Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 18.12.2009, RV/0128-I/08

Erwerberhaftung gemäß § 14 BAO nicht gemeinschaftsrechtswidrig

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/0128-I/08-RS1
§ 14 Abs. 1 BAO verstößt nicht gegen Gemeinschaftsrecht, da die Haftungsinanspruchnahme im Ermessen der Abgabenbehörde liegt, die ihre Entscheidung im Sinne des § 20 innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen hat. Es liegt damit kein faktisches System einer unbedingten Haftung vor, da die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören, im Rahmen der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen sind.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, Adr, vertreten durch H., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Z. vom betreffend Haftung gemäß § 14 Bundesabgabenordnung (BAO) entschieden:

Der Haftung wird auf den Betrag von € 13.994,65 eingeschränkt.

Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (im Folgenden kurz als Bw bezeichnet) für die Umsatzsteuer aus einem Unternehmensverkauf im Ausmaß von € 15.436,42 gemäß § 14 BAO als Haftenden in Anspruch.

Das Finanzamt begründete seine Entscheidung damit, dass der Bw laut Kaufvertrag vom Mai 2005 das B. von Herrn E. erworben habe. Diese Veräußerung habe beim Verkäufer zu einer Umsatzsteuernachforderung für das Jahr 2005 in Höhe von € 15.436,32 geführt. Da die Abgabenschuldigkeit bei Herrn E. uneinbringlich sei, sei die Haftung gegenüber dem Bw im erwähnten Ausmaß auszusprechen gewesen.

Dagegen wurde mit Eingabe vom das Rechtsmittel der Berufung erhoben und begründend ausgeführt, dass die Erwerberhaftung für die Umsatzsteuer aus dem Unternehmenskauf zu einer systemwidrigen Kumulation der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette führe. Das MWSt-System baue auf der Kostenneutralität der Umsatzsteuer zwischen den einzelnen Unternehmen auf. Durch die Haftbarmachung gemäß § 14 BAO werde die Umsatzsteuer aus dem Unternehmenskauf für den Bw zum Kostenfaktor. Der Bw habe die Umsatzsteuer aus dem Verkaufspreis zweifach (an Herrn E. und aufgrund des Haftungsbescheides an das Finanzamt) zu entrichten gehabt. Der Vorsteuerabzug stehe jedoch nur einmal zu.

Den Mitgliedstaaten stehe es zwar frei, Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder die Steuerhinterziehung oder -umgehung zu verhindern. Derartige Sondermaßnahmen dürften allerdings nicht den gemeinschaftlichen Prinzipien der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit zu wider laufen. Der EuGH erachte ein faktisches System einer unbedingten Haftung für unverhältnismäßig ( "Federation of Technological Industries ua", Rz 32 f). Eine unbedingte Haftung treffe den Wirtschaftsteilnehmer ohne dessen Verschulden. Eine wirksame Möglichkeit eines haftungsbegrenzenden Verhaltens bestehe nicht. Der Bw habe tatsächlich keine Möglichkeit gehabt, sich der Inanspruchnahme gemäß § 14 Abs. 1 BAO zu entziehen. Nach dieser Gesetzesbestimmung könne er auch ohne Verschulden trotz sorgfältiger und umfassender Information zur Haftung herangezogen werden. Ein haftungsbegrenzendes Verhalten sei bei dieser Konstellation gar nicht möglich. Einziger Garant zur Haftungsbeschränkung wäre es, vom Unternehmenskauf abzusehen. Im Lichte der EuGH-Rechsprechung verstoße die Haftbarmachung für die Umsatzsteuer aus dem Unternehmenskauf gemäß § 14 Abs. 1 BAO gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit. Die gemeinschaftsrechtliche Begrenzung der gesamtschuldnerischen Haftung für die Steuerschulden anderer werde durch diese unverhältnismäßige Regelung überschritten. Die Bestimmung verstoße somit gegen Gemeinschaftsrecht.

Weiters sei die Bestimmung gleichheits- und somit auch verfassungswidrig.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Entscheidung wird der folgende Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Herr E., Ex-Schwiegersohn des Bw, betrieb am Standort W. ein Kleinhandelsgeschäft mit der Bezeichnung B..

Nachdem E. seinen Kreditverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, wandte sich die kreditgebende Bank mit ihren Forderungen an den Bw als Bürgen. In der Folge erwarb der Bw das Kleinhandelsunternehmen. Die Bezahlung des Bruttokaufpreises erfolgte durch die Übernahme von Krediten und Darlehen.

