Therapiekosten ohne ärztliche Verordnung als außergewöhnliche Belastung
VfGH-Beschwerde zur Zahl E 2212/2023 anhängig. Mit Erkenntnis vom wegen Verletzung des verfassungsgesetzlichen gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/4100265/2024 erledigt.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Helga Woschank
in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***,
über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
In Streit steht die Berücksichtigung von Aufwendungen für Heilhandlungen als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt.
I. Verfahrensgang
1.) Die Beschwerdeführerin (im Folgenden kurz Bf.) beantragte in ihrer Arbeitnehmerveranlagung Kosten von Heilbehandlungen (für Massagen und Osteopathie) als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen.
2.) Mit Bedenkenvorhalt vom wurde die Bf. u.a. ersucht, bezüglich der angeführten und als außergewöhnliche Belastung begehrten Aufwendungen eine Kostenaufstellung, die Bezeichnung der Aufwendungen, dazugehörige Rechnungen/Zahlungsnachweise, ärztliche Verordnungen bzw. Behandlungspläne, erhaltene Kostenersätze (Krankenkasse, Versicherungen, Fonds, Land,…) vorzulegen sowie den Zusammenhang der Aufwendungen mit der Behinderung darzulegen.
3.) Die Bf. übermittelte den am vom Sozialministerium ausgestellten Behindertenpass, mit welchem eine 70%ige Behinderung bescheinigt wird, sowie den Parkausweis für Behinderte.
Des Weiteren legte sie einen von der praktischen Ärztin erstellten Befundbericht vom vor, nach welchem eine "Coxarthrosis gravis re, OSG-USG Arthrodese nach schwerer Arthrose bds. Z.n. Fersenbeintrümmerfraktur bds." attestiert wurde und welcher folgenden Therapievorschlag enthält: "Regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen mit Massagen sind aus ärztlicher Sicht zur Stabilisierung der Beschwerden und der Verbesserung der Mobilität notwendig."
Beigeschlossen waren die belegmäßigen Nachweise hinsichtlich der von der Bf. für Massagen und Osteopathie (in Summe Euro 3.141,00) bezahlten Beträge.
4.) Im Einkommensteuerbescheid für 2020 vom wurde der Freibetrag gemäß § 35 Abs. 3 EStG 1988 iAv Euro 599,00 sowie der Pauschbetrag nach der Verordnung über außergewöhnliche Belastungen wegen eigener Behinderung (für KFZ) iHv Euro 2.280,00 berücksichtigt.
Die in Streit stehenden Aufwendungen für Heilbehandlungen (Massagen, Osteopathie-Behandlungen) fanden keine Berücksichtigung:
5.) In der fristgerecht erhobenen Beschwerde vom brachte die Bf. vor, es sei ihr nicht bekannt gewesen, dass eine vor Behandlungsbeginn ausgestellte ärztliche Verordnung erforderlich sei.
Mit unbefristeten Bescheid des Landesinvalidenamtes für Kärnten vom sei eine 70%ige Behinderung ausgesprochen worden und besitze sie den Behindertenpass vom , mit welchem eine 70%ige Behinderung bescheinigt wird, sowie einen Parkausweis für Behinderte.
Die Heilbehandlungen werden in Anspruch genommen um weniger Schmerzen zu haben, weniger Schmerzmittel einnehmen zu müssen, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und weniger Krankenstandstage zu nehmen.
Sie habe im guten Glauben angenommen, dass die medizinische Notwendigkeit für sie außer Streit steht, da in den letzten Jahren die Kosten für die Heilbehandlungen immer im Steuerausgleich berücksichtigt worden waren.
6.) Die Amtspartei erließ die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom und führte aus:
" Gemäß § 34 EStG 1988 stellen Aufwendungen für Behandlungsleistungen durch nichtärztliches Personal nur dann (eine) außergewöhnliche Belastung dar, wenn die Zwangsläufigkeit der Behandlungen durch Vorlage einer vor Beginn der Behandlungen ausgestellten ärztlichen Verordnung oder durch Zuzahlung eines Trägers der gesetzlichen Sozialversicherung nachgewiesen wird.
Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nicht das Vertrauen der Partei auf Beibehaltung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis."
