Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSL vom 28.02.2008, RV/1268-L/07

Berufungsentscheidung als rückwirkendes Ereignis.

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/1268-L/07-RS1
Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und setzt daher keine diesbezügliche behördliche Tätigkeit voraus. Vom Abgabenanspruch zu unterscheiden ist der Abgabenzahlungsanspruch, das ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der bescheidmäßigen Festsetzung (vgl. Ritz, BAO³, § 4 Tz. 2f). Schon aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass eine Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates betreffend die Einkommensteuer für 1989 keinen Einfluss auf den Abgabenanspruch an Einkommensteuer für 1989 haben kann.
RV/1268-L/07-RS2
§ 295a BAO betrifft Abgabenbescheide, Feststellungsbescheide und Haftungsbescheide, da mit diesen Bescheiden die bereits entstandenen Abgabenansprüche festgestellt werden. Bescheide, die bloß die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich einer bestimmten Abgabe verfügen, stellen keinen Abgabenanspruch fest, sondern sprechen lediglich über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens ab. Damit sind derartige Bescheide einer Abänderung oder Aufhebung nach § 295a BAO nicht zugänglich, da Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Eintritt eines Ereignisses ist, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 295a BAO ist jedoch der Eintritt eines Ereignisses, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Wiederaufnahmegrundes hat. Damit schließt eine Wortinterpretation der Bestimmung des § 295a BAO bereits die vom Bw. beantragte Aufhebung des Bescheides über die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens aus.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw.., vertreten durch Gerhard Friedl, Steuerberater, 4707 Schlüßlberg, Marktplatz 4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Grieskirchen Wels, vertreten durch HR Dr. Moser, vom betreffend Abweisung eines Antrages gemäß § 295a BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Bisheriger relevanter Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Finanzamtes Wels vom wurde die Einkommensteuer für 1989 mit 0,00 S festgesetzt, wobei sich die Festsetzung auf die am eingebrachte Einkommensteuererklärung für 1989 stützte. Aus dieser Einkommensteuererklärung und den dazu eingebrachten Beilagen ging hervor, dass der Antragsteller beschränkt steuerpflichtig mit seinen inländischen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sei.

Auf Grund einer Betriebsprüfung, welche mit dem Bericht vom abgeschlossen wurde, erfolgte mit Bescheiden des Finanzamtes Wels vom die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 1989 und die Festsetzung der Einkommensteuer für 1989. Die Einkommensteuer für 1989 wurde mit 19.184,00 S festgesetzt. Als Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 wurden im Betriebsprüfungsbericht vom (Tz. 31) - auf den im Wiederaufnahmebescheid vom explizit hingewiesen wurde - insbesondere das Vorliegen einer unbeschränkten Steuerpflicht in Österreich auf Grund eines inländischen Wohnsitzes (Punkt 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ) und die Feststellung eines gewerblichen Grundstückshandels im Jahr 1989 (Punkt 2 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom ) angeführt. Hinsichtlich des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist die Betriebsprüfung in Punkt 1 der Niederschrift über die Schlussbesprechung vom davon ausgegangen, dass dieser in Kanada liege. Dazu führte der Prüfer aus:

"... Da Hr. E. über einen Wohnsitz in Kanada verfügt, war eine Prüfung der "Ansässigkeit" vorzunehmen, um festzustellen bei welchem der beiden Vertragsstaaten im Sinne des DBA Österreich - Kanada das Hauptbesteuerungsrecht liegt. Trotz mehrmaliger Aufforderung durch den Prüfer wurde die Vorlage von Steuerbescheiden der kanadischen Finanzbehörden, aus denen hervorginge, welche Tätigkeit Hr. E. in Kanada ausübt, über welches Vermögen er dort verfügt usw., verweigert. Vielmehr wurden dem Prüfer Bestätigungen und Schreiben von kanadischen Anwälten und Notaren übermittelt, aus denen ersichtlich ist, dass Hr. E. an einer kanadischen Gesellschaft beteiligt ist. Weiters wurde eine Bestätigung einer kanadischen Bezirksbehörde eingereicht, aus der ersichtlich ist, dass Hr. E. in Kanada seiner Steuerpflicht nachkommt. Obwohl dem Verlangen nach Vorlage von Steuerbescheiden keine Folge geleistet wurde, folgt der Prüfer unter Zugrundelegung der vorhandenen Beweismittel nach dem bisherigen Verfahrensstand der Ansicht des Abg.pflichtigen, dass sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen im Prüfungszeitraum in Kanada befunden hat und somit das Besteuerungsrecht im Sinne des angeführten DBA in Kanada liegt. ..."

