Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 17.06.2011, RV/1316-L/09

Sanierung der Terrasse und Zufahrt zum Pool für einen Rollstuhlfahrer keine außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Dr.H., vertreten durch Staudinger & Partner WTH u. STBER GmbH, 4020 Linz, Brucknerstraße 3 - 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Die Abgabepflichtige reichte ihre Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 beim Finanzamt elektronisch ein und beantragte ua. außergewöhnliche Belastungen unter dem Titel "zusätzliche Kosten" der KZ 476 mit einem Betrag von 11.343,62 €.

Mit Vorhalt vom wurde die Abgabepflichtige aufgefordert, diese geltend gemachten Kosten belegmäßig nachzuweisen.

Aus der vorgelegten Rechnung geht hervor, dass es sich bei der außergewöhnlichen Belastung um eine behindertengerechte, barrierefreie Verlegung von Naturstein handelt.

Im Einkommensteuerbescheid 2008 vom wurde die außergewöhnliche Belastung in Höhe von 11.343,62 € nicht berücksichtigt und begründend ausgeführt:

Die von Ihnen geltend gemachten Aufwendungen seien weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen und daher keine außergewöhnliche Belastung iSd Einkommensteuergesetzes. Eine "Belastung" liege nur dann vor, wenn Ausgaben getätigt werden, die zu einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigem Wertverzehr, somit zu einer Vermögensminderung führen würden. Bloße Vermögensumschichtungen würden nicht zu einer außergewöhnlichen Belastung führen. Keine bloße Vermögensumschichtung läge jedoch vor, wenn Sachen angeschafft würden, die wegen ihrer Beschaffenheit (wie zB Rollstühle) oder ihrer individuellen Gebrauchsmöglichkeit (wie zB Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) keinen oder nur einen eingeschränkten Verkehrswert haben würden (vgl. Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG 1988, § 34 Anm 11-12, Doralt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, Tz 20 zu § 34 EStG 1988, sowie die dort zitierte Judikatur).

Mit Schreiben vom wurde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 Berufung erhoben und eingewendet:

Die Berufung richte sich gegen die Nichtanerkennung der außergewöhnlichen Belastung in Höhe von 11.343,62 €. Die geltend gemachten Kosten beträfen die Sanierung des Zugangsbereiches bzw. die Umrandung des Schwimmbeckens. Die Berufungswerberin (Bw.) sei aufgrund eines Unfalles querschnittgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Laut Bestätigung von Primar Dr. L. sei Unterwassertherapie und Wassergymnastik für die Verbesserung des Zustandes der Bw. notwendig. Der Zugangsbereich bzw. die Terrasse und die Poolumrandung hätten sich im Laufe der Zeit bis zu 10 cm abgesenkt, daher sei die Befahrung dieses Bereiches für die Bw. nicht mehr zumutbar gewesen, da die Gefahr bestanden habe, dass der Rollstuhl hängen bleibe bzw. umkippe. Aus diesem Grund sei der gesamte Bereich saniert worden. Dadurch sei die Befahrung mit dem Rollstuhl für die Bw. wieder möglich geworden. Wäre die Bw. aufgrund ihrer Querschnittlähmung nicht an den Rollstuhl gefesselt, wäre eine Sanierung nicht notwendig gewesen. Die Sanierung sei nur durchgeführt worden um der Bw. die Möglichkeit der Poolnutzung zu ermöglichen. Es sei die Sanierung des Poolbereiches gleichzusetzen mit der behindertengerechten Gestaltung von Wohnraum. Der VwGH habe in seinem Erkenntnis 92/14/0172 die rollstuhlgerechte Adaptierung als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die durchgeführte Sanierung habe zu einer echten Vermögensverminderung und somit Belastung geführt. Durch die Sanierung liege keine echte Wertsteigerung vor. Die Sanierung sei nur notwendig gewesen, um der Bw. die Befahrung mit dem Rollstuhl und die Nutzung des Pools für Unterwassertherapie und Wassergymnastik gefahrenfrei zu ermöglichen. Es handle sich um keine Neugestaltung, sondern ausschließlich um die Sanierung der vorhandenen Flächen um eine rollstuhlgerechte Befahrung zu ermöglichen. Aus diesem Grunde werde beantragt, die Sanierungskosten als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wobei eine prozentuelle Aufteilung der Sanierungskosten in privat veranlasst und außergewöhnliche Belastung vorstellbar sei. Eine Aufteilung von 2/3 als außergewöhnliche Belastung und 1/3 als privat veranlasst sei denkbar, wobei festgehalten werde, dass die Sanierung nur für die rollstuhlgerechte Befahrung notwendig gewesen sei und bei normalem Gesundheitszustand keine Sanierung durchgeführt worden wäre.

