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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.05.2023, RV/7100904/2023

erhöhte Familienbeihilfe; in den drei erstellten Gutachten wurde übereinstimmend festgestellt, dass die psychische Erkrankung der Bf. zu keiner Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. Lebensjahr geführt hat

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde der Bf., Adresse, vertreten durch VertretungsNetz - Erwachsenenvertretung, Patientenanwaltschaft, Bewohnervertretung, 1100 Wien, Favoritenstraße 111/5.OG/Top14, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag ab September 2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf), geb. 1986, hat eine Erwachsenenvertretung.

Die Erwachsenenvertretung brachte namens der Bf beim Finanzamt (FA) am einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe und den Erhöhungsbetrag im Höchstausmaß von rückwirkend fünf Jahren ein und gab als Erkrankung/Behinderung "soziale Phobien, rezidivierende depressive Störung, Panikattacken" ein.

Die Bf wurde auf Grund des Antrages am von Dr. Dok1, Facharzt für Psychiatrie, untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
VGA 6/16: 30%, seit Jahren bestehen psychische Symptome, seit 2012 mit Unterbrechungen in Behandlung, seit 5/21 in Fa Behandlung bei Dr.
W. 1/Monat, keine Gesprächstherapie, stat. Aufenthalte 1.3.- Therapiezentrum Ybbs, Pflichtschulabschluss, Lehre abgebrochen, hat geringfügig gearbeitet

Derzeitige Beschwerden:
Panikattacken , Schlafstörungen, Depressio ,

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Duloxetin 90mg/d , Quetiapin 25mg

Sozialanamnese:
lebt alleine , AMS, kein Pflegegeld , Erwachsenvertretung

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
FÄ Dr.
W. : rez. Depressio, Agoraphobie mit Panikattacken, Komb. PEST, Panikattacken, PSD 12:: seit in regelmäßiger Behandlung: soz. Phobien, rez. Depressive Störung

Untersuchungsbefund:

Psycho(patho)logischer Status:
Zeitlich, örtlich zur Person ausreichend orientiert, Auffassung regelrecht, Antrieb vermindert, subjektiv kognitive Einschränkungen, Stimmung depressiv, Ängste, zeitweise Ein- und Durchschlafstörung, nicht produktiv, nicht suizidal eingeengt

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu- verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2014

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Die Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen ist gegeben, da höhergradige psychische Beeinträchtigungen vorhanden sind; welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen.

□ Dauerzustand
x Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Stabilisierung möglich"

Das FA legte die im Gutachten getroffenen Feststellungen seiner Entscheidung zu Grunde und wies den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig ist. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein. Diese Voraussetzungen würden bei der Bf. nicht zutreffen.

In der Beschwerde vom wurde vorgebracht, dass im Gutachten von Dr. L. vom , welches im Zuge des Erwachsenenschutzverfahrens erstellt worden sei, bei der Bf eine psychische Erkrankung im Sinne einer massiven Sozialphobie von krankheits - (psychose-) wertigem Ausmaß diagnostiziert worden sei. Die Sachverständige führe zudem aus, dass sich im Längsschnittverlauf der Beginn des Krankheitsbildes in der Adoleszenz zeige. Eine möglicherweise vorliegende prozesshafte Erkrankung (Schizophrenie) werde angedeutet.

Im Gutachten werde darauf hingewiesen, dass Probleme mit Menschenmengen und Mobbing bereits in der Schule aufgetreten wären. Die Schule habe die Bf. in der 6. Klasse abgebrochen.

Im Gutachten der PV vom , welches im Zuge der Beantragung von Pflegegeld und Berufsunfähigkeitspension erstellt worden sei, seien eine Angst und depressive Störung gemischt - schwergradig, mit soziophobischer Komponente und Verdacht auf Persönlichkeitsentwicklungsstörung, ICD-10: F61 erhoben worden. Im Gutachten werde auch erwähnt, dass Depressionen und Ängste seit dem Jugendalter und der Kindheit bestünden.

Ferner werde festgehalten, dass die Bf bei Dr. U. zwischen 2010 und 2012 erstmalig in Behandlung gewesen sei. Es würden auch Traumatisierungen in der Kindheit und in der Jugend betont.

Im Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, würden eine Depression, Panikattacken und eine kombinierte Persönlichkeitsstörung als Diagnosen angeführt.

Bei Frau Bf. bestünden seit dem Schulalter psychische Probleme, die bereits damals zu Schwierigkeiten geführt hätten, der Schulbesuch sei vorzeitig abgebrochen worden. Die Bf habe eine Lehre begonnen, aber ebenfalls abgebrochen (von bis ). Bei den Beschäftigungsverhältnissen der Bf habe es sich nur um Arbeitsversuche gehandelt, die aber regelmäßig nach kurzer Zeit gescheitert seien, da aufgrund der psychischen Einschränkungen eine Erwerbsfähigkeit schon damals nicht bestanden habe. Es liege bei der Bf daher eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor. Die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe sei daher zu Unrecht abgewiesen worden.

Beweis:
Gutachten Dr. L. vom
Gutachten PV vom
Sachverständigengutachten BASB vom
Arbeitsbescheinigung vom , Gesellschaft für Mediakultur

Aus diesen Gründen richte die Bf, vertreten durch die gerichtliche Erwachsenenvertreterin an das Bundesfinanzgericht (BFG) nachstehende

Anträge

• das Sozialministeriumservice (SMS), Landesstelle Wien, möge eine Begutachtung durch einen Facharzt aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie vornehmen

• gem § 274 BAO eine mündliche Verhandlung durchzuführen und gem Art 130 Abs 4 B-VG und § 279 BAO in der Sache selbst zu entscheiden und

der Bf die erhöhte Familienbeihilfe zuzüglich Kinderabsetzbetrag rückwirkend und laufend zu gewähren, in eventu

• den angefochtenen Bescheid gem § 278 BAO mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

Am wurde folgende Ergänzung zur Beschwerde vorgelegt:

"In beiliegenden Schreiben von Dr. N. F. werden deutlich die depressiven Symptome seit mindestens 2008 festgehalten. In den Befunden wird die Diagnose rez. Depressive Episoden dokumentiert. Ferner wird mitgeteilt, dass der 1. Lehrversuch bei Mediakultur wegen Schlafstörungen, Panikattacken, depressiven Symptomen und Überforderung/ Überlastung in Richtung Burnout von der BF abgebrochen werden mussten.

