Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 22.06.2011, RV/0007-F/11

Ausbildungsort innerhalb oder außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes?

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0007-F/11-RS1
Für die Berechnung der Fahrzeit iS der im Gefolge des § 34 Abs. 8 EStG 1988 erlassenen Verordnungen ist nicht die tatsächliche Gesamtwegstrecke zwischen Wohnung und Ausbildungsstätte maßgeblich, sondern die Fahrzeit zwischen den Hauptbahnhöfen von Wohn- und Ausbildungsort, somit ein standardisierter Wert.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Adr, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Abgabenbehörde I. Instanz lehnte die Berücksichtigung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung des Sohnes des Berufungswerbers mit der Begründung ab, die Wegstrecke T -D betrage weniger als 80 km und die einfache Strecke könne in einer Zeit von weniger als einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden.

Der Berufungswerber brachte Berufung ein und verwies auf das Erkenntnis des Unabhängigen Finanzsenates RV/0198-F/05 vom , mit welchem - den selben Sachverhalt für das Jahr 2002 betreffend - der in Streit stehende Pauschbetrag zuerkannt worden war.

In der Folge erließ die Abgabenbehörde I. Instanz eine abweisende Berufungsvorentscheidung. Darin wurde unter Bezugnahme auf § 34 Abs. 8 EStG 1988 sowie auf die Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes, BGBl. Nr. 624/1995 idF BGBl. II Nr. 449/2001 (in der Folge: VO I) und auf die Grundsätze des § 26 Abs. 3 Studienförderungsgesetz 1992, im Wesentlichen begründend ausgeführt:

Der Begriff "günstigstes öffentliche Verkehrsmittel" müsse so verstanden werden, dass in jeder Richtung je ein weniger als eine Stunde benötigendes Verkehrsmittel zwischen den in Betracht kommenden Gemeinden verkehrt. Hiebei seien nicht zu berücksichtigen:

  • Zeiten zwischen Ankunft im Ausbildungsort und Ausbildungsbeginn,

  • Zeiten zwischen Ausbildungsende und Abfahrt des Verkehrsmittels,

  • andere Wartezeiten,

  • Fußwege,

  • Fahrten im Heimatort oder im Studienort.

Im Falle von O, dem Sohn des Berufungswerbers, könne zwischen dem Bahnhof T und dem Bahnhof D bzw. umgekehrt jeweils auf mehrere öffentliche Verkehrsverbindungen von weniger als einer Stunde Fahrtdauer zurückgegriffen werden. Auf individuelle Bedürfnisse komme es nicht an. D liege daher auch iS des § 2 Abs. 1 der VO I im Einzugsbereich von T und die durch die Berufsausbildung von O verursachten Kosten könnten nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Die zitierte UFS-Entscheidung sei für das Finanzamt nicht bindend.

In seinem Antrag auf Entscheidung über seine Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz wies der Berufungswerber auf die 3,5km betragende Entfernung zwischen seinem Wohnhaus und dem Bahnhof T hin. Das Erreichen des Bahnhofes sei deshalb umständlich und zeitaufwändig. Seiner Meinung nach müsse die Fahrtdauer vom Verlassen des Wohnhauses bis zum Erreichen der Fachhochschule bemessen werden, was innerhalb einer Stunde keineswegs möglich sei. Die Ausbildungsstätte von O liege nach dem Kriterium der Mindestwegzeit iS des § 2 Abs. 1 der VO I außerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110,00 € pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.

Nach dem § 1 der zu dieser Bestimmung erlassenen VO I, BGBl. Nr. 624/1995, (liegen Ausbildungsstätten, die vomWohnort mehr als 80 km entfernt sind, nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes.

Nach dem ab anzuwendenden § 2 Abs. 1 der VO I (in der Fassung BGBl. II 2001/449) gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort dann als nicht innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt.

