Berufungsentscheidung - Steuer (Senat), UFSW vom 31.01.2008, RV/0216-W/06

Nachsicht stützt sich auf Verstoß von Treu und Glauben, Beförderung von Fallschirmspringern

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Kittinger und die weiteren Mitglieder Hofrätin Mag. Regine Linder, Mag. Josef Wurditsch und Kommerzialrat Gottfried Hochhauser im Beisein der Schriftführerin Edith Madlberger über die Berufung der Bw., vertreten durch BDO Tschofen Treuhand GmbH, Wirtschaftstreuhandgesellschaft, 6800 Feldkirch, Gallmiststraße 13, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23, vertreten durch Hofrat Dr. Gerald Altenburger, vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO nach der am in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Ansuchen vom beantragte die Berufungswerberin (Bw.), die Umsatzsteuer 1994-1998 einschließlich der darauf entfallenden Nebengebühren in Höhe von insgesamt € 62.624,22 durch Abschreibung nachsehen zu wollen.

Dazu wurde vorgebracht, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2001/13/0248, 0249, die Bescheidbeschwerde betreffend Umsatzsteuer 1994-1998 als unbegründet abgewiesen hätte. Daraus gehe hervor, dass der VwGH die Interpretation der Finanzbehörde, wonach die Bw. eine Vermietungsleistung erbringen würde, nicht teile, weshalb Beförderungsleistungen vorliegen würden. Allerdings hätte der VwGH auch die Rechtsauffassung der Bw., deren Leistungen seien als "Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln jeder Art" nach § 10 Abs. 2 Z 12 UStG (ermäßigter Steuersatz von 10%) begünstigt, verworfen, da die Begünstigungsvorschrift des § 10 Abs. 2 Z 12 UStG in einer historischen Interpretation nur auf einen bestimmten Verkehr, nämlich den Verkehr iSd Vorgängerbestimmungen des Beförderungssteuergesetzes unter Berücksichtigung allfälliger durch den technischen Fortschritt neu entstehender Beförderungsmittel, einzuschränken wäre.

Das angeführte Erkenntnis des VwGH würde nach der Lage des Einzelfalles eine Unbilligkeit iSd § 236 BAO bewirken. Mit dem Vollzug der verfahrensgegenständlichen Berufungsentscheidungen wäre für die Bw. ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden, weil in einer ex-ante-Betrachtung mit dieser Rechtsauslegung nicht gerechnet hätte werden können, die Bw. auf die bisherigen Veranlagungen und Betriebsprüfungen des Finanzamtes, welche in voller Kenntnis der Sach- und Rechtslage durchgeführt worden wären, vertraut hätte, keine finanzielle Vorsorge für die Steuernachzahlungen getroffen hätte werden können, die Steuernachzahlungen einen außerordentlich langen Zeitraum (10-11 Jahre) umfassen würden und bei einer Abweisung des Nachsichtsantrages eine Insolvenz ernsthaft drohen würde und daher eine Existenzgefährdung der Bw. vorliege.

Auch die Lehre wäre von der Anwendbarkeit des begünstigten Steuersatzes ausgegangen, da aus gemeinschafts- und auch verfassungsrechtlichen Gründen Leistungen, die als Beförderung von Personen aufgefasst werden könnten, gleich zu behandeln wären (Ruppe, UStG, § 10 Tz 153). Die Ungewissheit der Rechtslage hätte offenkundig auch das Finanzamt dazu bewogen, die Umsatzsteuer ab dem Jahr 1999 nur vorläufig zu veranlagen. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auch auf die Argumente der Bw. in den Berufungs- und Beschwerdeverfahren gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994-1998 verwiesen.

Auch für die Jahre ab 1999 wäre mit zusätzlichen erheblichen Abgabennachforderungen zu rechnen, weil diese Umsatzsteuerbescheide auf Grund der ungewissen Rechtslage nur vorläufig ergangen wären. Abgabennachforderungen für mehr als zehn Jahre, die sich aus einer unerwarteten und nicht vorhersehbaren Erhöhung der Umsatzsteuer von 10 % auf 20 % ergeben würden, wären auch angesichts der in diesem Segment herrschenden schwierigen Marktbedingungen wirtschaftlich nicht verkraftbar.

Die Gesellschafter hätten die Bw. im Jahr 2001 in der Erwartung finanziell unterstützt, dass der VwGH der Beschwerde stattgeben werde. Bei einer drohenden Nachbelastung der Umsatzsteuer für zehn Jahre wäre nicht noch einmal eine zusätzliche finanzielle Unterstützung der Gesellschafter zu erwarten. Die Umsatzsteuererhöhung könne ohnedies nur sehr schwer und nur schrittweise an die Kunden weiterbelastet werden.

Weiters stellte die Bw. eine Übersicht über die Bilanzen 2000-2003 auf, aus der jeweils ein negatives Eigenkapital in Höhe von rund € 350.000,00 hervorgehen würde. Im Anlagevermögen befinde sich im Wesentlichen nur ein Flugzeug, das aber von den Banken nur sehr schwer als Sicherheit akzeptiert werde. Da der Kreditrahmen ausgeschöpft wäre und keine zusätzlichen Bankkredite gewährt werden würden, wäre weder eine Eigen- noch Fremdfinanzierung möglich, sodass die Bw. voraussichtlich zahlungsunfähig wäre und ein Insolvenzverfahren einleiten müsse. Ohne diese Steuernachforderungen bestünden ansonsten positive Geschäftsprognosen und gute Aussichten, die Verpflichtungen der Bw. bedienen zu können.

Auch das BMF hätte in seinem Schreiben vom zum Steuersatz für die Beförderung mit Hänge- und Paragleitern die Auffassung vertreten, dass im Hinblick auf die vorgebrachten Argumente - neben materiellrechtlichen Erwägungen insbesondere der Umstand, dass eine rückwirkende Nachbelastung mit dem höheren Umsatzsteuersatz für die zahlreich betroffenen kleinen Unternehmer und Jungunternehmer existenzgefährdend wäre - zur Vermeidung unbilliger Härten keine Einwände bestünden, wenn von einer Nachversteuerung für die zurückliegenden Zeiträume Abstand genommen werde.

