Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2022, RV/7104319/2020

Erhöhte Familienbeihilfe: Grad der Behinderung aufgrund von Sachverständigengutachten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling, nunmehr Finanzamt Österreich, vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für ***[SohnA.]*** ab Juli 2019,
Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag der Beschwerdeführerin (Bf.) vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für ihren im Mai 2007 geborenen Sohn A. - ab dem im Antrag genannten Zeitpunkt Juli 2019 - mit dem Hinweis auf die im Zuge dieser Erledigung vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Auftrag des Finanzamtes erstellte Bescheinigung vom über das Ausmaß der Behinderung des Sohnes mit der Begründung ab, es sei ein Grad der Behinderung von 30% festgestellt worden.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen den Abweisungsbescheid Beschwerde mit folgender Begründung ein:
Da mein Sohn A., neben den bereits ihnen vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, weitere körperliche Dysfunktionen aufweist, besteht ein Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe zu Recht. Ich werde daher Ihnen in den nächsten Wochen Atteste von Fachärzten zukommen lassen, um das volle Ausmaß der Behinderung vorweisen zu können.

Am richtete das Finanzamt ein Ergänzungsersuchen an die Bf. (Frist zur Beantwortung/Rücksendung bis zum: ):
Sie haben in Ihrer Beschwerde vom angekündigt, dass Sie für Ihren Sohn A. noch fachärztliche Atteste übermitteln werden.
Um Veranlassung wird ersucht.

Am übersandte das Finanzamt der Bf. überdies ein Datenblatt zur Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe für die beiden Kinder der Bf.

In Beantwortung der Schreiben des Finanzamtes übermittelte die Bf. am folgende Unterlagen betreffend ihren Sohn A.:
- Psychologisches Gutachten von Dr. Mag. E.Sch., Klinische und Gesundheitspsychologin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Psychologie, Psychotherapeutin, und Mag. Y, Klinische und Gesundheitspsychologin, vom
- Hörverarbeitungsscreening durch Hörtrainer N.R. vom
(Ergebnis auffällig; Empfehlung zu weiteren Tests bzw. Beratungsgespräch)
- Schreiben der Dr. Mag. E.Sch., w.o., vom (Zusammenfassung der Ergebnisse der erfolgten Begutachtung bezüglich einer vermuteten Legasthenie)
- Schulnachricht der Klasse 6 (6. Schulstufe) der Rudolf Steiner … Freie Waldorfschule vom (Deutsch genügend, Mathematik nicht genügend, Englisch nicht genügend)
- Befundbericht von Univ. Prof. Dr. A.T., Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie, allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger vom (Diagnose: Verdacht auf auditive Verarbeitungsstörung; Procedere: Teilleistungsschwächen Training)
- Arztbrief / Befundbericht des Dr. St.F., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, vom (Diagnose: F90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung; Behandlung: Ritalin 10 mg)

Über Anforderung des Finanzamtes an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wurde der Sohn der Bf. am durch einen Arzt für Kinder und Jugendheilkunde ein weiteres Mal untersucht und ein Sachverständigengutachten erstellt.
(Die Sachverständigengutachten werden im Erwägungsteil wiedergegeben).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen; mit folgender Begründung:
Gemäß § 8 des Familienlastenausgleichsgesetzes ist bei einem Kind ein Anspruch auf einen Familienbeihilfen-Erhöhungsbetrag wegen Behinderung nur dann gegeben, wenn ein Behinderungsgrad von mindestens 50 % besteht.
Der Grad der Behinderung ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens festzustellen.
Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Absatz 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom anzuwenden.
Das genannte Bundesamt hat in der im Beschwerdeverfahren erstellten Bescheinigung bei Ihrem Sohn A. neuerlich einen Behinderungsgrad von 30% festgestellt.
Es besteht daher kein Anspruch auf den Erhöhungsbetrag.

Den Vorlageantrag vom brachte die Bf. ein wie folgt:
Wie bereits bei der Beschwerde erwähnt hat mein Sohn A., neben den bereits ihnen vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen, weitere körperliche Dysfunktionen. Daher steht meinem Sohn, schon wegen benötigten Therapieeinheiten, erhöhter Aufsicht, etc., der Erhöhungsbeitrag zu.
Ich werde ihnen in den nächsten Wochen Atteste von Fachärzten zukommen lassen, um das volle Ausmaß der Behinderung vorweisen zu können.

Über Vorhalt des Finanzamtes sandte die Bf. folgendes Schreiben vom :
… gerne sende ich Ihnen die Vorlagen der Gutachten in Kopie zu.
Bitte beachten Sie, dass bei meinem Sohn A. der Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) besteht. Um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung zu diagnostizieren, wird mein Sohn bei Hrn. Mag. L.N. diesbezüglich mehrere Tests durchlaufen müssen. Durch die Covid 19 - Situation und da die Einordnung einer Entwicklungsstörung mit autistischen Zügen erst nach langer Beobachtung erfolgen kann, wird voraussichtlich die Diagnostik mit Ende des Jahres beendet sein.
Mir liegt bis dato nur der Termin für das Erstgespräch vor, welches am Freitag, den um 10:00 Uhr stattfinden wird. Die restlichen benötigten Termine bei Hm. Mag. L.N. gebe ich gerne bekannt, sobald mir diese vorliegen. Zudem werde ich, wenn die Untersuchungen und Testungen abgeschlossen sind, Ihnen das Attest zukommen lassen.
Ich bitte Sie dann dieses Attest ebenfalls in die Entscheidung einfließen zu lassen.

Dem Schreiben waren abermals das Psychologische Gutachten vom , das darauf Bezug nehmende Schreiben der Psychologin vom , der Befundbericht des HNO-Arztes vom sowie der Arztbrief / Befundbericht des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom angeschlossen.

Mit Schreiben der Bf. vom teilte diese Folgendes mit:
… ich möchte Sie in Kenntnis setzen, dass mein Sohn A. Mitte Dezember in der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (KJPP) am Standort Hinterbrühl ambulant auf eine Entwicklungsstörung untersucht wird.
Der Endbefund wird mir Ende Dezember vorliegen. Den ich Ihnen dann unverzüglich zukommen lasse.
Ich bitte Sie dieses Attest ebenfalls in die Entscheidung einfließen zu lassen.

