zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 24.06.2011, RV/1321-W/11

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe bei Aufnahme volljähriger Kinder in den Haushalt mangels Eigenschaft als Pflegekind iSd §§ 186 und 186a ABGB

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/1321-W/11-RS1
Stellt eine Familie einer volljährigen ausländischen Studentin aufgrund einer Einladung Kost und Logis zur Verfügung, so ist diese auch dann nicht als Pflegekind im Sinne des § 2 Abs. 3 lit. d) FLAG zu betrachten, wenn die Eltern der Studentin eine Zustimmungserklärung unterschreiben, gemäß welcher die Tochter in Österreich unter Aufsicht und Verwahrung der Bw. erzogen werden darf.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Vn Nn, geb. GebDat, Adresse, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 6/7/15 vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Oktober 2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Vn Nn, in der Folge mit Bw. bezeichnet, stellte im September 2010 einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe beim Finanzamt Wien 12/13/14. Dieser Antrag wurde offenbar zuständigkeitshalber an das Finanzamt 6/7/15 weiter geleitet, wo er am einlangte. Der Antrag wurde gestellt für Vn_Kd NN_Kd, geboren am GebDat_Kd. Diese ist im März 2010 nach Österreich eingereist und verfügt über eine Aufenthaltsberechtigung als Studierende. Vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass sie einen dreisemestrigen Vorstudienlehrgang Ergänzungsprüfung Deutsch im September 2010 abgebrochen und ab dem Wintersemester 2010 das Studium an der Uni als ordentliche Studierende belegt hat. Die Eltern der Bw., Vn_V NN_Kd und VN_M NN_Kd, erteilten die ausdrückliche Zustimmung, dass deren gemeinsame Tochter Vn_Kd NN_Kd, geboren am GebDat_Kd, für die gesamte Aufenthaltsdauer in Österreich unter Aufsicht und Verwahrung der Bw. erzogen werden dürfe. Die vorgelegte "Zustimmungserklärung" enthält einen Hinweis, dass die Minderjährigkeit von Vn_Kd NN_Kd, geboren am GebDat_f, durch die Einsichtnahme in den Personalausweis bestätigt worden sei.

Das Finanzamt wies diesen Antrag mit der Begründung ab, Vn_Kd NN_Kd habe einen Aufenthaltstitel als Studierende und befinde sich nur zu Studienzwecken in Österreich. Daher bestehe kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gegen diesen Bescheid hat die Bw. berufen und ausgeführt, die Aufenthaltsbewilligung als Studierende sei ein Aufenthaltstitel im Sinne des FLAG und bestehe für Kinder, die eine derartige Aufenthaltsbewilligung haben, Anspruch auf Familienbeihilfe. Die Bw. stellte daher den Antrag, ihrem Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe stattzugeben bzw. den Bescheid zu beheben und die Sache zur Verfahrensergänzung an die Behörde erster Instanz zurück zu verweisen.

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und führte aus, es bestehe kein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe für Vn_Kd NN_Kd, weil sich diese zwar rechtmäßig, jedoch nur vorübergehend zu Ausbildungs- bzw. Studienzwecken in Österreich aufhalte. Vn_Kd NN_Kd sei erst seit Datum2 in Österreich gemeldet und könne daher nicht angenommen werden, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet sei, weshalb kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe.

Die Bw. stellte einen Vorlageantrag.

Dem Vorlageantrag beigelegt war folgende von Vn_Kd NN_Kd und der Bw. unterzeichnete Erklärung:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Seit März 2010 lebe ich als Pflegetochter bei Familie Vn in Wien und studiere Stud an der Uni_in in Wien. Seit ich mein Interesse für Stud entdeckt hatte, war ich begeistert von Wien und ihrer Gegenstand. Die einmalige moderne Gegenst fügt sich so natürlich in die historische Landschaft und begeistert jung und alt.Hier und nirgendwo sonst in der Welt wollte ich leben und meinen Traum verwirklichen, von so berühmten und erfolgreichen Meistern das Handwerk zu erlernen. Das Schicksal schickte mir durch einen schönen Zufall meine derzeitigen Pflegeeltern zu mir, die mich nach Wien einluden.Die Kulturelle Vielfalt dieser Stadt trösteten mich bei meinem Heimweh nach Stadt. Hinzu kommt, dass ich fast überall von der multikulturellen Gesellschaft profitiere. Schon nach wenigen Monaten fühlte ich mich hier zuhause.Zur Zeit mache ich Praktikum bei dem berühmten Wiener ProfisName_Prof. In Wien nehme ich an verschiedenen Projekten auf dem Gebiet der Ausländerintegration teil, da es mir sehr wichtig ist, meinen Beitrag zu dem politischen Alltag zu leisten.An der Universität arbeite ich sehr aktiv und mit viel Engagement an diversen Projekten, die die Wiener Profis über verschiedene Fachzeitschriften international bekannt machen. Dabei habe ich die Aufgabe diverse Interviews ins spr zu übersetzen.Als Hobbyphotographin nutze ich all meine Freizeit, Wiener Gesichter und Gebäuden aus verschiedenen Perspektiven darzustellen. Diese Sammlung möchte ich später ausstellen.Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern fördert Wien die Innovation und die Kreativität der jungen Profis durch die stetig wachsende Anzahl der Museen und Ausstellungsräume für Kulturgut und neuen Ideen.Für die Verwirklichung meiner Träume brauche ich Ihre Unterstützung und beantrage Familienbeihilfe.mit freundlichen Grüßen