Die vom BMF angeführte Existenzgefährdung treffe auch auf die Bw. zu. Ferner wäre zu berücksichtigen, dass Beförderungsleistungen mit einem Flugzeug (auch für Fallschirmspringer) weit mehr einer Beförderungsleistung im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 12 UStG entspreche als das Mitfliegen in einem Par- oder Hängegleiter. Werden Hänge- und Paragleiterunternehmen eine Nachsicht von Abgaben gewährt, so entspreche es dem Gebot der Gleichbehandlung und der Fairness, auch den gegenständlichen Nachsichtsantrag zu bewilligen.

Ferner werde der Bw. mit der Bewilligung die Möglichkeit geboten, den Betrieb zu sanieren, sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen und damit auch für den Fiskus eine Steuerquelle zu erhalten. Die Erhöhung der Umsatzsteuer ab dem Jahr 1994 würde zu einer Betriebsbeendigung, zur Vernichtung von Arbeitsplätzen, zum Verlust von zukünftigen Steuereinnahmen und schlussendlich auch zu einer Uneinbringlichkeit der noch ausstehenden Steuernachforderungen führen.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt dieses Ansuchen als unbegründet ab und führte aus, dass gemäß § 236 BAO auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden können, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Einhebung könne nach geltender Judikatur eine persönliche oder sachliche sein und müsse im Einzelfall vorliegen.

Für die bereits entrichteten Festsetzungen an Umsatzsteuer für den umstrittenen Zeitraum könne jedoch keine der genannten Voraussetzungen erblickt werden. Die Veranlagung wäre erklärungsgemäß bzw. auf Grund der vorgelegten Unterlagen mit dem von der Bw. ohnehin unbestrittenen Steuersatz erfolgt. Eine atypische Belastung, die einen anderen Steuerpflichtigen unter denselben Voraussetzungen nicht in dieser Art getroffen hätte, wäre somit nicht zu ersehen. Die persönliche Unbilligkeit könne ebensowenig eingewendet werden, da die Bw. ja mit dem seinerzeit bewilligten Stundungsansuchen eine Gefährdung der Einbringlichkeit ausgeschlossen hätte. Eine Insolvenz hätte weder im Jahr 2001 und schon gar nicht zum heutigen Zeitpunkt gedroht, da die Bw. ihren steuerlichen Verpflichtungen stets pünktlich nachgekommen wäre, weshalb auch ein Guthaben auf dem Abgabenkonto bestehen würde.

Eine Ermessensentscheidung über die Nachsicht könne daher mangels grundlegender Voraussetzungen nicht getroffen werden. Zudem hätte die Behörde angenommen, dass sich dieses Nachsichtsansuchen auf die drohende Nachversteuerung beziehen solle. Gemäß § 236 BAO könne jedoch nur über bereits fällige Abgabenschuldigkeiten abgesprochen werden, nicht aber über etwaige zukünftige Vorschreibungen.

In der dagegen am rechtzeitig eingebrachten Berufung wiederholte die Bw. großteils ihr im Nachsichtsantrag dargelegtes Begehren und brachte ergänzend vor, dass dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/13/0248, das Gemeinschaftsrecht entgegenstehen würde. In einem Parallelverfahren hätte der VwGH mit Erkenntnis vom , 99/15/0086, entschieden, dass ein Heißluftballon kein "Verkehrsmittel aller Art" im Sinne des § 10 Abs. 2 Z 12 UStG wäre. Der ermäßigte Steuersatz wäre nach dieser Judikatur in einer historischen und funktionalen Betrachtungsweise nur auf einen "begünstigten Verkehr" und zwar dann anzuwenden, wenn einerseits die zur Personenbeförderung verwendeten Verkehrsmittel im Beförderungsgesetz genannt wären oder andererseits Beförderungsmittel auf Grund des technischen Fortschritts neu entstanden wären und ihrer Art und Funktion nach den im Beförderungsgesetz genannten gleichen würden.

Nach Ruppe (UStG2, § 10, TZ 153) bestehe für diese historische Interpretation jedenfalls im zeitlichen Geltungsbereich des UStG 1994 kein Anlass. Maßgebend wäre vielmehr, dass die 6. EG-RL einen ermäßigten Steuersatz für "die Beförderung von Personen" zulassen würde. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen wären daher alle Leistungen, die als Beförderung von Personen aufgefasst werden könnten, gleich zu behandeln.

In § 10 Abs. 2 Z 12 UStG hätte der österreichische Gesetzgeber das Wahlrecht des Art. 12 Abs. 3 lit. a iVm Z 5 des Anhangs H der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie in Anspruch genommen und die Beförderung von Personen mit Verkehrsmittel aller Art dem ermäßigten Steuersatz unterstellt. Das Gemeinschaftsrecht verwende die Begriffe "Beförderungsmittel", "Verkehrsmittel", "Luftfahrzeuge" und "Beförderung von Personen" als eigenständige Begriffe im Bereich der Mehrwertsteuer.

Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts vom zur Rs 51/88 wäre es offensichtlich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber mit beiden Begriffen (Verkehrs- und Beförderungsmittel) dasselbe zum Ausdruck bringen würde. Der EuGH wäre im Urteil vom den Schlussanträgen des Generalanwaltes gefolgt und hätte ausgesprochen, dass Segelyachten auch dann als Beförderungsmittel gelten würden, wenn diese zur Sportausübung und zum Vergnügen verwendet werden würden und daher in erster Linie Sport- und Freizeitgeräte wären. Darüber hinaus hätte der EuGH in diesem Urteil die Auffassung der Kommission, wonach der Begriff "Beförderungsmittel" weit auszulegen wäre und jedes Gerät erfasse, mit dem man sich von einem Ort zum anderen begeben könne, ausdrücklich bestätigt. Auch der VwGH verwende im Erkenntnis vom , 99/15/0086, die Begriffe "Verkehrsmittel" und "Beförderungsmittel" in seinem Rechtssatz synonym.

