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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2023, RV/2100292/2020

Kein Eigenanspruch auf Familienbeihilfe eines subsidiär Schutzberechtigten bei Ausbildung/Praktikum über Stiftung mit AMS-Beihilfe

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Stadt vom betreffend Familienbeihilfe (Eigenantrag) ab Februar 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) beantragte am mit dem Formular "Beih 100" Familienbeihilfe für sich selbst ab . Er gab an, er sei Staatsbürger von Afghanistan, 2015 als unbegleiteter Jugendlicher nach Österreich gekommen, sei unter subsidiären Schutz gestellt und habe am eine Lehre als Zerspanungstechniker begonnen. Seine Mutter lebe im Iran und leiste keinen Unterhalt, sein Vater sei gestorben.

Im Zuge von Ermittlungen stellte das Finanzamt fest, dass der Bf. vom bis und vom bis in der Grundversorgung betreut wurde und lt. den SV-Daten ab Arbeitslosengeld bezog. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom wurde dem Bf. die befristete Aufenthaltsbewilligung bis erteilt.
Lt. Ausbildungsvertrag im Rahmen einer Stiftung vom hat sich der Beschwerdeführer im Rahmen der Stiftung "***1***" vom bis für die Ausbildung zum Metalltechniker-Zerspanungstechniker entschieden. Der Ausbildungsbetrieb ***2*** in ***3*** bietet dem Schulungsteilnehmer im Rahmen der im Bildungsplan/Maßnahmenplan festgelegten Ausbildung die Möglichkeit eine entsprechende praktische Ausbildung zu absolvieren. Ziel der praktischen Ausbildung ist die Unterstützung der theoretischen/schulischen Ausbildung. Der Stiftungsteilnehmer verpflichtet sich u.a. ergänzend zur praktischen Ausbildung kein wie immer geartetes Beschäftigungsverhältnis (inkl. geringfügiger Beschäftigung) mit dem Ausbildungsbetrieb einzugehen. Weiters nimmt der Stiftungsteilnehmer zur Kenntnis, dass während der praktischen Ausbildung
1. kein Dienstverhältnis begründet wird;
2. kein wie immer gearteter Entgeltanspruch gegen den Ausbildungsbetrieb entsteht;
3. eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes bzw. ein Fortbezug des Arbeitslosengeldes/der Notstandshilfe und gegebenenfalls eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten gewährt wird und er aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsmarktförderung kranken- und unfallversichert ist;
[…]
Lt. Mitteilung des AMS vom wurde der Leistungsanspruch des Bf. wie folgt bemessen:

Mit Bescheid vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 iVm § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ab Februar 2019 abgewiesen, da der Beschwerdeführer weder unselbständig noch selbständig erwerbstätig sei, sondern Leistungen vom AMS beziehe.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass er gemäß § 3 Abs. 4 FLAG 1967 als subsidiär Schutzberechtigter Anspruch auf Familienbeihilfe habe und er keine Leistung aus der Grundversorgung erhalte. Seit absolviere er eine Lehre zum Zerspanungstechniker innerhalb der Stiftung ***1*** und verweist auf den Ausbildungsvertrag. Er sei täglich im Ausbildungsbetrieb mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden und werde dort zum Zerspanungstechniker ausgebildet. Er besuche auch die Berufsschule wie es für Lehrlinge in Österreich vorgesehen sei, das Ziel sei die Lehrabschlussprüfung. Nur der Bezug vom AMS unterscheide seine Ausbildung zu einer regulären Lehre, sodass die Firma entlastet sei und ein Anreiz für die Ausbildung dringend notwendiger Fachkräfte, speziell in Mangelberufen, geschaffen werde. Seiner Meinung nach sei er als unselbständig erwerbstätig einzustufen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab. In der Begründung wurde unter Hinweis auf § 3 Abs. 4 und § 6 Abs. 5 FLAG 1967 ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zwar grundsätzlich die Anspruchserfordernisse für den Eigenbezug der Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 erfülle, aber nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 3 Abs. 4 FLAG 1967:
Für die Ausbildung erhalte er eine Leistung des Arbeitsmarktservice und keinen Lohn/Gehalt bzw. keine Lehrlingsentschädigung. Er erziele kein Erwerbseinkommen, dass der Einkommensteuer unterliegt und von dem Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden. Weiters würden beim Ausbildungsunternehmen für den Stiftungsteilnehmer keine Lohn- und Lohnnebenkosten während der Qualifizierungsphase anfallen.
Die Ausbildung des Bf. im Betrieb stelle keine unselbständige Erwerbstätigkeit dar, da er über das Arbeitsmarktservice finanziert werde.

