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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.08.2023, RV/7102734/2023

Erhöhte Familienbeihilfe; in den drei Gutachten des SMS wurde der Bf. keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Eigenantrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ab Oktober 2020, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages vom

Die Beschwerdeführerin (Bf), geb. am 1998, brachte beim Finanzamt (FA) am einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages rückwirkend auf fünf Jahre ein.

Bis April 2018 wurde die Familienbeihilfe von ihrer Mutter bezogen.

Aktengutachten des Sozialministeriumservice vom

Am wurde von der Sachverständigen Dr.in Dok1, Fachgebiet: Allgemeinmedizin, folgendes Aktengutachten erstellt:

Anamnese:
Die Antragstellerin berichtet, ab dem 14. Lj. Cannabis konsumiert zu haben. Ab dem ca. 16. Lj. seien diverse chemische Drogen und auch Opiate (nicht i. v.) hinzugekommen. Seit ca. 3 J. konsumiere die Antragstellerin Ketamin. Seit Beginn einer drogenspezifischen Behandlung an der Beratungsstelle "ABC." sei die Ketamin-Konsum-Frequenz auf 1x pro Woche bis 1x alle 2 Wochen zurückgegangen. Davor tägl. Konsum. Anamnestisch sei psychotherapeut. Behandlung im Kindesalter (2005 - 2008 sowie 2007 - 2010) in Anspruch genommen worden. Eine neuerliche Psychotherapie wurde im Herbst 2020 über die ABC. Sucht- und Drogenberatung für Jugendliche indiziert. Ambulante Fä psychiatr. Behandlung werde seit dem letzten Jahr bei Dr. G. in Anspruch genommen.

Psychopharmakolog. auf Sertralin 100mg 1-0-0-0 eingestellt, davor niemals psychopharmakolog. Med. Bislang niemals stat.-psychiatr. Behandlungen oder stat.
Entzugsversuche.

Derzeitige Beschwerden:

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Fa -psychiatr. Behandlungen über Dr. G..
Psychotherapeut. Behandlung über Sucht-und Drogenberatung für Jugendliche ABC..
Psychopharmakolog. Med. laut Befundbericht Dr. G. (): Sertralin 100mg 1-0-0-0

Sozialanamnese:
Die Antragstellerin lebt im gemeinsamen Haushalt mit dem Ex-Freund. Im Alter von 18 J. Gymnasium mit Matura abgeschlossen. Danach für 1 J. Musikwissenschaft studiert.
Geringfügig als Billeteurin in der Oper angestellt für ca. 1 Jahr, danach 1 Woche Callcenter und 6 Monate in der Annahme einer Wäscherei gearbeitet. Aufgrund der psychopatholog. Destabilisierung habe die Antragstellerin im Sep. 2020 diesen Job gekündigt.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Fä -psychiatr. Befundbericht Dr. G. ():
Depressive Verstimmung mit sozialer Rückzugstendenz, Antriebslosigkeit, vernachlässigt Haushalt. Ängste. Fehlendes Selbstbewusstsein. Substanzabhängigkeit ab dem 14. Lj. Diagnosen PTSD, Angststörung, depressive Reaktion wurde 2007 gestellt. Panikattacken in Remission, Ketamin-Abusus seit 1 Jahr. Drogenanamnese: Speed, XTC

D: Substanzabhängigkeit, PTSD, depressive Reaktion, Sozialphobie
Massive psychische Instabilität. Bis auf weiteres keine Arbeitsfähigkeit gegeben.
Psycholog. Befundbericht Praxis X. ():
D: Abhängigkeitssyndrom, Angst- und depressive Störung gemischt, sonstige Essstörung.
Verdacht auf selbstunsicher/vermeidende Persönlichkeitsentwicklungsstörung (...)
Sozialphobische Ängste schon immer. Seit 1 Jahr diesbezügl. Verschlechterung.
Fä -psychiatr. Befundbericht Dr. G. ():
D: Substanzabhängigkeit, PTSD, Depression, Sozialphobie, Essstörung
Sertralin 100mg 1-0-0-0 etabliert.
Krankenstand für mind. 3-4 Mo. erwartbar. Versuch einer Behandlung der Substanzabhängigkeit am API.
Psychotherapeut. Bestätigung Dr. w:, ABC. DEF. ):
Seit in laufender Psychotherapie. Termine üblicherweise wöchentlich, Fä -psychiatr. Befundbericht Dr. G. ():
Unter Sertralin leichte Besserung. Doch noch deutlich reduzierter Antrieb und Müdigkeit sowie Zwänge (Waschzwang, Bakterienphobie)
Betreffend Substanzabhängigkeit in spezifischer laufender Behandlung.
D: Verdacht auf selbstunsichere/vermeidende Persönlichkeitsentwicklung, Substanzabhängigkeit., PTSD, Depressio, Sozialphobie, Essstörung, Zwangsstörung
Weiterhin keine Arbeitsfähigkeit gegeben

Status Psychicus:
Wach, bewusstseinsklar, allseits orientiert. Konzentration, Gestik und Daueraufmerksamkeit
grobklinisch unauffällig. Auffassung intakt. Ductus kohärent und zum Ziel führend bei unauffälligem Tempo. Affekt weinerlich. Affizierbarkeit ausschließlich im Negativen gegeben.

Produktivpsychotische Symptomatik verneint. Stimmungslage depressiv bei negativ- ängstlich getönter Befindlichkeit. Energielosigkeit. Motivationslosigkeit. Antriebslosigkeit. Anhedonie.

Konfliktscheue und soziales Vermeidungsverhalten. Regelmäßiger Ketamin Konsum. Keimphobie und Waschzwänge. Durchschlafstörungen mit teilweise unangenehmen Träumen. Manifeste Albträume.

Flashbacks oder Intrusionen verneint. Zukunftsängste. Selbstbewusstseinsdefizit. Keine akute Selbst- oder Fremdgefährdung fassbar.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Substanzabhängigkeit, Depressives- und ängstliches Syndrom, Essstörung, Zwangsstörung
50%

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Rückdatierung ab Fa-psychiatr. Befundbericht Dr. G. () möglich

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 10/2020

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Derzeit ist nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen

Nachuntersuchung: 01/2023

Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Verlaufskontrolle, da Stabilisierung unter adäquaten Behandlungsbedingungen möglich.

Abweisungsbescheid vom

Das FA legte die im Gutachten getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde und wies den Antrag auf Familienbeihilfe mit Bescheid vom ab Oktober 2020 mit der Begründung ab, dass der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt werde. Da die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Dies sei hier nicht der Fall (§ 2 Abs 1 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Beschwerde vom

Die Bf brachte in ihrer Beschwerde vor, dass sie bereits vor dem 21. Geburtstag erkrankt sei und sie ihre Ausbildung /Studium 2017 aus gesundheitlichen Gründen abbrechen habe müssen. Sie habe bereits ab dem Jahr 2005, also ab ihrem 7. Lebensjahr, psychotherapeutische Behandlung beansprucht, was auch im Sachverständigengutachten des Bundesamts für Soziales und Behindertenwesen vom im 1. Absatz dokumentiert sei, nämlich "psychotherapeutische Behandlung im Kindesalter (2005 - 2008 sowie 2007 -

2010)".