Diesem Schreiben war ein klinisch-neuropsychologischer Befund der Mag.a B.A., Klinische und Gesundheitspsychologin, Klinische Neuropsychologin, Arbeitspsychologin, vom über eine Untersuchung des Kindes am beigelegt.
Die Punkte 4. und 5. des Befundes lauten:
4. Interpretation der Ergebnisse
Zum Zeitpunkt der klinisch-neuropsychologischen Testung ist der Pat. in allen Qualitäten vollständig orientiert, der Ductus ist kohärent.
Im intellektuellen Bereich ist ein durchschnittliches Intelligenzniveau auf sprachfreier Ebene abgrenzbar.
Bei den Exekutivfunktionen ist die kognitive Flexibilität durchschnittlich. Im Bereich der Sprach- und Sprechleistungen finden sich ein reduzierter Sprechantrieb bei kaum vorhandenen spontansprachlichen Äußerungen. Testdiagnostisch wird der Cut-Off-Wert für den Verdacht auf selektiven Mutismus deutlich überschritten.
In den emotional-affektiven Funktionen findet sich im Fragebogen AQ (Version für Jugendliche) ein auffälliger Wert. In der MBAS wird allerdings beim Gesamtwert der Cut-Off-Wert nicht überschritten. Lediglich in den Skalen Theory of Mind / Kontakt-und Spielverhalten und geteilte Aufmerksamkeit werden die Cut-Off-Werte überschritten. Der TOM ist aufgrund der Normen nur eingeschränkt interpretierbar, jedoch ebenfalls auffällig.

5. Zusammenfassung und Empfehlung
Entsprechend den S3-Leitlinien (DGKJP, DGPPN) zur Diagnostik von Autismus-Spektrum-Störungen umfassen die Kernsymptome altersunabhängige Defizite in der sozialen Interaktion und Kommunikation sowie eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten. Störungen der Interaktion beziehen sich auf die Initiierung, Aufrechterhaltung und Gestaltung von zwischenmenschlichen Beziehungen im Rahmen von Familie, Freundschaft, Partnerschaft sowie Gleichaltrigen in Kindergarten, Schule und Beruf. Auch Störungen der Kommunikation, insbesondere der nonverbalen Kommunikation einschließlich Gestik, Mimik oder Blickverhalten sind von großer Bedeutung.
Aufgrund der Verhaltensbeobachtung, der Anamnese (inkl. Fremdanamnese) und der Testergebnisse werden entsprechend den angeführten Leitlinien und dem ICD-10 die Kriterien nicht zur Gänze erfüllt. Insbesondere die speziellen/eingeengten Interessen, die stereotypen Verhaltensabläufe und die Über- bzw. Unterempfindlichkeit gegenüber Reizen fehlen für eine eindeutige ASS-Diagnose.
Dementsprechend wird eine weiterführende klinisch-psychologische Diagnostik unter Miteinbeziehung der Eltern im Rahmen eines stationären Aufenthaltes empfohlen. Hier könnte auch die Verdachtsdiagnose des selektiven Mutismus, die sich im Rahmen der ASS-Diagnostik ergeben hat, intensiver nachgegangen werden. Jedenfalls wird ein soziales Kompetenztraining als sinnvoll erachtet.

Mit Schreiben vom teilte die Bf. Folgendes mit:
… ich kann ihnen nun den Ambulanzbefund des Landesklinikum Baden-Mödling zukommen lassen.
In diesen Schreiben geht hervor, dass mein Sohn A. ergänzend noch eine Klinisch-psychologische-Diagnostik bei einem Psychologen, um eine Differenzierung des Krankheitsbildes zu erhalten, angebracht ist. Die Diagnose des Landesklinikums entnehmen sie bitte dem Ambulanzbefund.
Ich bitte Sie dann dieses Attest ebenfalls in die Entscheidung einfließen zu lassen.

Diesem Schreiben war ein Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling, Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie / Hinterbrühl vom (vidiert am ) über eine ambulante Erstvorstellung des Kindes am angeschlossen; in diesem Befund wird u.a. ausgeführt:
Status psychicus:
A. ist ein bald 14jähriger junger Mann, sein Erscheinungsbild wirkt altersadäquat, er wirkt gepflegt und witterungsadäquat gekleidet. Es sind keine äußerlichen Verletzungen oder somatische Symptome erkennbar. Sein Antrieb wirkt leicht reduziert. Seine Grob- und Feinmotorik wirkt grob unauffällig. Er ist während der kompletten Begutachtungssituation im Kontakt auch wenn er nicht immer fokussiert wirkt. Er ist zu allen Seiten orientiert. Seine Affekte wirken leicht verflacht, der Wortschatz wirkt reduziert und wenig differenziert. Es wird weder von Phobien noch von potenziell belastenden Lebensumständen oder Situationen welche ein traumatisches Belastungspotenzial in sich tragen würden gesprochen. Es gibt keine Beobachtungen welche Denk- Wahn- oder Ich-Störungen stützen würden.
Schlafstörungen oder Essstörungen werden nicht beschrieben in der Erstbegutachtung.
Ein Schulbesuch scheint derzeit uneingeschränkt möglich.
Zum Zeitpunkt der Vorstellung ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung.
Empfehlungen:
• Ergänzende Klinisch-psychologische-Diagnostik (siehe oben) wird bei einer niedergelassenen Psychologin empfohlen (Vorschläge wurden der KM mitgegeben)
• Je nach den Ergebnissen der Diagnostik sind therapeutische Angebote:
Spieltherapie, soziale Kompetenzgruppen, Logopädie zu empfehlen
(Kontaktadressen für den Raum Baden wurden mitgegeben)
• Zur Ergänzung des Freizeitangebotes wird der regelmäßige Besuch eines Freizeitangebotes (Club, Verein, etc.) empfohlen. Sollte dies in Zukunft mehr Unterstützung benötigen kann auch eine Jugend-Intensivbetreuung angedacht werden (JIB kann über die Kinder- Jugendhilfe angefragt werden
(Achtung lange Wartelisten)).
• Elternberatung zum Thema Grenzen setzen, Selbstständigkeitsaufbau, nutzen von vorhandenen Ressourcen etc. kann über das Kinderhilfswerk oder die Kinder und Jugendhilfe bezogen werden.
Diagnose:
• V.a. F80 Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache
• F81.0 Lese- Rechtschreibstörung
• V.a. F83 Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung
• V.a. F90.0 Einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung

Das Schreiben der Bf. vom lautete:
…ich möchte Sie in Kenntnis setzen, dass mir der Endbefund meines Sohnes A., durchgeführt von Fr. Mag.a SJ. (Psychologin), am , vorliegen wird. Daher ersuche ich um eine Fristverlängerung.
Ich bitte Sie dann dieses Attest ebenfalls in die Entscheidung einfließen zu lassen.
Die restlichen geforderten Gutachten lege ich bei.

