Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Vergütung von Energieabgaben nach dem BudgBG 2011
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/17/0329 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen. VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1112/12 eingebracht. Mit Beschluss vom abgelehnt und dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2013/15/0031 eingebracht. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom wegen Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Energieabgabenvergütung 2011 entschieden:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Vergütung sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (kurz: Bw.) betreibt ein Hotel in einem Wintersportort. Ihr (am eingelangter) Antrag auf Vergütung von Energieabgaben für das Kalenderjahr 2011 wurde mit Bescheid des Finanzamts vom mit der Begründung abgewiesen, dass eine Vergütung für Zeiträume nach dem für sogenannte "Dienstleistungsbetriebe" ausgeschlossen sei.
In der Berufung vom gegen diesen Bescheid wurde eingewendet, dass der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung ab 2011 als unions- und verfassungswidrig anzusehen sei. Es werde eine Beschwerde an den VfGH wegen unsachlicher Diskriminierung (Verletzung des Gleichheitssatzes) angestrebt.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, wurde der Anspruch auf Vergütung von Energieabgaben auf Betriebe eingeschränkt, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht (§ 2 Abs. 1 EnAbgVergG).
§ 2 EnAbgVergG idF BGBl. I Nr. 111/2010 ist vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem beziehen (§ 4 Abs. 7 EnAbgVergG idF Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010).
2. In unionsrechtlicher Hinsicht stellt die Einschränkung des Vergütungsanspruchs eine Beihilfe iSd Art. 107 AEUV dar.
Die Anwendung der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung [EG] Nr. 800/2008; kurz: AGVO) ermöglicht einem Mitgliedstaat - unter bestimmten Voraussetzungen - die sofortige Gewährung einer Beihilfe, ohne dass eine vorherige Anmeldung bei der Europäischen Kommission erforderlich ist.
3. Nach dem Informationsblatt, das der Europäischen Kommission in Anwendung von Art. 9 AGVO übermittelt wurde (siehe Amtsblatt der Europäischen Union vom , C-288/20 f.), hat die Beihilfe eine Laufzeit vom " - " (ABl. 2011, C-288/21). Folglich konnte sich auch eine "Genehmigung durch die Europäische Kommission" im Wege des vereinfachten Verfahrens nach der AGVO nur auf diese Zeit beziehen.
Damit mangelte es aber an der Erfüllung des Vorbehalts iSd § 4 Abs. 7 EnAbgVergG für den Monat Jänner 2011, was zur Folge haben musste, dass eine Einschränkung des Vergütungsanspruchs für Produktionsbetriebe für den Anspruchszeitraum Jänner 2011 nicht erfolgen durfte.
4. Das Finanzamt nimmt den Standpunkt ein, dass der in § 4 Abs. 7 EnAbgVergG verankerte Vorbehalt lediglich die - "dem Grunde nach" erfolgte - Genehmigung des § 2 EnAbgVergG betreffe, nicht jedoch auch den in § 4 Abs. 7 EnAbgVergG genannten Zeitraum nach dem , da es sich bei diesem nur um den Zeitraum handle, der für die Berechnung der Höhe der Beihilfe heranzuziehen sei. Unter der Laufzeit im Sinne des Formblatts (laut Anhang III der AGVO) sei der Zeitraum zu verstehen, in dem die Beihilfe gewährt werden bzw. in dem über einen Antrag auf Zuerkennung der Beihilfe abgesprochen werden kann (vgl. Amtsbeschwerde und Stellungnahme des Finanzamtes Kufstein Schwaz vom im Verfahren zu VwGH-Zl. 2012/17/0175). Eine anspruchsbezogene Auslegung wird abgelehnt.
5. Gegen diesen Standpunkt spricht, dass
a.) die Kurzmitteilung iSd Art. 9 Abs. 1 AGVO binnen 20 Arbeitstagen ab dem Inkrafttreten der Beihilferegelung (iSd Art. 2 Z 2 AGVO) zu übermitteln ist, mit dem Gemeinsamen Markt aber nur solche Beihilferegelungen vereinbar und von der Anmeldepflicht nach Art. 88 Abs. 3 EG-Vertrag (nunmehr: Art. 107 AEUV) freigestellt sind, die alle Voraussetzungen des Kapitels I der AGVO erfüllen (sowie den einschlägigen Bestimmungen des Kapitels II der AGVO entsprechen). Da sich Art. 9 der AGVO im ersten Kapitel der AGVO befindet und mit der Kurzmitteilung vom eine Freistellung (erst) ab dem in Anspruch genommen wurde, können auch die Rechtsfolgen des Art. 3 der AGVO nicht schon ab dem eingetreten sein.
b.) unter der "Laufzeit" nur die "Laufzeit der Beihilfemaßnahme"verstanden werden kann (Art. 9 Abs. 2 der AGVO). Bei Inkrafttreten einer Beihilferegelung, die nach der AGVO freigestellt ist, veröffentlicht der betreffende Mitgliedstaat den vollständigen Wortlaut der Maßnahme im Internet. Die von den Mitgliedstaaten vorgelegte Kurzbeschreibung nach Art. 9 Abs. 1 AGVO enthält eine Internetadresse, die direkt Zugang zum vollständigen Wortlaut der nationalen Beihilfemaßnahme gibt. Der in der Kurzmitteilung vom enthaltene Link führt zum Energieabgabenvergütungsgesetz in der geltenden Fassung (und stellt auf Grund des in ihm enthaltenen Abfragedatums einen weiteren Hinweis auf eine verspätete Meldung dar; ABl. vom , C 288/21).
c.) in der entsprechenden Zeile des Formblatts (Anhang III der AGVO) ausdrücklich vorgesehen ist, dass unter der "Laufzeit" eine Angabe zur "Regelung", dh aber zur nationalen Beihilferegelung" iSd Art. 2 Z 2 AGVO, zu machen ist (siehe ABl. vom , L 214/43) und
d.) folglich auch eine systematische und in sich konsistente Auslegung der AGVO nur für ein anspruchsbezogenes Verständnis der Fußnote 3 des Anhangs III der AGVO (Formblatt) sprechen kann.