7.) Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag vom verwies die Bf. auf den bereits übermittelten Befundbericht der praktischen Ärztin vom sowie auf den beigelegten Befundbericht vom eines Facharztes für Orthopädie, in welchem zur o.a. darstellten Diagnose angeführt wurde:
8.) Im - auch der Bf. zugekommenen - Vorlagebericht wiederholte die Amtspartei die kundgetane Rechtsansicht, ein Therapievorschlag oder eine Empfehlung in einem Befund gelte als nicht ausreichenden Nachweis für die Berücksichtigung der begehrten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung mangels Zwangsläufigkeit und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Festgestellt wird:
Im Behindertenpass des Sozialministeriumservice vom ist eine 70%ige Behinderung der Bf. festgehalten und besitzt die Bf. einen Parkausweis für Behinderte (beides unbefristet).
Die Bf. bezahlte im Jahr 2020 Euro 2.901,00 für Massagen und Euro 240,00 für Leistungen eines Osteopathen. Die Höhe dieser Krankheitskosten der Bf. steht nicht in Streit.
Die Summe dieser Kosten erreicht den sich auf Basis des § 4 Abs. 4 EStG 1988
ergebenden Selbstbehalt (iHv Euro 4.563,00: Einkünfte nsA laut Einkommensteuerbescheid [35.937,68] minus Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt [ - 730,00, - 599, - 2.280] zuzüglich sonstige Einkünfte KZ 220 [6.985,98] abzüglich SV-Beiträge zu diesen [1.286,82]: Euro 38.027,84 x 0,12) auch nicht nur annähernd.
Die im Zuge dieses Verfahrens übermittelten Befundberichte datieren vom (der praktischen Ärztin) sowie vom (des Facharztes). Diese Befundberichte attestieren, dass regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen mit Massagen aus orthopädischer Sicht zur Stabilisierung der Beschwerden und Verbesserung der Mobilität notwendig sind.
Weder wurde behauptet noch nachgewiesen, dass seitens des gesetzlichen Sozialversicherungsträgers noch von anderer Seite Ersätze für die in Rede stehenden Heilbehandlungen geleistet wurden.
Die Bf. legte keine vor Beginn der für das Jahr 2020 in Anspruch genommenen Heilbehandlungen ausgestellten ärztliche Verordnungen vor. Die medizinische Notwendigkeit der in Rede stehenden Massagen sowie der Osteopathie-Behandlungen im Jahr 2020 wurde damit nicht nachgewiesen.
Der Bezug von Pflegegeld ist nicht aktenkundig.
2. Beweiswürdigung
Die Feststellungen gründen auf den vorgelegten Dokumenten, insbesondere auf dem Einkommensteuerbescheid für 2020 samt Lohnzettel, den Schriftsätzen und übermittelten Unterlagen, aus welchen die Inhalte unzweifelhaft ersichtlich sind.
Da von der praktischen Ärztin der Befundbericht am erstellt wurde, lässt sich aus diesem nicht ableiten, ob bzw. dass im Jahr zuvor die medizinische Notwendigkeit für die Inanspruchnahme der Massagen bestanden hatte, zumal dieser Befundbericht auch die wortgleiche Textierung wie das - bereits fünf Jahre zuvor verfasste - fachärztliche Gutachten vom enthält ("regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen mit Massagen sind aus ärztlicher Sicht zur Stabilisierung der Beschwerden und der Verbesserung der Mobilität notwendig"). Andere bzw. weitere von der Ärztin getroffene Feststellungen sind nicht aktenkundig.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
1.) Strittig ist, ob die für Massagen und für die Osteopathin aufgewendeten Beträge als behinderungsbedingte Mehraufwendungen im Sinne des § 34 Abs.6 iVm § 35 Abs. 1 EStG bzugsfähig sind.
2.) Rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.
§ 34 EStG 1988 normiert:
"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Sie muss außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2. Sie muss zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. ….
(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
(4) Die Belastung beeinträchigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 iVm Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen
von höchstens 7 300 Euro6 %
mehr als 7 300 Euro bis !4 600 Euro 8 %
mehr als 14 600 Euro bis 36 400 Euro 10 %
und mehr als EUR 36.400 12%.
Nach § 34 Abs. 6 EStG 1988 können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes auch
abgezogen werden, "Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.
Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind."
Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungendurch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm nach § 35 Abs 1 EStG 1988 jeweils ein Freibetrag (§ 35 Abs 3 EStG 1988) zu.
Anstelle des Freibetrages können nach § 35 Abs 5 EStG 1988 auch die tatsächlichen Kosten aus dem Titel der Behinderung geltend gemacht werden.
Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung (im Folgenden kurz: VO) des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen (BGBl Nr 1996/303 idF BGBl II Nr 2010/430) sind die in den §§ 2 bis 4 dieser VO genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige Aufwendungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat.
Beträgt der Grad der Behinderung mindestens 25%, sind die Mehraufwendungen wegen Krankendiätverpflegung bei Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie, Aids, Gallen-, Leber- oder Nierenkrankheit, Magenkrankheit oder einer anderen inneren Krankheit ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit den in § 2 Abs. 1 der VO angeführten Beträgen ohne Selbstbehalt gemäß § 34 Abs 4 EStG 1988 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.
Nach § 1 Abs. 3 der VO sind die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser VO nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.
Entsprechend § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Heilmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen, vorausgesetzt sie stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der festgestellten Behinderung.
Aus der Bestimmung des § 35 EStG 1988 ergibt sich, dass aus dem Titel einer Behinderung entstehende Kosten entweder in Form eines Freibetrages nach § 35 Abs 3 EStG 1988 (gestaffelt nach dem auf Grund einer amtlichen Bescheinigung iSd § 35 Abs 4 leg cit nachzuweisenden Grad der Behinderung) oder (wahlweise) in tatsächlicher Höhe als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
3.) Es folgt:
1. In ihrer Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung beanspruchte die Beschwerdeführerin nicht den Behindertenfreibetrag nach § 35 Abs 3 EStG 1988, sondern machte tatsächliche Kosten für Massagen und Osteopathie-Behandlung aus dem Titel der Behinderung als außergewöhnliche Belastungen geltend.
2. Da der festgestellte Grad der Behinderung 70 % beträgt, kommt auch die zu §§ 34 und 35 EStG 1988 ergangene VO, welche nach deren § 1 Abs. 1 auch für durch eine eigene körperliche Behinderung verursachte Aufwendungen gilt, zur Anwendnung.
Gemäß § 4 der VO sind nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel sowie Kosten der Heilbehandlung im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.
3. Als Kosten der Heilbehandlung im Sinne obiger VO gelten Arztkosten, Spitalskosten, Kurkosten für ärztlich verordnete Kuren, Therapiekosten, Kosten für Medikamente, sofern sie im Zusammenhang mit der Behinderung stehen.
Von der Abzugsfähigkeit sind demnach grundsätzlich erforderliche Arzthonorare, erforderliche Medikamente bzw. Rezeptgebühren sowie notwendige Therapiekosten umfasst. Nicht abzugsfähig sind allerdings Aufwendungen für die Erhaltung der Gesundheit, zur vorbeugenden Behandlung oder zur Förderung des Wohlbefindens.
4. Die Zwangsläufigkeit im Sinne des § 34 Abs. 3 EStG 1988 ergibt sich bei Krankheitskosten grundsätzlich aus der Tatsache der Krankheit (vgl. , , Ro 2020/15/0010).
Im genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2020/13/006, wird hierzu dargelegt, dass zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten nur Aufwendungen für solche Maßnahmen zählen, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig sind (Verweis auf und weitere Verweise).
Zum Nachweis der Notwendigkeit ist - nach weitere Ausführungen des Höchstgerichtes im angeführten Erkenntnis - ein ärztliches Zeugnis oder ein Gutachten erforderlich (unter Verweis auf und andere). Einem ärztlichen Gutachten kann es gleich gehalten werden, wenn beispielsweise ein Teil der angefallenen Aufwendungen von einem Träger der gesetzlichen Sozialversicherung übernommen werden (vgl. , mwN).
5. Es entspricht nun auch der (weiteren) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass der die Begünstigung der §§ §4 und 35 EStG in Anspruch nehmende Steuerpflichtige die Notwendigkeit der vorgenommenen Heilbehandlungen nachweisen muss (vgl. ).
Dem Erfordernis einer vor Therapiebeginn ausgestellten ärztlichen Verordnung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit liegt der Gedanke zu Grunde, wonach einer nachträglich erstellten Verordnung nicht jener Wahrheitsgehalt bzw. jene Glaubwürdigkeit zukommt, als wenn die Verordnung bereits im Vorhinein erfolgt wäre. Dies gilt umso mehr für eine nachträglich ausgestellte ärztliche Empfehlung.