Um die Psychotherapie-Einheiten und neurolog./psychiat. Behandlungen bzw. die Kosten-Übernahme durch die Krankenkasse zu belegen, fänden sich die Vertragspartnerlisten von der WGKK (2006 und 2011) sowie der BVA (2005 - 2009).

Weiters übermittle sie die nachfolgenden Befunde, die ebenfalls belegen würden, dass sie bereits vor dem 21. Geburtstag psychisch erkrankt sei:

-Neurologischer Befundbericht von Dr. G. vom
im 1. Absatz:
"Substanzabhängigkeit seit 14 Lj. / Diagnose posttraumatische
Belastungsstörung/Angststörung und depressive Reaktion wurde 2007 gestellt".

Die in diesem Befund von Dr. G. erwähnten Diagnosen von 2007 stammen ursprünglich aus dem anliegenden psycholog. Befundbericht von Mag. X. vom .

Diese Diagnosen von Mag. X. von 2007 wurde ebenfalls im 1. Absatz des SV-Gutachten des Bundesamts für Soziales u. Behindertenwesen vom erwähnt.

- Neurologischer Befund von Dr. S. vom

- Befund von Dr. FB, FÄ f. Neurologie u. Psychiatrie, vom

- Befundbericht von Dr. C., FÄ f. Neurologie, vom

- Befundbericht von Dr. C., FÄ f. Neurologie, vom , welcher belegt, dass ich meine Ausbildung/Studium ab Anfang Oktober 2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzten konnte.

- Studienbestätigung für das SS 2017 und WS 2017.

- Rezept von Dr. C. vom für Zyprexa Tbl. 2,5 mg

Im anliegenden SV-Gutachten vom werde auf Seite 4 bestätigt, dass sie voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und dass derzeit nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen sei:

Bisher seien leider alle von ihr unternommenen Arbeitsversuche bzw. die Eingliederung ins Erwerbsleben gescheitert. Sie habe bisher die Zuverdienstgrenze von EUR 15.000,00 pro Jahr nicht überschritten und sei von der finanziellen Unterstützung durch ihre Mutter abhängig.

Die anliegenden Befunde von Dr. G. vom , BBRZMed vom und von Frau Mag. X. vom würden ebenfalls belegen, dass weiterhin keine Arbeitsfähigkeit gegeben sei.

Mit Schreiben vom reichte die Bf den Befund von Dr. G. G., FA für Neurologie und Psychiatrie vom , nach und brachte vor, dass Dr. G. im letzten Absatz seines Befundes (genauso wie die Sachverständige Frau Dr. Dok1) bestätige, dass nach derzeitiger Einschätzung eine dauerhafte Beeinträchtigung bestehe, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung werde laut Dr. G. (letzter Absatz) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anhaltend sein / mehr als 3 Jahre bestehen.

Im SV-Gutachten vom /Dr. Dok1, das im Auftrag des Finanzministeriums eingeholt worden sei, werde ebenfalls (auf Seite 4) bestätigt, dass sie voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und dass derzeit nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen sei. Sie ersuche um Aufhebung der Abweisung respektive Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe, da die Behinderung/Erkrankung, wie bereits in ihrer Beschwerde vom belegt, bereits vor ihrem 21. Lebensjahr bestanden habe und sie laut SV-Gutachten von Dr. Dok1 vom und Befund Dr. G. vom voraussichtlich dauernd außerstande sein werde, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.


Gutachten des Sozialministeriumservice vom

Die Bf wurde am neuerlich untersucht und vom Sachverständigen Dr. Dok2 Dok2, Facharzt für Psychiatrie, am folgendes Gutachten erstellt:

Anamnese:
VGA vorliegend von 09/2021, GdB 50%

Facharzt: Dr. G., Termine alle 3-4 Wochen.
Psychotherapie: GHI., Termine dzt. Ix wöchentlich.
Vorerkrankungen: keine neuen seit dem VGA.
stationärer Aufenthalt: keiner seit dem VGA
Reha: Zentrum für seelische Gesundheit Simmering 31.05. - .

Erwachsenenvertretung: keine

Derzeitige Beschwerden:
"Alles ist ziemlich anstrengend. Ich habe wenig Motivation, Sachen zu machen und ein schlechtes Gewissen, weil ich nichts mache."
Konzentration: "geht."
Schlaf: Einschlafstörung.
Drogenkonsum: dzt. Ketamin.
Alkohol: 1-2x wöchentlich, eine halbe Flasche Vodka.
Nikotin: 20/Tag.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Sertralin 100mg 1-0-0
Pregabalin 50mg 0-0-1

Sozialanamnese:
siehe auch VGA.
letzte berufliche Tätigkeit: bei der Staatsoper als Sekretärin, 20 Stunden/Woche bis 09/2020 gearbeitet (insgesamt 6 Monate), dzt. Rehageldbezug. Wohnverhältnisse: eigene Wohnung, lebe alleine. Ausbildung und Berufslaufbahn: 4 Jahre VS, 8 Jahre Gymnasium, Uni Wien Musikwissenschaft 1 Jahr angemeldet…

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Neurologischer Befundbericht, Dr. G., , :
selbstunsichere Persönlichkeitsentwicklung, Substanzabhängigkeit, Sozialphobie, Essstörung, PTSD.
GHI. , 09.03., ; Bestätigung für ein Behandlungsgespräch.

Psychologischer Befund, Mag. X., 10/2020 und :
Abhängigkeit, komb. Persönlichkeitsstörung, rez. depressive Strg., Essstörung.

Ärztlicher Kurzbericht, Zentrum für seelische Gesundheit Simmering, Dr. E., FA für Psychiatrie und Psychotherapie, -:
Psych, u. Verhaltensstörung durch mult. Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotrope Substanzen:

Abhängigkeitssyndrom F19.2, Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung F60.6, rez. depressive Störung F33.9, Soziale Phobien F40.1, sonstige Essstörungen F50.8, Zwangsstörung (nicht näher bezeichnet) F42.9, Posttraumatische Belastungsstörung F43.1.

Befundbericht Dr. C., FA für Neurologie, : akute Belastungsreaktion.
Dr. S., FA für Kinder- und Jugendheilkunde, :
neurologisch unauffällig, St. p. Panikattacken, Spannungskopfschmerz.

Psychologischer Befund, Mag. X., :
posttraumatische Belastungsstörung,
Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt.

Untersuchungsbefund:

GdB liegt vor seit: 10/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

ja, seit 10/2020 Arztbrief Dr. G..