Dem Schreiben waren die bereits bisher vorgelegten Befunde, und zwar das Psychologische Gutachten vom , das darauf Bezug nehmende Schreiben der Psychologin vom , der Befundbericht des HNO-Arztes vom , der Arztbrief/Befundbericht des Facharztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie vom , der klinisch-neuropsychologischer Befund vom (Mag.a BA., Neuropsychologin) sowie der Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling, Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie/Hinterbrühl vom angeschlossen.

Schließlich wurde von der Bf. der klinisch-psychologische Befund (dient zur Vorlage für diagnostische und therapeutische Maßnahmen) von Mag. S.J., Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, vom nachgereicht.
Hierin wird insbesondere festgehalten (Auszug):
Vorstellungsgrund: Verdacht auf Autismus
Die Untersuchungstermine erfolgten am 24.3. und am .
Zusammenfassung:
Seine allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit liegt im (unteren) durchschnittlichen Bereich. Eine individuelle Stärke besteht im Sprachverständnis. Altersentsprechende Werte finden sich im wahrnehmungsgebundenen logischen Denken und im Arbeitsgedächtnis. Ein unterdurchschnittliches Ergebnis besteht im Arbeitstempo. Seine Konzentrationsfähigkeit ist schwach entwickelt und weist auf eine Aufmerksamkeitsschwäche hin. Es wird eine Lese-Rechtschreibschwäche bestätigt, - das sinnerfassende Lesen ist verlangsamt, bei der Rechtschreibung zeigt sich ein knapp durchschnittliches Resultat.
Aufgrund der Anamnese und der Untersuchungsergebnisse wird eine Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache bestätigt. Hinweise auf das Vorliegen einer selektiven Mutismus-Störung finden sich nicht im Rahmen der Untersuchung.
Aus der Untersuchung der psychosozialen Entwicklung resultiert das Bild eines Jugendlichen mit einer sozialen Ängstlichkeit.
Empfehlung:
-Psychotherapie für A. mit begleitenden Elterngesprächen
-Förderung der Konzentrationsfähigkeit, -Lese-Rechtschreibförderung
Diagnose nach ICD 10: expressive Sprachschwäche F 80.1, Lese-Rechtschreibschwäche F 81.0, Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters F 93.2

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Situation des im Jänner 2007 geborenen Sohn der Bf. stellt sich folgendermaßen dar (Auszug aus dem zuletzt vorgelegten klinisch-psychologischen Befund von Mag. S.J., Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, vom ):
Der Sohn A. besucht die 3. Klasse einer Neuen Mittelschule.
[Ergänzende Anmerkung: In dem im Abweisungsbescheid genannten Zeitpunkt Juli 2019 war er 12 ½ Jahre alt und hatte die 5. Schulstufe in einer NMS besucht; der Wechsel in die 6. Schulstufe in eine Rudolf-Steiner Schule (Waldorfschule) stand bevor / erfolgte im September 2019. Im darauffolgenden Jahr erfolgte der Wechsel von der Waldorfschule zurück in eine NMS (Regelschule).]
In Vorbefunden wurden der Verdacht einer auditiven Verarbeitungsstörung, der Verdacht einer kombinierten umschriebenen Entwicklungsstörung, der Verdacht einer Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache sowie eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung und eine Lese-Rechtschreibstörung diagnostiziert, die Kriterien einer Autismus-Spektrums-Störung wurden nicht zur Gänze erfüllt. Speziell eingeengte Interessen, stereotype Verhaltensabläufe und die Über- bzw. Unterempfindlichkeit gegenüber Reizen fehlen bei A. für eine eindeutige ASS-Diagnose (Autismus-Spektrum-Störung). Es wird die Verdachtsdiagnose eines selektiven Mutismus geäußert, ein soziales Kompetenztraining wurde in dem klinisch-neuropsychologischen Befund vom (Mag.a BA.) empfohlen.
A. hat Probleme beim Lernen, im Halbjahr hatte er vorwiegend genügende Beurteilungen in den Schulfächern. Er spricht wenig, habe einen reduzierten Wortschatz und neige zu sozialem Rückzug. Es fanden ein Legasthenietraining und eine logopädische Unterstützung statt.

Ausgangspunkt des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist der Umstand, dass die Bf. für ihren Sohn A. bis einschließlich Juni 2019 erhöhte Familienbeihilfe bezogen hat; danach wurde auf Grund des Sachverständigengutachtens des Bundessozialamtes vom die Auszahlung der erhöhten Familienbeihilfe für A. eingestellt. Der Antrag der Bf. vom auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für ihren Sohn ab Juli 2019 wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid abgewiesen.

