische Beurteilung der Leistungseinbußen des Steuerpflichtigen als Grundlage für die Beurteilung der Frage, ob der Steuerpflichtige deshalb seinen Betrieb (seine Mitunternehmerstellung) nicht mehr weiter ausüben kann. Eine derartige medizinische Beurteilung kann sinnvoller Weise nur mit entsprechender medizinischer Fachkenntnis erfolgen. Da in vielen Fällen bei Eintritt einer Erwerbsunfähigkeit beim zuständigen Sozialversicherungsträger eine Erwerbsunfähigkeitspension beantragt wird, kann seitens des Finanzamtes als Grundlage für die steuerliche Beurteilung im Wege der Amtshilfe auf die im Rahmen der Prüfung des Pensionsantrages erfolgende medizinische Beurteilung zurückgegriffen werden. Sollte dies jedoch ausnahmsweise nicht möglich sein, hat der die Begünstigung begehrende Steuerpflichtige der Abgabenbehörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen vorzulegen, auf dessen Basis das Finanzamt das Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen hat. Unterbleibt die Vorlage eines solchen Gutachtens durch den Steuerpflichtigen, kann - abgesehen von Fällen, in denen das Vorliegen der relativen Erwerbsunfähigkeit offenkundig ist - die Begünstigung nicht zuerkannt werden."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen somit aus, dass die steuerrechtliche Tatbestandsvoraussetzung der betriebsbezogenen Erwerbsunfähigkeit eine medizinische Beurteilung der Leistungseinbußen des Steuerpflichtigen erfordert, die sinnvoller Weise nur mit entsprechender medizinischer Fachkenntnis erfolgen kann.

Für den Fall der Beantragung einer Erwerbsunfähigkeitspension beim zuständigen Sozialversicherungsträger kann die Abgabenbehörde bei der von ihr vorzunehmenden steuerlichen Beurteilung auf die medizinische Beurteilung des Pensionsantrages zurückgreifen.

Im vorliegenden Fall die stellte Bw. am , also knapp ein Monat nach Betriebsaufgabe, bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension (AB Seite 146), der mit Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom (AB Seite 143ff) mit der folgender Begründung abgelehnt wurde. "Anspruch auf Berufsunfähigenpension besteht unter anderem, wenn die Arbeitsfähigkeit der Versicherten infolge ihres körperlich oder geistigen Zustandes auf weniger als die Hälfte derjenigen einer körperlich und geistig gesunden Versicherten von ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist. Der Beurteilung der Berufsunfähigkeit wurde Ihre Tätigkeit als Büroangestellte zu Grunde gelegt. Nach dem Ergebnis der vorgenommenen ärztlichen Begutachtung ist Ihre Arbeitsfähigkeit nicht so weit herabgesunken, dass die Ausübung Ihrer bisherigen Tätigkeit oder einer Tätigkeit innerhalb der gleichen Berufsgruppe, die Ihnen bei Berücksichtigung der Ausbildung und der bisherigen Berufslaufbahn zugemutet werden kann nicht mehr möglich wäre. Das durchgeführte Verfahren ergab auf Grund der ärztlichen Gutachten zusammenfassend folgende maßgebliche Diagnose: [Leerstelle] Maßnahmen der Rehabilitation kommen in Ihrem Fall nicht in Betracht, da Berufsunfähigkeit derzeit nicht vorliegt und (voraussichtlich) auch in absehbarer Zeit nicht eintreten wird."

3. Inhalt des Gutachtens

Selbst wenn man

  • § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 als Bestimmung zur Beweiserleichterung zu Gunsten des Steuerpflichtigen interpretiert und im Fall einer zeitnahen ablehnenden medizinischen Beurteilung durch den Sozialversicherungsträger den Gegenbeweis durch ein vom Steuerpflichtigen beizubringendes medizinisches Gutachten eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zulässt [Wiesner/Grabner/Wanke, EStG-Kommentar, § 37 Rz 24 (Seite 22), vertreten zur vergleichbaren Regelung des § 37 Abs. 5 Z 2 EStG 1988 die Auffassung, dass das medizinische Leistungskalkül (medizinische Beurteilung) des Sozialversicherungsträgers die Basis für die Beurteilung durch das Finanzamt bezüglich Erwerbsunfähigkeit bildet und ein allfälliges weiteres Gutachten gemäß § 167 BAO (freie Beweiswürdigung) wie jedes andere Beweismittel zu würdigen sei], bzw