6. Die im Befundbericht vom enthaltene Formulierung "regelmäßige physiotherapeutische Behandlungen mit Massagen sind aus ärztlicher Sicht zur Stabilisierung der Beschwerden und der Verbesserung der Mobilität notwendig" enthält und übernimmt damit die wortgleiche Textierung des fachärztlichen Gutachten vom .
Weder das im Jahr 2016 erstellte fachärztliche Gutachten noch das am von der praktischen Ärztin verfasste Attest sind als medizinische ärztliche Verordnung zu beurteilen, sondern als ärztliche Empfehlung zu werten. Beide vermögen nicht die im Jahr 2020 vorgelegene medizinische Notwendigkeit der Massagen zu bescheinigen. So stammt die Empfehlung aus dem fachärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2016, sodass sich die Befunderstellung und der Therapievorschlag zudem auf einen vier Jahre vor dem Streitjahr liegenden Zeitraum bezieht. Ebenso unstrittig ist auch, dass das ärztliche Attest der praktischen Ärztin im Nachhinein über Abverlangen des Finanzamtes im Nachhinein erstellt wurde.
7. So ist der Bf. aber - mangels vor Beginn der in Rede stehenden Heilbehandlungen eingeholten ärztlichen Verordnungen - der für die Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung erforderliche Nachweisführung bzw. Glaubhaftmachung der medizinischen Notwendigkeit und damit der Außergewöhnlichkeit im Sinne des § 34 EStG 1988 hinsichtlich der in Rede stehenden Heilbehandlungen im Streitjahr 2020 nicht gelungen.
8. Die Vornahme von Osteopathie-Behandlungen wird zudem in den von der Bf. übermittelten Befunden überhaupt nicht angesprochen.
Dass auch weder seitens des Sozialversicherungsträgers noch von anderer Seite keine Ersätze geleistet wurden, ist als weiteres Anzeichen dafür zu werten, dass die medizinische Notwendigkeit der in Streit stehenden Behandlungen im Streitjahr nicht belegt ist.
Daran vermag auch der - nicht in Abrede zu stellende - Umstand, dass die erhaltenen Massagen bzw. die Osteopathie-Behandlungen dazu beigetragen haben mögen, die Beschwerden zu stabilisieren bzw. das Wohlbefinden der Bf. zu fördern, etwas zu ändern.
10. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes an die Nachweisführung besonders strenge Anforderungen zu stellen, da sich die Abgrenzung der abzugsfähigen Kosten zu Aufwendungen der allgemeinen Lebensführung schwierig gestaltet. Vor dem Hintergrund, dass beim Merkmal der Außergewöhnlichkeit von Belastungen ein Abgabepflichtiger, der Krankheitskosten oder Kosten einer Behinderung geltend macht, mit (kranken und gesunden) Abgabepflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu vergleichen ist, stellen Aufwendungen, die bei der Mehrzahl der Abgabepflichtigen auftreten, die also im täglichen Leben üblich sind, keine außergewöhnliche Belastung dar.
Im Hinblick darauf, kann es daher bei verschiedenen Kosten, selbst wenn sie in einem Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung stehen, dennoch am Merkmal der Außergewöhnlichkeit fehlen.
11. Dem Hinweis des Finanzamtes (vgl. Beschwerdevorentscheidung), dass der Grundsatz von Treu und Glauben die Behörde nicht hindert, von einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung oder einer unrichtig ausgeübten Verwaltungspraxis abzugehen, ist im Übrigen beizupflichten. Erweist sich eine in den Vorjahren geübte Beurteilung als nicht rechtmäßig, so ist die (Abgaben-)Behörde (sogar) verpflichtet, von der als nicht rechtsrichtig erkannten Betrachtungsweise abzuweichen.
12. Erbrachte die Bf. den Nachweis nicht, dass die Massagen sowie die Therapiestunden des Osteopathen im Streitjahr 2020 medizinisch notwendig waren, ist das Schicksal der Beschwerde mangels Bejahung der (erforderlichen) Zwangsläufigkeit entschieden.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die ordentliche Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für Heilbehandlungen gemäß § 34 EStG 1988 ohne Selbstbehalt abzugsfähig sind, liegt eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Da sich das gegenständliche Erkenntnis an dieser orientiert und eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu lösen ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.
Klagenfurt am Wörthersee, am
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte | außergewöhnliche Belastung Therapiekosten keine ärztliche Verordnung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.4100539.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
FAAAD-27215