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:
Eine Erwerbsunfähigkeit liegt nicht vor, da Schulbesuch mit Matura, anschließend Studium (abgebrochen) und Tätigkeit am allg. Arbeitsmarkt bis 09/2020 (Dienstverhältnis selber beendet).

X Dauerzustand
Nachuntersuchung: 06/2024
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Besserung der Symptomatik möglich, Verlaufskontrolle.

Beschwerdevorentscheidung vom

Das FA wies die Beschwerde unter Zugrundelegung der im oben angeführten Gutachten getroffenen Feststellungen mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass für ein volljähriges Kind die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. - fortbildung zustehe. Diese Voraussetzungen würden nicht zutreffen (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Für ein volljähriges Kind stehe die Familienbeihilfe während einer Berufsausbildung bzw. -fortbildung zu (§ 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - FLAG 1967).

Die Berufsausbildung, Studium, sei mit November 2018 abgebrochen worden. Es liege zum Antragszeitpunkt keine Berufsausbildung im Sinne des FLAG vor.

Vorlageantrag vom

Die Bf bringt im Vorlageantrag vor, dass sie bereits vor ihrem 21. Geburtstag erkrankt sei. Dies habe sie in ihrer Beschwerde vom sowie in der Nachreichung zu dieser am ausführlich beschrieben und mit diversen Befunden belegt.

Sie habe die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe am für 5 Jahre rückwirkend beantragt. Eine Berufsausbildung/Studium sei bis November 2018 vorgelegen. Sie sei bis dato aufgrund ihrer Erkrankung (GdB 50%) nicht imstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen bzw. sich ohne staatliche Zuschüsse und finanzielle Unterstützung durch ihre Mutter zu erhalten. Die in den Jahren 2017 bis 2020 unternommenen Arbeitsversuche seien jeweils nach kurzer Zeit gescheitert.

Zum Sachverständigen-Gutachten von Herrn Dr. Dok2 vom , welches dem abweisenden Bescheid des Finanzamts vom zugrunde liege, wolle sie anmerken, dass im Gutachten von Dr. Dok2 jegliche Hinweise auf den erstmaligen Auftritt ihrer Erkrankung bzw. der Erkrankungssymptome, die konkreten Auswirkungen ihrer Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit sowie eine Begründung dafür fehle, weshalb eine rückwirkende Anerkennung der Einschätzung des Grades der Behinderung erst ab möglich sei.

Weiters seien von Dr. Dok2 die Ergebnisse des Verfahrens betreffend Rehabgeldbezug ab nicht berücksichtigt worden. Es seien die Erkrankung im Kindesalter / vor dem 21. Lebensjahr nicht berücksichtigt und Befunde von Kindheit nicht im Gutachten miteinbezogen worden. Im SV-Gutachten (der BASB Landesstelle Wien) von Herrn Dr. Dok2 vom würden auf Seite 2 (Punkt "Zusammenfassung der relevanten Befunde") Befunde von 2007, die den Beginn ihrer Erkrankung bereits in ihrer Kindheit belegen, angeführt, jedoch sei der psychologische Befund von Mag. X. vom (posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt) und der Befund von Dr. S., FA für Kinder und Jugendheilkunde und FÄ für Kinderneuropsychiatrie) vom (neurologisch unauffällig, St. p. Panikattacken, Spannungskopfschmerz) offenbar nicht zur Beurteilung des Beginns ihrer Behinderung miteinbezogen worden.

Sie übermittle die folgenden Befunde, die ebenfalls belegen würden, dass sie bereits vor dem 21. Geburtstag psychisch erkrankt sei:

- Neurologischer Befundbericht von Dr. G. G. vom / im 1. Absatz:
"Substanzabhängigkeitseit 14. Lj. /Diagnoseposttraumatische Belastungsstörung/Angststörung und depressive Reaktion wurde 2007 gestellt, Panikzustände in Remission, Ketaminabusus seit 1 Jahr/Drogenanamnese: Speed, Extasy".

Die in dem Befund von Dr. G. erwähnten Diagnosen von 2007 würden ursprünglich aus dem anliegenden, ausführlichen psycholog. Befundbericht von Mag. X. X. vom stammen. Diese Diagnosen von Mag. X. von 2007 seien im 1. Absatz des SV-Gutachten des Bundesamts für Soziales u. Behindertenwesen vom erwähnt und auch im SV-Gutachten von Dr. Dok2 vom (Punkt "Zusammenfassung relevanter Befunde", Seite 2, letzter Absatz) sowie in den ebenfalls auf Seite 2 im Gutachten von Herrn Dr. Dok2 erwähnten Befunden von Dr. G. vom und .

In der Tabelle bzgl. der Berechnung des Grades der Behinderung (auf Seite 4 oben) sei jedoch, ohne Angabe von Gründen, die Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung" von Herrn Dr. Dok2 nicht miteinbezogen bzw. erwähnt worden. Sie wolle dazu anmerken, dass die psychologische Diagnostik durch die Psychologin Fr. Mag. X. X. rund 3 bis 4 Stunden gedauert habe und entsprechend ausführlich durchgeführt worden sei.

Die Untersuchung bei Dr. Dok2 am habe dagegen, wie auf Seite 1 seines Gutachtens angeführt, von 14:59 bis 15:19 Uhr gedauert, also 20 Minuten!

Dr. Dok2 seien in Kopie die Befunde von Dr. FB, FÄ f. Neurologie u. Psychiatrie, vom und , der Befundbericht von Dr. C. , FÄ f. Neurologie, vom und vom (der Befund belege, dass sie ihre Ausbildung/Studium ab Oktober 2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzen habe können), das Rezept von Dr. C. vom für Zyprexa Tbl. 2,5 mg, vorgelegt worden. Diese wichtigen neurologischen und psychiatrischen Befunde würden ihre Erkrankung vor dem 21. Lebensjahr bestätigen, seien aber im Gutachten nicht erwähnt worden. Auch die Bestätigungen über Psychotherapie 2005 bis 2010 seien nicht miteinbezogen worden. Ihre Mutter, die sie bei der Untersuchung durch den SV, Hr. Dr. Dok2, am begleitet habe, habe Dr. Dok2 auch Bestätigungen über Psychotherapie, die sie als Kind ab 2005 bis 2010, also ab dem 7. Lebensjahr gemacht habe, vorgelegt und ihm in Kopie überlassen. Es habe sich dabei um ihre Psychotherapiesitzungen bei Dr. Karl B. und Mag. T. von 2005 bis 2010 gehandelt. Diese seien durch die anliegenden Abrechnungslisten (Daten zur Vertragspartnerabrechnung) der Krankenkassen belegbar (BVA / "Wiener Gesellschaft für psychotherapeutische Versorgung* und ÖGK (bzw. WGKK) / "Verein für ambulante Psychotherapie").

Diese angeführten Bestätigungen für die von ihr in Anspruch genommene bzw. auch von den Krankenkassen bezahlte Psychotherapie seien jedoch im Gutachten von Herrn Dr. Dok2 nicht erwähnt worden.

