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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSW vom 29.06.2011, FSRV/0123-W/09

Einleitungbeschwerde; Vernachlässigung der Umsatzsteuergebarung infolge beruflicher Probleme und permanenter Überlastung und Überforderung

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 1, JG, in der Finanzstrafsache gegen Herrn RB, wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des FinStrG des Finanzamtes Wien 8/16/17 als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom , StrNr. x,

zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Finanzamt Wien 8/16/17 als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen den Beschwerdeführer (Bf.) zur StrNr. x ein Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass dieser im Amtsbereich des Finanzamtes Wien 8/16/17 vorsätzlich als für die abgabenrechtlichen Belange Verantwortlicher der Hausgemeinschaft B unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für 2-12/2007 in Höhe von € 8.728,00 sowie für 1-12/2008 in Höhe von € 9.000,00 sowie für 1-4/2009 in Höhe von € 3.000,00 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten und hiermit ein Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG begangen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Es liege weder eine vorsätzliche Begehung vor, noch ein neuerliches Vergehen, sondern handle es sich um ein aus denselben Gründen - wie auch schon in früheren Finanzstrafverfahren gegenständlich - vorliegendes Unterlassen.

Es sei zutreffend, dass über einen längeren Zeitraum keine Umsatzsteuervoranmeldungen erfolgten und daher auch keine Umsatzsteuervorauszahlungen geleistet werden konnten.

Weder im Bereich der Einkommensteuer der Hausgemeinschaft B noch im Bereich der Umsatzsteuer seien Jahressteuererklärungen für Abgabenperioden ab abgegeben worden.

Verantwortlich hiefür seien bereits finanzamtsbekannte Gründe im persönlichen Bereich, die in Verbindung mit geschäftlich - beruflichen Problemen und permanenter Überlastung und Überforderung eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Steuerangelegenheiten verhindert hätten. Schon die letzte erstellte Steuererklärung für das Jahr 2003 habe erst mit wesentlicher Verspätung im Herbst 2005 abgegeben werden können.

Die Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen stelle kein taugliches Instrument der Abgabenverkürzung dar, sodass nicht einmal der Versuch in Frage komme. Denn die Steuerbehörde verfüge über die Möglichkeit Schätzungen vorzunehmen und Zinsen einzuheben, um auf diese Weise die vorübergehenden Nichtvereinahmungen von Steuern zu kompensieren.

Eine Abgabenverkürzung sei jedenfalls zu keinem Zeitpunkt intendiert und es sei auch bereits seit Jänner 2008 versucht worden, mit dem Finanzamt eine Regelung der Angelegenheiten durch Fristvereinbarung und Ratenzahlungen zu treffen.

Gegen die Schätzungen seien Berufungen eingebracht worden. Die Ergebnisse der Schätzungen seien so realitätsfern, dass diese nicht einmal hypothetisch - unter Annahme von Mietzinsen im höchsten Ausmaß - erzielt werden könnten, jegliche Ausgabe bliebe außer Ansatz

Verantwortlich für die Unterlassung der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen seien bereits finanzamtsbekannte Gründe im persönlichen und im geschäftlich beruflichen Bereich, keinesfalls jedoch der in der Begründung angeführte Verdacht.

Eine Regulierung der Steuerangelegenheiten sei mit dem Finanzamt vereinbart. In einer Besprechung am sei eine Frist zur Abgabe der ausständigen Steuererklärungen bis zugestanden und Raten festgesetzt worden. Die mit Frau TS und Herrn AB eingegangenen Verpflichtungen würden regelmäßig erfüllt werden, sodass der Vorwurf einer Umsatzsteuerverkürzung nicht berechtigt sei.

Die parallele Verfolgung des Steuerpflichtigen in finanzstrafrechtlicher Hinsicht stelle ein rechtliches Paradoxon dar. Es werde daher in eventu beantragt, die Beurteilung der Handlungen und Unterlassungen des Steuerpflichtigen einschließlich einer allfälligen Bemessung der Strafhöhe erst nach Abgabe der Steuererklärungen vorzunehmen.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG macht sich einer Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung der Verpflichtung von dem § 21 des Umsatzsteuergesetzes 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Umsatzsteuer (Vorauszahlungen oder Gutschriften) bewirkt.