Der Bw machte den entsprechenden Vorsteuerbetrag mit der Umsatzsteuerjahreserklärung 2005 geltend. Die Festsetzung der Umsatzsteuer gegenüber dem Verkäufer E. erfolgte mit Umsatzsteuerbescheid vom . Daraus ergab sich aufgrund der Umsatzsteuerschuld aus dem Unternehmensverkauf eine Abgabennachforderung in Höhe von € 15.436,42.

Das über das Vermögen des E. eröffnete Schuldenregulierungsverfahren endete mit Beschluss des Bezirksgerichtes X. vom durch die Annahme eines Zahlungsplanes. Dieser sieht eine Quote von 20%, zahlbar in vierzehn halbjährlichen Raten, beginnend mit , vor.

Die Höhe der aushaftenden Umsatzsteuer 2005 beträgt aktuell € 13.994,65.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich schlüssig und zweifelsfrei aus dem vom Finanzamt vorgelegten Haftungsakt und der Aussagen im Rahmen der nach § 279 Abs. 3 BAO am durchgeführten Erörterung der Sach- und Rechtslage.

Rechtliche Erwägungen:

§ 14 Abs. 1 BAO lautet:

"§ 14. (1) Wird ein Unternehmen oder ein im Rahmen eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen übereignet, so haftet der Erwerber

a) für Abgaben, bei denen die Abgabepflicht sich auf den Betrieb des Unternehmens gründet, soweit die Abgaben auf die Zeit seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entfallen;

b) für Steuerabzugsbeträge, die seit dem Beginn des letzten, vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres abzuführen waren.

Dies gilt nur insoweit, als der Erwerber im Zeitpunkt der Übereignung die in Betracht kommenden Schulden kannte oder kennen mußte und insoweit, als er an solchen Abgabenschuldigkeiten nicht schon so viel entrichtet hat, wie der Wert der übertragenen Gegenstände und Rechte (Besitzposten) ohne Abzug übernommener Schulden beträgt."

Die Umsatzsteuer, als eine auf den Betrieb eines Unternehmens zurückzuführende Steuer, zählt zu den haftungsgegenständlichen Abgaben.

Es entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zuletzt ), dass die durch eine Unternehmensveräußerung entstehende Umsatzsteuerschuld vom Haftungstatbestand des § 14 Abs. 1 lit. a BAO erfasst wird. Im vorliegenden Fall kann auch unzweifelhaft davon ausgegangen werden, dass der Bw die Umsatzsteuerschuld auf Grund des von ihm abgeschlossenen Kaufvertrages kannte.

Artikel 21 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (nunmehr Artikel 205 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem) ermächtigt die Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu erlassen, nach denen eine andere Person als der Steuerschuldner die Mehrwertsteuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat

In der Rs C-384/04 "Federation of Technological Industries u. a." hat der EuGH hierzu ausgesprochen, dass diese Vorschrift dahin auszulegen ist, dass sie einen Mitgliedstaat ermächtigt, eine Regelung zu erlassen, wonach ein Steuerpflichtiger, an den eine Lieferung von Gegenständen oder eine Dienstleistung bewirkt worden ist und der wusste oder für den hinreichende Verdachtsgründe dafür bestanden, dass die aufgrund dieser oder einer früheren oder späteren Lieferung oder Dienstleistung fällige Mehrwertsteuer ganz oder teilweise unbezahlt bleiben würde, gesamtschuldnerisch mit dem Steuerschuldner auf Zahlung der Steuer in Anspruch genommen werden kann.

Eine solche Regelung müsse jedoch den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung sind und zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören, genügen.

Die Haftungsinanspruchnahme nach § 14 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde, die ihre Entscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit zu treffen hat. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. ).

Damit erweist sich Haftung gemäß § 14 BAO entgegen der Behauptung des Bw nicht als gemeinschaftsrechtswidrig. Es liegt nämlich kein faktisches System einer unbedingten Haftung vor. Die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung wie die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit sind im Rahmen der Billigkeitsprüfung entsprechend zu berücksichtigen.

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass für den Bw hinreichende Verdachtsgründe dafür bestanden, dass die Umsatzsteuer aus dem Unternehmensverkauf ganz oder teilweise unbezahlt bleiben würde.

Wie der Bw anlässlich der nach § 279 Abs. 3 BAO durchgeführten Erörterung der Sach- und Rechtslage dargelegt hat, ist es zum Entschluss das Geschäft seines Ex-Schwiegersohnes E. zu übernehmen dadurch gekommen, dass dieser nicht mehr in der Lage war seinen Kreditverpflichtungen nachzukommen und sich in der Folge die Bank aufgrund der übernommenen Bürgschaft beim Bw schadlos halten wollte.