6. Bei der strittigen Beihilferegelung handelt es sich um eine Rückvergütung von Abgaben. Die Gewährung der Beihilfe ist an die im Gesetz normierten Voraussetzungen gebunden (sie ist "ermessensfrei"), wobei kein Zweifel darüber bestehen kann, dass sich das BMF, auch wenn es in der Kurzmitteilung als "Bewilligungsbehörde" angegeben wurde, nicht zur Gewährung von Beihilfen "verpflichten" kann. Da es lediglich dazu berufen ist, das Gesetz zu vollziehen (vgl. dessen § 4 Abs. 2), kann auch unter dem "Zeitraum, in dem sich die Bewilligungsbehörde zur Gewährung von Beihilfen verpflichten kann" (Fußnote 3 des Formblatts in Anhang III der AGVO), nur der zeitliche Anwendungsbereich des Energieabgabenvergütungsgesetzes (und nicht der Zeitraum, in dem über Anträge auf Gewährung der Beihilfe abgesprochen werden kann) zu verstehen sein.
Bei den im Energieabgabenvergütungsgesetz normierten Vergütungen handelt es sich um "negative Abgabenansprüche". Solche Ansprüche entstehen (wie die Abgabenansprüche im engeren Sinn) kraft Gesetzes jeweils zu dem Zeitpunkt, in dem ein gesetzlicher Tatbestand, mit dessen Konkretisierung das Gesetz Abgabenrechtsfolgen verbindet, verwirklicht wird, zB durch den Verbrauch von Energieträgern im Betrieb (vgl. § 2 Abs. 2 EnAbgVergG). Auf den Zeitpunkt der Bescheiderlassung kommt es nicht an. Mit dem Bescheid wird lediglich die Durchsetzung des Anspruchs gegenüber der Abgabenbehörde bewirkt, nicht aber das Entstehen des Anspruchs im Sinne des § 4 Abs. 1 BAO (zB ).
7. Käme es nur darauf an, dass die Beihilfe von der Europäischen Kommission "dem Grunde nach" bzw. ab irgendeinem Zeitpunkt genehmigt würde, könnte sich ein Mitgliedstaat darauf beschränken, eine im Sinn des Art. 9 Abs. 1 AGVO verspätete Kurzmitteilung zum Anlass zu nehmen, um Vergütungen für ggf. weit zurückreichende Anspruchszeiträume (zeitliche Anwendungsbereiche nationaler Beihilfenregelungen) zu gewähren. Dass eine solche Vorgangsweise mit der AGVO nicht vereinbar ist, versteht sich von selbst, würde sie doch dazu führen, dass die in Art. 9 Abs. 1 AGVO normierte Frist von den Mitgliedstaaten nicht mehr eingehalten werden müsste.
Wäre nur entscheidend, dass die Beihilfe im Zeitraum bis (Laufzeit) gewährt wird bzw. über Anträge auf Gewährung der Beihilfe in diesem Zeitraum abgesprochen wird, könnte - nach derzeitiger Rechtslage - gerade über Ansprüche des Kalenderjahres 2013 bzw. eines vom Kalenderjahr 2013 abweichenden Wirtschaftsjahres 2013/2014 nicht mehr bescheidmäßig abgesprochen werden. Es ist nicht vorstellbar, dass die Autoren der Kurzmitteilung vom von einem solchen Verständnis ausgegangen sind.
8. § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz kann nur so gelesen werden, dass die Änderung der Rechtslage (Einschränkung auf Produktionsbetriebe) mit in Kraft treten sollte, bereits das Inkrafttreten des Gesetzes aber von der Genehmigung der Europäischen Kommission bzw. einem gleichgestellten Vorgang (Freistellung) abhängig sein sollte. In diese Richtung deuten auch die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (981 Blg XXIV. GP). Selbst wenn der Vorbehalt der Genehmigung der Europäischen Kommission nicht in das Gesetz aufgenommen worden wäre, dürfte es, weil es die - unbestrittene - Rechtsgrundlage einer Beihilfe bildet, auf Grund unionsrechtlicher Vorgaben nicht ohne Genehmigung der Europäischen Kommission angewendet werden.
9. Da es - wie ausgeführt wurde - an einer Genehmigung für den Monat Jänner 2011 mangelt, musste dem Berufungsbegehren in diesem Umfang entsprochen werden (gegen eine zeitanteilige Bemessung der Vergütung wurden auch seitens des Finanzamts keine Einwendungen erhoben). Im Übrigen war die Berufung als unbegründet abzuweisen: Eine Normprüfungskompetenz kommt dem Unabhängigen Finanzsenat nicht zu. Er ist an die bestehenden und ordnungsgemäß kundgemachten Gesetze gebunden, und zwar auch dann, wenn sie möglicherweise (oder tatsächlich) verfassungswidrig sind.
10. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 § 4 Abs. 7 Energieabgabenvergütungsgesetz, BGBl. Nr. 201/1996 Art. 107 AEUV, ABl. Nr. C 83 vom S. 47 |
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