1. Mittelpunkt der Lebensinteressen eines bosnischen Gastarbeiters. 2. Deutschkurs für Ausländer - keine Berufsausbildung.
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe ab entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber ist Staatsbürger von Bosnien-Herzegowina und bereits seit vielen Jahren in Österreich berufstätig, sein Familienwohnsitz ist in Bosnien-Herzegowina. Sein Sohn P, geboren am xx, verfügt seit Oktober 2004 über eine Aufenthaltserlaubnis in Österreich für Zwecke der Ausbildung gemäß § 7 FRG. Im Mai 2006 stellte der Berufungswerber einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe für seinen Sohn P rückwirkend ab Oktober 2004. Das Finanzamt wies mit Bescheid vom den Antrag ab und begründete dies einerseits damit, dass ausländische Studenten, die nur eine Aufenthaltsbewilligung als "Studierende gem. § 8 NAG" ab , früher § 7 FRG, hätten, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben, da sie sich nur zu Ausbildungszwecken vorübergehend in Österreich aufhalten, andererseits damit, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Familie nicht in Österreich, sondern im Ausland gelegen sei, und dass der Sohn zunächst auch nur außerordentlich Studierender gewesen sei.
In der dagegen eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber sinngemäß aus: Die Einstellung der Familienbeihilfe verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz. Aus seiner Beschäftigung würden Beiträge an den FLAF gezahlt. Er und seine Kinder verfügen über eine rechtmäßige Aufenthaltsbewilligung in Österreich und es sei sachlich nicht begründbar, dass er vom Familienbeihilfenbezug ausgeschlossen sei. Es würden auch keine Übergangsbestimmungen für derartige Härten geschaffen. Außerdem hätte er ab Oktober 2004 um Familienbeihilfe angesucht, die Gesetzesnovelle bestehe erst seit 2006. Zumindest bis hätte er daher Anspruch auf Familienbeihilfe.
Im Zuge des weiteren Berufungsverfahrens wurde dem Berufungswerber mittels Vorhalt mitgeteilt, dass auf Grund des Umstandes, dass seine Ehefrau und die anderen Kinder in Bosnien leben, anzunehmen sei, dass er auch den Mittelpunkt der Lebensinteressen dort habe, und ihm aus diesem Grund die Fragen gestellt, wie oft er den Familienwohnsitz aufsuche, ob er dort mit seiner Familie lebe, dort einen Besitz habe, ob er nach Beendigung seiner Arbeit in Österreich plane, dorthin zurückzukehren, oder ob er den dortigen Wohnsitz aufgeben wolle und mit seiner Familie nach Österreich ziehen wolle.
Der Vorhalt wurde vom Berufungswerber nicht mehr beantwortet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Folgende gesetzlichen Regelungen sind für den gegenständlichen Fall von Bedeutung:
Nach § 2 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für Kinder, die die nachfolgend angeführten Voraussetzungen erfüllen. Unter anderem besteht nach lit.b dieser Gesetzesstelle der Anspruch für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.
Nach § 2 Abs. 8 FLAG 1967 haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben und sich die Kinder ständig im Bundesgebiet aufhalten. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
Für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, legt § 3 FLAG 1967 darüber hinaus noch folgende gesonderten Voraussetzungen fest: Nach Absatz 1 dieser Gesetzesstelle in der seit geltenden Fassung haben solche Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach Absatz 2 besteht der Anspruch für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.
Zu prüfen war zunächst, ob der Berufungswerber, der bosnischer Staatsbürger ist, seit Jahren in Österreich beschäftigt ist und seinen Familienwohnsitz weiterhin in Bosnien-Herzegowina hat, im Sinn der zitierten gesetzlichen Regelungen Anspruch auf Familienbeihilfe haben kann, wobei insbesondere die in § 2 Abs. 8 leg.cit. normierte Voraussetzung, dass sein Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet sein muss, in Zweifel stand.
Nach der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. u.a.) wird zur Legaldefinition, wonach für die Feststellung, wo eine Person den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen den Ausschlag geben, folgendes ausgeführt: Unter persönlichen Beziehungen zu einem Land sind all jene zu verstehen, die jemand aus in seiner Person liegenden Gründen aufgrund der Geburt, der Staatsangehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land binden, während den wirtschaftlichen Beziehungen nur eine weitergehenden Zwecken dienende Funktion zukommt. Bei verheirateten Personen mit gemeinsamen Haushalt wird daher der Mittelpunkt der Lebensinteressen an dem Ort sein, an dem sich die Familie aufhält. Bei getrennter Haushaltsführung kommt es auf die Umstände der Lebensführung an, wie etwa eine eigene Wohnung, gesellschaftliche Bindungen und auf objektive und subjektive Beziehungen.
Im Zweifel wird ein Vergleich zwischen den Beziehungen zu den in Frage kommenden Staaten zu ziehen sein. § 2 Abs. 8 FLAG 1967 fordert weder, dass die Beziehungen ausschließlich Österreich gelten, noch dass die Absicht besteht, den Mittelpunkt der Lebensinteressen für immer im Bundesgebiet zu behalten. Wohl wird jedoch nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes den persönlichen Beziehungen ein gewisses Übergewicht über die wirtschaftlichen Beziehungen eingeräumt.
