Fehlende Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit der Berufsausbildung (Externistenmatura)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag von Juni 2021 bis September 2022, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO insofern teilweise Folge gegeben, als nur die für den Zeitraum Juni 2021 bis August 2022 bezogenen Familienbeihilfen und Kinderabsetzbeträge zurückgefordert werden.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (Bf.) bezog für ihre Tochter T., geb. 2003, Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.
T. ist seit dem Wintersemester 2020/21 am Bundesrealgymnasium für Berufstätige (Schulform AHS) in *** inskribiert.
Nach Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen forderte das Finanzamt von der Bf. mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juni 2021 bis September 2022 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 mit der Begründung zurück, dass nach § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zustehe. Bei ihrem Kind würde diese Voraussetzung nicht zutreffen. Die Ausbildung gelte als ernsthaft und zielstrebig, wenn ein Kind die volle Zeit dafür verwende und das Kind in angemessener Zeit zu Prüfungen antrete, was bei ihrer Tochter nicht zutreffe. Der Richtwert von 20 positiven Wochenstunden sei ab Sommersemester 2021 maßgeblich unterschritten worden. Die Familienbeihilfe müsse somit ab Juni 2021 (Erreichen der Volljährigkeit) rückgefordert werden.
Die Bf. brachte in ihrer Beschwerde vom (eingelangt beim Finanzamt am ) vor, dass ihre Tochter ernsthaft und zielstrebig ihr Ziel verfolgt habe und dies auch weiterhin tue. Die Schwierigkeiten, in ihrem Heimatland, ***, seien ein zusätzlicher Belastungsfaktor für ihre Tochter gewesen und sie bitte auch diesbezüglich um etwas Verständnis. Eine entsprechende Bestätigung seitens der Schule sei in Arbeit (Weihnachtsferien) und sie werde diese nachreichen. Die entsprechenden Schulbesuchsbestätigungen und Zeugnisse sende sie dem Finanzamt bereits mit. Des Weiteren wolle sie einen Antrag auf Aussetzung der Einhebung gemäß § 212 BAO stellen, da sie als alleinerziehende Mutter, die erst seit Mai wieder in Beschäftigung stehe, im Moment nicht in der Lage sei, einen so hohen Betrag zu begleichen. Sollte ihrer Beschwerde nicht stattgegeben werden können, bitte sie um die Möglichkeit einer Ratenzahlung.
Die Bf. legte im Zuge der Beschwerde folgende Unterlagen vor:
Schreiben von Mag. Dr.in Carina B., Psychotherapeutin:
T. befindet sich seit auf Grund ihrer psychischen Erkrankung in einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie bei ihr. Auf Grund der massiven Depressions- und Angstsymptomatik ist es T. nicht möglich, den vorgeschriebenen Schulerfolgsnachweis in der vorgeschriebenen Zeit zu erbringen.
Arztbrief vom der Gruppenpraxis X.:
T. leidet an Panikstörung, Vd.a. somatoforme Störung und Insomnie (Anamnese: Vorstellung aufgrund von zunehmenden Panikattacken und Vd.a. somatoforme Störung, Beginn der Symptome im November 2021)
Arztbrief von Dr. H.:
Beginn der Panikattacken und der krankheitsbedingten Symptome November 2021
Fachärztlicher Befundbericht von Dr. C. vom :
T. leidet an einer Panikstörung und mittelgradigen depressiven Episoden
Folgende Unterlagen betreffend den Schulbesuch von T. betreffend den Streitzeitraum wurden vorgelegt:
Im Wintersemester 2020/21 wurden folgende Leistungen erbracht:
Im Sommersemester 2021 ging T. nicht in die Schule (Schreiben der Bf. vom .
Im Wintersemester 2021/22 wurden folgende Leistungen erbracht:
Im Sommersemester 2022 wurden von T. folgende Leistungen erbracht:
Wintersemester 2022/23
Semesterzeugnis
Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom teilweise statt und forderte die Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge nur für den Zeitraum Juni 2021 bis August 2022 zurück, da T. für den Monat September 2022 laut vorgelegter Schulbestätigung und Semesterzeugnis in Modulen im Umfang von 20+ inskribiert war und beurteilt wurde.