Zollrechtlich wären Heißluftballone und Flugzeuge als Beförderungsmittel und als Verkehrsmittel zu betrachten (Plückebaum/Malitzky, UStG, § 3a RZ 274 f). Nach Artikel 670 lit. c ZK-DVO wären Beförderungsmittel "Mittel, die der Beförderung von Personen oder Gütern dienen". Die zollrechtliche Abgrenzung wäre auch deshalb maßgebend, weil Anhang H zu Art. 12 der 6. MwSt-RL in der Einleitung auf den "genauen Geltungsbereich der betreffenden Kategorien anhand der kombinierten Nomenklatur" verweisen würde. Die zollrechtliche Begriffsbildung bilde daher einen integrierenden Bestandteil der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Harmonisierung des Mehrwertsteuersystems.

Bei der Auslegung der Vorschrift des § 10 Abs. 2 Z 12 UStG wäre der Grundsatz der einheitlichen Auslegung von Gemeinschaftsrecht von wesentlicher Bedeutung (Oppermann, Europarecht3, 208). Begriffe der MwSt-RL wären eigenständig und nicht nach nationalem Recht auszulegen (Achatz, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 43). Die gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen würden das Ziel einer Rechtsvereinheitlichung innerhalb der Gemeinschaft verfolgen, sodass Begriffe und Vorschriften des Gemeinschaftsrechts in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen wären (Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 46 f.). In der Einleitung zur Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG werde ausdrücklich festgestellt, dass die "Begriffsbestimmungen des Steuertatbestandes und des Steueranspruchs" harmonisiert werden müssten. Dies müsse sowohl für zwingendes als auch für nachgiebiges Gemeinschaftsrecht gelten, weil auch nachgiebige Vorschriften des Gemeinschaftsrechts letztlich Gemeinschaftsrecht darstellen und daher den vom EuGH entwickelten Auslegungsgrundsätzen unterliegen würden.

Durch die Verwendung einschlägiger Begriffe des Gemeinschaftsrechts hätte der österreichische Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 Z 12 UStG und § 6 Abs. 1 Z 3 lit. d UStG auch die Begriffsinhalte des Gemeinschaftsrechts übernommen, keine Einschränkung auf die im Beförderungsgesetz genannten Verkehrsmittel (Beförderungsmittel) normiert (ebenso Ruppe, UStG2, § 10 TZ 153) und somit sein Wahlrecht im gemeinschaftsrechtlichen Sinn ausgeübt. Auch wenn die Vorschriften wortgleich aus dem UStG 1972 übernommen worden wären, so wären diese richtlinienkonform auszulegen (Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 46 f.; Streinz,EGV, Art 249 Rn 126). Die Auslegung dieser Begriffe hätte autonom nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien zu erfolgen (Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 101). Dies wäre aber bei Z 5 des Anhanges H der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG nicht der Fall. Da steuerrechtliche Vorschriften im Gemeinschaftsrecht der Einstimmigkeit unterliegen würden, hätte daher auch Österreich der Übernahme der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften zugestimmt.

Die Bedeutung von gemeinschaftsrechtlichen Begriffen müsse ausgehend vom gewöhnlichen Sinn der Begriffe in ihrem Kontext und im Lichte der Ziele des Vertrages ermittelt werden (Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 100 ff und 111; Achatz, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 43; Oppermann, Europarecht³, 207 f). Ziel des Vertrages wäre dabei in erster Linie die einheitliche Auslegung von Gemeinschaftsrecht. Bei einem klaren Wortlaut wäre nicht auf weitere Auslegungsprinzipien zurück zu greifen (Oppermann, Europarecht³, 208). Der Gesetzgeber hätte dabei Begriffe aus dem Gemeinschaftsrecht (Beförderung von Personen, Verkehrsmittel bzw Beförderungsmittel, Luftfahrzeuge) verwendet, die im gemeinschaftsrechtlichen Sinne auszulegen und daher einer spezifisch nationalen Auslegung nicht zugänglich wären ( - Maierhofer; - Bulthuis Griffioen; Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU5, 26 und 41 f; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 101 und 111; Urteil vom , Rs 51/88 - Hamann). Eine wörtliche Übernahme der Vorschriften der Richtlinie in das nationale Recht wäre nicht erforderlich, bloße Formulierungsunterschiede, die sich nicht auf die inhaltliche Durchführung der Richtlinie auswirken würden, wären zulässig (Streinz, EGV, Art 249 Rn 89). Demzufolge wäre im Grundtatbestand "Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art" weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus dem Gesetzeswortlaut eine Einschränkung der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (Z 5 des Anhangs H der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG) erkennbar.

Personenbeförderungen würden in aller Regel auch mit "Verkehrsmitteln" ausgeführt werden, sodass damit keine wesentlichen Ausnahmen normiert worden wären. Auch aus der Wortfolge "aller Art", welche in den gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen kein Pendant finde, wäre eine weitreichende (und keine einschränkende) Auslegung abzuleiten. Im Zweifel wäre anzunehmen, dass der nationale Gesetzgeber die EU-Richtlinie richtliniengemäß umsetzen wollte (Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU5, 35). Eine andere Auslegung finde im Wortlaut keine Deckung und würde gegen den Zweck der unmittelbaren Geltung von Richtlinien verstoßen und damit die Wirksamkeit von Richtlinienbestimmungen wesentlich beeinträchtigen oder sogar aushöhlen. Diese Richtlinienbestimmungen müssten auch dann unmittelbar anwendbar sein, wenn ein Mitgliedstaat es verabsäumt hätte, Kriterien bei der Ausübung von Ermessensspielräumen festzulegen. Eine Richtlinie hätte auch dann unmittelbare Geltung, wenn dem Mitgliedstaat ein Ermessensspielraum eingeräumt wäre und dieser davon keinen Gebrauch mache ( - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Rn 51 ff und die Schlussanträge des GA Tizziano, Rn 61 ff, insbesondere 72 f).