Die im Kindesalter jahrelang erfolgte psychotherapeutische Behandlung sei im anliegenden SV-Gutachten des BASB / Fr. Dr. Dok1 vom im 1. Absatz dokumentiert worden, nämlich: "psychotherapeutische Behandlung im Kindesalter (2005 bis 2008 sowie 2007 bis 2010)"

Unter dem Punkt "Sozialanamnese" auf Seite 2 des Gutachtens sei von Dr. Dok2 unrichtigerweise angeführt worden, dass ihre "letzte berufliche Tätigkeit: bei der Staatsoper als Sekretärin" gewesen sei, was nicht den Tatsachen entspreche. Sie habe bei der Staatsoper außerdem nicht als Sekretärin, sondern als Billeteurin gearbeitet, und zwar bis September 2018 und nicht, wie im Gutachten falsch angeführt, bis September 2020. Diese Stelle bei der Staatsoper sei - entgegen den Angaben von Dr. Dok2 - nicht ihre "letzte berufliche Tätigkeit" gewesen, wie aus dem anliegenden Versicherungsdatenauszug, den sie am bei der Begutachtung Dr. Dok2 ebenfalls in Kopie überlassen habe, hervorgehe. Ihre letzte berufliche Tätigkeit sei jene als Ladnerin in einer Textilreinigungsfirma bis September 2020 gewesen. Ihre gescheiterten Arbeitsversuche seien nicht erwähnt worden. Aus dem Versicherungsdatenauszug gehe auch hervor, dass bisher alle von ihr in den Jahren 2017 bis 2020 unternommenen Arbeitsversuche bzw. die Eingliederung ins Erwerbsleben nach relativ kurzer Zeit gescheitert seien, was im SV-Gutachten von Dr. Dok2 nicht erwähnt werde. Nach dem Abschluss der AHS sei sie vom bis in der Staatsoper Wien geringfügig als Billeteurin tätig gewesen. Sie habe die Stelle nach einem Jahr gekündigt, da sie durch ihre Sozialphobie den Job nicht mehr ausführen habe können bzw. sich durch den Kundenkontakt ihre Angst, Depression und der Drogenkonsum verstärkt hätten. Da ihr Vater in der Staatsoper arbeite und ihr diesen Job vermittelt gehabt habe und es ihm sehr wichtig gewesen sei, dass sie diesen weiterführe, habe sie ein Jahr durchgehalten, obwohl sie schon nach kurzer Zeit bemerkt gehabt habe, dass sie dieser psychisch sehr überfordere. Danach sei sie für
- 15 Tage als Verkäuferin bzw. im Lager eines Bekleidungsgeschäftes tätig (13. September bis ,
- 5 Tage als Telefonistin in einem Call-Center (14. Jänner bis ) und schließlich
- 6 Monate bis als Ladnerin in einer Putzerei tätig gewesen (Einkommensteuerbescheid von 2020 anbei).

Sie habe alle Arbeitsstellen aufgrund ihrer Angsterkrankung, Depression, Müdigkeit und Substanzabhängigkeit (verbunden mit häufigen, sehr starken Magen- und Harnblasenschmerzen) aufgeben müssen bzw. verloren, da sich die Symptome durch Stress, Kundenkontakt usw. jeweils sehr verstärkt hätten (Verweis auf den Befund der Klinik Landstraße vom bezüglich Magenleiden - V.a. Gastritis acuta und GERD.)

Bei ihrer letzten Stelle als Ladnerin bei der Firma A. (Textilreinigung) habe sie aufgrund ihrer Erkrankung die Kündigungsfrist nicht einhalten können bzw. habe sie aus psychischen Gründen die Arbeit nicht länger fortführen können. Durch den vorzeitigen Austritt am habe sie für einen Monat kein Arbeitslosengeld erhalten.

Das dbzgl. Schreiben des AMS vom sowie eine Therapiebestätigung der ABC. Drogenberatungsstelle vom und sende sie anbei.

Unter Pkt. 3.3. Anmerkung zur Erwerbsunfähigkeit - durch M. (Mutter) schreibt diese wörtlich:

"Die wenigen in den letzten 6 Jahren - seit ihrem Schulabgang im Okt. 2016 - teilweise nur sehr kurze Zeit anhaltenden Arbeitsversuche meiner Tochter, ***Bf1***, dokumentieren, dass zwar Versuche einer Eingliederung ins Erwerbsleben über längere Zeit unternommen wurden, aber gescheitert sind respektive, dass keine Erwerbsfähigkeit vorliegt!

Soweit mir bekannt ist, stellt das bloße bestehen mehrerer Dienstverhältnisse, unabhängig von der Frage, wie lange das Dienstverhältnis gedauert hat und welche Tätigkeit dort ausgeübt worden ist, keine ausreichende Grundlage für die Feststellung dar, dass keine Erwerbsunfähigkeit vorliegt bzw. dass diese erst nach dem 21. Lebensjahr eingetreten ist.

Wie durch den anliegenden Versicherungsdatenauszug vom dokumentiert, waren die Beschäftigungsverhältnisse meiner Tochter nur von kurzer Dauer.

Insgesamt hat sie lediglich nicht ganz 19 Versicherungsmonate erworben.

Meine Tochter Bf1 war bis dato leider NICHT imstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen bzw. sich ohne staatliche Zuschüsse oder meine finanzielle Unterstützung zu erhalten.

Ihr war es bisher nicht möglich durch ihre Arbeitsleistung Einnahmen zu erzielen, die ausreichen, um ihre eigenen bescheidensten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Das höchste Jahreseinkommen, das Bf1 jemals erzielt hatte, war jenes im Jahr 2020 - laut Einkommensteuerbescheid von 2020 Eur 6.926,67 (inkl. Krankengeld).

Bf1 hat bis Februar 2019 bei mir (in meiner Wohnung in Gasse, Wien) gelebt. Um dies zu belegen, füge ich den Meldezettel meiner Tochter vom Februar 2019 bei.

Meine Tochter hat ab März 2019 bis dato verschiedene Sozialleistungen bezogen (Mindestsicherung, Mietbeihilfe, Wohnbeihilfe sowie Krankengeld und Rehabgeld - betreffende Bescheide anbei) - sowie von mir finanzielle Hilfe in Form von Bargeld sowie Gutscheinen für Lebensmittel usw. erhalten).