Trotz Wissens um die finanziell sehr angespannte Lage des Verkäufers wurde seitens des Bw - lt. Punkt VII des Kaufvertrages in Kenntnis der Haftungsbestimmungen - keine Maßnahmen getroffen, die Entrichtung der Umsatzsteuer sicherzustellen. Im Gegenteil, es wurde sogar vereinbart, dass der Bruttokaufpreis und somit einschließlich der Umsatzsteuer durch die Übernahme von Darlehen und Krediten bezahlt wird, womit dem Verkäufer die Möglichkeit genommen wurde, aus dem Verkaufserlös die Umsatzsteuerschuld entrichten zu können.

Unter diesen Umständen ist es nicht als unverhältnismäßig anzusehen, wenn der Käufer zur Haftung für die vom Verkäufer nicht entrichtete Umsatzsteuerschuld herangezogen wird.

Darüber hinaus wäre es bei der gegebenen Sachlage einem sorgfältig handelnden Käufer zumutbar gewesen, eine Vereinbarung zu treffen, die vorgesehen hätte, dass entweder eine Gegenverrechnung mit dem Vorsteuerguthaben des Bw oder eine Überweisung des Umsatzsteueranteils auf das Abgabenkonto des Verkäufers mit entsprechender Verrechnungsweisung vorgenommen wird. Dies hätte auch keine übermäßige Erschwerung der Geschäftsabwicklung bedeutet. Insofern kann dem Bw nicht gefolgt werden, wenn dieser behauptet, dass eine wirksame Möglichkeit eines haftungsbegrenzenden Verhaltens nicht bestanden hätte.

Die Rechtfertigung, dass E. bei der F-GmbH eine Filialleiterposten innegehabt hätte - dies im Übrigen nur bis Ende April des Jahres 2005 - vermag nicht davon zu überzeugen, dass der Bw deshalb nicht an der späteren Nichtentrichtung der Umsatzsteuerschuld zweifeln hätte müssen. Das gleiche gilt für die Aussage, dass der Verkäufer "nicht gerade auf kleinem Fuß gelebt" habe.

Mangels Treffens entsprechender zumutbarer Maßnahmen kann sich der Bw auch nicht mit Erfolg auf den Rechtsgrundsatz der Rechtsicherheit berufen. Im Hinblick auf das Wissen um die schlechte finanzielle Lage und der Kaufvertragsgestaltung hat der Bw auch in diesem Zusammenhang nicht ohne weiteres darauf vertrauen dürfen, dass die Umsatzsteuer ordnungsgemäß entrichtet wird.

Die Haftungsinanspruchnahme des Bw widerspricht auch nicht dem Rechtsgrundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmenskette. Aus den gleichen Gründen warum sich der Bw im gegenständlichen Fall nicht mit Erfolg auf die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit berufen kann, vermag er sich auch nicht auf den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer berufen.

Wie auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. zB "Kittel") der Vorsteuerabzug verweigert werden kann, wenn aufgrund der Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige gewusst hat oder wissen hätte müssen, dass der betreffende Umsatz in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war, so kann auch im vorliegenden Fall der Käufer zu Recht gesamtschuldnerisch zur Haftung für eine vom Verkäufer nicht entrichtete Umsatzsteuer herangezogen werden.

Die Haftungsregelung des § 14 Abs. 1 lit. a BAO dient dem Zweck, die im Unternehmen (Betrieb) als solchem liegende Sicherung für die auf dem Betrieb sich gründenden Abgabenschulden durch den Übergang des Unternehmens (Betriebes) in andere Hände nicht verloren gehen zu lassen. Die Abgabenschuld konnte bzw. kann im Hinblick auf den bewilligten Zahlungsplan im Schuldenregulierungsverfahren beim Hauptschuldner weder vollständig noch rasch eingebracht werden. Davon abgesehen, ist nicht sichergestellt, dass der Zahlungsplan auch tatsächlich erfüllt wird (vgl. ).

Mangels Vorliegens von Billigkeitsgründen ist daher aus Zweckmäßigkeitserwägungen der Bw zur Haftung für die nicht entrichtete Umsatzsteuer aus dem Unternehmensverkauf heranzuziehen.

Die Haftung war allerdings auf den aktuell aushaftenden Betrag in Höhe von € 13.994,65 einzuschränken.

Wenn der Bw außerdem die Verfassungswidrigkeit des § 14 BAO rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass die gesamte staatliche Verwaltung gemäß Art. 18 Abs. 1 B-VG nur aufgrund der Gesetze ausgeübt werden darf. Der Unabhängige Finanzsenat als Verwaltungsbehörde zweiter Instanz ist daher an die geltenden Gesetze gebunden. Eine Normprüfungskompetenz kommt ihm nicht zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 14 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
Zitiert/besprochen in
UFS Newsletter 2010/01
AFS 2010, 148

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at