Ebenso hatte sie typisch für den Autismusverdacht Schwierigkeit der Anpassung in neuen Lebenslagen, Selbstständigkeit, etc. Hier gab es auch bereits Agoraphobiesymptome (F40.01).

Der 2. Lehrversuch bei XY und Partner erfolgte nach 2 Jahren starker Isolation, wie aus dem PSD Befund mit ausgeprägter Soziophobie F40.1 hervorgeht. Zusätzlich litt die BF an Depressionen, Agoraphobiesymptomen, Schlafstörungen und Panikattacken.

Es liegt bei der Beschwerdeführerin daher eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor.

Die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ist daher zu Unrecht abgewiesen worden.

Beweis: Schreiben von Dr. N. F. vom mit den anhängenden Befunden aus dem Jahr 2013…"

Folgende Unterlagen wurden in Ergänzung der Beschwerde vorgelegt:

Schreiben/Arztbrief Dr. W. vom :

Schreiben/Arztbrief Dr. W. vom :

Schreiben/Arztbrief Dr. W. vom :



Schreiben von XY vom :

"Wir bestätigen, dass Frau Bf. im Jahr 2010 ihre ÜBA-Lehre im Lehrberuf Medienfachfrau aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen hat. Sowohl sie selbst als auch ihre Ausbilderinnen kamen damals zu dem Schluss, dass ein Verbleib in der Ausbildung der Gesundheit von Frau Bf. abträglich wäre.

Die mit Frau Bf. befassten Kolleginnen hatten damals den Eindruck, dass sie unter depressiven Verstimmungen, Angst vor Menschen, Schlafstörungen und Panikattacken gelitten habe."

Schreiben "Frauenassistenz" vom :

Die Bf wurde auf Grund der eingebrachten Beschwerde am von Dr. Dok2, Facharzt für Psychiatrie, untersucht und folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
VGA vorliegend von 04/2022, GdB. 50%.
Anreise mit dem Taxi, kommt in Begleitung einer Betreuerin der Volkshilfe, welche bei der Untersuchung nicht anwesend ist.

Facharzt: Dr. W., Termine dzt. einmal monatlich. Sei erstmals 2012 in psychiatrischer Behandlung gewesen.
Psychotherapie: Frau
H., bisher 3 Termine.

Vorerkrankungen: keine neuen seit dem VGA.
Stationärer Aufenthalt: keine seit dem VGA.
Reha: keine seit dem VGA.

Tagesstruktur: "Ich stehe zwischen 7 und 9 Uhr auf und gehe dann mit dem Hund spazieren. Die meiste Zeit verbringe ich zuhause.

Forensische Anamnese: neg.
Führerschein: nicht gemacht.
Grund der Antragstellung: Beschwerde.
Erwachsenenvertretung: VertretungsNetz.

Derzeitige Beschwerden:
"Wie immer Depressionen und Schlafstörungen. Panikattacken und Probleme Verkehrsmittel zu benutzen."
Selbstverletzungen: "Ich kratze mich immer wieder."

Schlaf: Durchschlafstörungen.
Drogenkonsum: 0.
Alkohol: "kaum."
Nikotin: 0.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Duloxetin 60mg 2-0-0
Quetiapin 25mg 0-0-1

Sozialanamnese: Siehe auch VGA.

letzte berufliche Tätigkeit: dzt. Bezug Notstand und Mindestsicherung. Zuletzt gearbeitet als Aushilfskraft im Büro (geringfügig, 2010-2012). Lehre 2008 - 2010, Mediendesign (abgebrochen).
Wohnverhältnisse: eigene Wohnung, lebe alleine.
Ausbildung und Berufslaufbahn: geb. in Wien, 4 Jahre Volksschule, Gymnasium 6. Klasse abgebrochen, anschließend Lehre Mediendesign (abgebrochen).

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Facharztbefund Dr.
F., : Ersttermin , angegeben werden depressive Symptome seit 2008, Vorbehandlung bei Dr. U..
Arzbrief Dr.
W., : rez. depressive Störung, Agoraphobie mit Panikstörung, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Verdacht auf Autismusspektrumstörung.
Psychiatrisches SV-Gutachten Dr.
L., : ängstlich antriebsloses Zustandsbild, ausgeprägte Sozialphobie mit Vermeidungsverhalten.
Ärztliches Gutachten PVA Dr.
E., : Angst und depressive Störung gemischt, Verdacht auf Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Eine vollschichtige Tätigkeit am allg. Arbeitsmarkt ist dzt. nicht zumutbar.
Facharztbefund Dr.
F., , : Dyssomnie, rez. depressive Episoden.
Facharzt Dr.
U., : Angst und depressive Störung gemischt

Untersuchungsbefund:

Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinslage: wach, klar.
Orientierung: voll und allseits orientiert.
Aufmerksamkeit: ungestört.
Auffassung: o.B.
Konzentration: ungestört.
Immediat- sowie Kurz- und Langzeitgedächtnis: unauffällig.
Ductus: im Tempo normal, kohärent und zielführend, keine Produktivität.
Wahnphänomene, Sinnestäuschungen oder Ich-Störungen: keine.
Befindlichkeit: negativ.
Stimmung: subdepressiv.
Affektlage: klagsam.
Affizierbarkeit: vorwiegend im negativen Skalenbereich.
Antrieb: o.B.
Selbstgefährdung: keine.
Fremdgefährdung: keine.
Biorhythmusstörung: Durchschlafstörung.