Um dies zu belegen, finden Sie anbei Bescheide zum Bezug von:

bis (inkl. Mietbeihilfe)
bis
bis

- Mindestsicherung / MA40
- Wohnbeihilfe/ MA50
- Krankengeld / ÖGK
- Rehabgeld / PVA bzw. ÖGK bis dato

Im anliegenden SV-Gutachten vom , das im Auftrag des Finanzministeriums eingeholt worden ist, wird noch 11 Monate vor dem erneuten Gutachten bzw. entgegen dem Gutachten von Hm Dr. Dok2 vom - auf Seite 4 bestätigt, dass Bf1 voraussichtlich dauernd außerstande sein wird, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen und dass derzeit nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen ist:

"Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA"

Der anliegende neurologische Befund von Dr. G. vom belegt ebenfalls dass weiterhin keine Arbeitsfähigkeit gegeben ist und Bf1 sich nicht selbst den Unterhalt verschaffen kann:

"Bei anhaltender Depressio/psychischer Instabilität bzw. komplexer psychiatrischer Multimorbidität weiterhin keine Arbeitsfähigkeit gegeben.... Es besteht eine dauerhafte Beeinträchtigung sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. "

3.4. Anmerkung zum Erkrankungsbeginn - durch M. (Mutter)

Meine Tochter war schon als Kind bzw. während ihrer Schulzeit psychisch erkrankt (was durch die oben erwähnten, beiliegenden Befunde belegbar ist) und hätte vermutlich die AHS-Matura ohne viel elterliche Unterstützung und Nachhilfeunterricht nicht geschafft.

Bf1 hatte, wie auch aus dem beiliegenden Befund von Herrn Dr. G. vom hervorgeht ("Substanzabhängigkeit seit 14. Lj.".), im Maturajahr 2016 bereits eine mehrjährige Drogenerkrankung hinter sich. Auch das Studium hat meine Tochter wegen ihrer psychischen Erkrankung abgebrochen bzw. nur eine einzige Prüfung abgelegt. Anbei finden Sie hierzu ein Zeugnis der Uni Wien vom SS 2017, sowie eine Bestätigung der FÄ für Neurologie, Frau Dr. C. vom , dass Bf1 "aus gesundheitlichen Gründen seit Okt 2017 nicht studieren kann"

Frau Dr. C. hat Bf1 am auch ein Rezept für Zyprexa ausgestellt (anbei).

Anbei die Bestätigung des Finanzamts über die Beendigung der Auszahlung der Familienbeihilfe vom April für 2018.

Des weiteren sende ich hiermit Befunde zu zwei Notaufnahmen im AKH Wien sowie internistische Befunde von Fr. Dr. U. und Hm. Dr. V. von Jänner und Februar 2017. Bf1 hatte damals gehäuft Herzrasen und Herzstechen sowie das Gefühl keine Luft zu bekommen bzw. Panikattacken.

Aufgrund der komplexen psychischen Erkrankung (inkl. Ketaminabhängigkeit) ist es leider trotz intensiver Psychotherapie ab Sept- 2020 (ABC. und GHI.) sowie medikamentöser Behandlung (FA für Neurologie und Psychiatrie, Dr. G. G., Wien, seit ) bis dato zu keiner Besserung der- Symptomatik gekommen, was auch im Befund von Herrn Dr. G. bestätigt wird (1. Absatz "keine relevante Besserung").

Ich kann ebenfalls bestätigen, dass meine Tochter die Wohnung kaum verlässt, sehr antriebslos ist, sich nicht selbständig um ihre Bürokratie kümmern kann, die Wohnung nicht aufräumt, wichtige Arzttermine und Treffen mit mir kurzfristig absagt, häufig telefonisch nicht erreichbar ist usw. Die Problematik hat sich wahrscheinlich auch durch die Coronakrise und mein Brustkrebsrezidiv (Diagnose Anfang 2020, 2 Ops, Chemo- und Strahlentherapie) bzw. die damit verbundenen Sorgen um mich verschärft.

Von bis hat meine Tochter eine Psychotherapie bei ABC. DEF., Sucht- und Drogenberatung für Jugendliche, in Wien, Psychotherapeutin Frau Mag. W., gemacht (Bestätigung anbei).

Seit bis dato befindet sich meine Tochter laufend und regelmäßig in medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung (Psychotherapeutin Fr. Mag. P.) beim Verein GHI., JKL., in Wien (Bestätigung vom anbei).

Auch bzgl. der Psychotherapien habe ich Herrn Dr. Dok2 Bestätigungen vorgelegt.

Unter Punkt 4.1. "Beantragung 5 Jahre rückwirkend ab Antragstellung" brachte die Bf vor, dass der Antrag ab Oktober 2020 abgewiesen worden sei. Sie habe den Antrag auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe am gestellt. Gemäß § 10 Abs 3 FLAG 1967 würden die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind höchstens für 5 Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. Fünf Jahre rückgerechnet von Beginn des März 2021 sei März 2016.

Aus den mit Formularen Beih1 und Beih3 am gestellten Anträgen sei zu schließen, dass Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag ab dem Zeitpunkt des Eintrittes der erheblichen Behinderung, den der medizin. Sachverständige feststellt, im Höchstmaß von rückwirkend 5 Jahren ab Antragstellung beantragt worden sei. Für den Zeitraum "ab Oktober 2020" weise der Bescheid ein Anbringen ab, welches gar nicht gestellt worden sei.

Sie ersuche um Aufhebung der Abweisung der Familienbeihilfe sowie erhöhten Familienbeihilfe, da die Behinderung bereits vor dem 21. Lebensjahr bestanden habe und Versuche einer Eingliederung ins Erwerbsleben über längere Zeit unternommen worden, aber gescheitert seien. Sie sei bis dato nicht imstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen bzw. sich ohne staatliche Zuschüsse oder finanzielle Unterstützung durch ihre Mutter zu erhalten.

Weiters übermittelte die Bf den Bescheid der MA 40 vom , GZ. 123, zur Neubemessung der Mindestsicherung.

Aktengutachten des Sozialministeriumservice vom

Dr. Dok3, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, erstellte folgendes Gutachten:

Anamnese:
Aktengutachten FLAG
Substanzabhängigkeit, depressives- und ängstliches Syndrom, Essstörung, Zwangsstörung, 50%, unterer Rahmensatz bei deutlicher psychopathologischer Instabilität unter jedoch erst rezent etablierten adäquaten Behandlungsbedingungen. Therapeutische Reserven medikamentös nicht ausgeschöpft. Bislang keine stationär-psychiatrische Behandlung Erwerbsunfähigkeit: Ja, seit 10/2020 (Rückdatierung ab fachärztlich - psychiatrischen Befundbericht Dr. G. () möglich:

Die AW erscheint im Beisein ihrer Mutter, frei gehend, macht einen freundlichen, jedoch zurückgezogenen, schüchternen, stillen Eindruck, Ausweis mit Behindertenpass 50%

Derzeitige Beschwerden:

Sozialanamnese:
wohnt bei ihrem Freund, Volksschule, Gymnasium, Matura, hätte mit 14 schon zu kiffen begonnen, mit 15 synthetische Drogen, hat dann maturiert, 1/2 Jahr studiert, jedoch abgebrochen, dann 1 Jahr Benzo-Missbrauch, ist derzeit in Reha-Geld, die Mutter sei krebskrank, das würde zusätzlich belasten, der Vater unverlässlich, hätte selbst Drogen genommen, würde trinken und sei eher egozentrisch

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
mitgebracht:
Dr. G. G., FA Neurologie/Psychiatrie

depressive Verstimmung mit Antriebslosigkeit, Substanzenabhängigkeit, aktuell keine suicidale Einengung, Affekt im negativen Skalenbereich.