Für den Unabhängigen Finanzsenat ist folgender Sachverhalt maßgeblich: Die Bw. hat eine 80%-ige Erwerbsminderung und ist zu ihrer Fortbewegung auf einen Rollstuhl angewiesen. Die Terrasse, der Zugangsbereich zum Schwimmbad und die Poolumrandung haben sich im Laufe der Zeit bis zu 10 cm abgesenkt. Um der Bw. eine gefahrenlose Zufahrt zum Schwimmbecken für die Unterwassertherapie und Wassergymnastik zu ermöglichen, wurde dieser Bereich saniert und 11.343,62 € als außergewöhnliche Belastung beantragt. Aus der im Akt befindlichen Rechnung und den Fotos geht hervor, dass mit der Sanierung die Neuverlegung von Natursteinen gemeint ist.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist im gegenständlichen Verfahren die Frage, -ob Aufwendungen für die Sanierung der Terrasse, des Zuganges zum Schwimmbad sowie der Poolumrandung [= Altbestand] - um diese gefahrenlos mit dem Rollstuhl befahren zu können - eine außergewöhnliche Belastung darstellen, oder -ob die Steinmetzarbeiten keine vermögensvermindernden Aufwendungen darstellen und daher von keiner außergewöhnlichen Belastung ausgegangen werden kann.

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben (§18 EStG) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4), wobei die genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

Als Grundregel bei der Beurteilung von als außergewöhnliche Belastungen bezeichneten Aufwendungen ist zu beachten, dass unter Belastung iSd § 34 Abs. 1 EStG nur vermögensmindernde Ausgaben zu verstehen sind, also solche, die mit einem endgültigen Verbrauch, Verschleiß oder sonstigem Wertverzehr verknüpft sind. Nur verlorener Aufwand ist berücksichtigungsfähig; soweit die Aufwendungen einen Gegenwert schaffen, sind sie keine "Belastung" ("Gegenwerttheorie", siehe hiezu Doralt, EStG, Tz 20 zu § 34, unter Hinweis auf die Entscheidungen des , und , 93/15/0171), da diesfalls eine bloße Vermögensumschichtung vorliegt. Zu Vermögensumschichtungen führen auch solche Aufwendungen, die für ein schon bestehendes, langlebiges Wirtschaftsgut des Steuerpflichtigen aufgewendet werden und objektiv geeignet sind, den Wert desselben nicht bloß kurzfristig zu erhöhen. Der Wertsteigerung muss längerfristiger Charakter dergestalt zukommen, dass sie auch noch für einen allfälligen Erwerber desselben Wirtschaftsgutes von Bedeutung ist (), er also das neu geschaffene Wirtschaftsgut bei seinen Kaufpreiserwägungen mit berücksichtigen würde. Die zur Schaffung des Gegenwertes führenden Umstände sind jedenfalls unbeachtlich (, und , 1161/80), sodass bei (An-)Schaffung langlebiger Wirtschaftsgüter mit allgemeinem Verkehrswert ein der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung entgegenstehender Gegenwert auch dann angenommen wird, wenn die (An-)Schaffung aufgrund einer Krankheit (oder einer Behinderung) erfolgt ().