Betreffend den Sohn der Bf. wurden durch Ärzte im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen folgende Untersuchungen durchgeführt und vier Sachverständigengutachten erstellt:

Begutachtung (Untersuchung) am
Fachgebiet der Sachverständigen: Allgemeinmedizin
Anamnese:
Zustand nach Kinderkrankheiten
Derzeitige Beschwerden:
Bei A. besteht eine Entwicklungsauffälligkeit. Er hat Probleme mit der Sprache (Artikulation), mit dem Rechnen und Lesen.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
dzt. noch keine; steht auf der Warteliste. Logopädie, Ergotherapie, Legasthenietraining
Sozialanamnese:
9 Jähriger, geht in die 2. Klasse Volksschule (hat Regelunterricht); war in der 1. Klasse Volksschule wurde in die Vorschule zurückgestuft, wohnt bei den Eltern
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
KH Mödling ( Kinderabt. / Logopädie )
verzögerte Sprachentwicklung, Dyslalie, Dysgrammatismus
KH Wr. Neustadt
Entwicklungsauffälligkeit
KH Mödling ( Kinderabt.)
V.a. Wahrnehmungsstörung, Sprachproblematik
Landesschulrat N.Ö.
Defizite; Lernbetreuung dringlich
Fr. X ( Legasthenietrainer)
Primärlegasthenie/ - dyskalkulie
Ambulatorium Neunkirchen
wirkt nicht seinem Alter entsprechend entwickelt, Raumorientierung, motor. Koordination
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand
gut
Größe: 132,00 cm Gewicht: 24,50 kg Blutdruck: -------
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Cor, Pulmo, Abdomen grob klinisch unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
Grobmotorik, Gangbild altersentsprechend entwickelt
Psycho(patho)logischer Status:
wach, orientiert, aufgeweckt
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: [blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten: [blank]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 08/2012
□ Dauerzustand
x Nachuntersuchung: in 3 Jahren
Anmerkung hins. Nachuntersuchung:
Zur Nachevaluierung der Entwicklung

Begutachtung (Untersuchung) am (vidiert )
Fachgebiet der Sachverständigen: Allgemeinmedizin
Anamnese:
Zustand nach Frühgeburt, Zustand nach Leistenbruchoperation rechts
Derzeitige Beschwerden:
A. ist nach wie vor unselbständig, die Feinmotorik ist nicht altersentsprechend entwickelt, die Sprache ist nicht altersentsprechend entwickelt, er hatte Logopädie, aber keine wesentliche Besserung, er hat Probleme beim Lesen, Schreiben und Rechnen.
Voraussichtlich muß er die Klasse wiederholen. Es wird überlegt ihn in eine Waldorfschule zu geben. Die Konzentration ist ebenfalls eingeschränkt.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Legasthenietraining, Logopädie waren 2018, derzeit pausiert, immer wieder Nachhilfeunterricht
Sozialanamnese:
12 Jähriger, geht in eine NMS in die 5. Klasse, eine Klassenwiederholung steht im Raum,
wohnt bei den Eltern.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Aktuelle Befunde wurden nicht vorgelegt oder nachgereicht
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 145,00 cm Gewicht: 40,00 kg Blutdruck: --------
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
Cor, Pulmo, Abdomen grob klein, unauffällig
Gesamtmobilität-Gangbild:
Gangbild, Grobmotorik unauffällig
Psycho(patho)logischer Status:
sehr ruhig, spricht wenig
Es ist kein Grad der Behinderung zu ermitteln.
Begründung:
Es wurden keine aktuellen Befunde vorgelegt oder nachgereicht.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: [blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten: [blank]
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 05/2019
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
Es wurden keine aktuellen Befunde vorgelegt oder nachgereicht.
x Dauerzustand

Begutachtung (Untersuchung) am (vidiert )
Fachgebiet der Sachverständigen: Neurologie
Anamnese:
In einem Vorgutachten 07/2019 konnte kein Grad der Behinderung ermittelt werden, da keine aktuellen Befunde vorgelegt oder nachgereicht wurden. 06/2016 wurde eine Entwicklungsstörung mit 50% GdB bewertet. Es wird nun ein neuer Befund vorgelegt.
Derzeitige Beschwerden:
Er habe Schule gewechselt er sei in der Waldorfschule in …, dort gefalle es ihm. Es sei dort mit weniger Stress, sie bekommen keine Noten, es wird solange geübt bis sie es beherrschen. Er könne dort auch die Matura machen aber eben in seinem Tempo. Er habe auch schon Freunde gefunden. Auch zu Hause habe er Freunde und gehe mit denen in die Stadt. Es war schon zu extrem mit den sozialen Medien das habe die Mutter jetzt reduziert. Der Wortschatz sei nicht groß. Es gibt Probleme in Mathematik, Deutsch und Englisch.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Legasthenietraining wird in der Waldorfschule angeboten
Sozialanamnese:
wohnt bei den Eltern 6. Klasse Waldorfschule
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr. Sch., klin. Psychologin, : Überdurchschnittlich logisch-abstrakte Denkleistung Basisintelligenzquotient 120, durchschnittliche visuell-akustische Reaktionsfähigkeit, Konzentration Ausdauer gerade noch durchschnittlich, Legasthenie alle 3 Teilbereiche betreffend, Defizite im Leistungsbereich F81 Schulunlust und Prüfungsangst
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
unauffällig
Ernährungszustand:
gut
Größe: 150,00 cm Gewicht: 36,00 kg Blutdruck: 105/75
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
12 Jahre
Cor: reine rhythmische Herzaktion.
Pulmo: VA, keine Rasselgeräusche, Schädel frei beweglich,
Geruchsempfinden normal angegeben, Gesichtsfeld fingerperimetrisch frei,
Pupillen rund, isocor, Bulbusmotilität ungestört
Lichtreaktion direkt und indirekt prompt auslösbar,
Gesichtssensibilität ungestört,
mimische Muskulatur seitengleich normal innerviert,
Obere und Untere Extremität: Keine pathologische Tonussteigerung.
Die grobe Kraft ist seitengleich normal. Keine Paresen.
MER sind seitengleich auslösbar. Pyramidenzeichen sind nicht auslösbar.
Sensibilität: Im Bereich der Extremitäten und des Stammes ungestört
Vegetativum: unauff.
Fingerreiben und Normalsprache wird seitengleich verstanden,
Spontan- und Konversationssprache ungestört
Gesamtmobilität - Gangbild:
Normalgang, Fersengang und Zehengang beidseits ungestört.
Psycho(patho)logischer Status:
Bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert,
Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit,
Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen ungestört,
Alt- und Kurzgedächtnis sind ungestört,
Stimmungslage ausgeglichen,
Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen,
die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: [blank]
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: [blank]
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten, in dem kein GdB ermittelt werden konnte wurde ein neuer Befund vorgelegt, daher GdB von 30% ermittelbar. Im Vergleich zum letzten rechtskräftigen Gutachten Reduktion von 50% GdB auf 30% GdB auf Grund des vorliegenden psychologischen Befundes mit überdurchschnittlicher logisch-abstrakter Denkleistung und Basisintelligenz.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 06/2019
GdB 50 liegt vor seit: 08/2012
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor: [blank]
x Dauerzustand