Die Bw. legte eine Mail von Pr. Prof. Name_Prof vor, sowie eine Kopie des Reisepasses, in dem als Geburtsdatum der GebDat-KD vermerkt ist, eine Kopie der Aufenthaltsberechtigung sowie eine Bestätigung des AMS über die Anzeige des Praktikums bei der GmbH für den Zeitraum vom ZR (Volontariat).

Vn_Kd NN_Kd erschien in Begleitung der Bw. vor dem Unabhängigen Finanzsenat und sagte als Zeugin aus, sie habe in Österreich ein Semester lang einen Internationalen Deutschkurs besucht. Für ein Semester finde sie, dass sie gut Deutsch spreche. Sie lerne an der Uni auch durch ihre Freunde. Vn Nn und Vn VN_ habe sie vor zwei Jahren in der Land kennen gelernt. Frau Vn sei die Freundin ihrer Schwester, sie habe bei uns gewohnt. Es bestehe kein Verwandtschaftsverhältnis. Die Zeugin habe ein eigenes Zimmer. Im Haushalt helfe sie mit und passe auch auf die Kinder auf. Wenn sie Zeit habe, helfe sie gerne. In der XX helfe sie im Moment nicht, weil sie studiere. Sie schätze, dass sie ca. ein Stunde helfe. Sie könne es nicht genau sagen, wenn die Bw. sie brauche, helfe die Zeugin. Die mit dem Vorlageantrag vorgelegte Erklärung habe sie zusammen mit Frau Vn verfasst. Die Zeugin legte einen Nachweis des Studienerfolges vor. Bei diesem fehlten noch zwei Prüfungen, die sie schon gemacht habe, die aber noch nicht darauf vermerkt seien. Sie fahre jedes Jahr zweimal in die Land, einmal im Sommer und einmal im Winter. Sie habe mit ihren Eltern auch über das Internet per Telefon Kontakt. Ihr Vater sei Pensionist, ihre Mama Hausfrau. Ihr Vater sei Angestellter in einer Beruf gewesen. Ihr Vater überweise ihr Geld, wenn sie es benötige. Einen Kontoauszug legte sie vor. Dieser Kontoauszug betrifft die aktuellen Buchungen. Die Überweisungen der Vormonate hätten genauso ausgeschaut. Sie sage es ihrem Vater, wenn sie Geld benötige, und dann bekomme sie es. Sie bezahle keine Miete. Sie brauche nur Taschengeld. In der Land habe sie eine Schwester und einen Bruder und hier eine Schwester. Sie studiere auch hier. Sie studiere Stud2 und heiße VN_Schw NN_Schw. Sie schicke der Zeugin auch manchmal Geld. Sie sei verheiratet. Im Ramadan, im August, sei die Zeugin zuhause, aber wenn die Feiertage in die Zeit ihres Studiums fallen, sei sie hier. Außer ihrer Schwester habe sie auf der Uni noch sehr viele Freunde. Freizeit zum Spazierengehen und Kino gehen hätten sie eigentlich nicht. Sie lernten sehr viel zusammen. Auf die Frage, ob sie in Österreich schon mit Vorurteilen konfrontiert worden sei, erklärt die Zeugin, sie denke, dass sie den Leuten sympathisch sei. Das mache ihr keine Sorge, man könne darüber reden. Wenn die Bw. mit Problemen konfrontiert werde oder Entscheidungen treffen müssen frage Sie Ihre Schwester, Frau Vn Nn, Freundinnen, auch ihre Eltern. Sie wolle hier ihr Studium fertig machen. Das Studium dauere normalerweise sechs Semester (drei Jahre). Ob sie nachher ein Masterstudium mache, könne sie jetzt noch nicht sagen. Vielleicht mache sie das. Dann könne sie vielleicht eine Arbeit finden. Sie würde gern hier arbeiten. Momentan mache sie ein Praktikum im GmbH_lang. Es sei unbezahlt, aber die Zeugin könne dort etwas lernen und man helfe ihr auch. Deshalb könne sie nach einem Semester Deutsch lernen schon gut sprechen. Ihr Vater sei ein idealistischer Mensch. Er sage, wenn die Zeugin Deutsch lernen wolle, könne sie hier bleiben, einen Job finden und eine Familie gründen. Ihre Eltern hätten Frau Vn keine Anweisungen gegeben bezüglich ihrer Erziehung. Das sei nicht nötig gewesen, ihre Eltern kennen Frau Vn schon lange und wissen, dass die Zeugin brav sei. Über Vorhalt, dass auf den Kontoauszügen keine Überweisung der Eltern zu finden sei, erkläre die Zeugin, dass ihr ihre Eltern manchmal Geld schickten. Das Geld bekomme sie manchmal über Freunde. Es sei aber sehr wenig. Manchmal geben sie der Zeugin auch im Sommer Geld, wenn sie in der Land sei. Dr. N_Fr sei eine Freundin von ihr, sie habe ihr das Geld für den Studienbeitrag geborgt, weil die Zeugin das Geld nicht habe bezahlen können. Sie lerne jetzt spr_ und sei die Zeugin ihre Spr_lehrerin. Frau Dr. N_F sei ursprünglich eine Freundin der Familie Vn und sei Beruf2.