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: Ja, seit 02/2013 (Arztbrief Dr. F.).

Im Beschwerdeverfahren wird vom VertretungsNetz angeführt, dass sich laut SV-Gutachten Dr. L. der Beginn des Krankheitsbildes in der Adoleszenz zeigt.

Dokumentiert ist das Auftreten einer rezidivierenden depressiven Störung laut den mir vorliegendenUnterlagen erstmals 02/2013.

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zuverschaffen: JA

Dies besteht seit: 02/2013

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit,sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:eine Erwerbsunfähigkeit liegt vor.

□ Dauerzustand
Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Besserung der Symptomatik möglich, Verlaufskontrolle"

Das FA wies die Beschwerde unter Zugrundelegung der im Gutachten getroffenen Feststellungen mit Beschwerdevorentscheidung vom mit der Begründung ab, dass nach § 8 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) volljährige Kinder Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Absatz 4 erhöhe sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

In Absatz 6 der genannten Bestimmung sei festgelegt, dass der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen ist.

In dem Gutachten des Sozialministeriumservice vom sei festgestellt worden, dass eine Behinderung im Ausmaß von 50% seit Februar 2013 bestehe und dass vom Vorliegen einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit ab diesem Zeitraum ausgegangen werden könne.

Da eine Erwerbsunfähigkeit erst nach Vollendung des 21. Lebensjahres und auch nicht während einer späteren Berufsausbildung eingetreten sei, würden somit die Voraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe fehlen. Ein Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung stehe grundsätzlich nur dann zu, wenn Anspruch auf den Grundbetrag der Familienbeihilfe bestehe.

Die Erwachsenenvertretung stellte am einen Vorlageantrag an das BFG, der wie folgt begründet wurde:

"Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung der Behörde hat die Beschwerdeführerin Ausbildungsversuche gestartet, die sie aber krankheitsbedingt nicht abschließen konnte. Die Beschwerdeführerin hat eine Lehre von 12/2005 bis 04/2008 bei Medienkultur absolviert, diese aber vorzeitig abgebrochen. Sie hat im Jahr 2010 neuerlich eine Lehrausbildung begonnen. Die Ausbildung bei der Fa. XY GmbH zur Medienfachfrau hat am begonnen. Die Ausbildung musste sie jedoch aufgrund gesundheitlicher Probleme abbrechen. Wie dem Schreiben des Datenschutzbeauftragten der Fa. XY zu entnehmen ist, litt Frau Bf. unter depressiven Verstimmungen, Angst vor Menschen, Schlafstörungen und Panikattacken. Ein Verbleib in der Ausbildung wäre der Gesundheit der Beschwerdeführerin abträglich gewesen.

Im Befund der Neurologin Dr. F. vom wird festgehalten, dass im Zuge des Ersttermins bei ihr am bereits depressive Symptome durch die Beschwerdeführerin seit mindestens 2008 angegeben wurden. Die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Dr. U. hat bereits am die Diagnose Depression und Angst gemischt erhoben.

Ferner werden im Befund von Ybbs 2018 folgende Diagnosen angeführt: Dysthymia, rezidivierende depressive Störung, Agoraphobie mit Panikstörung, posttraumatische Belastungsstörung und die Verdachtsdiagnose Asperger-Syndrom. Es werden auf den Seiten 13 und 14 eine Reihe von Anhaltspunkten angeführt, die bereits bei Kindheit vorgelegen haben. Dies ist somit ein weiterer klarer Beweis für die bereits damals vorliegende psychische Erkrankung.

Der Abbruch der Schulausbildung und die später begonnen und abgebrochenen zwei Lehrausbildungen weisen auf die bereits zu diesem Zeitpunkt bestehende depressive Erkrankung hin. Dies wird auch durch die im bereits erwähnten Schreiben des Datenschutzbeauftragten der Fa. XY u. Partner angeführten Gründe für die vorzeitige Beendigung des Lehrverhältnisses sehr klar dokumentiert.

Im Gutachten im Rahmen des Erwachsenenschutzverfahrens von Dr. L. wird festgehalten, dass der Beginn de Krankheitsbildes in der Adoleszenz begonnen hat.

Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen.

Beweis:
Arbeitsbescheinigung und Abmeldung von Mediakultur
Ausbildungsvertrag
Schreiben Datenschutzbeauftragter Fa. XY
Befund Dr. F. vom
Schreiben Dr. U. vom
Klinisch-psychologischer Bericht vom , Ybbs, Mag. K."

Am wurde die Bf zum dritten Mal untersucht und von Dr. Dok3, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, folgendes Gutachten erstellt:

"Anamnese:
VORLIEGENDE VORGUTACHTEN:
nervenfachärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :

ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung GdB 30%
ab 02/2016

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu
verschaffen: NEIN

nervenfachärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :
ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung GdB 30% ab 02/2016

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

nervenfachärztliches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :
Depressio, Panikattacken , komb. PEST GdB 50% ab 11/2014

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2014
NU 3a

psychiatrisches Sachverständigengutachten BASB, FLAG :
rez. depressive Störung, kombinierte Persönlichkeitsstörung, Panikstörung. GdB 50%
Frau
Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 02/2013
NU 3a

AKTUELL:
Neuantrag ab Datum: , Neuerliche Beantragung wegen Beschwerde: ja,
Schreiben "Vertretungsnetz" :
.... "Bei Frau
Bf. bestehen seit dem Schulalter psychische Probleme, die bereits damals zu Schwierigkeiten geführt haben, der Schulbesuch wurde vorzeitig abgebrochen.

