zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 09.08.2012, RV/0506-W/12

Rechtmäßige Zurücknahmebescheide?


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Miterledigte GZ:
RV/0505-W/12

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Johannes Patzak, 1010 Wien, Johannesgasse 16, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Zurücknahme der Berufung vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005, Zurücknahme der Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2005, Zurücknahme der Berufung vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2006, Zurücknahme der Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2006, Zurücknahme der Berufung vom gegen den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 01-10/2007, Zurücknahme der Berufung vom gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2008 entschieden:

Der Berufung wird teilweise statt gegeben.

Die Bescheide betreffend Zurücknahme der Berufung vom gegen den Umsatzsteuerbescheid 2005, Einkommensteuerbescheid 2005, Umsatzsteuerbescheid 2006 und Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 01-10/2007 werden aufgehoben.

Die Bescheide betreffend Zurücknahme der Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 und Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2008 bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) betrieb ein Taxiunternehmen.

Betreffend das Jahr 2005 wurde eine Außenprüfung und betreffend das Jahr 2006 und die Monate 1-5/2007 eine Umsatzsteuernachschau durchgeführt. Der Prüfer stellte u.a. in seinem Prüfungsbericht ABNr. 1234567 fest, dass für das Jahr 2006 keine Umsatz- und Einkommensteuererklärung eingereicht und dass maßgebliche Unterlagen für die Abgabenberechnung, Taxameterdaten, schriftliche Aufzeichnungen über Taxameterdaten (ersatzweise), schriftliche Aufzeichnungen der Fahrer über gefahrene und verrechnete Kilometer, Ermittlung der Tageslosung aus dem Einzelbeträgen lt. Fahrer bzw. Taxameter, § 57a-Gutachten sowie dazugehörige Werkstättenrechnungen nicht vorgelegt worden seien. Unter Berücksichtigung der eingereichten Jahreserklärung für das Jahr 2005 und der Umsatzsteuervoranmeldungen für die Jahre 2006 und 2007 nahm er eine Schätzung der erzielten Umsätze für die Jahre 2005, 2006, 1-10/2007 und eine Schätzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 2005 und 2006 vor.

In der Folge erließ das Finanzamt dementsprechende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 und 2006, sowie einen Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-10/2007 und einen Vorauszahlungsbescheid an Einkommensteuer für das Jahr 2008. Eine Wiederaufnahme der Umsatz- und Einkommensteuerverfahren war nicht notwendig, da noch keine diesbezüglichen Bescheide erlassen worden waren.

Mit Berufung vom bekämpfte der Bw. die aufgrund der Außenprüfung erlassenen Bescheide im Wesentlichen mit der Begründung, dass er seine Fahrzeuge und die damit verbundene Berechtigung in Bestand gegeben habe und diese Fahrzeuge (Teilbetriebe) nun ihrerseits Einkunftsquellen für die Bestandnehmer (Pächter) seien. Die einzelnen Pächter seien keine Dienstnehmer und habe daher die Zurechnung der von den selbständigen Taxiunternehmern erzielten Einkünfte an den Bw. zu unterbleiben.

Desweiteren wurden auch die Anträge gestellt, der Berufung Folge zu geben, die Wiederaufnahme der Verfahren zu verwerfen und die Abgaben wie seinerzeit vorgeschrieben festzusetzen.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom stellte die Amtspartei fest, dass die Berufung vom gem. § 250 Abs. 1 BAO Mängel aufweise. Es fehle die Erklärung, welche Änderungen (jeweils) beantragt würden und eine Begründung für die beantragten Änderungen. Die angefochtenen Bescheide seien Erstbescheide, daher sei der Antrag "die Abgaben wie seinerzeit vorgeschrieben festzusetzen" nicht ausreichend bestimmt.

Die angeführten Mängel seien bis zum zu beheben. Bei Versäumung dieser Frist gelte die Berufung vom als zurückgenommen.

Mit Schriftsatz vom teilte der Bw. mit, dass der Mängelbehebungsauftrag vom gesetzwidrig gewesen sei, da das Rechtsmittel einer Sachentscheidung zugänglich gewesen wäre.

Mit Bescheiden jeweils vom (Zurücknahmebescheide) erklärte das Finanzamt schließlich die Berufung vom gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006, den Bescheid über die Festsetzung von Umsatzsteuer für 1-10/2007 und den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2008 als zurückgenommen und führte aus, dass dem Mängelbehebungsauftrag nicht innerhalb der gesetzten Frist entsprochen worden sei. Die Berufung vom gelte somit als zurückgenommen.

Gegen die Zurücknahmebescheide wurde fristgerecht Berufung eingebracht und ausgeführt, dass die Zurücknahmebescheide rechtsirrig seien, da sie von der unzutreffenden Annahme ausgegangen seien, die Berufung vom weise jene Mängel auf, die im Mängelbehebungsauftrag vom genannt seien.

Der Mängelbehebungsauftrag sei nicht durch das Gesetz gedeckt gewesen und habe daher keine Rechtswirkungen auslösen können.

Die angefochtenen Bescheide seien keine "Erledigung" einer Berufung und hätten daher nicht zur Feststellung des Ablaufes führen dürfen.

Sämtliche Zurücknahmebescheide seien daher ersatzlos aufzuheben.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gem. § 85 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) berechtigen Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

Gem. § 250 Abs. 1 BAO muss eine Berufung a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet; b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird; c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden; d) eine Begründung enthalten.

Der Berufungsantrag soll die Behörde in die Lage versetzen, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Bw. dem Bescheid anlastet (Ritz, BAO-Kommentar, 4. Aufl., § 250, Tz 11 ff).

Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, muss einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben, wobei sich die Bestimmtheit aus der Berufung ergeben muss.