Die Frage, ob Begriffe auch dann nach gemeinschaftsrechtlichen Kriterien auszulegen wären, wenn das Gemeinschaftsrecht nachgiebig wäre und den Mitgliedstaaten Wahlrechte, Ermächtigungen oder Ermessensspielräume einräume, hätte der EuGH - entgegen der Auffassung der deutschen Regierung (Rn 21) - ausdrücklich bejaht ( - Maierhofer, Rn 22 ff sowie die Schlussanträge Rn 25). Aufgrund dieses Urteils hätte der BFH seine Judikatur ändern müssen und den Begriff Grundstück nicht mehr nach nationalen Maßstäben auslegen dürfen. Ausnahmen von den übernommenen gemeinschaftsrechtlichen Begriffsinhalten wären nur dann anzunehmen, wenn diese klar im nationalen Gesetz festgeschrieben wären ( - Maierhofer, Rn 22 ff). Würden sich die nationalen Rechtsvorschriften jedoch darauf beschränken, die Bestimmungen der Richtlinie zu reproduzieren, müssten diese auch in Übereinstimmung mit diesen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen ausgelegt werden, sodass es den nationalen Steuerbehörden nicht frei stehe, weitere Ausnahmen anzuwenden (Schlussanträge des GA Jacobs vom , C-315/00 - Maierhofer, Rn 27). Ebenso bestehe ein klares Interesse der Gemeinschaft daran, dass die aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen Bestimmungen oder Begriffe auch außerhalb von zwingendem Gemeinschaftsrecht einheitlich ausgelegt werden würden, um Auslegungsunterschiede zu verhindern ( - Andersen, Rn 18; - Leur-Bloem, Rn 5 und 32).

Eine historische Auslegung des nationalen Gesetzgebers wäre unter Berücksichtigung des Gemeinschaftsrechts methodisch abzulehnen, weil sich die Auslegung von innerstaatlichem Recht "gleich, ob es sich um vor oder nach der Richtlinie erlassene Vorschriften handle ... soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten müsse, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Artikel 189 Abs. 3 EWG-Vertrag nachzukommen" (Poctas, RdW 1996, 153 f mit Judikaturnachweisen des EuGH und VfGH; B-VG³, 478; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 45). Auch nach der Judikatur des VfGH gehe eine richtlinienkonforme Interpretation einer historischen Auslegung nach dem Willen des nationalen Gesetzgebers vor (Poctas, RdW 1996, 153 f; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 45, FN 76). Die Übernahme von einheitlichen Rechtsgrundlagen wäre nach Art 10 und Art 249 Abs 3 EGV (Art 189 Abs 3 EWG-Vertrag) für die Mitgliedstaaten verpflichtend; dies entspreche auch dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts (Streinz, EGV, Art 10 Rn 15 f) und dem Grundsatz, dass bei einem klaren Wortlaut nicht auf weitere Auslegungsprinzipien zurück zu greifen wäre (Oppermann, Europarecht³, 208). In diesem Sinne würden auch Schweitzer/Hummer/ Obwexer, Österreichscher Grundriss des Europarechts (2005), in Druck, Kapital 3 (zur richtlinienkonformen Interpretation) wie folgt aus führen: "Mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften (Gesetze und Verordnungen), die Richtlinien ordnungsgemäß umsetzen würden, verlören den Zusammenhang mit der Richtlinie nicht. Vielmehr bestehe für Behörden und Gerichte die Pflicht zur richtlinienkonformen Interpretation. Demnach müssten sie das nationale Recht soweit wie möglich im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auslegen. Der EuGH leite diese Pflicht aus Art 249 Abs 3 iVm Art 10 EGV ab (EuGH, Es 14/83, von Colson und Kamann/Land Nordrhein Westfalen, Slg 1984, 1891 ff, Rdnr 26). Wenn daher die staatliche Umsetzungsnorm mehrere Auslegungen zulasse, so wäre diejenige zu wählen, die richtlinienkonform wäre; gleichzeitig wären diejenigen Interpretationen zu verwerfen, die gegen die Richtlinie verstoßen würden".

Das Gemeinschaftsrecht wäre wesentlich vom Grundsatz der Rechtssicherheit geprägt (Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU5, 28; Achatz, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 45). Im Interesse einer einheitlichen Anwendung der Vorschriften in allen Mitgliedsstaaten könnten gemeinschaftsrechtliche Begriffe nicht nach den jeweils nationalen Besonderheiten (wie zB die Auslegung nach dem in den siebziger Jahren außer Kraft getretenen Beförderungssteuergesetz) ausgelegt werden (vgl - Maierhofer). Es stehe im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, wenn der Normadressat nicht erkennen könne, ob einschlägige gemeinschaftsrechtliche Begriffe in den nationalen Rechtsordnungen nach gemeinschaftsrechtlichen oder doch wieder nach nationalen Kriterien auszulegen wären. Die Mitgliedstaaten wären nach diesen Grundsätzen verpflichtet, "eine so bestimmte, klare und transparente Lage zu schaffen, dass der Einzelne seine Rechte in vollem Umfang erkennen und sich vor den nationalen Gerichten auf sie berufen könne". Nach dem Effektivitätsprinzip wären - auch bei einem weiten Spielraum der Mitgliedstaaten - hohe Anforderungen an die Qualität des Umsetzungsaktes bei der Übernahme von Gemeinschaftsrecht zu stellen (Streinz, EGV, Art 249 Rn 90 f).

Hätte der Gesetzgeber Maßnahmen hinsichtlich seines Ermessensbereiches unterlassen, so könne sich dieser nicht auf sein Unternehmen berufen ( - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Rn 60; Rd 315/00 - Maierhofer). Dies würden die Grundsätze der Gemeinschaftsrechtsordnung und der Grundsatz der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie verlangen (Schlussanträge des GA Tizziano zu Rs 141/00 - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Rn 74).