Die Beschwerdeführerin hat eine Lehre begonnen, aber ebenfalls abgebrochen (von -). Bei den Beschäftigungsverhältnissen der Beschwerdeführerin hat es sich nur um Arbeitsversuche gehandelt, die aber regelmäßig nach kurzer Zeit gescheitert sind, da aufgrund der psychischen Einschränkungen eine Erwerbsfähigkeit schon damals nicht bestanden hat.

Es liegt bei der Beschwerdeführerin daher eine dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, vor.

Die Zuerkennung der erhöhten Familienbeihilfe ist daher zu Unrecht abgewiesen worden".....

ANAMNESE:
Beginn in der Schul- und Lehrzeit mit sozialem Rückzug; Depressionen, Schlafstörungen und Panikattacken.

wurde erstmals eine psychiatrische Behandlung in Anspruch genommen mit Dg.: Depression und Angst gemischt; med. Therapie für ein paar Monate, dann Wechsel der betreuenden Psychiaterin mit Umstellung der Medikamente.

Kurze Psychotherapie ca. 2014. FÄ-Betreuung beim PSD Herbst 2014 bis Herbst 2020, mit auch dazwischen Abbrüchen der Therapie 1. stat. im Therapiezentrum Ybbs 05 02- und nochmals 1.3.-

Seit 2021 wieder regelmäßig in psychiatrischer Betreuung

Derzeitige Beschwerden:
Heute sei sie sehr nervös. In den letzten Wochen Schlafstörungen, sei jede Nacht wach. Sie habe immer wieder Schreckmomente. Sie habe Panikattacken in Verkehrsmitteln aber die Panik komme auch plötzlich, "einfach so". Sie mache "Verkehrsmitteltraining".

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Duloxetin 60 1-0-0
Quetiapin 25 0-0-1
Quetiapin XR 50 0-0-1
Psychiater lx/Monat
Psychotherapie lx/Woche

Sozialanamnese:
VS, 6 Kl. Gymnasium (5. und 6. Klasse wiederholt)
Dann Lehre für Mediendesign, 2008- 2010 - im 3. Lehrjahr abgebrochen (wurde gekündigt) Dann 11/2 Jahre im BBRZ, geringfügige Beschäftigung als Bürokraft für 3 Monate
Dann keine berufliche Ausbildung oder Arbeitstätigkeit
Wuchs bei der Mutter auf, kein Kontakt zum Vater
Im 19. LJ zur Großmutter gezogen, nach ca. einem Jahr übersiedelte sie in eine eigenen Wohnung (Wr. Wohnen)
Seit 2015 Erwachsenenvertretung (sie habe Termine nicht geschafft, sei nicht mehr hinausgegangen)
2015 - 2017 krankheitsbedingte Pension, dann wurde sie aberkannt. Sie habe nochmals einen Antrag gestellt und es sei nochmals abgelehnt worden (auch vom Gericht erst vor Kurzem)
dzt. Bezug Mindestsicherung, sie glaube, dass sie kein Pflegegeld beziehe
SA: ledig, lebt alleine, keine Kinder.
Sie habe eine Teilbetreuung - 2x/Woche kommen die Betreuer nach Hause und unterstützen sie beim Haushalt. Sie habe auch eine Betreuung über Promente- z.B. Terminbegleitung
Führerschein: keiner
Hobby: lesen, sie habe einen Hund mit dem müsse sie regelmäßig hinaus zu gehen, mache das oft mitten in der Nacht
soziale Kontakte: 1 Fernbeziehung mit sporadischem Kontakt, alle 2-4 Monate mit Familie Kontakt

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Gutachten PV zum Antrag auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension und Pflegegeld :

Aus fachpsychiatr. Sicht ist eine vollschichtige Tätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt ggw. nicht zumutbar, ich empfehle daher dringend rehabilitative Maßnahmen.......

Ausreichender Pflegebedarf liegt nicht vor.

Beschluss BG Meidling bzgl. Erwachsenenvertretung
Psychiatrisch neurologisches Gutachten bzgl. Erwachsenenvertretung:
Bei Frau
Bf. besteht eine psychische Erkrankung im Sinne einer massiven
Sozialphobie von krankheits-(psychose-) wertigem Ausmaß.
Frau
Bf. benötigt die Unterstützung durch einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter
Arbeitsbescheinigung
Mediendesign Lehrling -
beendet durch fristlose Entlassung
Ende der Beschäftigung
Bezüge wurden ausbezahlt bis
Fachärztliche Stellungnahme Psychiaterin/ Neurologin Dr.
L. :

Diagnose/Therapiedokumentation Psychiaterin Dr. U. :
Diagnose: Depression und Angst gemischt

Untersuchungsbefund:
….

Psycho(patho)logischer Status:
Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, wirkt unsicher und nervös, vermeidet eher Blickkontakt bewußtseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus: geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage gedrückt, stabil, wenig affizierbar; Affekte: angepasst, keine produktive Symptomatik

Frau Bf. ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: JA
Dies besteht seit: 11/2012

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Nach der Anamnese ist der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben. Es liegen keine Befunde vor, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, das eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vordem 18./21. LJ eingetreten ist.

Diese kann ab Vorlage Befund bestätigt werden.