Die Gegenwerttheorie und die These von der Vermögensumschichtung sind allerdings dann nicht anzuwenden, wenn das neu geschaffene Wirtschaftsgut im Wesentlichen nur eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit hat. Unter diese Ausnahmen fallen Wirtschaftsgüter, die nur für den eigenen Gebrauch angeschafft werden (zB Prothesen, Seh- oder Hörhilfen) oder die wegen ihrer spezifischen Beschaffenheit nur für Behinderte verwendet werden können (wie etwa Rollstühle) und keinen oder nur einen eingeschränkten Verkehrswert besitzen. Zwar hat der VfGH in seiner Entscheidung vom , B 785/02, betont, dass unter den Begriff "Hilfsmittel" iSd § 4 der Verordnung des BM f. Finanzen über außergewöhnliche Belastungen BGBl. 1996/303 auch Einrichtungsgegenstände und andere, der Ausgestaltung eines Gebäudes dienende und mit diesem fest verbundene, Wirtschaftsgüter subsumiert werden können, sofern diese ausschließlich für Behinderte konzipiert sind. Allerdings sieht der VfGH keinen Grund, der von der Rechtsprechung des VwGH entwickelten Gegenwerttheorie entgegenzutreten. Der Gegenwertgedanke könne lt. VfGH nur dann nicht greifen, wenn realistischerweise davon ausgegangen werden muss, dass bei einer unterstellten Verwertung eines Gebäudes die behinderungsbedingten Aufwendungen nicht abgegolten werden. Nur in diesen Fällen könne nicht von einer Schaffung eines Gegenwertes ausgegangen werden.

Bei angeschafften/hergestellten Sachen ist zu prüfen, ob diese über einen dem Teilwert (§ 6 EStG 1988) vergleichbaren allgemeinen Marktwert verfügen, dh. ob ein sich nicht in der Situation des Abgabepflichtigen befindlicher Erwerber hierfür einen angemessenen Preis zahlen würde. Beispielsweise ist ein in ein fünfstöckiges Mietwohnhaus eingebauter Aufzug werterhöhend, ein in ein Einfamilienhaus eingebauter nicht (vgl. Wanke in Wiesner, Atzmüller, Grabner, Leitner, Wanke, EStG, § 34 Tz 14 unter Bezugnahme auf ).

Im angeführten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wird zum Gegenwert wie folgt ausgeführt: "Zwar sind nach der Judikatur des VwGH (zB VwSlg. 5376 F/1979, und , 513/79) - der der VfGH nicht entgegentritt - solche Aufwendungen, die eine Vermögensumschichtung bewirken, nicht als außergewöhnliche Belastungen iSd § 34 EStG 1972 anzuerkennen; handle es sich um Aufwendungen für ein Haus, so liege kein verlorener Aufwand vor, wenn die Aufwendung geeignet ist, den Wert des Objektes auf Dauer zu erhöhen; die Motive der Aufwendungen haben außer Betracht zu bleiben. Die Behörde hat jedoch - auch unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des VwGH - das Gesetz denkunmöglich vollzogen, wenn sie die Meinung vertritt, dass die für den Einbau des Aufzuges im Zweifamilienhaus des Beschwerdeführers aufgewendeten Beträge eine Wertsteigerung dieses Hauses bewirkt haben. Ein solches einstöckiges Haus erfährt nämlich dann, wenn es über einen Aufzug verfügt, keine Werterhöhung; vielmehr stellt das Vorhandensein eines Aufzuges, der nur Raum wegnimmt und laufende Kosten verursacht, eher eine Wertminderung dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein potentieller Käufer in ähnlicher Weise wie der Beschwerdeführer körperbehindert ist und daher einen Aufzug dringend benötigt, ist derart gering, dass dieser Fall vernachlässigt werden kann."

