Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen mit Selbstbehalt
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2009 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Die nichtselbständig beschäftigte Berufungswerberin (Bw.) beantragte bei ihrer Arbeitnehmerveranlagung Aufwände von € 5.120,84 für die Adoption eines brasilianischen Kindes als außergewöhnliche Belastungen bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen.
In Beantwortung eines Vorhaltes gab die Bw. bekannt, dass diese Aufwände sich aus Kosten für einen Grundkurs für Adoptiveltern, Psychologischen Befunden, Verwaltungsabgaben und Stempelgebühren, Übersetzungs- und Beglaubigungskosten zusammensetzen (AN-Akt 2009, AS 4 - 17).
Mit Bescheid vom führte das Finanzamt die Arbeitnehmerveranlagung durch und ließ die beantragten Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung bei der Einkommensermittlung unberücksichtigt. Den Einkommensteuerbescheid begründend verwies das Finanzamt dabei auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/14/0081, sowie auf die Randzahl 885 der Lohnsteuerrichtlinien.
Mit Schreiben vom erhob die Bw. Berufung und führte dabei im Wesentlichen begründend aus:
" ... Nach Rücksprache mit meinem Rechtsanwalt muss ich Ihnen mitteilen, dass eine Ablehnung nicht gesetzeskonform ist (siehe Entscheidung des GZ RV/0361-I/09) und somit Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastungen steuerlich absetzbar sind. Ich ersuche um Korrektur des Einkommensteuerbescheides ... "
In Beantwortung eines weiteren Vorhaltes (AN-Akt 2009, AS 36) gab die Bw. am dem Finanzamt ihre Beweggründe für die Adoption bekannt.
"... In den letzten Jahren bin ich viermal schwanger geworden. Jedes Mal gab es eine große Freude, jedoch blieb diese immer nur kurz. Ich verlor immer nach ca. 12 Wochen meine Kinder, weil sie nicht weiter wuchsen. Kein Arzt konnte uns bis jetzt den Grund sagen oder helfen. Aus diesem Grund haben wir uns zu einer möglichen Adoption entscheiden. ..."
In der am dem Berufungssenat vorgelegten Bescheinigung des Facharztes für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Dr. AB, rät dieser von weiteren Versuchen künstlicher Fertilisierung der Bw. angesichts ihrer gynäkologischen Vorgeschichte aus medizinischen Gründen dringend ab.
Über die Berufung wurde erwogen:
Aufgrund ihres Gesundheitszustandes - der Bw. wird von ihrem Arzt wegen ihrer medizinisch-gynäkologischen Vorgeschichte von weiteren Versuchen ein Kind auf natürliche Weise zu gebären dringend abgeraten - entschloss sich die Bw. mit ihren Ehegatten ein südamerikanischen Kind zu adoptieren. In Vorbereitung dieser Adoption fielen € 5.120,84 als Kosten für Übersetzungen, Beglaubigungen, psychologischer Gutachten, Stempelmarken udgl. an.
Diese Feststellung ergibt sich aus dem unbestrittenen und unwidersprochenen Vorbringen der Bw., den vorgelegten Akten sowie dem beigebrachten ärztlichen Attest.
Als strittig stellt sich im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren ausschließlich die Frage der Berücksichtigung der Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung.
Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988, BGBl. Nr. 400/1988, sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2). 2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3). 3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.
Gemäß § 34 Abs. 2 EStG 1988 ist die Belastung außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.
Gemäß § 34 Abs. 3 EStG 1988 erwächst die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1988 beeinträchtigt die Belastung wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen selbst und eines Sanierungsgewinnes (§ 36) zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Das Finanzamt begründet - auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 84/14/0081, verweisend - seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass den gegenständlichen Adoptionskosten das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit fehle.
Damit aber lässt die Amtspartei eine Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates sowie des Verwaltungsgerichtshofes (siehe UFS RV/0361-I/09; ) unbeachtet.
In diesem Erkenntnis - ergangen zur Berücksichtigung von Aufwendungen für künstliche Befruchtung als außergewöhnlichen Belastungen - hielt der Gerichtshof fest, dass
"... bereits der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , G 188/91, im Zusammenhang mit der Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kinder Zwangsläufigkeit von vornherein unterstellt [hat]. Dieser bei Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an Kinder entwickelte Gedanke ist auch auf die Berücksichtigung der Aufwendungen für eine In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung zu übertragen. Im Hinblick auf das öffentliche Interesse der Gesellschaft an Kindern können demnach Kosten einer medizinisch indizierten In-Vitro-Fertilisation als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden, wenn die Fortpflanzungsunfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt wurde (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 EStG 1988, Einzelfälle, In-Vitro-Fertilisation, bzw. Krankheitskosten)".
Auf Grundlage dieses Erkenntnis entschied der Unabhängige Finanzsenat am , RV/0361-I/09, dass die angeführten Grundsätze auch bei der Adoption von Kindern Anwendung finden müssen, weil sowohl die In-Virto-Fertilisation als auch die Adoption von Kindern Möglichkeiten sind, einen (bislang versagt gebliebenen) Kinderwunsch zu erfüllen (vgl. Pülzl, Adoptionskosten als außergewöhnliche Belastung, SWK-Heft 31/2009, S. 1371).
Der Referent sieht keine Veranlassung von dieser rechtlichen Beurteilung abzuweichen, zumal auch im gegenständlichen Fall die Fortpflanzungsfähigkeit nicht freiwillig herbeigeführt wurde.
Die geltend gemachten Kosten für die Adoption wurden von der Bw. aufgegliedert und nachgewiesen. Das Finanzamt hat sich zur Höhe der angefallenen Aufwendungen nicht geäußert. Es besteht daher für den Referenten kein Anlass diese zu kürzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Beilage: 1 Berechnungsblatt
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | VwGH, 2005/15/0138 UFS, RV/0361-I/09 |
Zitiert/besprochen in | StExp 2011/212 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at