Der Übernehmer unversteuerter Zigaretten wird nicht zwingend Abgabenschuldner
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde des Bf., vertreten durch RÄ., vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom , Zl. zzz, betreffend Tabaksteuer entschieden:
Der Spruch der angefochtenen Berufungsvorentscheidung wird wie folgt abgeändert: "Der Bescheid des Zollamtes Wien vom , Zl. zZz, wird aufgehoben."
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom , Zl. zZz, setzte das Zollamt Wien gegenüber Herrn Bf, (fortan: Beschwerdeführer, Bf.), im Grunde des § 27 Abs. 1 Ziffer 1 Tabaksteuergesetz (TabStG) Tabaksteuer in der Höhe von insgesamt € 101.886,79 fest. Er habe am ttmm 2005 und am TTMM 2005 die im Bescheid bezeichneten Zigaretten, welche außerhalb eines Steueraussetzungsverfahrens in das Steuergebiet verbracht worden seien, an sich gebracht und somit zu gewerblichen Zwecken in Empfang genommen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Bf. mit Schriftsatz vom fristgerecht den Rechtsbehelf der Berufung.
Das Zollamt Wien wies diese Berufung vom Bescheid vom , Zl. zzz, als unbegründet ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vom .
Diese Beschwerde wies der Unabhängige Finanzsenat im ersten Rechtsgang mit Bescheid vom , GZ. ZRV/0060-Z1W/06, als unbegründet ab.
Der Verwaltungsgerichtshof hob diese Berufungsentscheidung wegen Rechtwidrigkeit des Inhaltes auf (). Der Unabhängige Finanzsenat hat daher über die nunmehr wieder unerledigte Beschwerde vom abzusprechen.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
§ 27 Tabaksteuergesetz in der im entscheidungsmaßgeblichen Zeitraum gültigen Fassung bestimmt u.a.:
(1) Werden Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates zu gewerblichen Zwecken bezogen, entsteht die Steuerschuld dadurch, dass der Bezieher
1. die Tabakwaren im Steuergebiet in Empfang nimmt oder
2. die außerhalb des Steuergebietes in Empfang genommenen Tabakwaren in das Steuergebiet verbringt oder verbringen lässt.
Steuerschuldner ist der Bezieher. Der Bezug durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts steht dem Bezug zu gewerblichen Zwecken gleich.
(2) Werden Tabakwaren aus dem freien Verkehr eines Mitgliedstaates in anderen als den in Abs. 1 genannten Fällen in das Steuergebiet verbracht, entsteht die Steuerschuld dadurch, dass sie erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet werden. Steuerschuldner ist, wer sie in Gewahrsame hält oder verwendet.
Dem vorliegenden Abgabenverfahren liegt nach der Aktenlage folgender Sachverhalt zu Grunde:
Gemäß dem Spruch des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom , ZzZ, wurde der Bf. für schuldig erkannt, am ttmm und am TTMM 2005 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit NN. eingangsabgabepflichtige Waren, nämlich 1.070.600 Stück, das entspricht 5.353 Stangen Zigaretten, hinsichtlich derer von unbekannt gebliebenen Personen ein Schmuggel begangen und in Bezug auf die € 83.980,80 Zoll verkürzt wurden, an sich gebracht zu haben. Im Rahmen der Subsumtion kam das Gericht zum Ergebnis, dass dem Bf. die Verwirklichung des Tatbestandes der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG anzulasten sei.
Im o.a. Erkenntnis vom hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. festgestellt:
"Zum Beschwerdevorbringen, dass der Beschwerdeführer die Tabakwaren nie bezogen habe und er daher nicht als Steuerschuldner iSd § 27 Abs. 1 TabStG anzusehen sei, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 27 TabStG bei der Bestimmung des Steuerschuldners zwei Fallgruppen unterscheidet:
Abs. 1 regelt den Fall, dass eine Person, welche die Eigenschaft eines Beziehers aufweist, in dieser Eigenschaft die Tabakwaren entweder im Steuergebiet oder außerhalb desselben in Empfang nimmt. Erfolgt die Empfangnahme der Tabakwaren innerhalb des Steuergebietes, so wird der Abgabentatbestand nach dieser Bestimmung bereits durch die Empfangnahme verwirklicht. Erfolgt die Empfangnahme jedoch außerhalb des Steuergebiets, so muss zur Verwirklichung des Abgabentatbestandes noch hinzutreten, dass der Bezieher die Tabakwaren in das Steuergebiet (selbst) verbringt oder zumindest verbringen lässt. Steuerschuldner ist nach § 27 Abs. 1 TabStG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 251/2009) in beiden Fällen ausschließlich der Bezieher der Tabakwaren.