Im vorliegenden Fall hat nun die Bw. die Verlegung von Bodenplatten im Terrassen- und Poolbereich veranlasst. Der Unabhängige Finanzsenat verkennt nicht, dass die Bw. verständlicherweise alles unternommen hat, um die zweifellos mit dem Gebrauch eines Rollstuhles vorhandenen Schwierigkeiten (Absenkung des Altbereiches bis zu 10 cm, unebene Oberflächen) zu minimieren, damit der Pool für die ärztlich empfohlene Therapie und Gymnastik benutzt werden konnte. Dessen ungeachtet können aber nur solche Aufwendungen steuerlich Berücksichtigung finden, die zu einer endgültigen Vermögensverminderung führen. Mit diesen Baumaßnahmen war indes kein endgültiger Verbrauch, Verschleiß oder Wertverzehr verknüpft, sondern führten diese vielmehr zu einem Gegenwert in Form eines - vorher zwar vorhandenen aber sanierungsbedürftigen - nunmehr natursteingepflasterten Terrassen- und Poolbereiches.

Für den Unabhängigen Finanzsenat ist evident und realistischerweise davon auszugehen, dass ein potentieller Erwerber des Gebäudes, selbst wenn dieser in seiner Mobilität nicht beeinträchtigt sein sollte, sehr wohl bereit wäre, für eine sanierte Terrasse, einen sanierten Poolzugang und einer sanierten Poolumrandung einen darauf entfallenden zusätzlichen Kaufpreisanteil zu bezahlen. Es ist jedenfalls auch davon auszugehen, dass durch den im Außenbereich der Liegenschaft verlegten Naturstein der Liegenschaftswert erhöht wurde.

Wenn die steuerliche Vertretung in der Berufung ins Treffen führt, es wäre die behindertengerechte Gestaltung von Wohnraum () mit der Sanierung des Terrassen- und Poolbereiches im gegenständlichen Fall vergleichbar, ist entgegenzuhalten, dass Aufwendungen für eine behindertengerechte Ausstattung bei einer unterstellten Verwertung des Gebäudes nicht abgegolten werden, und damit von der Schaffung eines Gegenwertes nicht ausgegangen werden kann (vgl. ). Dagegen stellen Aufwendungen für die Beseitigung der Absenkung sowie Schaffung ebener Flächen durch die Verlegung von Natursteinen im Außenbereich einen Wert dar, für die ein potentieller Erwerber des Gebäudes etwas zu zahlen bereit ist.

Insgesamt sieht sich der Unabhängige Finanzsenat mit einer bloßen Vermögensumschichtung konfrontiert, weil die vorgenommene Investition nach der Verkehrsauffassung auch für jeden - nicht körperbehinderten - potentiellen Erwerber der entsprechenden Liegenschaft einen werterhöhenden Nutzen besäße. Für diese Einschätzung spricht auch, dass auf der Rechnung neben der "behindertengerechten, barrierefreien Verlegung von Naturstein" zusätzliche Positionen, (die nicht als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht wurden) wie: "-liefern und versetzen einer Duschbodenplatte und liefern und verlegen einer Poolabdeckung" aufscheinen.

Das Vorliegen eines ausschließlich für die Bedürfnisse einer behinderten Person konzipierten und daher einen nur eingeschränkten Verkehrswert besitzenden Wirtschaftsgutes musste verneint werden. Dafür spricht auch, dass in der Berufung eine Aufteilung in eine außergewöhnliche Belastung und in eine private Veranlassung für denkbar gehalten wurde. Die Aufwendungen für die Sanierung des Terrassen- und Poolbereiches konnten nicht als außergewöhnliche Belastung Berücksichtigung finden.

An dieser Beurteilung vermögen auch die Einwendungen der Bw. nicht ändern, wonach ohne der gesundheitlichen Beeinträchtigung die betreffende Sanierung nicht notwendig gewesen und bei normalem Gesundheitszustand auch nicht durchgeführt worden wäre. Denn bei Anschaffung langlebiger Wirtschaftsgüter mit allgemeinem Verkehrswert wird ein der Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung entgegenstehender Gegenwert allerdings auch dann angenommen, wenn die Anschaffung aufgrund einer Krankheit erfolgt (vgl. Pützl, Außergewöhnliche Belastung und Gegenwerttheorie, ÖStZ 2003, 519 mwN).

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Linz, am

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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at