Begründend wurde ausgeführt:
"Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Anspruch auf Familienbeihilfe unter anderem Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Der Begriff" Berufsausbildung " ist im Gesetz selbst nicht erläutert. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fallen darunter jedenfalls alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildung, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird.
Entscheidend ist nicht nur die Art der Ausbildung, sondern auch deren zeitlicher Umfang. Die Ausbildung muss als Vorbereitung für die spätere konkrete Berufsausübung anzusehen sein und überdies die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen. Davon ist dann auszugehen, wenn mindestens 20 Theorie- bzw Praxisstunden wöchentlich erbracht werden plus Zeiten für allfällige Lern-, Haus- und Vorbereitungsarbeiten.
Als Zeiten der Berufsausbildung sind jedoch nur solche Zeiten anzusehen, in denen aus objektiv erkennbaren Umständen geschlossen werden kann, dass eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt ist. Das Vorliegen rein formaler Erfordernisse (Schul- bzw. Inskriptionsbestätigung) genügt nicht, um eine Berufsausbildung nachzuweisen. Vielmehr muss eine Ausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben werden. Dies wird nur dann anzunehmen sein, wenn das Kind innerhalb eines angemessenen Zeitraumes zu den erforderlichen Prüfungen antritt. Berufsausbildung liegt somit nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist.
Laut vorliegender Semesterzeugnisse des BRG für Berufstätige in *** wurden die Leistungen Ihrer Tochter T. im Wintersemester 2020/21 in sämtlichen angeführten Gegenständen mit "nicht beurteilt" beurteilt. Für das Sommersemester 2021 wurden keine Nachweise betreffend Vorliegen eine Schul- bzw. Berufsausbildung vorgelegt.
Laut vorliegender Semesterzeugnisse wurden im Wintersemester 2021/22 Leistungen im Umfang von 6 Wochenstunden und im Sommersemester 2022 im Umfang von 5 Wochenstunden beurteilt.
Weiters wurde im Zuge des Beschwerdeverfahrens eine Bestätigung von Mag. Dr. B. vorgelegt, aus der hervorgeht, dass Ihre Tochter seit aufgrund ihrer psychischen Erkrankung in einer regelmäßigen ambulanten Psychotherapie ist und es ihr aufgrund der massiven Depressions- und Angstsymptomatik nicht möglich ist, den vorgeschriebenen Schulerfolgsnachweis zu erbringen. Laut vorgelegtem Arztbrief von Dr. H. wurde als Beginn der Panikattacken und der krankheitsbedingten Symptome der November 2021 angegeben.
Eine (schwere) Erkrankung eines volljährigen Kindes vermittelt gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Krankheit kann im Rahmen einer Berufsausbildung dann von Bedeutung sein, wenn sie zu einer Verzögerung der Berufsausbildung führt. Davon kann jedoch nur dann auszugehen sein, wenn sich das Kind zum Zeitpunkt des Eintritts der Krankheit in Berufsausbildung befunden hat.
Wie bereits ausgeführt kommt es für die Qualifikation einer Berufsausbildung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 nicht nur auf das ernstliche und zielstrebige Bemühen um den Ausbildungserfolg an, sondern die Berufsausbildung muss auch in quantitativer Hinsicht die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehmen (vgl. , nwN).
Von der Bindung der vollen Arbeitskraft kann wohl nur dann ausgegangen werden, wenn die Bildungsmaßnahme durch den Kursbesuch, die Vor- und Nachbereitungszeiten und die Prüfungsteilnahmen ein zeitliches Ausmaß in Anspruch nehmen, das zumindest annähernd dem eines Vollzeitdienstverhältnisses entspricht.
Auf Grund der vorgelegten Semesterzeugnisse für das Wintersemester 2020/21, Wintersemester 2021/22 und Sommersemester 2022 kann von keiner ernsthaften und zielstrebigen Berufsausbildung, die die erforderliche quantitative Voraussetzung für eine Beurteilung als Berufsausbildung iSd Familienlastenausgleichsgesetzes erfüllt, angenommen werden.
Wer Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge gemäß § 26 FLAG 1967 in Verbindung mit § 33 Abs. 3 ESTG 1988 zurückzuzahlen.