Nach Abs. 2 wird der Abgabentatbestand bereits dadurch verwirklicht, dass die Tabakwaren (aus dem freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaates) im Steuergebiet erstmals zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame gehalten oder verwendet werden. Dabei wird jede Person, welche die Tabakwaren erstmals im Steuergebiet in Gewahrsame hält oder verwendet, Steuerschuldner. Diese Person braucht keine weiteren Eigenschaften aufzuweisen.
Aus dem Wortlauf dieser beiden Bestimmungen ergibt sich, dass Abs. 1 als die speziellere Bestimmung und Abs. 2 als Auffangtatbestand (arg. "in anderen als den in Abs.1 genannten Fällen") anzusehen sind. Dies verdeutlicht auch folgendes Beispiel: Die Person, welche Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbringt, hat zum Zeitpunkt des Verbringens auch die (im Steuergebiet) erstmalige Gewahrsame an den verbrachten Tabakwaren und wird daher zum Steuerschuldner nach Abs. 2. Ist sie allerdings gleichzeitig auch Bezieher der Tabakwaren, so wird sie Steuerschuldner nach § 27 Abs. 1 TabStG.
Bei der Gewahrsame einer Person über die Tabakwaren iSd § 27 Abs. 2 TabStG reicht es aus, dass sich die Tabakwaren in der Macht dieser Person, ihres Inhaber, befinden (§ 309 erster Satz ABGB). Der Bezug der Tabakwaren iSd § 27 Abs. 1 TabStG setzt hingegen eine Nähe zu den Tabakwaren voraus, welche über die bloße Gewahrsame hinausgeht. Diese Nähe wird in der Regel dann gegeben sein, wenn die Tabakwaren zu den gewerblichen Zwecken dieser Person bestimmt sind, etwa weil sie damit Handel betreibt. Dazu ist es nicht erforderlich, dass sie die unmittelbare Gewahrsame über die Tabakwaren hat (etwa, wenn sie die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Tabakwaren in das Steuergebiet verbringen lässt). Umgekehrt ist aber eine Person, welche Tabakwaren nur für die gewerblichen Zwecke eines anderen (grenzüberschreitend oder ausschließlich im Steuergebiet) befördert, nicht als Bezieher iSd § 27 Abs. 1 TabStG anzusehen, sondern allenfalls als Steuerschuldner nach § 27 Abs. 2 TabStG."
Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden nach § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wobei die Behörde nach § 63 Abs. 1 VwGG an die im aufhebenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes geäußerte Rechtsanschauung gebunden ist ().
Im Rahmen der im Streitfall durchgeführten Ermittlungen konnte der zunächst bestehende Verdacht (siehe Niederschrift vom ), der Bf. habe sich mit dem illegalen Handel von Zigaretten und dem gewinnbringenden Weiterverkauf der Tabakwaren beschäftigt, nicht mit der erforderlichen Sicherheit erhärtet werden.
Auch das Landesgericht für Strafsachen Wien hat es im o.a. Gerichtsurteil vom als nicht erwiesen erachtet, dass der Bf. aus seiner Tätigkeit im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Rauchwaren einen nennenswerten wirtschaftlichen Vorteil gezogen habe. Ebenso habe nicht festgestellt werden können, dass er aktiv am Weiterverkauf der Zigaretten durch den NN. mitgewirkt habe. Wirtschaftlich seien die vom Bf. zu verantwortenden Mengen daher dem NN. zuzurechnen.
Dem Bf. kann daher nicht vorgeworfen werden, er selbst habe die Tabakwaren bezogen, weil er eine über die bloße Gewahrsame hinausgehende Nahebeziehung zu den Zigaretten gehabt habe. Die Heranziehung des Bf. als Abgabenschuldner iSd § 27 Abs. 1 TabStG scheidet damit aus.
Zu prüfen bleibt, ob für den Bf. allenfalls eine Steuerschuld nach § 27 Abs. 2 TabStG entstanden ist. Nach der Aktenlage steht fest, dass der Bf. die genannten Zigaretten in NÖ vom Lenker eines LKW mit ungarischen Kennzeichen übernommen hat. Daraus folgt zwingend, dass eben diese Person und nicht etwa der Bf. die Tabakwaren erstmals im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken in Gewahrsame hielt. Auch dafür, dass der Bf. diese Waren erstmals im Steuergebiet verwendet hätte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Damit kommt in Bezug auf den Bf. auch eine Steuerschuldentstehung gemäß § 27 Abs. 2 TabStG nicht in Betracht.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Heranziehung des Bf. als Abgabenschuldner lagen daher im Streitfall nicht vor.
Es war somit wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Zoll |
betroffene Normen | § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 309 erster Satz ABGB, Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811 Art. 131 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 § 63 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at