Kein grobes Verschulden bei unrichtiger Beurteilung schwieriger Umsatzsteuermaterie
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der O-GmbH, Wien, vertreten durch WTH Veltzé Mares & Partner KEG, Wirtschaftstreuhand- Steuerberatungsgesellschaft, 1200 Wien, Leithastraße 25/4, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom über die Abweisung eines Antrages gemäß § 217 Abs. 7 BAO betreffend Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen vom11. Juni 2007 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Bescheide über die Festsetzung von ersten Säumniszuschlägen in Höhe von € 595,15 für die Umsatzsteuer 2004 von € 29.757,34, von € 527,16 für die Umsatzsteuer 2005 von € 26.358,05 und von € 134,26 für die Umsatzsteuervorauszahlung 12/2006 von € 6.713,05 jeweils vom werden aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheiden des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg jeweils vom wurden über die O-GmbH (in weiterer Folge Bw.) erste Säumniszuschläge in Höhe von € 595,15, € 527,16 und € 134,26 festgesetzt, da die Umsatzsteuer 2004 in Höhe von € 29.757,34, die Umsatzsteuer 2005 in Höhe von € 26.358,05 und die Umsatzsteuervorauszahlung 12/2006 in Höhe von € 6.713,05 nicht fristgerecht bis , 2006 bzw. 2007 entrichtet wurden.
Mit Schreiben vom stellte die Bw. einen Antrag gemäß § 217 Abs. 7 BAO und führte begründend aus, dass die Säumniszuschläge aus Umsatzsteuernachzahlungen aufgrund einer Außenprüfung resultieren. Es handle sich dabei um die für Laien schwierige Materie der Behandlung von Vorsteuern in Verbindung mit zukünftigen steuerpflichtigen und steuerbefreiten Grundstücksumsätzen. Leider sei der Geschäftsführer der Bw. nicht umfassend über die laufenden steuerrechtlichen Änderungen dieser Materie informiert worden, weswegen einige Vorsteuerbeträge zu einem unrichtigen Zeitpunkt abgezogen worden seien. Ein schweres Verschulden sei nicht gegeben, weshalb ersucht werde, die Säumniszuschläge von € 1.256,57 abzuschreiben.
Mit Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom wurde der Antrag abgewiesen und ausgeführt, dass grobes Verschulden vorliegt, wenn das Verschulden nicht mehr als leichte Fahrlässigkeit anzusehen sei. Grobes Verschulden fehle, wenn nur leichte Fahrlässigkeit vorliege. Ein minderer Grad des Versehens sei leichter Fahrlässigkeit im Sinne des § 1324 bzw. § 1332 ABGB gleichzusetzen. Leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn ein Fehler unterlaufe, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begehe. Keine leichte Fahrlässigkeit liege vor, wenn jemand auffallend sorglos handle. Auffallend sorglos handle, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lasse. Da die Haupttätigkeit des Unternehmens in der Errichtung und dem Verkauf oder Vermietung von Wohnraum bestehe, hätte sich der Geschäftsführer über diese für seine Firma wesentliche abgabenrechtliche Vorschrift informieren müssen. Der Geschäftsführer habe die ihm handelsrechtlich auferlegten Pflichten wahrzunehmen. Dazu gehören auch die abgabenrechtlichen Verpflichtungen. Da das Verschulden über den minderen Grad des Versehens hinausgehe, sei die Aufhebung des Säumniszuschlages aufgrund der Bestimmung des § 217 Abs. 7 BAO ausgeschlossen.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Berufung vom führt die Bw. als Begründung aus, dass es sich um eine tatsächlich schwierige umsatzsteuerrechtliche Materie gehandelt habe, die auch vielen Fachleuten nicht bis ins Detail geläufig sei. Diese Materie sei noch dazu in den vergangenen Jahren umfangreichen Änderungen unterworfen gewesen. Die damalige steuerliche Vertretung habe den Geschäftsführer leider nicht über alle Änderungen informiert. Es handle sich also um ein Kommunikationsproblem zwischen steuerlicher Vertretung und dem Geschäftsführer. Da der Geschäftsführer von seinem bisherigen Steuerberater über viele Änderungen informiert worden sei, habe er annehmen können, dass man ihm diese für ihn wichtigen Änderungen mitteilen würde. Warum dies nicht geschehen sei, sei heute nicht mehr zu klären.
Die Behörde möge ausführen, worin sie die auffallend sorglose Haltung sehe. Die Argumentation der Bw. werde im Übrigen auch von der Prüferin und der Strafsachenstelle geteilt. Es werde ersucht, der Berufung stattzugeben.
Sollte der Berufung nicht stattgegeben werden, werde die Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und gleichzeitig eine mündliche Verhandlung beantragt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so sind gemäß § 217 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Säumniszuschläge zu entrichten.