Gegen die Bescheide vom betreffend die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer für das Jahr 1989 und die Festsetzung der Einkommensteuer für 1989 wurde mit dem Anbringen vom eine Berufung eingebracht. Diese Berufung wurde mit dem Anbringen vom zurückgenommen und mit Bescheid des Finanzamtes Wels vom gemäß § 256 Abs. 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , GZ. 83/1-6/Kr-1995, wurde der Einkommensteuerbescheid für 1989 des Finanzamtes Wels vom gemäß § 299 Abs. 1 lit. c der Bundesabgabenordnung aufgehoben. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde mit dem Erkenntnis vom , Zl. 95/14/0145 als unbegründet abgewiesen.

Das Finanzamt Wels hat mit Bescheid vom das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen und die Einkommensteuer für 1989 mit 5.777.250,00 S festgesetzt.

Gegen diese Bescheide wurde mit dem Anbringen vom eine Berufung eingebracht.

Mit Berufungsvorentscheidung vom hat das Finanzamt Wels der Berufung gegen den Bescheid vom , mit dem das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder aufgenommen wurde, stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig wurde mit Bescheid vom die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid für 1989 vom als unzulässig zurückgewiesen.

Das Finanzamt Wels hat mit Bescheid vom die Einkommensteuer für 1989 neuerlich mit 5.777.250,00 S festgesetzt. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass dieser Bescheid auf Grund des rechtskräftigen Wiederaufnahmebescheides vom ergangen ist.

Gegen diesen Einkommensteuerbescheid wurde mit dem Anbringen vom eine Berufung eingebracht, welche am der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Mit dem Anbringen vom beantragte der Antragsteller die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung vor dem gesamten Senat.

Der Antragsteller hat mit dem Anbringen vom beim Finanzamt Wels die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides für 1989 gemäß § 299 BAO beantragt.

Aus der Niederschrift über die mündliche Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Linz, Senat 3, vom betreffend die Einkommensteuer 1989 und 1990 geht hervor, dass der Vertreter des Antragstellers einen Antrag nach § 299 BAO beim Finanzamt eingebracht hat, auf welchen keinerlei Reaktion gekommen sei. Weiters führte der steuerliche Vertreter aus, dass die Eingabe vom in einen konkreten Antrag auf Bescheidaufhebung iSd. § 299 BAO unter Hinweis darauf, dass bei zwischenstaatlichen Problemen die Verjährung nicht eingetreten ist, gestellt werde. Der Antrag werde an die Abgabenbehörde erster Instanz gestellt.

Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Linz, Senat 3, hat mit Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0342-L/02, RV/1012-L/05, zugestellt am , der Berufung teilweise stattgegeben und die Einkommensteuer für 1989 mit 414.805,64 € (5.707.850,00 S) festgesetzt. Gegen diese Entscheidung ist eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden, welche zur Zl. 2006/15/0102 anhängig ist. Die Stattgabe bezog sich auf den Teilaspekt des von der Betriebsprüfung festgestellten gewerblichen Grundstückshandels. Eine Abweisung des Berufungsbegehrens erfolgte in der Frage der Beurteilung der Ansässigkeit iSd. Doppelbesteuerungsabkommens mit Kanada. Die Festsetzung der Einkommensteuer für 1989 mit 414.805,64 € resultierte im Wesentlichen aus dem Umstand, dass der Unabhängige Finanzsenat für das Jahr 1989 von der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988) und von der Ansässigkeit (Art. 4 Doppelbesteuerungsabkommen Österreich/Kanada, BGBl. 77/1981) des Antragstellers in Österreich ausgegangen ist. Demnach wurde das gesamte Welteinkommen der österreichischen Einkommensbesteuerung unterworfen. Dazu führte der Unabhängige Finanzsenat in der Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0342-L/02, RV/1012-L/05 aus:

"Folgende Fakten sprechen dafür, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. im Berufungszeitraum in Österreich gelegen ist:

a) Familiäre Beziehungen

Die Ehegattin des Abgabepflichtigen war im Berufungszeitraum in Ö. unbeschränkt steuerpflichtig. Der Bw. besucht seinen in Ö. verbliebenen Sohn, der vom Hals weg gelähmt ist.

b) Aufenthalt des Bws. in Österreich:

Der Bw. hat sich in den Jahren 1987 bis 1989 jeweils nachweislich 7 bis 8,5 Monate in Österreich aufgehalten (Schreiben vom des Betriebsprüfers). Auch im Zusammenhang mit der Verwaltung seines Liegenschaftsbesitzes weilte der Bw. in Österreich (Bewertungsakt).

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am beim Zollamt Linz als Finanzstrafbehörde I. Instanz hat der Bw. als Auskunftsperson - zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt - angegeben:

Wohnanschrift : xxxx. 1

Beschäftigung : derzeit ohne Beschäftigung

c) Wirtschaftliche Betätigungen in Österreich

Aus dem Schreiben der OÖ. Gebietskrankenkasse vom an die Abgabenbehörde I. Instanz geht hervor, dass der Bw. vom bis als kaufmännischer Angestellter bei der Fa. P. T. Th. GmbH & Co KG beschäftigt gewesen ist. (Versicherungsmeldung). Nach dem Schriftverkehr vom ausgehend von Wels, xxx, an das LG Ulm war der Bw. damals gerade mit dem Totalausverkauf des Geschäftes der Fa. P. T. Th. beschäftigt.

Die Ausübung der Geschäftsführerfunktion bei der Firma P. T. Th. GmbH & Co KG beweist, dass der Berufungswerber im Jahre 1989 - auch nach der förmlichen Auswanderung nach Kanada - in Österreich noch immer geschäftliche Aktivitäten - wenn auch im Zusammenhang mit der Auflösung des Geschäftes - entfaltet hat.

d) Wahrnehmung von Zeugenladungen

Der Bw. hat Ladungen als Zeuge am und (BG Wels betreffend Veruntreuung von Teppichen durch Herrn B. mit einem Schaden von S 2 Mio.) sowie am vor dem Landesgericht Ulm (Strafsache B. ) wahrgenommen.

Hinsichtlich seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Kanada hat der Bw. am eine Bescheinigung der kanadischen Bezirkssteuerbehörde vorgelegt, in der bestätigt wird, der Bw. sei am nach Kanada eingewandert, wohne seit 1984 in Kanada und habe seine persönlichen Einkommensteuererklärungen in Kanada eingereicht. Am und hat der Bw. Schreiben seines kanadischen Steuerberaters bzw. eines kanadischen Notars vorgelegt, die ihm eine umfangreiche wirtschaftliche Betätigung in Kanada und den Status eines erfolgreichen Geschäftsmannes bescheinigen.

Diese Unterlagen hat der VwGH in dem bereits mehrfach erwähnten Erkenntnis () als keineswegs hinreichenden Nachweis für die Begründung der vom Bw. begehrten Ansässigkeit in Kanada erachtet. Die Vorlage näherer Unterlagen hiezu hat der Bw. beharrlich verweigert. Mangels Überprüfbarkeit kann nach Ansicht des Senates keineswegs ausgeschlossen werden, dass es sich hier um mit der Wirklichkeit nicht im Einklang stehende Gefälligkeitsbestätigungen handelt.