  • in Erwägung zieht, dass der abweisende Pensionsbescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom bei Beurteilung des medizinischen Kalküls nicht die berufungsgegenständliche betriebsbezogene Betätigung (siehe unten) Führung eines Betriebes [Tätigkeit1a] sondern den Beruf Büroangestelltezu Grunde legt,

ist der Berufung auf Grundlage des von der Bw. vorgelegten Gutachtens aus folgenden Gründen ein Erfolg versagt:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, die Erwerbsunfähigkeit als Grund für die Betriebsaufgabe auf den vom Steuerpflichtigen konkret geführten Betrieb bezogen ist [betriebsbezogener Erwerbsunfähigkeitsbegriff, vgl. Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, Band III C, § 37 Rz 23 (Seite 33), zur vergleichbaren Regelung des § 37 Abs. 5 Z 2 EStG 1988].

Es muss daher eine Erwerbsunfähigkeit vorliegen, welche die Bw. hinderte, den konkreten berufungsgegenständlichen Betrieb [Tätigkeit1a] (fort)zuführen. Der Begründung des Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt vom ist hingegen zu entnehmen, dass bei Beurteilung des medizinischen Kalküls eine Tätigkeit der Bw. als "Büroangestellte" zu Grunde gelegt wurde, somit nicht die berufungsgegenständliche Tätigkeit Führung eines Betriebes [Tätigkeit1a], sodass aus diesem ablehnenden Pensionsbescheid zunächst nicht ohne weiteres ableitbar ist, dass eine Erwerbsunfähigkeit gemäß § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 nicht gegeben war.

Die Bw. legte ein so bezeichnetes Privatgutachten ([medizinischeFachrichtung] Fachgutachten) von Dr. A, allgemein beeideter und gerichtlicher Sachverständiger für [Krankheiten] vom (AS 37ff) vor.

Der Sachverständige legt seinem Gutachten zu Grunde, dass die Betriebsübernahme im Jänner 2006 erfolgte (Gutachten Seite 12) und dass es sich dabei um [Tätigkeit1b] handelte (Gutachten Seite 1).

In Punkt 5 "Gutachterliche Beurteilung der vermeintlichen anhaltenden krankheitsbedingten Funktionseinschränkung (Leistungskalkül) / Arbeitsunfähigkeit / Erwerbsfähigkeit seit dem Jahr 2006, vor allem jedoch zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe Ende Dezember 2006" kommt der Gutachter zu folgendem Ergebnis (Hervorhebungen durch Fettdruck durch den Sachverständigen):

Gutachten Seite 12: "Somit war [die Bw.]bereits bei Betriebsübernahme in ihrem Leistungskalkül durch das beschriebene Zustandsbild deutlich beeinträchtigt, jedoch offensichtlich - va. in der Hoffnung der Eltern, dass sie sich endlich wieder stabilisiere - gerade noch in der Lage - mit Unterstützung der Mutter - im (ehemals) elterlichen Betrieb zu arbeiten. Eine wirkliche Verantwortungsübernahme für das Führen des Betriebes dürfte der Patientin jedoch krankheitsbedingt nie möglich gewesen sein."

Laut Gutachten Seite 13 sei es im Laufe des Jahres 2006 (Zitat: "soweit den verfügbaren Informationen zu entnehmen ist") zu einer weiteren Verschlechterung gekommen. Das Gutachten kommt schließlich zum Schluss:

"dass [die Bw.] im Jahr 2006 und vor allem zum Zeitpunkt der Betriebsaufgabe Ende Dezember 2006 auf Grund ihres Gesundheitszustandes, das heißt in Folge des hochgradigen eingeschränkten Leistungskalküls bedingt durch ihre [Krankeit1b] dauerhaft (das heißt eigentlich über zumindest mehrere Jahre anhaltend) außerstande war einem regelmäßigen Erwerb nachzugehen und damit nicht mehr in der Lage war ihren Betrieb weiterzuführen."

Dem Gutachten ist demnach wörtlich zu entnehmen, dass die Bw. bereits bei Betriebsübernahme im Jänner 2006 deutlich beeinträchtigt (vom Sachverständigen fett hervorgehoben) und nach Einschätzung des Sachverständigen zu diesem Zeitpunkt gerade noch in der Lage war, in diesem Betrieb mit Unterstützung der Mutter mitzuarbeiten, ihr das selbständige (eigenverantwortliche) Führen des Betriebes jedoch krankheitsbedingtnie möglich gewesen sein dürfte.