□ Dauerzustand
X Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung: Besserung nicht ausgeschlossen"

In der mündlichen Verhandlung vor dem BFG am brachte die Erwachsenenvertreterin der Bf ergänzend i.w. vor, In der Beschwerdevorentscheidung sei nicht berücksichtigt worden, dass die Bf sehr wohl Ausbildungsversuche gestartet habe, und zwar auch vor dem 25. Lebensjahr. Es habe sich eben um eine Lehre von Dezember 2005 bis April 2008, welche vorzeitig abgebrochen wurde, gehandelt. 2010 sei neuerlich eine Lehrausbildung begonnen worden, welche ebenfalls abgebrochen worden sei und vom Datenschutzbeauftragten der Firma XY sei ausgeführt worden, dass die Bf aus psychischen Gründen das Lehrverhältnis abgebrochen habe. Es habe sich bei diesen Gründen um depressive Verstimmungen, Angst vor Menschen, Panikattacken und Schlafstörungen gehandelt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt

Die Bf ist 1986 geboren.

Sie hat die 6. Klasse Gymnasium abgebrochen.

Vom bis machte die Bf eine Lehre. Die Lehre wurde abgebrochen.

Im Jahr 2010 machte die Bf eine überbetriebliche Lehrausbildung im Lehrberuf Medienfachfrau. Die Lehre wurde aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen.

Die Bf ist ledig, lebt alleine und hat keine Kinder.

Sie hat auf Grund ihrer Erkrankung/Behinderung seit 2015 eine Erwachsenenvertretung.

Die Bf bezieht seit Dezember 2015 Notstands- und Überbrückungshilfe.

Laut Aktenlage bezieht die Bf kein Pflegegeld.

Im Zuge des Antrags- und Beschwerdeverfahrens wurden nach durchgeführter Untersuchung der Bf vom Sozialministeriumservice drei Gutachten erstellt:

Im Gutachten vom reihte Dr. Dok1, Facharzt für Psychiatrie, die Erkrankung der Bf (Depressio, Panikattacken, komb. PEST unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH rückwirkend ab November 2014 ein.

Der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit wurde ebenfalls rückwirkend ab November 2014 bescheinigt und angemerkt, dass die Unfähigkeit sich selbst den Unterhalt zu verschaffen gegeben sei, da höhergradige psychische Beeinträchtigungen vorhanden seien, welche eine Beschäftigung am allgemeinen Arbeitsmarkt gegenwärtig nicht möglich machen würden.

Dr. Dok2, Facharzt für Psychiatrie, reihte in seinem Gutachten vom die Erkrankung der Bf ebenfalls unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung und setzte den Gesamtgrad der Behinderung von 50 vH rückwirkend ab Februar 2013 fest.

Der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit wurde ebenfalls rückwirkend ab Februar 2013 mit der Begründung bescheinigt, dass das Auftreten einer rezidivierenden depressiven Störung laut den ihm vorgelegten Unterlagen erstmals im Februar 2013 dokumentiert wurde (Arztbrief Dr. F.).

Im Gutachten vom reihte Dr. Dok3, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, wie schon die beiden anderen Sachverständigen, die Erkrankung/Behinderung der Bf erneut unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung mit 50 vH.

Sowohl der Grad der Behinderung als auch der Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit wurden mit November 2012 bescheinigt.

Die Einschätzung des Eintrittes der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit wurde damit begründet, dass nach der Anamnese der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben worden sei. Es würden keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten ist.

Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt beruht auf den von der Bf vorgelegten, im Sachverhaltsteil angeführten Unterlagen/Befunden/Arztbriefen sowie den im Zuge des vorliegenden Verfahrens erstellten Gutachten des Sozialministeriumservice vom , und vom .

Die Sachverständigen haben bei ihrer Beurteilung sämtliche von der Bf vorgelegten Unterlagen/Befunde/Arztbriefe berücksichtigt und die Erkrankung der Bf übereinstimmend unter die Pos.Nr. der Einschätzungsverordnung mit 50 vH. eingereiht.

Divergenzen bestehen bezüglich des Eintrittes der voraussichtlichen Erwerbsunfähigkeit.

Dr. Dok1 bescheinigte der Bf im Gutachten vom 5. April den voraussichtlichen Eintritt der Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab November 2014.

Dr. Dok2 setzte den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab Februar 2013 mit der Begründung fest, dass das Auftreten einer rezidivierenden depressiven Störung laut den ihm vorgelegten Unterlagen erstmals im Februar 2013 dokumentiert worden sei (Arztbrief Dr. F.).

Dr. Dok3 setzte im Gutachten vom den Eintritt der voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit rückwirkend ab November 2012 fest und begründete diese Feststellung damit, dass nach der Anamnese der Beginn einer psychischen Erkrankung in die Jugend zurückreichend angegeben worden sei. Es würden jedoch keine Befunde vorliegen, die eine psychische Erkrankung mit schwerwiegenden Funktionseinschränkungen in einem solchen Ausmaß dokumentieren, dass eine daraus resultierende anhaltende Selbsterhaltungsunfähigkeit vor dem 18./21. LJ eingetreten sei.

Es besteht somit Übereinstimmung, dass der Eintritt der voraussichtlichen Erwerbsunfähigkeit bei der Bf jedenfalls nicht vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist, denn im November 2012 hatte die Bf bereits das 25. Lebensjahr vollendet.

Die Begründungen in den drei Gutachten werden vom Gericht als schlüssig und nachvollziehbar betrachtet. Auf die Art der Leiden und deren Ausmaß wurde ausführlich eingegangen.

Das Bundesfinanzgericht gelangt in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die in den drei Gutachten getroffenen Feststellungen, wonach bei der Bf keine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist, mit größter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entspricht, dies aus den nachfolgend angeführten Gründen:

Der Bf wurde im Gutachten des Sozialministeriumservice vom , welches auf Grund ihres im Jahr 2016 eingebrachten Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages erstellt wurde, ein Grad der Behinderung von 30vH und keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt.