Gemäß § 167 der Bundesabgabenordnung hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Unter Berücksichtigung aller Umstände kommt der Senat in freier Beweiswürdigung des Gesamtbildes zum Ergebnis, dass im Berufungszeitraum Österreich - und nicht Kanada -der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Bw. gewesen ist.

Als Konsequenz ergeben sich österreichischen Besteuerungsrechte für die strittigen Zuschätzungen von kanadischen (oder im übrigen Ausland) erzielten Einkünften aufgrund des Welteinkommensprinzips."

Verfahren betreffend den Antrag gemäß § 295 a BAO auf Bescheidaufhebung:

Mit dem Anbringen vom beantragte der Berufungswerber (Bw.) die "Bescheidaufhebung hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 4 BAO betreffend den Einkommensteuerbescheid 1989 vom , zugestellt am, ". Zur Begründung wurde ausgeführt, das im Sinne des § 295a BAO eingetretene Ereignis mit abgabenrechtlicher Wirkung auf den Bestand eines Abgabenanspruches sei die Verkündung der Entscheidung über die Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1989 und 1990 vom durch den Unabhängigen Finanzsenat am . Der Bw. führte die bisherigen wesentlichen Verfahrensschritte an und führte aus, dass der rückwirkende Wegfall österreichischer Einkünfte ein Ereignis darstelle, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hätte. Den gemeinsam erlassene Formal- und Sachbescheiden 1989 sei nunmehr auch gemeinsam die Existenzberechtigung verloren gegangen. Der Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 vom sei nicht mehr zur Ableitung von Abgabenansprüchen geeignet.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Abänderung nach § 295a BAO, die den Eintritt eines Ereignisses, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat, voraussetzt, bei rein verfahrensrechtlichen Bescheiden nicht möglich sei. Eine Rechtsansicht, wonach der Antragsteller keine österreichischen Einkünfte gehabt habe, sei kein rückwirkendes Ereignis iSd. § 295a BAO. Auch Wiederaufnahmebescheide unterlägen den Verjährungsbestimmungen gemäß §§ 207 ff BAO. Es sei diesbezüglich bereits absolute Verjährung eingetreten.

In der gegenständlichen Berufung wurde dem Finanzamt entgegen gehalten, dass der Norm des § 295a BAO nicht entnommen werden könne, dass diese Bestimmung bei "rein" verfahrensrechtlichen Bescheiden nicht möglich ist. Die Erkenntnis bzw. auch die von der Finanzbehörde bekannte Tatsache, dass der Antragsteller im Jahr 1989 keine österreichischen Einkünfte bezogen hat, könne keine Rechtsansicht sondern nur ein Sachverhalt sein. Zur Verjährungsproblematik wurde auf das Erkenntnis des verwiesen, wonach Verjährung nur bei einer Festsetzung von Abgaben im Sinne des § 207 BAO eintreten könne. Es müsse der Paralellschluss gezogen werden, dass ohne Verjährungsnormen auch keine absolute Verjährung eintreten kann.

Die in der Berufung gestellten Anträge auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung und Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat wurden mit Telefax vom zurückgenommen.

Auf Anregung des Vertreters des Bw. wurde am ein Erörterungstermin gemäß § 279 Abs. 3 BAO durchgeführt, bei dem die Parteien des Berufungsverfahrens keine Einigung über das gegenständliche Verfahren erzielen konnten.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 295a der Bundesabgabenordnung (BAO) kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat.

Vorbild dieser mit dem AbgÄG 2003 in die BAO eingefügten neuen Regelung ist die deutsche Abgabenordnung (AO). Unter einem Ereignis iSd § 175 Abs. 1 Z 2 AO ist jeder rechtlich relevante Vorgang zu verstehen. Dazu gehören Tatsachen des Lebenssachverhalts, aber auch rechtliche Vorgänge, wie die Einwirkung auf oder durch Rechtsgeschäfte, Rechtsverhältnisse, Gerichtsentscheidungen, Verwaltungsakte. Dem Ereignisbegriff unterfallen nur sachverhaltsändernde Geschehnisse. Die durch ein Ereignis ausgelöste Rückwirkung muss eine steuerliche sein. Ob ein Ereignis eine solche Wirkung hat, kann nur den (besonderen) Steuergesetzen entnommen werden (Tipke/Kruse, AO, § 175 Tz 25f).