Grundsätzlich werde den gleichlautenden Begriffen ein und derselben Rechtsordnung der gleiche Inhalt beigemessen (Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, 103 mit Judikaturnachweisen). Daher wäre § 10 Abs 2 Z 12 UStG 1994 auch dann gemeinschaftsrechtlich auszulegen, wenn diese Begriffe nicht unmittelbar in Z 5 des Anhangs H der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG, dafür aber an anderer Stelle der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften verwendet werden würden. Diese Auslegung entspreche auch der Rechtsprechung des EuGH ( - Maierhofer).

Da Art 12 Abs 3 lit a iVm Z 5 des Anhanges H der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/ EWG ("Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks") klar und unbedingt wäre, könne sich der Abgabenpflichtige auf das Gemeinschaftsrecht stützen (Achatz, Praxisfragen zum UStG 1994, 238). Der mögliche Wortsinn des nationalen Gesetzes wäre auch die Grenze für eine richtlinienkonforme Auslegung (Achatz, Praxisfragen zum UStG 1994, 240; Streinz, EGV, Art 249 Rn 128).

Nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität wäre es unzulässig, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze bewirken, bei der Mehrwertsteuererhebung unterschiedlich behandelt werden würden ( - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Rn 30). Das den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessen wäre daher nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung auszuüben ( - Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Rn 56). Eine unterschiedliche Behandlung der Personenbeförderung mit Flugzeugen für Fallschirmspringer im Vergleich zu jener mit anderen Beförderungsmitteln (Verkehrsmitteln) würde zudem den Grundsatz der Gleichbehandlung - einem Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts - (Birkenfeld, Mehrwertsteuer der EU5, 28; Haunold, Mehrwertsteuer bei sonstigen Leistungen, 48; Achatz, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, 45;  36-99 - Ideal Tourisme SA, Rn 35) und das verfassungsrechtlich gewährleistete Gleichheitsgebot (Art 7 B-VG) verletzen. Es bestehe keine sachliche Rechtfertigung, Fahrten mit dem Heißluftballon anders als zB Rundfahrten (Rundflüge) mit einem Fiaker, Bus, Helikopter oder Flugzeug zu behandeln. Bei all diesen Leistungen stehe die Beförderung von Personen im Vordergrund, wenngleich auch Vergnügungs- und Erlebnismotive dahinter stehen könnten. Es bestehe auch keine sachliche Rechtfertigung, die Beförderung mit einem Schilift (Rz 1313 UStR) und die Beförderung eines Fallschirmspringers mit einem Flugzeug (wenn auch mit besonderen Vorrichtungen) zum Absprungort umsatzsteuerrechtlich anders zu behandeln, zumal beide Beförderungsleistungen vergleichbar wären. Schließlich wäre darauf hinzuweisen, dass das Beförderungssteuergesetz 1953 nur bestimmte Beförderungsmittel zu Lande (ds Schienen- und Seilbahnen, Pferdefuhrwerke, Kraftfahrzeuge) und nicht auch die damals bereits existierenden Luftfahrzeuge (zB Flugzeuge, Heißluftballone) oder Schiffe geregelt hätte. Luftfahrzeuge und Schiffe wären keine Neuentwicklungen aufgrund des technischen Fortschritts, wären im Beförderungssteuergesetz 1953 nicht genannt und daher von vornherein nicht einem Vergleich (der Art und Funktion nach) mit den im Beförderungssteuergesetz 1953 genannten Beförderungsmittel zugänglich (vgl Seite 7 des ). Im Rechtssatz des VwGH wären Luftfahrzeuge und Schiffe daher nicht subsumierbar.

Die Absicht des Gesetzgebers stütze die Auffassung, dass der Vergnügungscharakter einer Personenbeförderung der Umsatzsteuerbegünstigung des § 10 Abs 2 Z 12 UStG 1994 nicht schade. Die Gesetzesmaterialien (145 BlgNr 13 GP 25) würden wie folgt lauten: "Mit Rücksicht auf die Bedeutung Österreichs als Fremdenverkehrsland sollten Tariferhöhungen in diesem Bereich verhindert werden." Da touristische Motive für die Geltung des § 10 Abs 2 Z 19 UStG 1972 maßgebend wären, rechtfertige es die Absicht des Gesetzgebers nicht, Personenbeförderungen zu Vergnügungszwecken dem Normalsteuersatz zu unterwerfen.

Im Übrigen werde - zur Vermeidung von Wiederholungen - auch auf die Ausführungen in den Bescheidbeschwerden gegen die Umsatzsteuerbescheide 1994 bis 1998 und die laufenden Parallelverfahren verwiesen, die dem UFS bekannt wären.

Die Begründung des angefochtenen Bescheides wäre vor allem aus folgenden Gründen unzutreffend:

Die Veranlagung wäre nicht aufgrund der Erklärung bzw der vorgelegten Unterlagen erfolgt. Der anzuwendende Steuersatz werde weiterhin bestritten, was sich ua auch aus den laufenden Berufungsverfahren ergebe. Diese Feststellungen der belangten Behörde wären klar aktenwidrig.

Gegen die Umsatzsteuerveranlagung der Jahre 1994 bis 1998 wäre kein Rechtsmittel mehr möglich. Die Umsatzsteuer 1994 bis 1998 wäre von den Gesellschaftern in Erwartung einer positiven Entscheidung des VwGH als kurzfristige finanzielle Überbrückungsmaßnahme vorgestreckt worden. Durch die Umsatzsteuernachbelastung der Jahre 1994 bis 1998 wäre der Finanzierungsspielraum der Berufungswerberin bereits überschritten worden. Die endgültige Umsatzsteuernachbelastung für die Jahre 1994 bis 1998 bewirke daher sehr wohl eine Insolvenzgefahr. Durch die drohende Fälligstellung der Verbindlichkeiten (für die Umsatzsteuernachbelastung 1994 bis 1998) wäre die Berufungswerberin in Insolvenzgefahr (auch ohne die Umsatzsteuernachbelastung ab 1999). Diese Insolvenzgefahr werde durch die drohende Nachbelastung der Umsatzsteuer ab dem Jahr 1999 weiters verschärft. Die Ausführungen zur Umsatzsteuer ab 1999 würden nur der Erläuterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens dienen. Nicht nachvollziehbar wäre, dass die belangte Behörde in der wirtschaftlichen Lage der Berufungswerberin (laufende Verluste aufgrund der Erhöhung des Umsatzsteuersatzes, negatives EK von T€ 360 bei einer Bilanzsumme von T€ 214, Fremdkapital von T€ 515, nur ein nicht besicherbares Flugzeug als Anlagevermögen) keine Insolvenzgefahr erkennen würde. Im Übrigen werde auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.