Begutachtung (Untersuchung) am (vidiert )
Fachgebiet des Sachverständigen: Kinder- und Jugendheilkunde
Anamnese:
In einem Vorgutachten von 2019-10-11 wurde bei Teilleistungsstörung ein Grad der Behinderung von 30% festgestellt. Die Mutter hat gegen diesen Bescheid Einspruch
erhoben und hat neue Befunde vorgelegt, die nunmehr zur Begutachtung vorliegen.
Aktuell hat A. die Schule wechseln müssen (von Rudolf-Steiner Schule (Waldorfschule) in eine NMS (Regelschule). Die Betreuung erfolgt über den Kinderpsychiater Dr F. und den Kinderfacharzt Dr W..
Auszug aus dem Gutachten von 2019-10-11: In einem Vorgutachten 07/2019 konnte kein Grad der Behinderung ermittelt werden, da keine aktuellen Befunde vorgelegt oder nachgereicht wurden. 06/2016 wurde eine Entwicklungsstörung mit 50% GdB bewertet. Es wird nun ein neuer Befund vorgelegt.
Derzeitige Beschwerden:
siehe oben
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Ritalin mit Beginn ab Einschulung ab Herbst 2020
Sozialanamnese:
lebt zuhause bei den Eltern, Bruder 12J ADHS, besucht die NMS mit Regelbeschulung
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Dr. Sch., klin. Psychologin, : Überdurchschnittlich logisch-abstrakte Denkleistung Basisintelligenzquotient 120, durchschnittliche visuell-akustische Reaktionsfähigkeit, Konzentration Ausdauer gerade noch durchschnittlich, Legasthenie alle 3 Teilbereiche betreffend, Defizite im Leistungsbereich F81Schulunlust und Prüfungsangst
2020-02-14: Waldorfschule - Zeugnis: Deutsch genügend, Mathematik nicht genügend,
Englisch nicht genügend
2020-06-10: Dr F. Kinderpsychiater: F90.0 ADHS, Therapie: Ritalin 10mg 2-1-0
2019-12-18: Mag Sch. Psychologin: Legasthenie, Teilleistungsstörung
2020-05-27: Dr T. HNO: Dg: Vd auditive Verarbeitungsstörung, Teilleistungsschwächen
2019-06-26: Mag Sch. Psychologin: Legasthenie, Teilleistungsstörung
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
guter AZ
Ernährungszustand:
guter EZ, zarter Körperbau
Größe: 162,00 cm Gewicht: 40,00 kg Blutdruck:
Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:
13 7/12 Jahre alter Knabe, Pulmo frei, Cor rein, Abdomen weich, Haut bland
Gesamtmobilität-Gangbild:
unauffällig
Psycho(patho)logischer Status:
gut affizierbar, folgt Untersuchung, kommuniziert zielgerichtet
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: [blank]
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
keine
Stellungnahme zu Vorgutachten:
Gemäß Beschwerde werden die neuen Befunde eingepflegt (2019 und 2020); die Teilleistungsstörung bzw. ADHS ist belegt, eine medikamentöse Behandlung ist geplant; eine Regelbeschulung zurzeit möglich; daher Bestätigung der bisherigen Einstufung.
Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
x ja □ nein
GdB liegt vor seit: 06/2019
Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:
rückwirkend per angeführtem Diagnosedatum geltend zu machen
x Dauerzustand

Beweiswürdigung

Die Feststellungen beruhen auf den im Verwaltungsverfahren von der Bf. übermittelten Befunden und den vom Sozialministeriumservice erstellten Sachverständigengutachten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 8 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes erheblich behinderte Kind.

Als erheblich behindert gilt gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind (für Begutachtungen nach dem Stichtag ) § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 in der Fassung BGBl. I Nr. 105/2002 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung ist die Einschätzungsverordnung zwingend vorgesehen.

Die Abgabenbehörde hat unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht (§ 167 Abs. 2 BAO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Das Bundesfinanzgericht ist an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ; ).

Es besteht nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu § 8 Abs. 6 FLAG 1967 jedoch keine unbedingte Bindung an die Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde. Eine Gutachtensergänzung oder ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar (vgl. ).

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , m.w.N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , m.w.N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ; ).

Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , m.w.N.; ).

Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ; ).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , m.w.N.; ).

Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ; ).

Die Behörden des Verwaltungsverfahrens sind verpflichtet, die Beweiskraft der Gutachten des Sozialministeriumservice zu prüfen und erforderlichenfalls für deren Ergänzung zu sorgen (vgl. etwa , m.w.N.; ). Dies setzt voraus, dass sich Behörde vor Erlassung ihre Entscheidung Kenntnis vom gesamten Inhalt des jeweiligen Gutachtens verschafft.

Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m.w.N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).

Die Feststellung des Behindertengrades eines Kindes hat nach den Bestimmungen des § 8 Abs. 6 FLAG auf dem Wege der Würdigung ärztlicher Sachverständigengutachten zu erfolgen (ohne dass den Bekundungen des anspruchswerbenden Elternteiles dabei entscheidende Bedeutsamkeit zukäme; vgl. ).

Was ein ärztliches Zeugnis betreffend das Vorliegen einer Behinderung im Sinne des FLAG anlangt, so hat ein solches - nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - Feststellungen über Art und Ausmaß des Leidens sowie auch der konkreten Auswirkungen der Behinderung auf die Erwerbsfähigkeit in schlüssiger und damit nachvollziehbarer Weise zu enthalten ().