Über Vorhalt, wonach die vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit den Aussagen der Zeugin dafür sprechen, dass diese derzeit ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich habe, erklärte das Finanzamt, die einliegende Zustimmungserklärung der leiblichen Eltern von Vn_Kd NN_Kd, geboren am GebDat_Kd, stellten laut Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend keinen Pflegebeschluss dar. Somit bestehe gemäß § 2 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 kein Anspruch auf Familienbeihilfe, da im vorliegenden Fall kein Pflegekindverhältnis vorliege.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige und unter gewissen Voraussetzungen für volljährige Kinder.

Gemäß § 2 Abs. 3 FLAG sind Kinder einer Person a) deren Nachkommen, b) deren Wahlkinder und deren Nachkommen, c) deren Stiefkinder, d) deren Pflegekinder (§§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches).

Unstrittig handelt es sich bei Vn_Kd NN_Kd um kein leibliches oder adoptiertes Kind der Bw., es handelt sich auch nicht um ein Stiefkind, sondern wurde Vn_Kd NN_Kd im Antrag auf Familienbeihilfe als Pflegekind bezeichnet.

Das Familienlastenausgleichsgesetz verweist hinsichtlich der Eigenschaft als Pflegekind auf §§ 186 und 186 a des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB).

Diese Paragraphen sind eingebettet in das Dritte Hauptstück des ABGB, welches die Überschrift trägt "Von den Rechten zwischen Eltern und Kindern".

Unter der Überschrift "Obsorge" wird in § 144 ABGB festgelegt, dass die Eltern das minderjährige Kind zu pflegen und zu erziehen haben, sein Vermögen zu verwalten und es in diesen sowie allen anderen Angelegenheiten zu vertreten haben; Pflege und Erziehung sowie die Vermögensverwaltung umfassen auch die gesetzliche Vertretung in diesen Bereichen. Bei Erfüllung dieser Pflichten und Ausübung dieser Rechte sollen die Eltern einvernehmlich vorgehen.

Pflege und Erziehung sind also Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder.

Gemäß § 172 Abs. 1 ABGB erlischt die Obsorge für das Kind mit dem Eintritt seiner Volljährigkeit.

In §§ 179 ff ABGB finden sich Vorschriften über "Dem Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und Kindern ähnliche Verbindungen". Während unter dem ersten Untertitel die Annahme an Kindesstatt geregelt wird, finden sich in den §§ 186 und 186 a die Vorschriften betreffend Pflegeeltern.

Gemäß § 186 ABGB sind Pflegeeltern Personen, die die Pflege und Erziehung des Kindes ganz oder teilweise besorgen und zu denen eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern nahe kommende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Sie haben das Recht, in den die Person des Kindes betreffenden Verfahren Anträge zu stellen.

Gemäß § 186 a Abs. 1 ABGB hat das Gericht einem Pflegeelternehepaar (Pflegeelternteil) auf seinen Antrag die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu übertragen, wenn das Pflegeverhältnis nicht nur für kurze Zeit beabsichtigt ist und die Übertragung dem Wohl des Kindes entspricht. Die Regelungen über die Obsorge gelten dann für dieses Pflegeelternpaar (diesen Pflegeelternteil).

Da Pflege und Erziehung Teilbereiche der Obsorge für minderjährige Kinder betreffen und die Obsorge mit Eintritt der Volljährigkeit des Kindes erlischt, liegt im gegenständlichen Fall kein Pflegeverhältnis gemäß §§ 186 und 186 a ABGB vor.

Die Bestimmungen in der Land müssen ähnlich sein, hat doch der Substitut eines Notars, welcher die Unterschriften der Eltern auf der vorgelegten "Zustimmungserklärung" beglaubigt hat, ausdrücklich darauf hingewiesen, er habe die Minderjährigkeit von Vn_Kd NN_Kd überprüft, wobei ein falsches Geburtsdatum, nämlich der GebDat_f angeführt wurde. Auf demselben Dokument wird jedoch in der Zustimmungserklärung das richtige Geburtsdatum angeführt, welches auch im Reisepass aufscheint.

Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 3 lit. d) FLAG ausdrücklich auf die §§ 186 und 186 a ABGB verweist, kann Vn_Kd NN_Kd nicht als Pflegekind der Bw. angesehen werden, weil diese bereits volljährig ist.

Aus den genannten Gründen konnte der Berufung daher keine Folge gegeben werden.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at