Aufgrund der Sachlage (nicht erkennbare Judikatur, allfälliger Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht, mehrjährige Nachbelastung an Umsatzsteuer ohne Möglichkeit zu wirtschaftlichen Vorsorge- und Überwälzungsmaßnahmen, Vertrauen auf die in der Vergangenheit praktizierte Veranlagungs- und Betriebsprüfungspraxis, Insolvenzgefahr) würden entgegen der Auffassung der belangten Behörde sachliche und persönliche Unbilligkeiten vorliegen, die zu atypischen Belastungswirkungen führen.

Falls das Erkenntnis des VwGH gegen das Gemeinschaftsrecht verstoße, liege jedenfalls eine sachliche Unbilligkeit vor. Der EuGH hätte ein Auslegungsmonopol über das Gemeinschaftsrecht, hätte sich zu dieser Frage noch nicht geäußert. Aus den angeführten Argumenten bestehe eine klare Judikatur des EuGH im Sinne des Berufungsvorbringens (zB - Maierhofer; Oppermann, Europarecht³, 237). Falls der in dieser Berufung vertretenen Auffassung, wonach die Beförderung von Personen (Fallschirmspringern) mit Flugzeugen (Verkehrsmitteln) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen würde, nicht gefolgt werde, wäre die gemeinschaftsrechtliche Auslegung der Begriffe Verkehrsmittel (Beförderungsmittel), Luftfahrzeuge und Beförderung von Personen jedenfalls erstens entscheidungserheblich, zweitens bestehe keine gesicherte Rechtsprechung des EuGH, die sich gegen das Berufungsvorbringen richten würde (acte clair-Doktrin), und drittens liege aufgrund der EuGH-Judikatur jedenfalls kein Fall vor, wonach "die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig wäre, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Fragen bleibe", sodass eine Vorlageverpflichtung bestehe (vgl Holoubek in Holoubek/Lang: Das EuGH-Verfahren in Steuersachen, Vorlageberechtigung und Vorlageverpflichtung, 60 ff; Oppermann, Europarecht³, 326 ff).

Aus den angeführten Gründen werde daher angeregt, einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH dahingehend zu stellen, ob bei der Auslegung der umsatzsteuerrechtlich verwendeten Begriffe "Verkehrsmittel aller Art" ("Beförderungsmittel"), "Beförderung von Personen" sowie "Luftfahrzeuge" die gemeinschaftsrechtliche Begriffsbildung iSd Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlagen (77/388/EWG) unter Berücksichtigung des integrierten Zolltarifs (TARIC) maßgebend wäre, und ob die Beförderung von Fallschirmspringern mit einem Flugzeug zum Absetzen in der Luft eine "Beförderung von Personen" im Sinne des Art 12 Abs 3 lit a iVm mit Z 5 des Anhanges H der Sechsten MwSt-RL darstelle.

Mit ergänzendem Schriftsatz vom gab die Bw. bekannt, dass der Verfassungsgerichtshof gegen die Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , RV/2726-W/02, bereits das Vorverfahren eingeleitet hätte (B 129/06). In dieser Beschwerde an den VfGH wären sowohl die Verletzung von verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten als auch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht geltend gemacht worden. Der VfGH hätte diese Bedenken offenkundig in einer vorläufigen Prüfung geteilt. Wäre die Beschwerde ohne gute Erfolgsaussichten, so hätte der VfGH das Vorverfahren erfahrungsgemäß nicht eingeleitet. Die Einleitung des Vorverfahrens bekräftige die Begründetheit des Nachsichtsansuchens.

In der am durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung vor dem Berufungssenat brachte der steuerliche Vertreter der Bw. ergänzend vor, dass es sich im gegenständlichen Fall um bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten handle, wobei die Entrichtung dieser Beträge nur durch Gesellschafterdarlehen an die KG, also von außen her möglich gewesen wäre. Gemäß der Bestimmung des § 236 BAO könne eine Nachsicht auch für entrichtete Abgabenschuldigkeiten gewährt werden und entsprechend der Rechtsprechung des VwGH dürfe bei der Beurteilung der Unbilligkeit kein strengerer Maßstab angelegt werden.

Zur sachlichen Unbilligkeit wurde ergänzend vorgebracht, dass die Bw. über Jahre hindurch auf Grund von Kommentarmeinungen (Ruppe) und auch auf Grund der Akzeptanz des ermäßigten Steuersatzes in Form der erklärungsgemäßen Veranlagung der Steuererklärungen durch das Finanzamt darauf vertrauen hätte können, dass der ermäßigte Steuersatz zustehe. Auch eine vorangegangene Betriebsprüfung hätte den ermäßigten Umsatzsteuersatz anerkannt und keine Änderungen in dieser Hinsicht durchgeführt. Erst im Rahmen einer im Jahre 1999 begonnenen Betriebsprüfung wäre eine abweichende Rechtsansicht durch den Betriebsprüfer dargetan worden, wobei sich in der Folge die Ungewissheit über die Richtigkeit dieser Rechtsansicht auch durch das weitere Erlassen von vorläufigen Bescheiden durch das FA geäußert hätte. Erst durch eine Entscheidung des VwGH aus dem Jahre 2005, die in den schriftlichen Ausführungen zitiert werde, wäre in diesem Bereich Rechtssicherheit geschaffen worden, wenngleich diese Entscheidung seitens des steuerlichen Vertreters der Bw. als nicht dem Europarecht entsprechend (aus den schriftlich dargestellten Gründen) angesehen werde.