Die Anlage zur Einschätzungsverordnung enthält, soweit entscheidungsrelevant, Folgendes:

03 Psychische Störungen
03.01 Kognitive Leistungsstörungen
Die Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite erfolgt unabhängig der Ursachen (angeborene Minderbegabungen, posttraumatische Leistungsminderung, genetisch, entzündlich oder toxisch bedingt) abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen.
Der Intelligenzquotient wird mit standardisierten Testverfahren ermittelt und fließt bei der Feststellung des Schweregrades als eines der Kriterien in die Beurteilung mit ein.
Sprach- und Artikulationsstörungen bis hin zur Aphasie sind zu berücksichtigen.
Zumutbare medizinische Behandlungsmöglichkeiten fließen in die Einschätzung ein.
Teilleistungsschwächen geringen Grades 10 - 20 %
Ohne wesentliche Beeinträchtigungen im Alltagsleben oder der beruflichen Tätigkeit
bzw. schulischen Leistungen
Lese‐, Rechtschreib‐ und Rechenstörung leichten Ausmaßes
Intelligenzminderung mit geringen
bis mäßigen sozialen Anpassungsstörungen 30 - 40 %
Anamnestisch leichte Anpassungsstörung, eventuell mehrmaliger Verlust der
Arbeitsstelle/Lehrstelle wegen "Langsamkeit"
Abbruch der Berufsschule wegen mangelndem Erfolg, oftmals auch Sonderschulbesuch
mit anschließendem Hauptschulabschluss oder Hauptschulbesuch ohne Abschlusszeugnis
Unabhängigkeit in der Selbstversorgung, im Alltagsleben
IQ um 85
Intelligenzminderung
mit maßgeblichen Anpassungsstörungen 50 - 70 %
50 %:
Anamnestisch Sonderschulabgänger, Probleme im Berufsleben und bei der Alltagsbewältigung
Berufsausbildung, falls begonnen, wegen mangelndem Erfolg abgebrochen, Hilfsarbeiterjobs,
wiederholt Arbeitsverluste
Vollständige Unabhängigkeit eher selten
IQ um 75/70
70 %: (Entspricht einer mittelgradigen Intelligenzminderung nach ICD 10)
Anamnestisch fast immer Schwerstbehindertenlehrplan, oft in Beschäftigungstherapie oder
betreuten Arbeitsformen
Alleine leben nur eingeschränkt möglich, deutliche Probleme bei der Alltagsbewältigung, Eigenversorgung nur unter Aufsicht, Anleitung, Hilfe durch externe Betreuer/Angehörige notwendig
IQ unter 60
Schwere Intelligenzminderung 80 - 100 %
Anamnestisch kaum bildungsfähig, fallweise "Achtjährigen Volksschule"
mit zahlreichen Klassenwiederholungen, deutliche Alltagsprobleme
Bei älteren Menschen deutliche Alltagsprobleme, Alleinleben nicht möglich,
betreute Wohnformen, häufig Sachwalterschaft, Pflegegeldbezug
Kommunikation höhergradig eingeschränkt

03.02 Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr
Erfasst werden umschriebene Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache, schulische Fertigkeiten, motorische Funktionen sowie kombinierte umschriebene Entwicklungsstörungen und wesentliche Komorbiditäten wie emotionale Störungen,
Störungen des Sozialverhaltens, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung).
Entwicklungsstörung leichten Grades 10 - 40 %
10 - 20 %:
ohne wesentliche soziale Beeinträchtigung,
(Familie, Schule, Beziehung zu Gleichaltrigen und Erwachsenen außerhalb der Familie & Schule)
kein sonderpädagogischer Bedarf
30 - 40 %:
Leichte bis mäßige soziale Beeinträchtigung in ein bis zwei Bereichen (MAS‐Bereiche),
beispielsweise Schulausbildung und alltägliche Tätigkeiten, Freizeitaktivitäten
Sonderpädagogischer Förderbedarf in Teilbereichen
Entwicklungsstörung mittleren Grades 50 - 70 %
Ernsthafte und durchgängige soziale Beeinträchtigung in 1 bis 2 Bereichen
Globaler sonderpädagogischer Förderbedarf, Sonderbeschulung
Kombinierte Störung der schulischen Fertigkeiten
Kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung z.B. Asperger Syndrom
50 %: alleinige kognitive Beeinträchtigung
70 %: Zusätzliche motorische Defizite wie z.B. Dyspraxie
Entwicklungsstörung schweren Grades 80 - 100 %
Schwere und durchgängige soziale Beeinträchtigung, Kommunikationsunfähigkeit,
z.B. Landau‐Keffner‐Syndrom
Tiefgreifende Entwicklungsstörung wie z.B. Autismus, Rett‐Syndrom,
desintegrative Störung, Heller‐Syndrom

Der Sohn der Bf. wurde von Ärztinnen bzw. einem Arzt im Auftrag des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vier Mal untersucht, und zwar im Juni 2016, im Mai und Oktober 2019 sowie im August 2020 (und wurden die genannten BSA-Gutachten erstellt).

Im Juni 2016 wurde der damals über 9-Jährige, der die 2. Klasse Volksschule (Regelunterricht) besuchte, von einer Allgemeinmedizinerin untersucht wegen bestehender Entwicklungsauffälligkeiten (Probleme mit Sprache, Rechnen, Lesen). Zu dieser Zeit erfolgten noch keine Behandlungen, waren aber geplant (Warteliste Logopädie, Ergotherapie, Legasthenietraining). Die vor diesem Gutachten (von 2012 bis 2016) erstellten und bei Beurteilung durch die Ärztin des Bundessozialamtes herangezogenen relevanten Befunde enthalten als Diagnosen: verzögerte Sprachentwicklung, Dyslalie, Dysgrammatismus, Entwicklungsauffälligkeit, Primärlegasthenie, -dyskalkulie etc.
Die das erste Bundessozialamt-Gutachten erstellende Ärztin diagnostizierte:
Entwicklungsstörung (mittleren Grades) (Sprache, Legasthenie, Dyskalkulie) / Pos.Nr. [vgl. oben den Auszug aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung] / 50% unterer Rahmensatz, da derzeit Regelunterricht möglich; und zwar ab 08/2012 (dem Monat, in dem erstmals eine Vorstellung im KH Mödling wegen des Verdachts auf Wahrnehmungsstörung und Sprachproblematik erfolgt war).
Nicht festgestellt wurde in dem Gutachten das Vorliegen eines Dauerzustandes; daher wurde eine Nachuntersuchung in 3 Jahren zur Nachevaluierung der Entwicklung des Sohnes der Bf. angeordnet.