Ausreichend bestimmt ist nach der Judikatur z.B. der Antrag, die Umsatzsteuer auf Grund der abgegebenen Voranmeldungen festzusetzen ( Zl. 595/78).

Nicht ausreichend ist z.B. der Antrag, erklärungsgemäß zu veranlagen, wenn die betreffenden angekündigten Steuererklärungen und die Darstellung der angestrebten Besteuerungsgrundlagen nicht vorgelegt werden ( Zl. 93/13/0312).

Wenn nun der Bw. in seiner Berufung gegen die Zurücknahmebescheide ausführt, dass sämtliche Zurücknahmebescheide rechtsirrig seien, weil das Finanzamt zu Unrecht davon ausgegangen sei, die Berufung vom weise Mängel gem. § 250 Abs. 1 lit. c BAO auf, dann ist der Bw. teilweise im Recht. Das Finanzamt hat nämlich festgestellt, dass sämtliche mit der Berufung vom angefochtenen Bescheide Erstbescheide sind. Allerdings fehle laut Finanzamt die Erklärung, welche Änderungen jeweils beantragt würden. Der Antrag "die Abgaben wie seinerzeit vorgeschrieben festzusetzen" sei nach Meinung des Finanzamtes nicht ausreichend bestimmt. Der Bw. vertritt hiezu die Meinung, das Rechtsmittel (die Berufung vom ) sei einer Sachentscheidung zugänglich gewesen. Diesem Vorbringen ist zu erwidern, dass vor Erlassung des Mängelbehebungsauftrages dem Finanzamt Umsatz- und Einkommensteuererklärungen für das Jahr 2005, Umsatzsteuervoranmeldungen für 01-12/2006 und Umsatzsteuervoranmeldungen für 01-10/2007 vorgelegen sind. Eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 wurde nicht eingereicht. Wenn nun ausgeführt wird, die Berufung gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2005, den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 und den Umsatzsteuerfestsetzungsbescheid für 01-10/2007 sei einer Sachentscheidung zugänglich gewesen, dann ist der Bw. im Recht. Denn an Hand der eingereichten Steuererklärungen für das Jahr 2005, der Umsatzsteuervoranmeldungen für das Jahr 2006 und für die Monate 01-10/2007 ist das Finanzamt sehr wohl in der Lage zu erkennen, welche Besteuerungsgrundlagen der Bw. zum Ansatz gebracht bzw. welche Änderungen er beantragt hat. Zwar sind der von der Amtspartei auf Grund der Außenprüfung erlassene Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2005, Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005, Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 jeweils Erstbescheide, doch auf Grund des Ergebnisses der Außenprüfung und den vom Bw. selbst erklärten Bemessungsgrundlagen für die Umsatz- und Einkommensteuer 2005 und den vom Bw. eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen ist anzunehmen, dass der Bw. nicht nur die Rechtsmeinung der Amtspartei, die Taxifahrer sind im Betrieb des Bw. angestellt, sondern auch die Zuschätzungen der Außenprüfung bekämpft. Ziel der Berufung vom war und ist die Beseitigung der von der Außenprüfung vorgenommenen Zurechnung der Fahrerlöse an den Bw. Damit hat aber der Berufungsantrag vom betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2005, 2006 und für die Monate 01-10/2007 und betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2005 einen bestimmbaren Inhalt und war der Mängelbehebungsauftrag vom betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 2005, Umsatzsteuer für das Jahr 2006 und Umsatzsteuer für 01-10/2007 zu Unrecht erlassen worden.

Anders liegt der Fall hinsichtlich der Bescheide betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2006 und die Einkommensteuervorauszahlungen für das Jahr 2008. Wie die Außenprüfung im Prüfungsbericht festgestellt hat, hat der Bw. für das Jahr 2006 keine Einkommensteuererklärung eingereicht und war dadurch das Finanzamt nicht in der Lage festzustellen, welche Besteuerungsgrundlagen der Bw. begehrte. Da für die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2008 die Veranlagung des Jahres 2006 maßgeblich war, konnte das Finanzamt auch für die diesbezüglichen Einkommensteuervorauszahlungen keine Besteuerungsgrundlagen erkennen. Aus diesem Grund weist die Berufung vom gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 und Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2008 tatsächlich inhaltliche Mängel auf, und hat die Amtspartei zu Recht einen dementsprechenden Mängelbehebungsauftrag erlassen. Infolge Nichtbehebung der Mängel erklärte schließlich das Finanzamt in Anwendung des § 85 Abs. 2 BAO die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 und die Berufung gegen den Einkommensteuervorauszahlungsbescheid für das Jahr 2008 als zurückgenommen.

Wenn der Bw. ausführt, die angefochtenen Bescheide seien keine "Erledigung" einer Berufung und hätten daher nicht zur Feststellung des Ablaufes führen dürfen, ist darauf hinzuweisen, dass über Berufungen nur Sachentscheidungen zu erlassen sind, wenn die Berufungen nicht formell zu erledigen sind (Ritz, BAO-Kommentar, 4. Aufl., § 273, Tz 1). Dass die verfahrensgegenständlichen Zurücknahmebescheide gem. § 85 Abs. 2 BAO Formalerledigungen sind, liegt auf der Hand. In Anwendung dieser Bestimmung hat das Finanzamt dem Einschreiter die Behebung der Mängel innerhalb einer bestimmten Frist aufzutragen. Die Feststellung des Fristablaufes findet daher im § 85 Abs. 2 BAO ihre gesetzliche Deckung.

Zusammenfassend ergibt sich demnach, dass die Berufung vom nicht zur Gänze als zurückgenommen zu erklären war. Die Zurücknahmebescheide vom betreffend die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2005, betreffend den Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2006 und betreffend den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer für 01-10/2007 waren daher aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 250 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 250 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at