Auch wurde auf eine Einzelerledigung des Bundesministeriums für Finanzen in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Paragleitern und Hängegleitern verwiesen, in welcher das BMF zwar die Meinung vertrete, dass der Normalsteuersatz anzuwenden wäre, jedoch rückwirkend wegen drohender Existenzgefährdung vorwiegend kleiner und mittlerer Betriebe eine Anwendung des Normalsteuersatzes für unbillig erachte. Aus Gleichheitserwägungen wäre die Ansicht des BMF auch auf den gegenständlichen Fall zu übertragen.

Zur persönlichen Unbilligkeit wurde ausgeführt, dass die wirtschaftliche Situation der GmbH & Co KG nach wie vor äußerst angespannt wäre und ein negatives Eigenkapital ausgewiesen werde. Die letzte Bilanz ist jene zum , die ein negatives Kapital von mehr als € 339.000,00 ausweise.

Aus der Abgabenentrichtung der nunmehr nachsichtsgegenständlichen Abgaben und Nebengebühren auf Grund von gewährten Gesellschafterdarlehen könne daher kein Schluss auf eine nicht gegebene Existenzgefährdung gezogen werden.

Die Folgejahre 1999 bis 2004, welche von einer weiteren VwGH-Entscheidung abhängig sein würden, würden eine weitere USt-Nachforderung von ca. € 65.000,00 nach sich ziehen. Im gegenständlichen Fall liege ein außergewöhnlicher Geschehensablauf deswegen vor, weil dann Abgabenschuldigkeiten für einen Zeitraum von 10 bis 11 Jahren nachgefordert werden würden.

Zu den Ausführungen der Abgabenbehörde im angefochtenen Bescheid dahingehend, dass ein beantragter Nachsichtsbetrag von ca. € 60.000,00 im Verhältnis zu den anderen aushaftenden Verbindlichkeiten von € 360.000,00 im Verhältnis geringfügig wäre und eine Nachsicht daher zu keiner Beseitigung der Existenzgefährdung führen könne, wäre auszuführen, dass es sich beim nachsichtsgegenständlichen Betrag um ca. 15 bis 20% der Gesamtverbindlichkeiten handle, was keinesfalls als geringfügig bezeichnet werden könne und die Existenzgefährdung des Unternehmens nur durch die bereits angeführten Gesellschafterdarlehen abgewendet hätte werden können. Berücksichtige man die noch drohende weitere Umsatzsteuerbelastung von € 65.000,00, so komme man auf einen Prozentsatz von mehr 30% der Gesamtverbindlichkeiten, weswegen hier zweifelsfrei von einer Existenzgefährdung gesprochen werden könne.

Der Vertreter des Finanzamtes beantragte die Abweisung der gegenständlichen Berufung und führte im Wesentlichen zur sachlichen Unbilligkeit aus, dass die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Normalsteuersatzes im Abgabenfestsetzungsverfahren zu erfolgen hätte und keine Frage der Abgabeneinbringung darstelle. Der nunmehr durch den VwGH festgestellte Normalsteuersatz wäre eine Auswirkung einer generellen Norm und könne keine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles begründen. Die vorgebrachte Nichtüberwälzbarkeit der Umsatzsteuer auf die Kunden stelle eine Auswirkung des allgemeinen Unternehmerwagnisses dar und könne der Berufung deswegen nicht zum Erfolg verhelfen.

Zur persönlichen Unbilligkeit wurde vorgebracht, dass bei einem jährlichen Umsatz von € 500.000,00 bis € 600.000,00 die Entrichtung einer Abgabenschuldigkeit in Höhe von € 62.000,00 zu keinen atypischen Vermögenseingriffen führe. Zudem könnte bei Vorliegen von darüber hinausgehenden Verbindlichkeiten von € 300.000,00 durch eine Abgabennachsicht von € 60.000,00 kein nachhaltiger Sanierungseffekt erzielt werden.

Der steuerliche Vertreter beantragte, der Berufung Folge zu geben und entgegnete den Ausführungen des Amtsbeauftragten dahingehend, dass die Nachsicht eines Betrages von € 62.000,00 sehr wohl einen Sanierungseffekt nach sich ziehen würde. Berücksichtige man nämlich den Umstand, dass von den Kommanditisten der KG Gesellschafterdarlehen von ca. € 90.000,00 gewährt und weitere ca. € 120.000,00 von der Komplementär-GmbH als Gesellschafterdarlehen zur Verfügung gestellt worden wäre, so werde klar, dass eine Existenz der Firma ausschließlich durch diese Darlehen gesichert werden und der Wegfall von € 62.000,00 sehr wohl zu einer Sanierung beitragen hätte können.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Abs. 1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschulden sinngemäß Anwendung (Abs. 2). Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Abgabe entrichtet wurde, zulässig.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die in § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Ist die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung zu verneinen, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum (vgl. z.B. , sowie Stoll, BAO, Handbuch, Seite 583).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben (vgl. ).

Die in § 236 BAO geforderte Unbilligkeit kann entweder persönlich oder sachlich bedingt sein. Eine persönlich bedingte Unbilligkeit liegt im Besonderen dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährdet.

Dabei ist es Sache des Nachsichtswerbers, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (). Legt der Abgabepflichtige jene Umstände nicht dar, aus denen sich die Unbilligkeit der Einhebung ergibt, so ist es allein schon aus diesem Grund ausgeschlossen, eine Abgabennachsicht zu gewähren ().

Für das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit muss ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im subjektiven Bereich der Bw. entstehenden Nachteilen bestehen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die Einhebung die Existenz des Unternehmens gefährden würde. Aus der Argumentation der Bw., dass bei einer Abweisung des Nachsichtsantrages eine Insolvenz ernsthaft drohe und daher eine Existenzgefährdung vorliege, lässt sich jedoch nichts gewinnen, da nicht ausreichend dargelegt wurde, weshalb gerade durch die Einbringung der in Rede stehenden Abgaben ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet wäre, weil aus den bekanntgegebenen Bilanzen der Jahre 2000-2003 hervorgeht, dass durchgehend - in etwa der Höhe der Verbindlichkeiten - ein negatives Eigenkapital von rund € 350.000,00 bestand und offenbar noch besteht.