Die nächste Untersuchung des damals über 12-jährigen Sohnes der Bf., der mittlerweile die 1. Klasse (5. Schulstufe) einer NMS besuchte, durch die Allgemeinmedizinerin fand im Mai 2019 statt.
Festgehalten wurde, es sei keine wesentliche Besserung der Probleme beim Lesen, Schreiben und Rechnen eingetreten, die Sprache sei nicht altersentsprechend entwickelt, die Konzentration sei ebenfalls eingeschränkt. Allerdings war 2018 Legasthenietraining und Logopädie durchgeführt worden, im Zeitpunkt der Untersuchung (Mai 2019) wurde aber damit pausiert.
Mangels Vorliegens aktueller Befunde wurde kein Grad der Behinderung ermittelt, die bisherige Beurteilung wurde unverändert gelassen bzw. fortgeschrieben.

Im Oktober 2019 wurde der 12 ¾-jährige Sohn, der seit September 2019 eine Waldorf-Schule in der 6. Schulstufe besuchte, von einer Fachärztin für Neurologie untersucht. Im Untersuchungsbefund des Gutachtens wurde der Allgemeinzustand als unauffällig, der Ernährungszustand als gut und der physische Status insgesamt als normal beschrieben.
Der psycho(patho)logische Status lautet wie folgt:
Bewusstseinsklar, örtlich, zeitlich und zur Person orientiert, Allgemeintempo von normaler Schnelligkeit, Konzentration, Aufmerksamkeit und Auffassungsvermögen ungestört, Alt- und Kurzgedächtnis sind ungestört, Stimmungslage ausgeglichen, Ductus kohärent, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, die Affektlage ist ausgeglichen, ausreichende Affizierbarkeit.
Bei der Begutachtung fand das eingangs im Punkt Verfahrensgang genannte, von der Bf. beschaffte und im Verfahren vorgelegte psychologische Gutachten der Dr. Mag. E.Sch., Klinische und Gesundheitspsychologin, allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige für Psychologie, Psychotherapeutin, vom Berücksichtigung. Zusammenfassend wurde daraus zitiert: Überdurchschnittliche logisch-abstrakte Denkleistung (mit einem) Basisintelligenzquotient(en von) 120, durchschnittliche visuell-akustische Reaktionsfähigkeit, Konzentration(s- und Aufmerksamkeitsleistung) Ausdauer gerade noch durchschnittlich (ausgeprägt). Legasthenie alle drei Teilbereiche (auditiv, visuell, Raum-Lage) betreffend, Defizite im Leistungsbereich F81 [ICD10-Code: Legasthenie], Schulunlust und Prüfungsangst.
Die fachärztliche Gutachterin des BSA-Gutachtens erstellte folgende Diagnose:
Teilleistungsstörung / Pos.Nr. [vgl. oben den Auszug aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung] / 30% unterer Rahmensatz, da Defizite in allen drei Teilbereichen mit nur geringen Anpassungsstörungen; und zwar ab 06/2019 (dem Monat in dem die Bf. mit ihrem Sohn in der psychologischen Praxis gewesen und das psychologische Gutachten vom erstellt worden war).
Zur Begründung des Grades der Behinderung bzw. als Stellungnahme zum Vorgutachten wird ausgeführt:
Im Vergleich zum Vorgutachten, in dem kein GdB ermittelt werden konnte wurde ein neuer Befund vorgelegt, daher GdB von 30% ermittelbar. Im Vergleich zum letzten rechtskräftigen Gutachten Reduktion von 50% GdB auf 30% GdB auf Grund des vorliegenden psychologischen Befundes mit überdurchschnittlicher logisch-abstrakter Denkleistung und Basisintelligenz.
In dem Gutachten wurde das Vorliegen eines Dauerzustandes festgestellt.

Das vierte Sachverständigengutachten des Bundessozialamtes wurde auf Grund einer Untersuchung des Sohnes der Bf. durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde am erstellt. Bei diesem Gutachten wurden folgende (neu dazugekommenen) relevanten Befunde bzw. Unterlagen (vgl. die im Verfahrensgang angeführten Atteste) berücksichtigt:
Dr. Sch., klin. Psychologin, (vgl. Vorgutachten): Überdurchschnittlich logisch-abstrakte Denkleistung Basisintelligenzquotient 120, durchschnittliche visuell-akustische Reaktionsfähigkeit, Konzentration Ausdauer gerade noch durchschnittlich, Legasthenie alle 3 Teilbereiche betreffend, Defizite im Leistungsbereich F81 Schulunlust und Prüfungsangst
2019-12-18: Dr. Mag. Sch. Psychologin: Legasthenie, Teilleistungsstörung
2020-02-14: Waldorfschule - Zeugnis: Deutsch genügend, Mathematik nicht genügend, Englisch nicht genügend)
2020-05-27: Dr. T. HNO: Dg: Verdacht auf auditive Verarbeitungsstörung, Teilleistungsschwächen
2020-06-10: Dr. St.F. Kinderpsychiater: F90.0 ADHS, Therapie: Ritalin 10mg 2-1-0
Der Untersuchungsbefund dieses Gutachtens wurde wiederum als normal beschrieben (Allgemeinzustand: guter AZ; Ernährungszustand: guter EZ, zarter Körperbau; … Status (Kopf/Fußschema)-Fachstatus: 13 7/12 Jahre alter Knabe, Pulmo frei, Cor rein, Abdomen weich, Haut bland; Gesamtmobilität - Gangbild: Unauffällig; psycho(patho)logischer Status: gut affizierbar, folgt Untersuchung, kommuniziert zielgerichtet.
Dieses Gutachten enthielt die Diagnose:
Teilleistungsstörung / Pos.Nr. [vgl. oben den Auszug aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung] / 30% unterer Rahmensatz, da Vorliegen von Defiziten in allen Teilbereichen; Beschulung im Regelbereich möglich, soziale Anpassungsstörungen, Medikation geplant; und zwar ab 06/2019 (wie im Vorgutachten).
Begründung des Grades der Behinderung bzw. Stellungnahme zum Vorgutachten:
Gemäß Beschwerde werden die neuen Befunde eingepflegt (2019 und 2020); die Teilleistungsstörung bzw. ADHS ist belegt, eine medikamentöse Behandlung ist geplant; eine Regelbeschulung zurzeit möglich; daher Bestätigung der Einstufung.
Auch in diesem Gutachten wurde das Vorliegen eines Dauerzustandes festgestellt.