Diagnose: Verdacht auf selbstunsichernde/vermeidende Persönlichkeitsentwicklung, Substanzabhängigkeit, Essstörung, posttraumatische Belastungsstörung, psychische und Verhaltensstörung bei multiplen Substanzgebrauch/ Abhängigkeitssyndrom, Zwangsstörung

Procedere: Reha-Geld weiter, der Grad der Behinderung wird unter Berücksichtigung der psychiatrischen Diagnosen nicht verbesserbar sein

Medikation: Sertralin, Novalgin

gleicher Inhalt wie
Bestätigung GHI., Suchthilfe,
Betreuungsgespräch
PVA,
Nachweis Psychotherapie mit , laufend bis
WGKK Psychotherapie Bestätigung für das Jahr 2006
Fachärztliche Bestätigung Dr. FB, 2011
Neurologischer Befund Dr. S.,
St. p. Panikattacken, Spannungskopfschmerz
anamnestisch HWI
Befundbericht Dr. C.,
Akute Belastungsreaktion, Z.n. Influenza A Infektion und Perikarderguss 12/2016
Klinisch psychologische Untersuchung, Praxis X.,
Abhängigkeitssyndrom, kombinierte Persönlichkeitsstörung, rezidivierend depressive und gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, sonstige Essstörung
GHI.,
seit in medizinischer und psychotherapeutischer Betreuung
Seelische Gesundheit Simmering, 31.5.-
Phase 2 - Abhängigkeitssyndrom, Verdacht auf ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung, rezidivierend depressive Störung, Sozialphobie, sonstige Essstörung, Zwangsstörung, posttraumatische Belastungsstörung .... zeigten in Rücksprache mit dem multiprofessionellen Team, dass eine ambulante Rehabilitation zu diesem Zeitpunkt nicht das passende Angebot darstellt
Dr. FB,
Migräne

Nachgereichte Befunde:
Anmerkung des Gutachters: es werden nur medizinische Befunde aufgelistet, die bei der aktuellen Begutachtung noch nicht vorliegend waren
WGKK, 4. Quartal 2006, 2. Quartal 2011, 3. Quartal 2011
Bestätigung für ambulante Psychotherapie im Jahr 2006
Fachärztliche Betreuung bei Dr. FB 2. Quartal 2011, 3. Quartal 2011
Klinisch psychologische Untersuchung Mag. X.,
.... zeigt sich im Vergleich zum ersten Untersuchungszeitpunkt eine deutliche Verschlechterung der Befindlichkeit. Bf1 leidet unter Albträumen und panikartigen Ängsten. Sie zeigt ein durch Angst geprägtes Verhalten im Alltag,
Universität Wien, Zeugnis ***Bf1***, Sammelzeugnis Bachelor-Studium Musikwissenschaft, von , Note 3
Notfallambulanz AKH,
kommt wegen Schmerzen im Halsbereich links, bei Internistin Hinweis auf Myokarditis in Behandlung, angeblich geringer Perikarderguss zusätzlich Herzstechen
Labor nicht gewollt, morgen ad Internistin zur Befundbesprechung
Patientenbrief Dr. Gudrun ... (nicht leserlich), Zustand nach fieberhaften Infekt mit Fatigue-Syndrom, Verdacht auf abgelaufene Begleitmyokarditis, latente Hypothyreose, Hypertonie
Befundbericht Dr. AG, Innere Medizin,
Z.n. influenza A
Befundbericht Dr. C., FA Neurologie,
....bestätige hiermit, dass sie aus gesundheitlichen Gründen seit Anfang Oktober 2017 nicht studieren kann
Klinik Landstraße, Erstuntersuchung,
Verdacht auf Gastritis acuta, Verdacht auf GERD
Mag. W., ABC.,
.. dass Bf1 E am zu einem Erstgespräch für Psychotherapie in unserer Beratungsstelle war; ... leidet an einer Depression mit begleitendem Drogenabusus
Dr. G. G., FA Neurologie/Psychiatrie,
Diagnose: Substanzabhängigkeit, posttraumatische Belastungsstörung, depressive Reaktion, Sozialphobie
Procedere: ad Fachambulanz zur Besprechung der Optionen betreff Ketaminentzug (Rudolfstiftung), Sertralin 50mg erhöhen bei massiver psychischer Instabilität bis auf weiteres keine Arbeitsfähigkeit gegeben
depressive Verstimmung mit sozialer Rückzugstendenz, Antriebslosigkeit, vernachlässigt den Haushalt, besonders ausgeprägt seit ca 1 Jahr, fehlendes Selbstbewußtsein, Substanzabhängigkeit seit 14 LJ, Diagnose posttraumatische Belastungsstörung/Angststörung und depressive Reaktion wurde 2007 gestellt, Panikzustände in Remission, Ketaminabusus seit 1 Jahr, Drogenanamnese: Speed, Extasy
GHI.,
... befindet sich seit in medizinischer und psychotherapeutischer Behandlung
Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid,
.... da ich bereits vor dem 21. Geburtstag erkrankt bin und ich meine Ausbildung/Studium 2017 aus gesundheitlichen Gründen abbrechen musste. Ich habe bereits ab dem Jahr 2006, also ab meinem 7. Lebensjahr psychotherapeutische Behandlung beansprucht... anbei die Vertragspartnerlisten der WGKK 2006 und 2011 sowie der PVA 2005 bis 2009. Der neurologische Befundbericht Dr. G., , erster Absatz: Substanzabhängigkeit seit dem 14. Lebensjahr, Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung/Angststörung und depressive Reaktion wurden 2007 gestellt.
Befundbericht Mag. X.,
Neurologischer Befund Dr. S., 2007
FB 2011
dr. C. 2017
Dr. C. - welcher belegt, dass ich meine Ausbildung/Studium ab Anfang Oktober 2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzen konnte ... bisher sind also alle- von mir unternommenen Arbeitsversuche bzw. die Eingliederung ins Arbeitsleben gescheitert
Gutachten Dr. Dok2, FLAG
GdB50%
EU vorliegend seit 10/2020, Arztbrief Dr. G.
ist voraussichtlich dauerhaft außerstande sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: Nein
Eine Erwerbsunfähigkeit liegt nicht vor, da Schulbesuch mit Matura, anschließend Studium (abgebrochen), Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt bis 9/2020 (Dienstverhältnis selbst beendet)

Frau ***Bf1*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA

Dies besteht seit: 03/2021

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die AW ist aufgrund der Einschränkungen resultierenden aus Leiden 1 in Ausdauer und Compliance nicht fähig sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Erwerbsunfähigkeit kann ab 03/2021 - Beginn Erhalt Rehabgeld. Diesbezüglich Abänderung im Vgl zum Vorgutachten 06/2022. Eine Erwerbsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt kann aufgrund der hierorts vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend begründet werden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Feststellungen:

Die Bf ist am 1998 geboren.