Die Steuerbefreiung des § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 greift nur, wenn der Steuerpflichtige auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung in einem Ausmaß erwerbsunfähig wird, dass er nicht in der Lage ist, den konkreten Betrieb fortzuführen.

Aus der Formulierung "fortführen", folgt, dass die Erwerbsunfähigkeit auf Grund körperlicher oder geistiger Behinderung während der Betriebsausübung erstmals auftreten muss, um den Steuerpflichtigen diese Befreiung zu verschaffen. Es ist mit dem Rechtsinstitut einer Steuerbefreiung nicht vereinbar, dass diese Begünstigung auch zustehen soll, wenn die Tatbestandsvoraussetzung Erwerbsunfähigkeit auf Grund körperlicher oder geistiger Behinderung bereits bei Beginn der betrieblichen Betätigung vorhanden war.

Da somit nach Einschätzung des Sachverständigen im vorgelegten Privatgutachten der Bw. bereits bei Betriebseröffnung im Jänner 2006 ein selbständiges (eigenverantwortliches) Führen des Betriebes krankheitsbedingt nicht möglich war, steht in rechtlicher Beurteilung eine Steuerfreiheit gemäß § 24 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 nicht zu. Dass es im Laufe des Jahres 2006 laut Gutachten zu einer weiteren Verschlechterung gekommen sei, ändert nichts an der Aussage, dass die krankheitsbedingte Unfähigkeit zur selbständigen (eigenverantwortlichen) Betriebsführung bereits bei Betriebsbeginn im Jänner 2006 vorlag.

Diesbezüglich ist auch auf die vom Sachverständigen im Gutachten Seite 9 wiedergegebene Aussage der Bw. während der Untersuchung am hinzuweisen. ""Danach [nach einem Klinikaufenthalt bis ] musste sie funktionieren, sie musste von der Mutter den elterlichen Betrieb übernehmen. Er wurde ihr "umgehängt". Sie hatte große Pläne, hätte einen Architekten kommen lassen und bereits € 7000,- bezahlt und habe dann doch alles "abgeblasen". Ob sie jemals [Krankheit1a] oder [Krankheit1e] Zustände gehabt habe? Solche habe sie auch gehabt, solange bis sie bemerkt habe, dass sie keine Kraft mehr habe. [...] Die [Tätigkeit1c] habe sie nicht interessiert: sie habe dort [Tätigkeit1d] gemacht, die [Tätigkeit1e] gemacht. Die Mutter, die Arbeit in der [Tätigkeit1c] Betrieb bisher 30 oder 40 Jahre gemacht habe, war ja weiterhin da. Was sie in der Betriebsführung bzw. Arbeit nicht geschafft habe? Sie habe halt irgendetwas gemacht. Sie sei oft sehr [....] gewesen.""

Schließlich liegt der vom Gutachter attestierte Krankheitszustand (Zitat Gutachten Seite 11, Diagnosen:) "zumindest seit 2004" vor und liegt dieser Zeitpunkt weit vor Betriebsbeginn im Jänner 2006.

Lag bereits bei Betriebseröffnung, die überdies nur knapp ein Jahr vor der Betriebsaufgabe erfolgte, eine Erwerbsunfähig in dem Maße vor, dass der (die) Steuerpflichtige nicht in der Lage war, den Betrieb zu führen, steht eine Einkommensteuerbefreiung für die anlässlich der Entnahme ins Privatvermögen aufgedeckten stillen Reserven des Betriebsgebäudes nicht zu.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom , wonach der Bw. eine Berufsunfähigkeitspension nach dem ASVG für die Zeit bis zuerkannt wurde, ist für das vorliegenden Verfahren irrelevant, da dieser Bescheid nicht den berufungsgegenständlichen Zeitraum 2006 betrifft und dem Bescheid auch nicht zu entnehmen ist, welche berufliche Betätigung (siehe betriebsbezogener Erwerbsunfähigkeitsbegriff) zu Grunde gelegt wurde.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Betriebseinstellung
Hauptwohnsitzbefreiung
Erwerbsunfähigkeit
körperliche oder geistige Behinderung
Gutachten
Pensionsbescheid
betriebsbezogener Erwerbsunfähigkeitsbegriff
Verweise
Wiesner/Grabner/Wanke, EStG-Kommentar, § 37 RZ 24
Hofstätter/Reichel, EStG-Kommentar, Band III C, § 37 Rz. 23
Erläuterungen zur Regierungsvorlage des AbgÄG 2005
Zitiert/besprochen in
UFSjournal 11/2010, 396
ARD 6126/16/2011
StExp 2011/73

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at