Bei einem Ersttermin am (Anforderung eines Berichtes über die Behandlung der Bf im Rahmen der Erhebungen durch die Erwachsenenvertretung) gab die Bf bei Dr. N. F. an, dass sie seit mindestens 2008 depressive Symptome habe.

Depressive Symptome führen in den allermeisten Fällen nicht bereits zu Beginn zu einer Erwerbsunfähigkeit.

Eine erste Behandlung der Bf erfolgte 2010 und 2012 bei der Nervenfachärztin Frau Dr. U..

Dr. Elisabeth L., Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Psychotherapeutin, Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, erstellte über Ersuchen des Bezirksgerichtes Meidling ein Gutachten, wieweit die Bf in der Lage ist, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, insbesondere ob sie ausreichend einsichts- und urteilsfähig ist, um über medizinische Behandlungen oder die Wahl ihres Wohnortes entscheiden zu können. Ob die betroffene Person gänzlich unfähig ist, einer mündlichen Verhandlung zu folgen oder ihr Wohl bei Anwesenheit in der Verhandlung gefährdet würde.

Das Gutachten stützt sich auf Einsicht in die Krankengeschichte, die Unterlagen des Gerichtes, sowie die persönliche psychiatrische Untersuchung von Frau Bf. am im Rahmen eines Hausbesuches an obgenannter Adresse.

Im Gutachten vom hält Dr. L. fest, dass die Bf zur Frage, ob psychische Probleme zum Schulabbruch geführt hätten, angegeben habe, dass sie damals schon Probleme mit Menschenmengen und Mobbing gehabt hätte. Es sei aber auch die Gewalt zu Hause unerträglich gewesen. Ihr Stiefvater habe ohne Grund zugeschlagen, habe ihr gesagt, sie solle froh sein, wenn sie durchgefüttert werde. Die Lehre sei am Anfang gut gewesen, sie sei ausgezogen. Dann habe sie es nicht mehr geschafft, zur Schule zu gehen und das Unternehmen selbst habe wirtschaftliche Krisen gehabt.

Sie habe festgestellt, dass ihre "Andersheiten" sich nicht auswachsen würden. Mit Menschen und Fortgehen sei sie nie klar gekommen. Sie habe immer wieder Panik gehabt und kaum geschlafen.

Sie haben neben der Schule geringfügig bei Mac Donalds und danach irgendwann auch sehr kurz im Büro gearbeitet. Das sei aber auch nicht gegangen. Seit 2012 sei sie in Behandlung auf Grund von Angst und Depressionen. Sie habe sich vorher aber schon lange zu Hause isoliert, sei nur nicht versichert gewesen. Nach dem Lehrabbruch sei sie auch erleichtert gewesen. Sie sei dann auch in einer Maßnahme für junge Leute gewesen, habe das aber auch nicht geschafft.

Mit der Volkshilfe sei es gelungen, einen Termin beim praktischen Arzt zu bekommen. Sie sei auch bei einer Psychiaterin, Dr. W. gewesen. Sie nehme Duloxetin 90mg und Quetialan 25mg. Sie schlafe damit nicht immer, aber besser. Sie wache oft auf.

Sie sei zwei Mal in Ybbs in stationärer Behandlung gewesen, 2018 und auch bis April 2021.

Dr. L. stellt in ihrem Gutachten fest, dass bei der Bf eine psychische Erkrankung im Sinne einer massiven Sozialphobie von krankheits-(psychose-)wertigem Ausmaß bestehe. Die Bf benötige die Unterstützung durch einen gerichtlichen Erwachsenenvertreter für die Vertretung vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsträgern, privaten Vertragspartnern sowie zur Einkommens- und Vermögensverwaltung.

Dr. L. hatte sich somit in diesem Gutachten nicht damit zu befassen, ab welchem Zeitpunkt die Bf erwerbsunfähig wurde, sondern mit dem Krankheitsbild zum Untersuchungszeitpunkt.

In ihrer fachärztlichen Stellungnahme vom schreibt Dr. Elisabeth L., dass sich bei der Bf im Längsschnittverlauf der Beginn des Krankheitsbildes in der Adoleszenz zeige. Es sei ein Schulabbruch in der 6. Klasse Gymnasium wegen Krankheitsbeginn erfolgt. Nach einer längeren Pause habe die Bf eine zweijährige Lehre absolviert, die sie ebenfalls abgebrochen habe, da es ihr nicht gelungen sei, zur Schule zu gehen. Typischerweise würden Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis im Sinne eines Prodromalstadiums in der Adoleszenz beginnen und häufig zu Schulabbruch bei guter kognitiver Leistung führen. Das Krankheitsbild sei von Beginn an von massivem Rückzug, phobischen Ängsten, Initiativemangel und der Unfähigkeit, sozialen Anforderungen gerecht zu werden, geprägt gewesen. Aus fachärztlicher Sicht sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. Lebensjahr vorgelegen sei.

Diese fachärztliche Einschätzung steht nicht im Einklang mit den Feststellungen in den drei Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice.

Den Sachverständigen im Sozialministeriumservice haben, wenn eine erwachsene Person die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, die Feststellung zu treffen, ob bzw. wann eine Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Um diese Feststellung treffen zu können, erfolgt eine Anamneseerhebung und Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin.

Je älter die Person, welche einen Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe stellt, ist, desto wichtiger ist in aller Regel die Vorlage von geeigneten Beweismitteln (Arztbriefe, Befunde, Bestätigungen über Krankenhausaufenthalte und/oder Therapiemaßnahmen), welche geeignet sind, den Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit einem bestimmten Zeitpunkt festzulegen.

Dass die Feststellung des Eintrittes der Erwerbsunfähigkeit trotz Vorlage von Befunden nie mit Sicherheit, sondern immer nur mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit getroffen werden kann, liegt darin begründet, dass die Sachverständigen in den meisten Fällen Feststellungen zu treffen haben, die einen lange zurückliegenden Zeitraum betreffen.