Bei allfälligen Zahlungsschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Rückforderung besteht die Möglichkeit der schriftlichen Beantragung einer Zahlungserleichterung. Die wirtschaftlichen Gründe für die Antragstellung bzw. die Notwendigkeit sind zu begründen.
Da die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe im angeführten Zeitraum nicht Vorlagen, erfolgte die Rückforderung zu Recht."
Die Bf. bringt im Vorlageantrag vom vor, dass ihre Tochter ernsthaft und zielstrebig ihr Ziel verfolgt habe und dies auch weiterhin tue. Seit September 2020 habe ihre Tochter bemerkt, dass es ihr psychisch nicht gut gehe. Sie sei aber trotzdem zur Schule gegangen um Schularbeiten abzulegen. Im Februar 2021 habe sich die Situation deutlich verschlimmert. Sie habe nicht mehr zur Schule gehen können und unter Panikattacken gelitten. Sie hätten ein Jahr auf eine Gratis-Therapiestelle gewartet und früher Hilfe holen sollen, aber sie hätten es nicht getan, da sie es nicht so ernst genommen hätten. Ab April 2022 habe sie endlich Hilfe durch Psychotherapie bekommen und habe danach auch langsam wieder in die Schule gehen und ihre Noten verbessern und nachholen können. Medikamente gegen Angststörung seien ihr auch öfters verschrieben worden. Das sei ein unfairer Fall für ihre Tochter. Sie habe in die Schule gehen wollen und dann sei die psychische Erkrankung gekommen, was alles kaputt gemacht habe. Ihre Tochter habe nur ein Semester in der Schule verpasst. Sie habe es versucht. Wenn sie schlechte Noten gehabt habe, sei das nicht ihre Schuld gewesen. Ihre Tochter sei krank gewesen, wodurch sich ihre Noten verschlechtert hätten.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Sachverhalt
Die Tochter der Bf. ist am 2003 geboren.
Sie war ab dem Wintersemester 2020/21 an der AHS für Berufstätige inskribiert.
Aus den vorgelegten Zeugnissen ergibt sich folgende Beurteilung:
Wintersemester 2020/21: in keinem Gegenstand beurteilt
Sommersemester 2021: wegen fehlendem Schulbesuch liegt kein Zeugnis vor
Wintersemester 2021/22: Gegenstände im Umfang von 6 Wst. beurteilt (davon 3 negativ)
Sommersemester 2022: Gegenstände im Umfang von 5 Wst. beurteilt
Beweiswürdigung:
Strittig ist, ob die Tochter der Bf. im Streitzeitraum Juni 2021 bis August 2022 die Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung absolviert, ist eine Tatfrage, welche die Behörde in freier Beweiswürdigung zu beantworten hat (vgl. zBVwGH , 2006/15/0178, , ).
Die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, ist an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten ().
Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist der Monat (§ 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967).
Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. ).
Das Finanzamt ging davon aus, dass die Bf. zu Unrecht für ihre Tochter für den Streitzeitraum Juni 2021 bis August 2022 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge bezog, da laut vorliegender Semesterzeugnisse des BRG für Berufstätige in *** die Leistungen von T. im Wintersemester 2020/21 in sämtlichen angeführten Gegenständen mit "nicht beurteilt" beurteilt wurden. Für das Sommersemester 2021 seien keine Nachweise betreffend Vorliegen eine Schul- bzw. Berufsausbildung vorgelegt worden. Laut vorliegender Semesterzeugnisse seien im Wintersemester 2021/22 Leistungen im Umfang von 6 Wochenstunden und im Sommersemester 2022 im Umfang von 5 Wochenstunden beurteilt worden.
Die Bf. bringt vor, dass ihre Tochter immer ernsthaft und zielstrebig ihre Schulausbildung betrieben habe und dies auch weiterhin tue. Ihre Tochter habe im September 2020 bemerkt, dass es ihr psychisch nicht gut gehe. Sie habe wegen ihrer psychischen Probleme ein Semester lang die Schule nicht besucht bzw. schlechte Noten gehabt.