Der Berufungswerber hat zwar die Fragen, die ihm im Rahmen des Berufungsverfahrens zu seinen persönlichen Beziehungen bzw. in Zusammenhang mit seinem Familienwohnsitz gestellt wurden, unbeantwortet gelassen. Festgestellt konnte jedoch werden, dass der Berufungswerber in seinen Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagungen der letzten Jahre stets Aufwendungen für regelmäßige Familienheimfahrten als Werbungskosten geltend gemacht hat und diese von der Abgabenbehörde auch anerkannt wurden, woraus der Schluss zu ziehen war, dass er mit seiner in Bosnien verbliebenen Ehegattin in aufrechter Ehe lebt und sich auch seine sonstigen familiären Beziehungen - es leben zwei weitere Kinder in Bosnien - zur Gänze dort abspielen. Der Berufungswerber hat auch in all den Jahren seiner beruflichen Tätigkeit niemals den Versuch unternommen, seinen Familienwohnsitz nach Österreich zu verlegen, und es liegen auch keine sonstigen Anhaltspunkte vor, die den Schluss zulassen würden, dass seine persönlichen Beziehungen zu Österreich stärker wären als zu seinem Heimatstaat, da ihn offensichtlich an Österreich mit Ausnahme seiner Arbeit - jedenfalls im Berufungszeitraum - nichts gebunden hat. Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates liegt bei einer derartigen Sachlage der Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht im Bundesgebiet, sodass der Berufungswerber allein aus diesem Grund keine Anspruchsberechtigung für die Gewährung von Familienbeihilfe haben konnte.
Auch aus den Berufungsausführungen ergeben sich keine Hinweise, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden, bringt der Berufungswerber doch lediglich Einwendungen gegen die mit erfolgte Neuregelung des § 3 FLAG 1967 vor, wonach ab diesem Zeitpunkt überdies der Anspruch auf Familienbeihilfe an das Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes geknüpft ist. Wenn er vermeint, dass zumindest bis zu diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hätte, so sprechen die zuvor getroffenen Feststellungen dagegen.
Unabhängig von diesen Ausführungen ist weiters auch zum Sohn P , der nach dem Antrag des Berufungswerbers anspruchsvermittelndes Kind sein sollte, Folgendes festzustellen:
Wie aus den eingereichten Unterlagen zu ersehen ist, war der Sohn zunächst lediglich als außerordentlicher Hörer an der Universität, belegte dort die Lehrveranstaltungen "Deutsch als Fremdsprache" und legte die für eine Anmeldung als ordentlich Studierender erforderliche Prüfung am ab. Nach der oben zitierten gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 lit.b FLAG 1967 vermitteln volljährige Kinder nur dann einen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich in Berufsausbildung befinden.
Nun spricht zunächst die Meldung als außerordentlicher Hörer dagegen, dass der Sohn in dieser Zeit als Studierender an einer "in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtung" angesehen werden kann. Im Übrigen ist der Begriff der Berufsausbildung im Gesetz nicht näher umschrieben, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter diesen Begriff aber jedenfalls alle Arten schulischer und kursmäßiger Ausbildung zu zählen, in deren Rahmen noch nicht berufstätigen Personen das für das künftige Berufsleben erforderliche Wissen vermittelt wird. Ziel einer Berufsausbildung ist es, die fachliche Qualifikation für die Ausübung eines angestrebten Berufes zu erlangen. Der Besuch von im Allgemeinen nicht auf eine Berufsausbildung gerichteten Veranstaltungen kann dagegen nicht als Berufsausbildung gewertet werden, selbst dann nicht, wenn diese Ausbildung für eine spätere spezifische Berufsausbildung Voraussetzung oder nützlich ist.
Mit der Aneignung von Deutschkenntnissen im Allgemeinen werden nun keine spezifischen beruflichen Kenntnisse erworben und der Besuch einzelner derartiger Kurse kann nicht als Berufsausbildung gewertet werden, wenn er nicht im Rahmen eines ordentlichen Studiums erfolgt. Die Lehrveranstaltungen "Deutsch als Fremdsprache" sind auch nicht Teil des nachfolgend begonnenen Studiums der Wirtschaftswissenschaften und können nicht als Einheit zusammen mit diesem angesehen werden. Schließlich ist auch die Zeitdauer für diese Lehrveranstaltungen (je sechs Semesterstunden für die Grundstufe I und Grundstufe II) nicht von solcher Intensität, dass sie dem Zeitaufwand für eine Berufsausbildung entsprechen würde.
Ungeachtet der zuvor getroffenen Feststellungen, dass der Berufungswerber selbst nicht die Voraussetzungen als Anspruchsberechtigter für die Gewährung von Familienbeihilfe erfüllt, lagen auch beim Sohn für die Zeit vor Beginn des ordentlichen Studiums deshalb keine Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe vor, da er nicht in Berufsausbildung im Sinn der gesetzlichen Regelung stand.
Damit ist den Einwendungen in der Berufung auch durch diese Feststellungen die Grundlage entzogen. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 2 Abs. 8 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte | Wohnsitz gewöhnlicher Aufenthalt Mittelpunkt der Lebensinteressen Berufsausbildung. |
Verweise |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at