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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSG vom 14.08.2013, RV/0076-G/09

Bei einer Entfernung von 70 km und einer Fahrtzeit von rund 1 Stunde ist die tägliche Heimfahrt zumutbar

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch MGI Ennstal, Steuerberatung Liezen GmbH, 8940 Liezen, Fronleichnamweg 15/II, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

In seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2007 machte der Berufungswerber Kosten für doppelte Haushaltsführung geltend. Der seit dem Jahr 1981 verheiratete Berufungswerber war im Berufungszeitraum GF. Im Einkommensteuerbescheid 2007 hat dieser Betrag keine Berücksichtigung bei den Werbungskosten gefunden. Eine berufliche Veranlassung sei nur dann gegeben, wenn der Beschäftigungsort so weit entfernt sei, dass dem Steuerpflichtigen eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden könne. Nach Lehre und Rechtsprechung sei die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr dann anzunehmen, wenn die Entfernung mehr als 120 km betrage. Die Entfernung A-B betrage rund 70 km. Die tägliche Heimfahrt sei daher zumutbar. Das Pendlerpauschale stehe nur bis zur nächstgelegenen Schlafstelle (A) zu. Aufwendungen für einen Führerschein würden zu den nicht abzugsfähigen Kosten zählen.

In der gegen den Einkommensteuerbescheid rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde die Nichtverlegung des Familienwohnsitzes mit der Berufstätigkeit seiner Frau in S begründet. Bedingt durch seine nicht festgelegten Arbeitszeiten sei der Bezug der Dienstwohnung notwendig geworden. Bei einer Regeldienstzeit von 08.00 - 12.00 und von 14.00 -18.00 sei es nicht zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu pendeln. Gegen ein Pendeln mit dem Privat PKW sprechen nach Ansicht des Berufungswerbers wirtschaftliche Gründe.

In einem ergänzenden Nachtrag führte der Berufungswerber aus, dass die in den Lohnsteuerrichtlinien angeführten Bestimmungen auf ihn nicht zutreffen würden. Als Geschäftsführer sei es regelmäßig erforderlich auch am Abend zu arbeiten. Ein Ende der Arbeitszeit um 18 Uhr sei wegen der Sitzungen und Gespräche mit Unternehmern eher die Ausnahme.

Mit Berufungsvorentscheidung vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die Unzumutbarkeit der täglichen Rückkehr sei wegen der Entfernung von rund 70 km nicht zutreffend. Die Ableistung von Arbeiten außerhalb der Normalarbeitszeit mache die tägliche Heimfahrt nicht unzumutbar.

Dagegen wurde der Vorlageantrag eingebracht. Die Bewältigung des Arbeitsweges sei mit öffentlichen Verkehrsmitteln praktisch unmöglich. Mit der täglichen Rückkehr sei ein wesentlich erhöhtes gesundheitliches Risiko verbunden, welches er schon aus Verantwortung für seine Kinder nicht übernehmen könne.

Über die Berufung wurde erwogen:

In rechtlicher Hinsicht ist zunächst auf § 16 Abs. 1 EStG 1988 zu verweisen, wonach Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen Werbungskosten sind. Diese sind bei der Einkunftsart, bei der sie erwachsen sind, abzuziehen.

Hingegen bestimmt § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, dass die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften ebenso wenig abgezogen werden dürfen wie nach Z 2 lit. a) leg. cit. Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Beibehaltung des Familienwohnsitzes (bzw. bei Alleinstehenden, also nicht in einer Partnerschaft und ohne Kinder lebenden Personen deren üblicher Wohnsitz) aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum (Mehr-) Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und die Kosten von sog. Familienheimfahrten dennoch als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Berücksichtigung finden können, liegt darin, dass derartige Aufwendungen solange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann (Erkenntnis des , mit weiteren Judikaturnachweisen).

Grundsätzliche Voraussetzungen für eine berufliche Veranlassung und sohin steuerliche Berücksichtigungsmöglichkeit von Aufwendungen zur Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) sowie der Kosten von sog. Familienheimfahrten sind, dass der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann und die Beibehaltung des Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Hinsichtlich der Frage, wann eine tägliche Rückkehr vom Arbeitsort zum Familienwohnsitz zugemutet werden kann, wird in Literatur (Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 16 Abs. 1 Z 6, Tz 3; Doralt, Einkommensteuer-Gesetz, Kommentar, § 4, Tz 348) und Rechtsprechung () in Anlehnung an die Verwaltungspraxis die Ansicht vertreten, dass bei einer Entfernung von 120 km (und mehr) eine tägliche Rückkehr jedenfalls unzumutbar ist. In begründeten Ausnahmefällen - etwa bei schlechten Straßen oder schwierigem Gelände - ist unter Umständen auch bei kürzerer Entfernung die tägliche Rückkehr nicht zumutbar (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 102, "Doppelte Haushaltsführung"). In seinem Erkenntnis vom , 91/14/0227 hat der VwGH ausgesprochen, dass bei einer Fahrtstrecke von ca. 78 km und einer Fahrzeit von etwa einer Stunde die Zumutbarkeit einer täglichen Rückkehr jedenfalls als gegeben anzusehen ist. Daran anknüpfend hat der VwGH in seinem Erkenntnis vom , 99/14/0340, die tägliche Rückkehr auch bei einer einfachen Fahrtstrecke von 83 km, selbst unter dem Aspekt der beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erforderlichen erhöhten Konzentration, als zumutbar erachtet.

Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Grundsätze wurde auch in den nachstehend angeführten Fällen seitens der Judikatur in typisierender Betrachtungsweise die tägliche Rückkehr als zumutbar erachtet:

, 100 km, Fahrzeit 1:10 Stunde, -G/06, 86 km, Fahrzeit knapp über 1 Stunde, , 85 km, , 99 km, Fahrzeit 1:28 bis 1:39 Stunde, , 86 km, Fahrzeit 1:15 Stunde, -I/04, 92 km, Fahrzeit 1:02 bis 1:16 Stunde

Bei den genannten Sachverhalten wurde von üblichem Verkehrsaufkommen und teilweise Autobahn-, teilweise Bundesstraßenbenützung ausgegangen.

Nach der Aktenlage und den durchgeführten Erhebungen liegt der Entscheidung folgender Sachverhalt zugrunde.

Der Berufungswerber ist GF . Er arbeitet dort jeweils von Montag bis Freitag. Fallweise auch am Wochenende. Aus den vorgelegten Arbeitszeitaufzeichnungen ist ersichtlich, dass beispielsweise im Jänner 2007 die Gesamtdienstzeit 214 Stunden betragen hat. Von den im Jänner 2007 geleisteten 25 Arbeitstagen endete die Arbeitszeit an 7 Tagen nach 20 Uhr. Im Jahresdurchschnitt war das Dienstende 5 Mal /Monat nach 20.00 Uhr. Dienstbeginn war meist um 08.00 Uhr. In dieser Zeit nächtigt er in einer in x angemieteten Wohnung. Die restliche Zeit wohnt er an seinem Hauptwohnsitz. Die Entfernung zwischen Arbeitsort in A und dem Hauptwohnsitz beträgt unbestritten ca. 70 km (Angabe des Berufungswerbers im Schreiben vom ).

Im Lichte all dieser Entscheidungen ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass bei einer einfachen Fahrtstrecke von ca. 70 km und einer Fahrzeit von rund einer Stunde die tägliche Rückkehr des Berufungswerbers vom Beschäftigungsort in A an seinen Wohnsitz in y diesem jedenfalls zumutbar gewesen war.

Die nach der Verwaltungspraxis angenommene Entfernung von 120 km zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, ab der eine tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, wird im gegenständlichen Fall erheblich unterschritten. Auch liegen keine außergewöhnlichen Straßenverhältnisse vor, die die tägliche Bewältigung dieser Strecke unzumutbar erscheinen lassen. Der Berufungswerber begründet die Unzumutbarkeit im Wesentlichen durch die Arbeitszeiten am Abend. Hierzu ist anzuführen, dass die oben angeführten Fahrzeiten und vor allem auch die Art der Fahrtstrecke (großteils Autobahn) jedenfalls auch noch nach einem Arbeitstag von 14 Stunden zumutbar sind. Wobei bei diesen Zeiten auch erhebliche Pausen zu berücksichtigen sind. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 99/14/0340 angeführt, dass allfällige Ermüdung und hohe Konzentration keinen Grund für die Unzumutbarkeit der täglichen Heimfahrt darstellen. Richtig ist, dass die Freizeit durch diese Fahrzeiten verkürzt wird, dies ist aber das Schicksal jedes Pendlers.

Der vom Berufungswerber angeführte Grund der langen Arbeitszeit und das mit einer täglichen Rückkehr an den Familienwohnsitz verbundene persönliche und gesundheitliche Risiko stellt nach Ansicht der Abgabenbehörde zweiter Instanz keinen Grund für eine Unzumutbarkeit der täglichen Fahrt zum Wohnort dar. Die gelegentliche Ableistung von Arbeiten außerhalb der gewöhnlichen Normalarbeitszeit (im vorliegenden Fall durchschnittlich 5 Mal pro Monat), was wohl für einen erheblichen Teil der Dienstnehmer zutrifft, macht die tägliche Heimfahrt aber nicht unzumutbar. Auch im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 99/14/0340, konnte der Einwand von unregelmäßigen oder in den Abend fallenden Arbeitszeiten der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

Nach § 16 Abs. 1 Z 6 lit b EStG ist für die Berücksichtigung der Aufwendungen für Fahrtstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ausschlaggebend, von welcher Wohnung der Steuerpflichtige tatsächlich zur Arbeit fährt. Die zitierte Gesetzesstelle spricht von der "Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt" und stellt damit auf die tatsächlichen Verhältnisse ab. Im konkreten Fall ist der Berufungswerber von der angemieteten Wohnung zur Arbeitsstätte gefahren, weshalb die mit den Fahrten verbundenen Ausgaben mit dem Verkehrsabsetzbetrag abgegolten sind und das Pendlerpauschale nicht berücksichtigt werden kann.

Aus den dargelegten Gründen war der Berufung der Erfolg zu versagen.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Zumutbarkeit der täglichen Heimfahrt
doppelte Haushaltsführung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at