Hierzu wird festgestellt, dass eine Krankheit im Rahmen einer Berufsausbildung gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 dann von Bedeutung sein kann, wenn sie zu einer zeitlich begrenzten Unterbrechung der bereits begonnenen Berufsausbildung führt (vgl. ; ; ).
Laut Angaben der Bf. lag die Erkrankung ihrer Tochter bereits vor Beginn der Schulausbildung (Wintersemester 2020/21) vor. Die von der Bf. vorgelegten ärztlichen Bestätigungen können keine krankheitsbedingte Unterbrechung einer Berufsausbildung auf begrenzte Zeit belegen. Es wird weder ein konkreter Unterbrechungszeitraum angegeben noch wird bestätigt, dass die Krankheit der Tochter den Antritt zu Prüfungen gänzlich unmöglich gemacht hat.
Somit kann der Familienbeihilfenanspruch nicht auf eine zeitlich begrenzte Unterbrechung der bereits begonnenen Berufsausbildung infolge Krankheit gestützt werden.
T. wurde im Wintersemester 2020/21 in keinem Gegenstand beurteilt, im Sommersemester 2021 besuchte sie nicht die Schule, im Wintersemester 2021/22 wurde sie nur in Gegenständen im Umfang von 6 Wochenstunden beurteilt (davon 3 negativ) und im Sommersemester 2022 nur in Gegenständen im Umfang von 5 Wochenstunden.
Die Bf. konnte die Kausalität der Erkrankung ihrer Tochter in Bezug darauf, dass ihre Tochter ein Semester die Schule nicht besucht hat, nicht nachweisen.
Die Schulausbildung hat auch nicht die volle Zeit von T. beansprucht, da sie im Wintersemester 2021/22 sowie Sommersemester 2022 lediglich in Gegenständen im Umfang von sechs bzw. fünf Wochenstunden beurteilt wurde. Mangels Beanspruchung der vollen Zeit des Kindes, kann auch in diesen beiden Semestern nicht von einer Berufsausbildung iSd FLAG ausgegangen werden.
Das Bundesfinanzgericht schließt sich daher der Ansicht des Finanzamtes an, dass T. im überwiegenden Rückforderungszeitraum ihre Schulausbildung nicht ernsthaft und zielstrebig betrieben hat.
Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Gemäß § 10 Abs 2 Satz 2 FLAG 1967 idF BGBl I 2015/50 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.
Gemäß § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 ist für zu Unrecht bezogene Kinderabsetzbeträge § 26 FLAG 1967 anzuwenden.
Rechtliche Beurteilung:
• Ziel einer Berufsausbildung
Ziel einer Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung des angestrebten Berufs zu erlangen (vgl. ). Dazu gehört regelmäßig auch der Nachweis der Qualifikation (vgl. , , ).
• Begriff "Berufsausbildung"
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat - da das Gesetz keine nähere Umschreibung des Begriffes "Berufsausbildung" enthält - in seiner ständigen Rechtsprechung Kriterien entwickelt (vgl für viele zB , , , welche für die Beurteilung heranzuziehen sind.
Demnach fallen unter den Begriff der Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG alle Arten schulischer oder kursmäßiger Ausbildungen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen ohne Bezugnahme auf die spezifischen Tätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird (vgl. , ).
Zur Berufsausbildung gehört zweifellos die allgemein bildende Schulausbildung (, Verweis auf Burkert-Hackl-Wohlmann-Galletta, Der Familienlastenausgleich, Kommentar, zu § 2, Seite 6).
• Ernstliches und zielstrebiges Bemühen um den Ausbildungserfolg
Der Antritt zu den erforderlichen Prüfungen bzw. Vorprüfungen, die in einer Ausbildungsvorschrift vorgesehen sind, ist essenzieller Bestandteil der Berufsausbildung (vgl. , ). Das anspruchsvermittelnde Kind muss durch Prüfungsantritte innerhalb angemessener Zeit versuchen, die Voraussetzungen für den erfolgreichen Abschluss der Berufsausbildung zu erfüllen (, ).
Berufsausbildung liegt daher nur dann vor, wenn die Absicht zur erfolgreichen Ablegung der vorgeschriebenen Prüfungen gegeben ist (vgl. , , , ).
Es kommt nicht darauf an, ob die erfolgreiche Ablegung der Prüfungen tatsächlich gelingt (vgl. , ).