Daraufhin stellte der Bf. fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) mit der ergänzenden Begründung:
"…….. dass ich durch meine tagtägliche Arbeit als Lehrling sehr wohl einer unselbständigen Tätigkeit nachgehe und ich von meinem Ausbildungsbetrieb monatlich auch ein Entgelt von 150.- erhalte.
Es liegt ein normales Dienstverhältnis vor, da ich als Arbeitnehmer meinem Arbeitgeber meine Arbeitskraft schulde. Als Kennzeichen einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gilt weiters die persönliche und wirtschaftliche, vom Dienstgeber abhängige Tätigkeit. Ich bin also meinem Arbeitgeber auch weisungsgebunden.
Die Zuwendungen im Rahmen von Arbeitnehmerförderungsstiftungen gelten als unselbständige Arbeit.
Ich betone nochmals, dass ich die gleichen Arbeiten wie andere Lehrlinge im Betrieb mache oder darauf eingeschult werde.
Auch werde ich vom bis das 2. Schuljahr in der Berufsschule
***4*** besuchen, wie alle anderen Lehrlinge auch!
Ich betrachte es daher im Sinne des Gleichheitsprinzips der Österreichischen Verfassung nur als gerechtfertigt, dass auch ich die Familienbeihilfe bekomme. Es ist sonst für mich eine sachlich nicht gerechtfertigte Bevorzugung Anderer oder eine Benachteiligung meiner Person.
Durch diese Benachteiligung erhalte ich auch keine Lehrlingsfahrtunterstützung in die Firma oder zur Berufsschule, da dies wieder die Gewährung der Familienbeihilfe voraussetzt!
Also wieder eine klare und ungerechtfertigte Benachteiligung meiner Person
."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Nach § 3 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idgF haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. […]

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3) […]

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis.

Im Initiativantrag, auf welchen § 3 Abs. 4 FLAG 1967 zurückgeht (IA 62/A BlgNR 23. GP) wird auszugsweise ausgeführt:
"Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Bereits nach der Rechtslage vor dem war als Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe das Vorliegen einer mindestens drei Monate dauernden legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen. Diese Voraussetzung soll nunmehr durch die selbstständige Erwerbstätigkeit erweitert werden."

Der Gesetzgeber wollte demnach die Leistung der Familienbeihilfe an subsidiär Schutzberechtigte, wenn diese nicht unter die Grundversorgung fallen, mit einer tatsächlichen selbständigen oder nichtselbständigen Erwerbstätigkeit verknüpfen. Wenn die subsidiär Schutzberechtigten "durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen", soll auch ein staatlicher Beitrag in Form der Familienbeihilfe erfolgen (vgl. ).

Für die Gewährung der Familienbeihilfe muss somit eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen (vgl. ; ). Dass etwa durch Zuwendungen außerhalb der Grundversorgung anderweitig die Existenz gesichert wird, reicht nicht aus (); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 3 Rz 275).

Ebensowenig erfüllen der Bezug von Arbeitslosengeld (auch Notstandshilfe) und Krankengeld wie der Erhalt von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Beihilfen zu Kursnebenkosten durch das AMS die Voraussetzungen einer Erwerbstätigkeit iSd § 3 Abs. 4 FLAG 1967 (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 3 Rz 280):
Eine Ausbildung im Rahmen des AMS ist keine Erwerbstätigkeit (-I/10; ; ; -G/10; ; [Arbeitslosengeld, Beschwerde zu , abgelehnt]; ; ; ; ; ; ; ; ).

Ebenso ist ein Praktikum, bei welchem kein Arbeitslohn vereinbart, sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und ein Bildungsbonus bezogen wurde, keine Erwerbstätigkeit ().

Dasselbe gilt im ähnlich gelagerten Fall eines Bf., der im Rahmen einer Stiftung eine Ausbildung absolvierte und dafür ein von der Stiftung finanziertes Schulungsgeld/Stipendium erhielt und vom AMS eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes ().

Auch im gegenständlichen Fall wurde eine Ausbildungsvereinbarung im Rahmen einer Stiftung und kein regulärer Lehrvertrag mit einem Lehrbetrieb abgeschlossen. Der Stiftungsteilnehmer erhält keine Lehrlingsentschädigung, sondern eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts und eine Beihilfe zu den Kursnebenkosten, welche nicht von einem Lehrbetrieb, sondern von der öffentlichen Hand (AMS) getragen werden.

Außerdem wurde im Ausbildungsvertrag ausdrücklich vereinbart, dass kein Dienstverhältnis begründet wird, kein wie immer gearteter Entgeltanspruch gegen den Ausbildungsbetrieb entsteht und kein wie immer geartetes Beschäftigungsverhältnis (inkl. geringfügiger Beschäftigung) mit dem Ausbildungsbetrieb eingegangen werden darf. Während des Praktikums war der Bf. darüber hinaus aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung bzw. Arbeitsmarktförderung kranken- und unfallversichert.

Es liegt daher nach der Judikatur kein Dienstverhältnis mit Entgeltanspruch (Arbeitslohn) bzw. keine tatsächliche Erwerbstätigkeit iSd § 3 Abs. 4 FLAG 1967 vor.
Vielmehr absolvierte der Beschwerdeführer als Stiftungsteilnehmer über die Stiftung ein Praktikum mit dem Ziel, einen in Österreich anerkannten Lehrabschluss und eine Höherqualifizierung zu erreichen, um in ein konkretes Dienstverhältnis übernommen zu werden.

Betreffend dem Beschwerdevorbringen, es läge eine Gleichheitswidrigkeit iSd Verfassung vor, ist darauf hinzuweisen, dass es grundsätzlich im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, an welche Kriterien er bei der Gewährung der Familienbeihilfe anknüpft. Wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf die Finanzierbarkeit des österreichischen Sozialsystems bei subsidiär Schutzberechtigten Beschränkungen hinsichtlich des Zugangs zu Familienleistungen vorsieht, handelt er damit innerhalb seines verfassungsrechtlich vorgesehenen Gestaltungsspielraumes. Eine Verfassungswidrigkeit der hier anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung ist daher dem Bundesfinanzgericht nicht erkennbar.

Es war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzung liegt im Beschwerdefall nicht vor, da der vorliegende Sachverhalt in freier Beweiswürdigung beurteilt wurde und das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur).

Graz, am

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