Berufungsentscheidung - Zoll (Referent), UFSZ3K vom 21.08.2013, ZRV/0055-Z3K/13

Antragslos erlassener Erstattungsbescheid

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
ZRV/0055-Z3K/13-RS1
Eine Entscheidung über einen Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben setzt einen diesbezüglichen Antrag voraus. Fehlt ein solcher Antrag, ist die Entscheidung insoweit rechtswidrig, als über einen nicht gestellten Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben abgesprochen worden ist. Eine solche Entscheidung steht einem nachfolgenden (erstmaligen) Antrag auf Erstattung entgegen und ist daher aufzuheben.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der AAA GmbH, Adresse, vom gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Graz, Zahl aa, betreffend Eingangsabgaben entschieden:

Der Spruch der angefochtenen Entscheidung wird wie folgt geändert: Der Bescheid vom , Zahl: bb, wird aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Das Zollamt Graz stellte mit Bescheid vom (zugestellt am ), Zahl: cc, fest, dass für die Beschwerdeführerin (Bf.) bei der Überführung von eingangsabgabenpflichtigen Waren in den zollrechtlichen freien Verkehr mit der Anmeldung CRN dd gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a) und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Zollkodex, ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgabenschuld in der Höhe von € 91.315,23 entstanden sei.

Buchmäßig erfasst worden seien jedoch nur Eingangsabgaben in der Höhe von € 74.729,60. Der Differenzbetrag werde weiterhin gesetzlich geschuldet und sei daher nachträglich buchmäßig zu erfassen und mitzuteilen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Ware sei anlässlich der Einfuhrabfertigung in eine unrichtige Warennummer eingereiht worden.

Mit Schreiben vom , das am selben Tag bei der Post aufgegeben worden ist, wurde "Berufung zu Abgabenbescheid Zahl cc" erhoben. In diesem Schreiben führte die Bf. (auszugsweise) unter Vorlage einer Warenbeschreibung Folgendes aus:

"Gegen den oben angeführten beiliegenden Bescheid, welcher uns am (...) zugestellt wurde, berufen wir wie folgt:


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Begründung:
Falscher KN-Code verwendet, (...)
Richtige Tarifierung:
(...)

Wir ersuchen um Durchführung und Gutschrift (...)"

Mit Bescheid des Zollamtes Graz vom , Zahl bb, wurde der Antrag der Bf. nach Art. 236 ZK auf Erstattung der Einfuhrabgaben zu Zahl cc abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, die vom Zollamt vorgenommene Einreihung der Ware sei vom Bundesministerium für Finanzen bestätigt worden.

Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtete sich die Berufung vom .

Diese Berufung wurde mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde eingangs ausgeführt, mit Bescheid vom seien der Bf. gemäß Art. 201 ZK Abgaben vorgeschrieben worden. Gegen diesen Bescheid sei ein Antrag auf Erstattung der Abgaben gemäß Art. 236 ZK eingebracht worden. Dieser Antrag sei abgewiesen worden und nun eine Berufung eingebracht worden.

Gegen die Berufungsvorentscheidung vom wurde mit Schreiben vom Beschwerde an den Unabhängigen Finanzsenat erhoben und darin von der Bf. (unter Beilage von Beschreibungen) die Ansicht vertreten, die Ware sei von der Zollbehörde in eine unrichtige Warennummer eingereiht worden.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Gemäß § 85a Abs. 1 ZollR-DG steht gegen Entscheidungen von Zollbehörden als Rechtsbehelf der ersten Stufe die Berufung zu.

Gemäß Art. 236 Abs. 1 ZK werden Einfuhrabgaben insoweit erstattet, als nachgewiesen wird, dass der Betrag im Zeitpunkt der Zahlung nicht gesetzlich geschuldet war oder der Betrag entgegen Art. 220 Abs. 2 ZK buchmäßig erfasst worden ist.

Die Erstattung der Einfuhrabgaben erfolgt auf Antrag; der Antrag ist vor Ablauf einer Frist von drei Jahren nach Mitteilung der betreffenden Abgaben an den Zollschuldner bei der zuständigen Zollstelle zu stellen. Die Zollbehörden nehmen die Erstattung von Amts wegen vor, wenn sie innerhalb dieser Frist selbst feststellen, dass einer der in Abs. 1 UAbs. 1 und 2 beschriebenen Sachverhalte vorliegt (Art. 236 Abs. 2 ZK).