Wenn die drei Sachverständigen aus den von der Bf vorgelegten Befunden - der älteste Befund datiert vom (Antrag auf Pflegegeld) - nicht den Schluss ziehen konnten, dass bei der Bf die Erwerbsunfähigkeit bereits vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist, kann dadurch den Gutachten die Schlüssigkeit nicht abgesprochen werden.

Das Gericht war daher auch nicht gehalten, ein weiteres Gutachten einzuholen, weil sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür ergeben hat, dass im Wege der Einholung eines weiteren Gutachtens festgestellt werden kann, dass die Erwerbsunfähigkeit vor dem 21. bzw. 25. Lebensjahr eingetreten ist.

Das Gericht geht nach eingehender Befassung mit dem hier vorliegenden Sachverhalt in freier Beweiswürdigung davon aus, dass bei der Bf die Erwerbsunfähigkeit nicht vor dem 25. Lebensjahr eingetreten ist.

Gesetzliche Grundlagen

§ 6 Abs. 5 FLAG 1967 lautet:

Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Gemäß § 6 Abs 2 lit d FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt.

§ 8 Abs. 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

In der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, geändert durch BGBl. II Nr. 251/2012, ist Folgendes normiert:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehendgilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der funktionellen Einschränkungen in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten…"

Rechtliche Beurteilung

Gutachten-Allgemeines

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhaltes durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen, verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen, stützen. Alleine die Möglichkeit, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmter Sachverhalt vorgelegen sein könnte, reicht dabei keinesfalls aus, diesen Sachverhalt gutachterlich als gegeben anzusehen und zu bestätigen (vgl. z.B. ; ).

Erhöhte Familienbeihilfe - Bescheinigung des Sozialministeriumservice

Nach den Bestimmungen des § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice (früher: Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens) nachzuweisen (vgl z.B. ; ; ; ).

Das ärztliche Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung iSd FLAG 1967 hat Feststellungen über die Art und das Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten (vgl. ; ; ).

Das nach dieser Bestimmung abzuführende qualifizierte Nachweisverfahren durch ein ärztliches Gutachten (vgl. dazu , und , sowie ) hat sich im Fall, dass ein volljähriger Antragsteller die erhöhte Familienbeihilfe beantragt, darauf zu erstrecken, ob die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres (oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres) eingetreten ist (vgl. etwa ).

Anwendung der Richtsatzverordnung

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behindertenein-stellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Bei der Anwendung der Richtsatzverordnung kann man zufolge der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zB ) auf Erfahrungswerte einer jahrzehntelangen Praxis zurückblicken, wobei auch eine breite Akzeptanz der Bevölkerung festgestellt wurde. Die Anwendung der Richtsatzverordnung wird durch deren klar abgrenzbare Vorgaben bei der Beurteilung von Behinderungen durch Prozentsätze nicht nur eine bundeseinheitliche Vollziehung nach objektiven Kriterien, sondern insbesondere auch das erforderliche Maß an Rechtssicherheit bringen. Zwar basiert die Richtsatzverordnung auf Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, Experten aus der Ärzteschaft und der Verwaltung haben aber bestätigt, daß diese Verordnung auch altersbezogen und spezifisch auf Kinder angewandt werden kann.

Feststellung, in welchem Ausmaß eine Behinderung gegeben ist bzw. wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist

Die Aufgabe des Arztes als Gutachter bzw. fachkundiger Berater des Gerichtes oder sonstiger Auftraggeber besteht darin, entsprechend den ihm vom Auftraggeber gestellten Beweisfragen medizinische Befunde zu erheben und diese unter Berücksichtigung der sonstigen ihm zugänglich gemachten Informationen auf der Basis medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlichen Erfahrungswissens zu bewerten, um so dem "Auftraggeber" (hier: FA) eine Entscheidung der rechtlich erheblichen Fragen zu ermöglichen.

Demgemäß werden bei der Feststellung, ab welchem Zeitpunkt ein bestimmter Grad der Behinderung bzw. ab wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, von den sachverständigen Ärzten des Sozialministeriumservice neben der Anamnese, den Untersuchungsergebnissen, dem ärztlichen Stand der Wissenschaft und dem ärztlichen Erfahrungswissen die von den Antragstellern vorgelegten Befunde herangezogen.

Bei der Einschätzung dürfen andere als behinderungskausale Gründe (wie z.B. mangelnde oder nicht spezifische Ausbildung, die Arbeitsplatzsituation, Arbeitsunwilligkeit, oÄ) wie eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes (etwa durch Folgeschäden) nach Vollendung des 21. Lebensjahres) für die Beurteilung nicht herangezogen werden (vgl ).

Mitwirkungspflicht bei Begünstigungsvorschriften

Nach der Judikatur des VwGH besteht bei Begünstigungsvorschriften und in Fällen, in denen die Ermittlungsmöglichkeiten der Behörde eingeschränkt sind, eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Eine Mitwirkungspflicht ist gerade in den Fällen wichtig und unerlässlich, in denen der Antrag auf erhöhte Familienbeihilfe wegen Erwerbsunfähigkeit von Personen gestellt wird, die erheblich älter als 21 bzw. 25 Jahre alt sind.

Die Vorlage von "alten" und relevanten Unterlagen (Befunden, Bestätigung über Spitalsaufenthalte oder Therapien etc.) seitens des Antragstellers ist gerade dann wichtig bzw. unerlässlich, wenn ein Sachverständiger (weit rückwirkend) den Zeitpunkt festzusetzen hat, seit wann ein bestimmter Behinderungsgrad vorliegt oder wann die Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist.