Im gegenständlichen Fall stützt sich der Antrag des Bw. auf den Umstand, dass der Unabhängige Finanzsenat mit der Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0342-L/02, RV/1012-L/05 der Berufung teilweise stattgegeben und die Einkommensteuer für 1989 mit 414.805,64 € (5.707.850,00 S) festgesetzt hat. Die Stattgabe bezog sich auf den Teilaspekt des von der Betriebsprüfung festgestellten gewerblichen Grundstückshandels. Eine Abweisung des Berufungsbegehrens erfolgte in der Frage der Beurteilung der Ansässigkeit iSd. Doppelbesteuerungsabkommens mit Kanada. Ausschlaggebend für die Rückwirkung dieser Berufungsentscheidung ist, ob diese eine abgabenrechtliche Wirkung auf Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches haben kann.

Gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird, soweit nicht der Abgabenanspruch nach § 4 Abs. 2 lit. a Z 1 BAO schon früher entstanden ist, oder wenn die Abgabepflicht im Lauf eines Veranlagungszeitraumes erlischt, mit dem Zeitpunkt des Erlöschens der Abgabepflicht. Der Abgabenanspruch entsteht grundsätzlich unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und setzt daher keine diesbezügliche behördliche Tätigkeit voraus. Vom Abgabenanspruch zu unterscheiden ist der Abgabenzahlungsanspruch, das ist die Verpflichtung, einen Abgabenbetrag bestimmter Höhe bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu entrichten. Diese Verpflichtung ergibt sich aus der bescheidmäßigen Festsetzung (vgl. Ritz, BAO³, § 4 Tz. 2f). Schon aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass eine Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates betreffend die Einkommensteuer für 1989 keinen Einfluss auf den Abgabenanspruch an Einkommensteuer für 1989 haben kann. Damit ergibt sich, dass weder die Zustellung der Ausfertigung der Berufungsentscheidung vom , GZ. RV/0342-L/02, RV/1012-L/05 noch deren Verkündung am ein Ereignis sein kann, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hinsichtlich der Einkommensteuer für 1989 hat.

§ 295a BAO betrifft Abgabenbescheide, Feststellungsbescheide und Haftungsbescheide, da mit diesen Bescheiden die bereits entstandenen Abgabenansprüche festgestellt werden. Bescheide, die bloß die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich einer bestimmten Abgabe verfügen, stellen keinen Abgabenanspruch fest, sondern sprechen lediglich über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens ab. Damit sind derartige Bescheide einer Abänderung oder Aufhebung nach § 295a BAO nicht zugänglich, da Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Eintritt eines Ereignisses ist, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Keine Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 295a BAO ist jedoch der Eintritt eines Ereignisses, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Wiederaufnahmegrundes hat. Damit schließt eine Wortinterpretation der Bestimmung des § 295a BAO bereits die vom Bw. beantragte Aufhebung des Bescheides über die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 vom aus.

Der Anwendungsbereich der Bemessungsverjährung ist im § 304 BAO auf Bescheide über die Verfügung der Wiederaufnahme von Verfahren erweitert (vgl. Ritz, BAO³, § 207 Tz. 9). Die Ansicht des Finanzamtes, wonach eine Aufhebung eines Wiederaufnahmebescheides nach Eintritt der absoluten Verjährung nicht (mehr) zulässig ist, kann daher nicht von vornherein von der Hand gewiesen werden. Zu beachten ist jedoch, dass diese Rechtsfrage für den gegenständlichen Fall ohne Belang ist, da die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides über die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1989 vom aus den oben angeführten Gründen nicht vorliegen.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
rückwirkendes Ereignis
Wiederaufnahme des Verfahrens
Zitiert/besprochen in
UFSaktuell 2008, 169
UFS Newsletter 2008/03

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at