Dabei sind die Grundsätze des § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, anzuwenden: "(3) Von welchen Gemeinden diese tägliche Hin- und Rückfahrt zeitlich noch zumutbar ist, hat der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur durch Verordnung festzulegen. Eine Fahrzeit von mehr als je einer Stunde zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel ist keinesfalls mehr zumutbar".

Nach § 2 Abs. 2 der VO I gelten Ausbildungsstätten innerhalb einer Entfernung von 80 km zum Wohnort als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen, wenn von diesen Gemeinden die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort nach den Verordnungen gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBI. Nr. 305, zeitlich noch zumutbar ist. Abweichend davon kann nachgewiesen werden, dass von einer Gemeinde die tägliche Fahrzeit zum und vom Studienort unter Benützung der günstigsten öffentlichen Verkehrsmittel mehr als je eine Stunde beträgt. In diesem Fall gilt die tägliche Fahrt von dieser Gemeinde an den Studienort trotz Nennung in einer Verordnung gemäß § 26 Abs. 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, in der jeweils geltenden Fassung als nicht mehr zumutbar.

Nach der VO I idgF ergibt sich folgender Anspruchsprüfungsverlauf bei Ausbildungsstätten innerhalb einer - hier unstrittig vorliegenden - Entfernung von 80 km zum Wohnort (vgl. ):

1. Der Ausbildungsort ist in einer der Verordnungen des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992 (VO II) genannt:

1.1. Wird in einer dieser Verordnungen auch die Wohnortgemeinde als Gemeinde genannt, von der die tägliche Hin- und Rückfahrt zu und von diesem Ausbildungsort zeitlich noch zumutbar ist, besteht die vom Steuerpflichtigen widerlegbare Vermutung, dass die Ausbildungsstätte als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen ist. Der Steuerpflichtige kann demnach den Nachweis führen, dass ungeachtet der Nennung der Gemeinde im Berufungszeitraum eine Erreichbarkeit nach den Grundsätzen des Studienförderungsgesetzes nur mit einer Fahrzeit von über einer Stunde möglich ist (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 11. EL, § 34, Anm. 70).

1.2. Bezieht sich eine Verordnung auf den Ausbildungsort des Kindes, nennt aber den Wohnort nicht als im Einzugsbereich befindlich, wird zumeist von einer unzumutbaren Fahrzeit auszugehen sein (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 11. EL, § 34 Anm. 71). Die Abgabenbehörde ist allerdings nicht gehindert, durch ein entsprechendes Ermittlungsverfahren festzustellen, dass ungeachtet der Nichtnennung eine Erreichbarkeit mit einer Fahrzeit von nicht mehr als einer Stunde gegeben ist.

Eine unwiderlegliche Vermutung, dass in einem derartigen Fall eine auswärtige Berufsausbildung vorliegt, besteht nicht. Es wäre auch nicht verständlich, dass zwar im obigen Fall 1.1. der Steuerpflichtige den Nachweis der Unerreichbarkeit führen kann, der Abgabenbehörde die Nachweisführung der Erreichbarkeit aber im gegenteiligen Fall 1.2. verwehrt sein sollte.

2. Der Ausbildungsort ist in keiner Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung über die Erreichbarkeit von Studienorten nach dem Studienförderungsgesetz 1992, BGBl. Nr. 605/1993, genannt (VO-en II): Nach § 2 Abs. 1 der VO I idgF ist zu prüfen, ob die Fahrzeit vom Wohnort zum Ausbildungsort und vom Ausbildungsort zum Wohnort mehr als je eine Stunde unter Benützung des günstigsten öffentlichen Verkehrsmittels beträgt.