Fehlen derartige Befunde, warum auch immer, können die vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen immer nur mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatsachen entsprechen und liegt die Ursache in den meisten Fällen darin, dass Erkrankungen unterschiedlich stark ausgeprägt sind, häufig einen schleichenden Verlauf nehmen oder sich mit zunehmendem Alter verschlechtern. (vgl. zB ; , RV/0687-W/05).

Bindung der Abgabenbehörde und des Bundesfinanzgerichtes an die Sachverständigengutachten des Sozialministeriumservice, wenn diese schlüssig sind

Ein Gutachten ist

•vollständig, wenn es die von der Behörde oder dem Gericht gestellten Fragen beantwortet (sofern diese zulässig waren)

•nachvollziehbar, wenn das Gutachten von der Beihilfenstelle und vom Gericht verstanden werden kann und diese die Gedankengänge des Gutachters, die vom Befund zum Gutachten führten, prüfen und beurteilen kann und

•schlüssig, wenn es nach der Prüfung auf Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit immer noch überzeugend und widerspruchsfrei erscheint

Die Gutachten unterliegen, wie alle anderen Beweismittel, der freien behördlichen/richterlichen Beweiswürdigung.

Das FA und das Bundesfinanzgericht sind an die Gutachten des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob diese vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind und im Fall mehrerer Gutachten oder einer Gutachtensergänzung nicht einander widersprechen (vgl. ; ). Erforderlichenfalls ist für deren Ergänzung zu sorgen (; ; ). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Die Beihilfenbehörden, und auch das Gericht, haben bei ihrer Entscheidung jedenfalls von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen und können von ihr nur nach entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung abgehen (vgl. ).

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe bei erwachsenen Personen

Voraussetzung für den Erhöhungsbetrag bei erwachsenen Personen ist, dass der Grundbetrag an Familienbeihilfe zusteht (vgl FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 5 ). Das bedeutet, dass bei volljährigen Kindern der Grad der Behinderung ohne jede Bedeutung ist, und würde er auch 100 % betragen. Besteht also keine vor dem 21. (25.) Lebensjahr einge-tretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, steht weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (vgl. ), ; ; ).

Psychische Erkrankungen

Aus medizinischer Sicht haben psychische Erkrankungen unterschiedliche Ausprägungen und treten in unterschiedlichen Verläufen auf. Bei der Mehrzahl der Patienten verschlechtert sich das Krankheitsbild (erst) im Verlauf. Vor allem durch eine medikamentöse Behandlung kann auch eine längerdauernde oder sogar dauerhafte Verbesserung erreicht werden.

Bei einer derartigen Diagnose ist die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus psychiatrischer Sicht nicht jedenfalls ausgeschlossen und besteht die Möglichkeit, durch entsprechende Therapien auch mit dieser Erkrankung einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Auf Grund dieser medizinischen Tatsachen ist es nach Ansicht des BFG im Rahmen einer Gutachtenserstellung unerlässlich, auf verifizierbare Umstände zurückgreifen zu können. Aus dem Umstand der Kurzfristigkeit der Beschäftigungen kann nicht zwingend der Schluss gezogen werden, dass bereits damals eine Art "Erwerbsunfähigkeit" auf Grund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bestanden hat. Alleine das Bestehen einer Möglichkeit ist in Anbetracht der bestehenden Unsicherheiten für die gutachterliche Feststellung des Vorliegens einer "dauernden Erwerbsunfähigkeit" zu einem zurückliegenden Zeitraum als Faktum nicht ausreichend. Vielmehr müsste in einem Gutachten nachvollziehbar ausgeführt werden, aus welchen konkreten Gründen und auf Grund welcher konkreten Beweismittel der Sachverständige zu seinen Feststellungen kommt. Insofern ist das erstellte und die Basis für die Bescheinigung bildende Gutachten in einem nach der Bundesabgabenordnung abzuführenden Verfahren nicht als ausreichend schlüssiges Beweismittel zu sehen. Nach der Bundesabgabenordnung ist nämlich der Antragsteller verpflichtet, das Vorliegen der für sein Begehren notwendigen Voraussetzungen unter Beweis zu stellen (vgl. zB ).

Erwerbsunfähigkeit

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine zu einer Erwerbsunfähigkeit führende geistige oder körperliche Behinderung Folge einer Krankheit sein, die schon seit längerem vorliegt. Erst wenn diese Krankheit zu einer derart erheblichen Behinderung führt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt, ist der Tatbestand des § 2 Abs 1 lit. c FLAG 1967 erfüllt.

Mithin kommt es weder auf den Zeitpunkt an, zu dem sich eine Krankheit als solche äußert, noch auf den Zeitpunkt, zu welchem diese Krankheit zu (irgend)einer Behinderung führt. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem diejenige Behinderung (als Folge der allenfalls schon länger bestehenden Krankheit) eintritt, welche die Erwerbsunfähigkeit bewirkt (vgl. , , , , ).

Zusammenfassend wird festgestellt, dass das BFG die in den drei im Zuge des Verfahrens erstellten Gutachten getroffenen Feststellungen als vollständig, nachvollziehbar und schlüssig erachtet werden.

Im ggstdl. Fall besteht keine vor dem 25. Lebensjahr eingetretene voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.
Daher steht weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag an Familienbeihilfe zu.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, unter welcher Voraussetzung die erhöhte Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) zusteht, ergibt sich aus den bezughabenden Gesetzesbestimmungen. Bei der Frage, ob und ab wann eine "dauernde Erwerbsunfähigkeit" gegeben ist, handelt es sich um eine Tatfrage und ist das BFG an die vom Sozialministeriumservice erstellten Gutachten gebunden, sofern diese schlüssig sind. Da sohin keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen war, ist eine Revision nicht zulässig.

Wien, am

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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7100904.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at