Ein ernstliches und zielstrebiges Bemühen wird auch nicht schon in Abrede zu stellen sein, wenn ein Kind mit vorgesehenen Prüfungen durch einige Zeit in Verzug gerät. Eine Ausbildung jedoch, bei der schon bald nach ihrem Beginn Prüfungen abzulegen sind, bei der das Kind aber während langer Zeit zu keiner Prüfung antritt, kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden (vgl. ).
Der laufende Besuch einer der Berufsausbildung dienenden schulischen Einrichtung reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein jedoch nicht aus, um das Vorliegen einer Berufsausbildung im hier maßgeblichen Sinn anzunehmen (vgl. , ).
Die bloße Anmeldung zum Unterricht ist ebenso wie der fallweise Besuch einer Schule keine Berufsausbildung iSd Gesetzes (vgl. ).
• Qualitatives und quantitatives Element
Eine Berufsausbildung iSd FLAG muss sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht gegeben sein. Entscheidend ist somit die Art der Ausbildung und der zeitliche Umfang (vgl. , vgl. auch Lenneis in Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG § 2 Rz 36, vgl. weiters die Erkenntnisse des und ).
Der Verwaltungsgerichtshof sprach in zahlreichen Erkenntnissen aus, dass der erforderliche zeitliche Einsatz, der - soll eine Berufsausbildung vorliegen - so beschaffen sein muss, dass die "volle Zeit" des Kindes in Anspruch genommen wird (vgl. , , vgl. auch ).
Schule für Berufstätige
Das Bundesfinanzgericht nimmt bei Schulen für Berufstätige einen erforderlichen wöchentlichen Zeitaufwand von durchschnittlich 20 bis 25 Stunden zuzüglich Hausaufgaben an (vgl. ), insgesamt von mindestens 30 Wochenstunden (vgl. ; "Echtstunden" zu 60 Minuten, ), um von einer Berufsausbildung iSd FLAG 1967 zu sprechen (vgl. ; ).
Rückerstattung von zu Unrecht bezogenen Beträgen
§ 26 FLAG normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat; ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutete.
Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Geldbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. , ).
Die Rückforderung gemäß § 26 Abs. 1 FLAG ist keine Ermessensentscheidung. Billigkeitsüberlegungen sind daher im Rückforderungsverfahren nach § 26 Abs. 1 FLAG vom Finanzamt oder vom Bundesfinanzgericht nicht anzustellen (vgl. und , jeweils unter Hinweis auf ). Dem Bundesfinanzgericht kommt auch keine Anweisungsbefugnis iSd § 26 Abs. 4 FLAG zu.
Da die Bf. aus den genannten Gründen im Zeitraum Juni 2021 bis August 2022 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen hat, sind diese zurückzufordern.
Bezüglich des Monats September 2022 schließt sich das Bundesfinanzgericht der (teilweisen) Stattgabe des Finanzamts in der Beschwerdevorentscheidung an, weil die Tochter der Bf. für den Monat September 2022 laut vorgelegter Schulbestätigung und Semesterzeugnis in Modulen im Umfang von 29 Wochenstunden inskribiert war und beurteilt wurde. Unter Berücksichtigung von Vorbereitungszeiten (Lernzeiten, Hausübungen etc.) gelangt man in quantitativer Hinsicht zu dem von der Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes (bzw. früher des Unabhängigen Finanzsenates) für den Besuch einer AHS oder BHS geforderten Zeitaufwand von rund 30 Wochenstunden.
Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Zahlungserleichterung, Nachsicht
Ein Antrag gemäß § 212 BAO auf Zahlungserleichterung und gemäß § 236 BAO auf Nachsicht ist beim Finanzamt einzubringen.
Zulässigkeit einer Revision:
Gegen eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes ist gemäß Art 133 Abs 4 BVG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Ob ein Kind eine Berufsausbildung ernsthaft und zielstrebig absolviert, ist eine Tatfrage, welche in freier Beweiswürdigung zu beantworten ist. Tatfragen sind einer Revision nicht zugänglich. Betreffend das Bestehen der Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge folgt das Bundesfinanzgericht der einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ).
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 10 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103032.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at