Die Bw. bringt dazu weiters vor, dass sich im Anlagevermögen im Wesentlichen nur ein Flugzeug befinde, das aber von den Banken nur sehr schwer als Sicherheit akzeptiert werde. Andere dingliche Sicherheiten könnten nicht zur Verfügung gestellt werden. Da außerdem der Kreditrahmen ausgeschöpft wäre und keine zusätzlichen Bankkredite gewährt werden würden, wäre weder eine Eigen- noch Fremdfinanzierung möglich.

Auf Grund dieser Sachlage muss aber eine persönliche Unbilligkeit verneint werden, weil diese nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu unterstellen ist, wenn sich an der Existenzgefährdung eines Unternehmens nichts ändert, gleichgültig, ob die fragliche Abgabenschuld (in Höhe von € 62.624,22) eingehoben oder nachgesehen wird ().

Aber auch im Falle einer Bejahung der persönlichen Unbilligkeit wäre im Rahmen der Ermessensübung keine anderslautende Entscheidung zu erwarten, da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gegen eine Nachsichtsgewährung spricht, wenn die Nachsicht sich nur zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (), wie dies bei der Rückzahlung der bereits entrichteten Steuern der Fall wäre.

Sachlich bedingte Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn sie in den Besonderheiten des Einzelfalles begründet ist. Eine derartige Unbilligkeit des Einzelfalles ist aber nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage vorliegt, also die vermeintliche Unbilligkeit für die davon Betroffenen aus dem Gesetz selbst folgt. Nur wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, ist die Einziehung "nach der Lage des Falles unbillig" (vgl. dazu Stoll, BAO, Handbuch, Seite 586, sowie die dort angeführten Erkenntnisse).

Die Bw. argumentiert, dass sie auf die bisherigen Veranlagungen und Betriebsprüfungen des Finanzamtes, welche in voller Kenntnis der Sach- und Rechtslage durchgeführt worden wären, und somit auf die Korrektheit der bisherigen Vorgangsweise der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes vertraut hätte, weshalb auch der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2001/13/0248, völlig überraschend entschieden hätte.

Dem ist zu entgegnen, dass zwar ein Verstoß gegen das Prinzip von Treu und Glauben eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO begründen kann (), dass daraus aber gerade im vorliegenden Fall für den Standpunkt der Bw. nichts zu gewinnen ist, weil sich die von der Bw. vermeinte Unbilligkeit erst aus der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/13/0248, ableiten ließe.

Unter dem Grundsatz von Treu und Glauben wird verstanden, dass jeder, der am Rechtsleben teilnimmt, zu seinem Wort und zu seinem Verhalten zu stehen hat und sich nicht ohne triftige Gründe in Widerspruch zu dem setzen darf, was er früher vertreten hat und worauf andere vertrauen konnten (). Die Anwendung von Treu und Glauben setzt einen Vollzugsspielraum, entweder bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe oder bei der Ermessensübung, voraus ().

Durch den Grundsatz von Treu und Glauben wird auch nicht allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit geschützt, da die Behörden verpflichtet sind, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (). Darüber hinaus kommt dem Vertrauensschutz ausschließlich bei konkreten Rechtsauskünften des zuständigen Finanzamtes Bedeutung zu.

Ist hingegen eine Rechtsfrage bereits durch den Verwaltungsgerichtshof entschieden, hat der Grundsatz von Treu und Glauben keine Bedeutung mehr, weil das Legalitätsprinzip grundsätzlich stärker ist als jeder andere Grundsatz. Selbst ein Abgehen des Verwaltungsgerichtshofes von einer bereits bestehenden Rechtsprechung stellt keine unbillige Härte des Einzelfalles, sondern vielmehr eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage dar ().

Darin, dass die Abgabenbelastung der Bw. im Ergebnis erst aus dem Erkenntnis vom , 2001/13/0248, folgte und das Finanzamt den Unbilligkeitstatbestand des § 236 Abs. 1 BAO als nicht erfüllt angesehen hat, ist somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gelegen.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet aber auch der "gute Glaube" eines Abgabenschuldners an die Richtigkeit von Steuerbescheiden keine Unbilligkeit der Einhebung allfälliger Abgabennachforderungen ().

Die sehr detailreichen Ausführungen der Bw. hinsichtlich des Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht gehen ebenso ins Leere, weil diese keine sachliche Unbilligkeit zu begründen vermögen, da die betreffenden vermeintlich dem Gemeinschaftsrecht widersprechenden innerstaatlichen Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes wiederum lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage und somit keine unbillige Härte des Einzelfalles darstellen.

Darüber hinaus kommt auch dem Antrag auf Vorabentscheidung durch den EuGH keine Berechtigung zu, da gegen Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenates ein außerordentliches Rechtsmittel an den VwGH und VfGH möglich ist und die Berufungsbehörde somit nicht als letztinstanzliches Gericht im Sinne des Art. 234 EG angesehen werden kann, weshalb keine Vorlagepflicht, sondern nur eine Vorlageberechtigung besteht. Liegt aber ein vorlageverpflichtetes letztinstanzliches Gericht nicht vor, kann das Gericht (diesfalls der Unabhängige Finanzsenat) das Gemeinschaftsrecht auslegen.

Im gegenständlichen Berufungsfall betreffend Nachsicht von Abgaben ist jedoch überhaupt keine Auslegung des Gemeinschaftsrechtes geboten, sondern ausschließlich die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, weil die vorgebrachten Argumente hinsichtlich des behaupteten Gemeinschaftsrechtsverstoßes lediglich das Abgabenfestsetzungsverfahren betreffen.

Da somit weder eine persönliche noch sachliche Unbilligkeit vorliegt, war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Nachsicht
Treu und Glauben
Beförderung
Fallschirmspringer

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