Gemäß § 217 Abs. 2 BAO beträgt der erste Säumniszuschlag 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages.
Gemäß § 217 Abs. 7 BAO sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Säumniszuschläge insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als ihn an der Säumnis kein grobes Verschulden trifft, insbesondere insoweit bei nach Abgabenvorschriften selbst zu berechnenden Abgaben kein grobes Verschulden an der Unrichtigkeit der Selbstberechnung vorliegt.
Zunächst ist festzustellen, dass ein grobes Verschulden nur dann gegeben ist, wenn eine auffallende und ungewöhnliche Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt, die den Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich voraussehbar erscheinen lässt. Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und nach den persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (, siehe Ritz, BAO-Kommentar2, § 308 RZ 15).
Grobes Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO ist ebenfalls in einem Verhalten zu sehen, wenn das unbeachtet blieb, was im gegebenen Fall jedermann hätte einleuchten müssen und bei dem die erforderliche Sorgfalt nach den Umständen in ungewöhnlichem Maß verletzt wurde. Wesentliches Merkmal der auffallenden Sorglosigkeit ist die Voraussehbarkeit des Schadens. Wenn sich jemand über grundlegende und leicht erkennbare Vorschriften hinwegsetzt und sein Handeln den Eintritt des Schadens nicht bloß als möglich, sondern als wahrscheinlich erkennen ließ.
Im vorliegenden Fall ist es nach einer Außenprüfung durch die Finanzverwaltung aufgrund der Behandlung von Vorsteuern in Verbindung mit zukünftigen steuerpflichtigen und steuerbefreiten Grundstücksumsätzen zu Nachforderungen an Umsatzsteuer gekommen. Laut steuerlichem Vertreter der Bw. soll der Geschäftsführer der Bw. nicht umfassend über die laufenden steuerrechtlichen Änderungen dieser - vom steuerlichen Vertreter als schwierig bezeichneten - Materie informiert worden sein, weswegen einige Vorsteuerbeträge zu einem unrichtigen Zeitpunkt abgezogen wurden. Grund dafür war ein Kommunikationsproblem zwischen der steuerlicher Vertretung und dem Geschäftsführer, wobei der Geschäftsführer der Bw. von seinem bisherigen Steuerberater über viele Änderungen informiert wurde und er annehmen konnte, dass man ihm diese für ihn wichtigen Änderungen mitteilen würde.
Aus dem Akt ist dazu ersichtlich, dass der steuerliche Vertreter anlässlich einer Vorsprache am mitteilte, dass es unklar gewesen sei, ob es sich um Vermietung oder Verkauf gehandelt hat. Der Vorsteuerabzug ist durch den Steuerberater erfolgt, der Fehler liegt dort. Von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens wurde Abstand genommen.
Wer als Unternehmer tätig wird, hat die damit verbundenen abgabenrechtlichen Verpflichtungen (vgl. insb. die §§ 119 bis 142 BAO) zu beachten. Will der Abgabepflichtige diese Aufgaben nicht selbst wahrnehmen, kann er die Besorgung der steuerlichen Angelegenheiten auch anderen Personen anvertrauen, wobei der Abgabepflichtige angehalten ist, bei der Auswahl dieser Personen sorgsam vorzugehen und sie auch entsprechend zu beaufsichtigen.
Die Bw. hat sich zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Verpflichtungen eines steuerlichen Vertreters bedient, der laut eigener Darstellung anlässlich der Vorsprache vom Fehler in der Beurteilung umsatzsteuerrechtlich relevanter Sachverhalte eingeräumt hat. Im Detail hat der steuerliche Vertreter Unklarheiten zur Frage Vermietung oder Verkauf aufgrund von Kommunikationsproblemen nicht ausgeräumt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (). Zieht man die erwähnten, von der Abgabenbehörde erster Instanz im Übrigen unwidersprochen gebliebenen Kommunikationsprobleme der Bw. mit dem steuerlichen Vertreter ins Kalkül, stellt das fehlende Nachfragen hinsichtlich der korrekten Beurteilung der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung durch den steuerlichen Vertreter - wobei sich die Notwendigkeit einer Nachfrage im Nachhinein herausgestellt hat - zwar eine Fahrlässigkeit dar, die jedoch einem groben Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO nicht gleichzusetzen ist.
Da aus der speziellen Situation der Bw. auch kein Überwachungsverschulden angelastet werden kann, das einem grobem Verschulden im Sinne des § 217 Abs. 7 BAO entspricht, war der Berufung Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.
Von der Durchführung der im Fall der Nichtstattgabe beantragten mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 217 Abs. 7 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Zitiert/besprochen in | UFSaktuell 2009, 145 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at