Sie lebt im gemeinsamen Haushalt mit dem Ex-Freund.

Die Maturaprüfung wurde im Oktober 2016 abgelegt. Im Sommersemester 2017 begann die Bf mit dem Bachelorstudium Musikwissenschaft. Das Studium wurde im September 2017 abgebrochen.

Laut Sozialversicherungsauszug vom arbeitete die Bf vom bis als geringfügig beschäftigte Angestellte und vom bis als Angestellte im Handel. Danach war sie arbeitssuchend gemeldet. Vom 3. Februar bis und vom bis war die Bf als Arbeiterin gemeldet. Vom bis bezog die Bf Krankengeld und seit bis laufend Rehageld.

Die Bf hat keinen Erwachsenenvertreter bzw. Erwachsenenvertreterin.

Bei der Bf bestand eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt beruht auf den von der Bf vorgelegten Befunden, den im Zuge des vorliegenden Verfahrens erstellten Gutachten des Sozialministeriumservice vom , und vom sowie aus dem Sozialversicherungsauszug vom .

Dr. G. schrieb in seinem psychiatrischen Befundbericht vom und vom , dass die Bf an einer depressiven Verstimmung mit sozialer Rückzugstendenz und Antriebslosigkeit leide; sie vernachlässige den Haushalt, habe Ängste und es fehle an Selbstbewusstsein. Die Bf sei seit dem 14. Lebensjahr substanzabhängig und habe Angststörungen. Eine depressive Reaktion sei 2007 festgestellt worden. Es bestehe eine massive psychische Instabilität. Bis auf weiteres sei keine Arbeitsfähigkeit gegeben.

Mag. X. stellte in ihrem psychologischen Befund vom die Diagnose "posttraumatische Belastungsstörung, Anpassungsstörung, Angst und depressive Reaktion gemischt."

Im psychologischen Befundbericht vom schrieb Mag. X., dass sich im Vergleich zum ersten Untersuchungszeitpunkt eine deutliche Verschlechterung der Befindlichkeit der Bf zeige. Bf1 leide unter Albträumen und panikartigen Ängsten. Sie zeige ein durch Angst geprägtes Verhalten im Alltag und diagnostizierte der Bf ein Abhängigkeitssyndrom, Angst- und depressive Störung gemischt und eine Essstörung. Weiters äußerte sie den Verdacht auf selbstunsicher/vermeidende Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Es würden schon immer sozialphobische Ängste bestehen. Seit 1 Jahr diesbezügliche Verschlechterung.

Dr. S. stellte in ihrem neurologischen Befand vom bei der Bf Panikattacken fest.

Dr. C., FA für Neurologie, stellte bei der Bf im Befund vom eine akute Belastungsreaktion fest.

Dr. S., FA für Kinder- und Jugendheilkunde, diagnostizierte in ihrem Befund vom Panikattacken und Spannungskopfschmerz.

Dr. C., FA für Neurologie, schrieb in ihrem Befundbericht vom , dass die Bf an einer akuten Belastungsreaktion leide.

Laut Befundbericht von Dr. C., FÄ f. Neurologie, vom , konnte die Bf ihr Studium ab Anfang Oktober 2017 aus gesundheitlichen Gründen nicht fortsetzten.

Nachgewiesen wurde eine Psychotherapie mit , laufend bis .

Weiters wurde eine WGKK Psychotherapie Bestätigung für das Jahr 2006 vorgelegt.

Die von der Bf vorgelegten relevanten Befunde flossen bei den Sachverständigen im Sozialministeriumservice in die Begutachtung ein.

Dr.in Dok1, Fachärztin für Allgemeinmedizin, reihte die Erkrankungen der Bf unter die Pos. Nr. (Begründung der Rahmensätze: Substanzabhängigkeit, Depressives- und ängstliches Syndrom, Essstörung, Zwangsstörung, Unterer Rahmensatz bei deutlicher psychopathologischer Instabilätit unter jedoch erst rezent etablierten adäquaten Behandlungsbedingungen. Therapeutische Reserven medikamentös nicht ausgeschöpft. Bislang keine stationär-psychiatrische Behandlung) mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 %.

Der Bf wurde eine Erwerbsunfähigkeit ab Oktober 2020 bescheinigt und die Feststellung damit begründet, dass eine Rückdatierung ab dem fachärztlichen psychiatrischen Befundbericht von Dr. G. vom möglich sei.

Dr. Dok2, Facharzt für Psychiatrie, reihte die Erkrankungen der Bf im Gutachten vom unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung (Begründung der Rahmensätze: Kombinierte Persönlichkeitsstörung, Substanzabhängigkeit, rez. Depressive Strg., Essstörung, unterer Rahmensatz, da ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung).

Dr. Dok2 bescheinigte der Bf mit der Begründung keine Erwerbsunfähigkeit, dass ***Bf1*** die Schule mit Matura abgeschlossen habe und danach mit einem Studium begann, das abgebrochen worden sei. Danach habe sie am allgemeinen Arbeitsmarkt bis September 2020 gearbeitet und das Dienstverhältnis selber beendet.

Dr. Dok3, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, reihte die Erkrankungen der Bf im Aktengutachten vom unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung (Begründung der Rahmensätze: kombinierte Persönlichkeitsstörung, Substanzabhängigkeit, rezidivierend depressive Störung, Essstörung, posttraumatische Belastungsstörung, unterer Rahmensatz, da ernsthafte und durchgängige Beeinträchtigung, ambulant führbar).

Dr. Dok3 traf die Feststellung, dass eine Erwerbsunfähigkeit seit März 2021 besteht.

***Bf1*** sei aufgrund der Einschränkungen resultierend aus Leiden 1 in Ausdauer und Compliance nicht fähig sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Erwerbsunfähigkeit könne ab März 2021 - Beginn Erhalt Rehabgeld - bescheinigt werden. Diesbezüglich Abänderung im Vergleich zum Vorgutachten 06/2022. Eine Erwerbsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt könne aufgrund der hierorts vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend begründet werden.

Das BFG gelangt aus den nachstehend angeführten Gründen zum Ergebnis, dass die in den drei Gutachten getroffene übereinstimmende Feststellung, wonach bei der Bf eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht vor Vollendung des 21. Lebensjahres bestanden hat, mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht.

Auf die Art der Leiden und deren Ausmaß wurde ausführlich eingegangen.

Die von der Bf vorgelegten relevanten Befunde sind bei den Begutachtungen im Sozialministeriumservice in die Beurteilung eingeflossen und stehen nicht im Widerspruch zu den gutachterlichen Beurteilungen.