Gemäß § 33 Abs. 3 lit. b FinStrG ist eine Abgabenverkürzung bewirkt, wenn Abgaben, die selbst zu berechnen sind, ganz oder teilweise nicht (am Fälligkeitstag) entrichtet werden.

Gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 hat der Unternehmer spätestens am 15. Tag des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Voranmeldung beim zuständigen Finanzamt einzureichen, in der er die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer selbst zu berechnen hat. Die Voranmeldung gilt als Steuererklärung. Der Unternehmer hat eine sich ergebende Vorauszahlung spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten. Wird die nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen errechnete Vorauszahlung zur Gänze am Fälligkeitstag entrichtet oder ergibt sich für den Voranmeldungszeitraum keine Vorauszahlung, so entfällt für Unternehmer, deren Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000,-- € nicht überstiegen haben, die Verpflichtung zur Einreichung der Voranmeldung.

Die Verletzung der o.a. Verpflichtung kann derart erfolgen, dass schon der Umsatz - und damit in weiterer Folge die Umsatzsteuervorauszahlung - zu niedrig erklärt wird, dass zu Unrecht Steuerbefreiungen oder Steuerbefreiungen in überhöhtem Ausmaß geltend gemacht werden, und schließlich auch in der Weise, dass Vorsteuern in einer nicht der Wahrheit entsprechenden Höhe abgesetzt werden.

Die Abgabenverkürzung kann aber ebenso wie im gegenständlichen Verfahren durch Nichtabgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. Nichtentrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen zum Fälligkeitszeitpunkt bewirkt werden.

Gemäß § 82 Abs. 1 in Verbindung mit § 83 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz, sofern genügend Verdachtsgründe für die Einleitung wegen eines Finanzvergehens gegeben sind, das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens ist auszuführen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Betracht kommt. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde zur Einleitung eines Finanzstrafverfahrens verpflichtet, kann immer nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ein Verdacht ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. beispielsweise ). Dabei ist nur zu prüfen, ob tatsächlich genügend Verdachtsgründe gegeben sind und geht es nicht darum, schon jetzt die Ergebnisse des förmlichen Untersuchungsverfahrens gleichsam vorwegzunehmen, sondern lediglich darum, ob die bisher der Finanzstrafbehörde bekannt gewordenen Umstände für einen Verdacht ausreichen oder nicht.

Fest steht und wird auch nicht bestritten, dass der Bf es unterlassen hat, für den im Spruch des angefochtenen Bescheides angegebenen Zeitraum Umsatzsteuervorauszahlungen zu entrichten oder aber zumindest zeitgerecht Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen.

Soweit in der Beschwerde ausgeführt wird, es liege kein vorsätzliche Begehung vor, zumal finanzamtsbekannte Gründe im persönlichen Bereich, die in Verbindung mit geschäftlich - beruflichen Problemen und permanenter Überlastung und Überforderung eine ordnungsgemäße Bearbeitung der Steuerangelegenheiten verhindert hätten und verfüge die Steuerbehörde über die Möglichkeit, Schätzungen vorzunehmen und Zinsen einzuheben, um auf diese Weise die vorübergehenden Nichtvereinnahmungen von Steuern zu kompensieren, ist darauf hinzuweisen, dass zum Tatbild der Steuerhinterziehung keineswegs eine endgültige Verkürzung der Abgaben gehört; es genügt auch die vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils. Verkürzt wird eine Steuereinnahme nicht bloß dann, wenn sie überhaupt nicht eingeht, sondern auch dann, wenn sie - ganz oder teilweise - dem Steuergläubiger nicht in dem Zeitpunkt zukommt, in dem er nach dem betreffenden Steuergesetz darauf Anspruch gehabt hat. Gerade beim Tatbestand nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG stellt die bloß vorübergehende Erlangung eines Steuervorteils den Regelfall dar (). Die Verkürzung von selbst zu berechnenden Abgaben ist bereits mit der Nichtentrichtung zu den gesetzlichen Fälligkeitsterminen bewirkt (vgl. Fellner, FinStrG § 33 Rz. 54 ff und die dort zitierte Rechtsprechung).