Auf den Streitfall bezogen ist festzuhalten: T ist im § 10 der VO II, BGBl. 1993/605, nicht als Gemeinde genannt, von der aus die tägliche Hin- und Rückfahrt zum und vom Studienort D zeitlich noch zumutbar ist. Wie oben unter 1.2. ausgeführt, genügt dieser Umstand allein aber nicht, um die Gewährung des Pauschbetrages für eine auswärtige Berufsausbildung zu rechtfertigen. Die Vermutung der unzumutbaren Fahrzeit ist vielmehr widerleglich. Die Abgabenbehörde I. Instanz hat sich in ihrer Berufungsvorentscheidung auf (nicht strittige) Fahrplanabfragen gestützt, die dokumentieren, dass zwischen T Bahnhof und D Bahnhof wie auch in der Gegenrichtung jeweils mehrere öffentliche Verkehrsmittel mit weniger als einer Stunde Fahrzeit pro Tag verkehren.

Mit Erkenntnis vom , 2006/15/0114, hat der VwGH die klare Aussage getroffen, dass für die Frage des Vorliegens einer auswärtigen Berufsausbildung im Geltungsbereich der VO I die maßgebende Wegzeit an Hand der Fahrzeiten zwischen den zentralen Bahnhöfen bzw. Haltestellen der Wohnsitzgemeinde und der Ausbildungsgemeinde zu ermitteln ist. Bei Katastralgemeinden ist die jeweilige Ortsgemeinde mit ihrem zentralen Bahnhof bzw. Haltestelle heranzuziehen.

Die VO I stellt daher, ebenso wie das Studienförderungsgesetz, auf den Wohnort bzw. Ausbildungsort, nicht aber auf die Wohnung bzw. Ausbildungsstätte ab. Auch die Verordnungen zum Studienförderungsgesetz (VO-en II) gehen von standardisierten Werten aus. In concreto bedeutet dies, dass nicht die tatsächliche Gesamtfahrzeit, sondern die Fahrzeit zwischen den Hauptbahnhöfen bzw. Aus-/Einstiegstellen von Wohnort und Ausbildungsort ausschlaggebend ist. Das sind die Punkte, zwischen denen üblicherweise die Fahrt mit dem jeweiligen "günstigsten" öffentlichen Verkehrsmittel verläuft. Zeiten zwischen Ankunft im Ausbildungsort und Ausbildungsbeginn, zwischen Ausbildungsende und Abfahrt des Verkehrsmittels, andere Wartezeiten, Fußwege, sowie Fahrten im Heimatort und im Studienort bleiben hiebei unbeachtlich (vgl. LStR, Rz 883; Fuchs in Hofstätter/Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, § 34, Einzelfälle, "Auswärtige Berufsausbildung"; Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, MSA EStG 11. EL, § 34 Anm.72).

Nach in Lehre, Praxis und Rechtsprechung übereinstimmender Rechtsauslegung sind daher Wege wie sie der Sohn des Berufungswerbers im Streitjahr vom Wohnhaus zum Bahnhof T bzw. vom Bahnhof D zur Fachhochschule zurückzulegen hatte, nicht in die Wegzeit einzuberechnen. Sofern das im zitierten UFS Erkenntnis RV/0198-F/05 vom anders gesehen wurde, ist zu sagen: Einerseits konnte die Referentin des Unabhängigen Finanzsenates im Jahr 2005 noch nicht auf eine so klare Judikatur zurückgreifen (vgl. VwGH 2006/15/0114 vom 27.8.2008), wie sie heute besteht und sah einen zulässigen Interpretationsspielraum, andererseits ist eine Behörde, wenn sie eine Verwaltungsübung als gesetzwidrig erkennt, sogar verpflichtet, von dieser abzugehen (Ritz, BAO³, § 114, Tz 8 und 9).

Zumal daher zwischen den Bahnhöfen T und D in beiden Richtungen öffentliche Verkehrsverbindungen von weniger als einer Stunde Fahrzeit bestehen, vermag die anzustellende typisierende Betrachtungsweise keine Unzumutbarkeit der täglichen Hin- und Rückfahrt aufzuzeigen und gilt die Ausbildungsstätte von O als innerhalb des Einzugsbereiches des Wohnortes gelegen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung durch Abzug eines monatlichen Pauschbetrages iS des § 34 Abs. 8 EStG 1988 kommt daher im Streitfall nicht in Betracht.

Die Berufung war aus den genannten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at