Ein Arzt kann die Beeinträchtigung durch eine Erkrankung bzw. Behinderung naturgemäß nur zum Zeitpunkt der Untersuchung mit Sicherheit feststellen und eine Einschätzung über Zeiträume, die bereits mehrere Jahre zurückliegen, in den meisten Fällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in aller Regel nur bei Vorliegen von relevanten Befunden vornehmen.

Wenn Dr. Dok1 eine Erwerbsunfähigkeit ab Oktober 2020 festgestellt und diese Rückdatierung aus dem psychiatrischen Befundbericht von Dr. G. vom abgeleitet hat, ist das Gutachten dadurch nicht unschlüssig.

Wenn Dr. Dok2 bei der Bf keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr festgestellt hat, weil die Bf die Schule mit Matura abgeschlossen und danach ein Studium begonnen und bis September 2020 Tätigkeiten am allgemeinen Arbeitsmarkt verrichtet hat und die Befunde von Mag. X. vom als nicht relevant eingestuft hat, kann dadurch seinem Gutachten die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden.

Schließlich stellte Dr. Dok3 bei der Bf die Erwerbsunfähigkeit erst ab März 2021 fest (= Erhalt von Rehageld). Eine Erwerbsunfähigkeit vor diesem Zeitpunkt könne aufgrund der vorliegenden Unterlagen nicht ausreichend begründet werden.

Die Inanspruchnahme von psychotherapeutischen Behandlungen im Kindesalter (2005 bis 2008 sowie 2007 bis 2010) ließen für die Sachverständigengutachter im Sozialministeriumservice auch keinen Rückschluss auf eine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr zu, da eine psychotherapeutische Behandlung im Kindesalter nicht bedeutet, dass zu dieser Zeit bereits eine Erkrankung in einem Maß vorgelegen ist, demzufolge von einer Erwerbsunfähigkeit gesprochen werden kann.

Ein Gutachten ist auch nicht deshalb unschlüssig, wenn der Sachverständige für seine Feststellung, wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, nur relevante Befunde heranzieht bzw. seine Feststellungen nur auf bestimmte Unterlagen, zB auf einen Pensionsbescheid etc., stützt.

Das Gericht erachtet die in den drei Gutachten getroffene Feststellung, dass bei der Bf keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr eingetreten ist, nach eingehender Befassung mit den von der Bf vorgelegten Befunden und den drei Gutachten des Sozialministeriumservice als mit einer an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als den Tatsachen entsprechend. Die Gutachten sind für das Gericht schlüssig und nachvollziehbar und besteht in der zentralen Beurteilung (Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 21. Lebensjahr) auch kein Widerspruch.

Da sich die Bf ab Oktober 2017 nicht in Berufsausbildung befand und keine Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr bescheinigt wurde, stand ihr weder die Familienbeihilfe noch der Erhöhungsbetrag zu.

Rechtliche Beurteilung

Gesetzliche Grundlagen:

Nach § 6 Abs 2 lit. d FLAG 1967 steht einem volljährigen Kind die Familienbeihilfe zu, wenn es wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (wegen einer erheblichen Behinderung voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist).

§ 8 Abs 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gutachten:

Allgemeines:

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Erhöhte Familienbeihilfe:

Bescheinigung des Sozialministeriumservice:

Nach den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: FA) eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Demgemäß werden bei der Feststellung, ab welchem Zeitpunkt ein bestimmter Grad der Behinderung bzw. ab wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, von den sachverständigen Ärzten des Sozialministeriumservice neben der Anamnese, den Untersuchungsergebnissen und dem ärztlichen Erfahrungswissen die von den Antragstellern vorgelegten Befunde herangezogen.

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Anwendung der Richtsatzverordnung:

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bei volljährigen Personen:

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht. Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern, denen nicht schon aus anderen Gründen als aus dem Titel der Behinderung der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht, der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 21); ; ; ).

Feststellbarkeit des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit:

Die Schwierigkeit, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit einem bestimmten Zeitpunkt festzulegen, besteht darin, dass Erkrankungen zwar bereits seit Geburt vorliegen (können) oder im Kindes- und Jugendalter auftreten, jedoch erst viele Jahre später ein Ausmaß erreichen, welches zu einer Erwerbsunfähigkeit führt.

Auch der Konsum von psychotropen Substanzen - wie im vorliegenden Fall - führt je nach Häufigkeit der Einnahme zu langfristigen gesundheitlichen oder psychischen Problemen, welche zur Erwerbsunfähigkeit führen können.

Wann genau der Eintritt der Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, lässt sich immer nur mit großer Wahrscheinlichkeit, aber nie mit absoluter Sicherheit feststellen und ist daher die Vorlage von relevanten Befunden unbedingt erforderlich.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , Ra 2014/16/0010, ausgesprochen, dass es bei volljährigen Kindern weder auf den Zeitpunkt ankommt, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu irgendeiner Behinderung führt, sondern dass der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem diejenige Behinderung (als Folge einer allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt. Mithin komme es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußere, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führe. Maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintrete, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirke (vgl. auch ).

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigen-gutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind:

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen bzw. richterlichen Beweiswürdigung.

Das FA und das BFG sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Eine Abweichung von den Gutachten ist nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung möglich (vgl. ).

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften:

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Eine Mitwirkungspflicht ist gerade in den Fällen wichtig und unerlässlich, in denen der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit von Personen gestellt wird, die (erheblich) älter als 21 bzw. 25 Jahre alt sind.

Die Vorlage von "alten" bzw. relevanten Unterlagen (Befunden, Bestätigung über Spitalsaufenthalte und Therapien etc.) seitens des Antragstellers bzw. der Antragstellerin ist gerade dann wichtig bzw. unerlässlich, wenn ein Sachverständiger rückwirkend den Zeitpunkt festzusetzen hat, seit wann ein bestimmter Behinderungsgrad vorliegt oder wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Gelingt ihm dies nicht, etwa wenn relevante Befunde fehlen oder vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin, warum auch immer, nicht vorgelegt werden (können), können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache auch darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern.

Zusammenfassend wird festgestellt, dass in Ansehung der Tatsache, dass einerseits der Eintritt der dauernden Erwerbsunfähigkeit in schlüssiger Art und Weise durch die obigen Gutachten zu einem, nach der Vollendung des 21. Lebensjahr gelegenen Zeitpunkt festgelegt wurde, und andererseits die dauernde Erwerbsunfähigkeit auch nicht während einer späteren Berufsausbildung eingetreten ist, dem Antrag der Bf auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag keine Berechtigung zukommt.

Bemerkt wird, dass das BFG nur über den im Erstbescheid von der belangten Behörde im Spruch angeführten Zeitraum (ab Oktober 2020) absprechen kann, da der Beschwerdezeitraum insoweit festgelegt wurde.
Sollte auch für weiter zurückliegende Zeiträume die Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag beantragt worden sein (nach dem Vorbringen der Bf ab März 2016), wird das Finanzamt darüber abzusprechen haben.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich bereits aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.


Die Beschwerde war daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at