In subjektiver Hinsicht hat die Finanzstrafbehörde in der Begründung zutreffend festgehalten, dass dem Bf. aufgrund seiner Lebenserfahrung als realitätsbezogenem, im Wirtschaftsleben stehendem Geschäftsmann die diesbezüglichen grundlegenden steuerlichen Verpflichtungen wie die Fälligkeitstage der jeweiligen Umsatzsteuervorauszahlungen ebenso wie die Konsequenz pflichtwidrigen Verhaltens, nämlich das Bewirken von Abgabenverkürzungen bekannt gewesen sind.

Im Übrigen ist in Unternehmerkreisen allgemein bekannt und bedarf keines steuerlichen Spezialwissens, dass die im Unternehmen erzielten Umsätze der Finanzbehörde in den Umsatzsteuervoranmeldungen (vollständig) zu erklären bzw. entsprechende Umsatzsteuervorauszahlungen zu leisten sind.

Wenn der Bf daher ausführt, es sei eine Abgabenverkürzung jedenfalls zu keinem Zeitpunkt intendiert worden, ist er darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand des § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG in subjektiver Hinsicht die Schuldform der Wissentlichkeit (dolus principalis) verlangt. Die Wissentlichkeit bezieht sich auf die Kenntnis der Zahlungsverpflichtung und der Fälligkeitstermine (Bewirken der Verkürzung), bezüglich des Unterbleibens der Meldungserstattung (Pflichtverletzung) genügt das Vorliegen von dolus eventualis.

Der Täter muss den verpönten Erfolg daher nicht nur ernstlich für möglich halten, sondern er muss wissen, dass dieser mit seiner Tathandlung bewirkt wird. Dass er diesen anstrebt, ist nicht erforderlich; es genügt, wenn der Täter weiß, dass mit seiner (auch unbedenklichen) Vorgangsweise der Erfolg untrennbar verbunden ist. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn der Abgabepflichtige die Tat deshalb begeht, weil ihm die liquiden Mittel zur Entrichtung der Selbstbemessungsabgaben fehlen ().

Soweit der Bw vorbringt, dass er gegen die Schätzungen Berufungen eingebracht habe, zumal diese derart realitätsfern seien, wird wie bereits oben ausgeführt, darauf hingewiesen, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens lediglich zu prüfen ist, ob im Zeitpunkt der Entscheidungsfällung ein begründeter Tatverdacht in objektiver und subjektiver Hinsicht besteht. Dass eine Regulierung der Steuerangelegenheit mit dem Finanzamt vereinbart worden sei, ändert nichts an der Verpflichtung des Bf für eine ordnungsgemäße Umsatzsteuergebarung Sorge zu tragen.

Gerade die Rechtfertigung des Bf zeigt die Notwendigkeit der Einleitung eines Untersuchungsverfahrens auf, um die erhobenen Vorwürfe zu überprüfen. Es gibt dem Bf auch vor allem Gelegenheit dazu, seine Rechtfertigung anhand geeigneter Unterlagen zu beweisen und die vorhandenen Verdachtsmomente allenfalls auszuräumen. Ob und in welchem Umfang der Bf. das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, bleibt dem Ergebnis des Untersuchungsverfahrens gemäß §§ 114 ff FinStrG vorbehalten (vgl. die ständige Rechtsprechung des VwGH, etwa die Erkenntnisse vom , 2007/15/0094, und vom , 2007/15/0228).

Finalisierend merkt der Unabhängige Finanzsenat nochmals an, dass mit dieser Beschwerdeentscheidung eine Schuld des Bf noch nicht erwiesen ist. Aufgabe eines Beschwerdeverfahrens ist es nicht, ein abschließendes Ermittlungsverfahren zu führen. Diese Aufgabe obliegt der Finanzstrafbehörde I. Instanz, welche in weiterer Folge festzustellen haben wird, ob die gegen den Bf erhobenen finanzstrafrechtlichen Tatvorwürfe tatsächlich zu Recht bestehen oder nicht, wobei der Bf selbstverständlich alle ihn entlastenden Umstände darlegen kann.

Entsprechend den Vorschriften nach den §§ 114 und 115 FinStrG über das Untersuchungsverfahren ist die Finanzstrafbehörde dabei verpflichtet, den wahren Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und dem Beschuldigten sowie den Nebenbeteiligten Gelegenheit zu geben, ihre Rechte und rechtlichen Interessen geltend zu machen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at