Gemäß Art. 878 Abs. 2 ZK-DVO ist (unbeschadet des hier nicht einschlägigen Art. 882 ZK-DVO) der Antrag auf Erstattung in einem Original mit einer Durchschrift auf einem Vordruck nach dem Muster und den Vorschriften in Anhang 111 zu stellen. Der Antrag auf Erstattung kann auch auf einem anderen Papier gestellt werden, sofern dieses die in dem betreffenden Anhang genannten Angaben enthält.

Das Schreiben vom wurde weder auf einem Vordruck nach dem Muster in Anhang 111 abgegeben, noch enthielt es alle in diesem Anhang genannten Angaben. Bei dem Schreiben handelte es sich somit nicht um einen Antrag auf Erstattung der Abgaben gemäß Art. 236 ZK, sondern um eine Berufung gegen den Bescheid vom . Auch aus den Ausführungen im Schreiben ("Berufung zu Abgabenbescheid ..." oder "... berufen wir wie folgt") ergibt sich eindeutig, dass es sich um eine Berufung, und nicht um einen Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben handelte.

Aufgrund des Spruches steht eindeutig fest, dass mit Bescheid vom nicht über die fristgerecht eingebrachte Berufung vom abgesprochen worden ist, sondern ein (nicht gestellter) Antrag auf Erstattung der Abgaben gemäß Art. 236 ZK abgewiesen worden ist. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass im Betreff "Berufung vom " angeführt ist, denn der Spruch ist die Willenserklärung der Behörde. Ebenso wenig war eine amtswegige Erstattung von Abgaben Gegenstand des Bescheides.

Eine Entscheidung über einen Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben setzt einen diesbezüglichen Antrag voraus. Fehlt ein solcher Antrag, ist die Entscheidung insoweit rechtswidrig, als über einen nicht gestellten Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben abgesprochen worden ist ().

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert ().

Im verfahrensgegenständlichen Fall steht nach Lage des Sachverhalts fest, dass die Bf. mit ihrem Schreiben vom Berufung gegen den Bescheid vom erhoben hat. Ein Antrag auf Erstattung der Abgaben gemäß Art. 236 ZK wurde nicht gestellt. Dadurch, dass das Zollamt nur über einen nicht gestellten Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 236 ZK nicht aber über die Berufung entschieden hat, hat sie zu Unrecht die Sachentscheidung verweigert und die Bf. insoweit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt ().

Auch wenn in dem, dem vorstehend genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom zugrunde liegenden Fall die festgestellte Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht zur Aufhebung durch den Verwaltungsgerichtshof geführt hat, sondern zur Zurückweisung der Beschwerde durch den Verwaltungsgerichtshof, weil der Bescheid ins Leere gegangen sei, so war im verfahrensgegenständlichen Fall dennoch aus nachstehenden Erwägungen der Bescheid vom aufzuheben.

Selbst wenn nach der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Bescheid vom , mit dem über einen nicht gestellten Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben abgesprochen worden ist, die Bf. nicht in ihren Rechten verletzt haben mag, so entbindet ein solcher die Abgabenbehörden nicht von ihrer Verpflichtung, diesen formell und materiell rechtskräftigen abweislichen Bescheid zu beachten. Das bedeutet, dass einem nachfolgenden (erstmaligen) Antrag der Bf. auf Erstattung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 236 ZK die Rechtskraft des abweislichen Bescheides entgegenstünde. Über einen derartigen Antrag könnte wegen entschiedener Sache inhaltlich nicht mehr abgesprochen werden, ein solcher Antrag müsste zurückgewiesen werden (Aichlreiter, Antragslos erlassener antragsbedürftiger Verwaltungsakt und Rechtsschutz, JBl 1996, 299). Bei Nichtaufhebung des Bescheides vom wäre der Bf. die Möglichkeit genommen, (erstmalig) einen Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 236 ZK zu stellen.

Aus den dargestellten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 236 Abs. 1 ZK, VO 2913/92, ABl. Nr. L 302 vom S. 1
§ 85a Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at