Die Einschätzung des Grades der Behinderung des Sohnes der Bf. in Höhe von 30% ab Juni 2019 wurde somit von zwei sachverständigen Gutachtern (Fachärztin für Neurologie, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde) nach jeweils durchgeführter Untersuchung und Berücksichtigung der bis zu diesen Zeitpunkten vorgelegten Befunde festgestellt. Die Begründung für den übereinstimmend festgestellten Rahmensatz des Behinderungsgrades (die Reduktion von 50% auf 30%) findet sich einerseits im Verweis auf die nachgereichten neuen Befunde, andererseits in der Feststellung des Vorliegens von Defiziten mit nur geringen sozialen Anpassungsstörungen sowie der möglichen Regelbeschulung. Eine Unschlüssigkeit der Begutachtungen ist nicht zu erkennen.

Die Überprüfung der weiteren von der Bf. nach Erstellung des vierten Bundessozialamts-Gutachtens beigebrachten Befunde ergibt Folgendes:

- In dem klinisch-neuropsychologischen Befund vom (Mag.a BA.) wird der Sohn der Bf. als im Zeitpunkt der Untersuchung in allen Qualitäten vollständig orientiert beschrieben, sein Ductus sei kohärent. Intelligenzniveau sei durchschnittlich, bei den Exekutivfunktionen sei die kognitive Flexibilität durchschnittlich, im Bereich der Sprach- und Sprechleistungen finde sich ein reduzierter Sprechantrieb.
Wesentlich in dem Befund vom (Mag.a BA.) ist die Feststellung:
"Aufgrund der Verhaltensbeobachtung, der Anamnese (inkl. Fremdanamnese) und der Testergebnisse werden entsprechend den angeführten Leitlinien und dem ICD-10 die Kriterien nicht zur Gänze erfüllt. Insbesondere die speziellen/eingeengten Interessen, die stereotypen Verhaltensabläufe und die Über- bzw. Unterempfindlichkeit gegenüber Reizen fehlen für eine eindeutige ASS-Diagnose."
Damit wird der von der Bf. in ihrem Schreiben vom geäußerte Verdacht, es bestehe bei ihrem Sohn eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS), nicht bestätigt.

- Im Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling, Abteilung Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie / Hinterbrühl vom wird der Sohn der Bf. (Status psychicus) wie folgt beschrieben:
A. ist ein bald 14jähriger junger Mann, sein Erscheinungsbild wirkt altersadäquat, er wirkt gepflegt und witterungsadäquat gekleidet. Es sind keine äußerlichen Verletzungen oder somatische Symptome erkennbar. Sein Antrieb wirkt leicht reduziert. Seine Grob- und Feinmotorik wirkt grob unauffällig. Er ist während der kompletten Begutachtungssituation im Kontakt, auch wenn er nicht immer fokussiert wirkt. Er ist zu allen Seiten orientiert. Seine Affekte wirken leicht verflacht, der Wortschatz wirkt reduziert und wenig differenziert. Es wird weder von Phobien noch von potenziell belastenden Lebensumständen oder Situationen, welche ein traumatisches Belastungspotenzial in sich tragen würden, gesprochen. Es gibt keine Beobachtungen, welche Denk-, Wahn- oder Ich-Störungen stützen würden.
Schlafstörungen oder Essstörungen werden nicht beschrieben in der Erstbegutachtung.
Ein Schulbesuch scheint derzeit uneingeschränkt möglich.
Zum Zeitpunkt der Vorstellung ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer akuten Selbst- oder Fremdgefährdung.
In dem Ambulanzbefund wird nur eine Lese- Rechtschreibstörung (F81.0) eindeutig diagnostiziert, die weiteren Diagnosen sprechen von einem Verdacht auf Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache (F80), von einem Verdacht auf kombinierte umschriebene Entwicklungsstörung (F83) und von einem Verdacht auf einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (F90.0); es wird eine ergänzende klinisch-psychologische-Diagnostik bei einer niedergelassenen Psychologin empfohlen.

- Schließlich wird im klinisch-psychologischen Befund von Mag. S.J., Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin, vom - Vorstellungsgrund war wiederum Verdacht auf Autismus - als Anlass für die Untersuchung festgehalten: "… die Kriterien einer Autismus-Spektrums-Störung wurden nicht zur Gänze erfüllt. Speziell eingeengten Interessen, stereotypen Verhaltensabläufe und die Über- bzw. Unterempfindlichkeit gegenüber Reizen fehlen bei A. für eine eindeutige ASS-Diagnose. Es wird die Verdachtsdiagnose eines selektiven Mutismus geäußert ..."
Verhaltensbeobachtung: A. präsentiert sich freundlich, ruhig, bemüht und kooperativ, er kann spontan kommunizieren und Fragen beantworten, er ist kontakt- und kommunikationsfähig.
Zusammenfassung:
Seine allgemeine kognitive Leistungsfähigkeit liegt im (unteren) durchschnittlichen Bereich. Eine individuelle Stärke besteht im Sprachverständnis. Altersentsprechende Werte finden sich im wahrnehmungsgebundenen logischen Denken und im Arbeitsgedächtnis. Ein unterdurchschnittliches Ergebnis besteht im Arbeitstempo. Seine Konzentrationsfähigkeit ist schwach entwickelt und weist auf eine Aufmerksamkeitsschwäche hin. Es wird eine Lese-Rechtschreibschwäche bestätigt, das sinnerfassende Lesen ist verlangsamt, bei der Rechtschreibung zeigt sich ein knapp durchschnittliches Resultat.
Aufgrund der Anamnese und der Untersuchungsergebnisse wird eine Entwicklungsstörung des Sprechens und der Sprache bestätigt. Hinweise auf das Vorliegen einer selektiven Mutismus-Störung finden sich nicht im Rahmen der Untersuchung.
Aus der Untersuchung der psychosozialen Entwicklung resultiert das Bild eines Jugendlichen mit einer sozialen Ängstlichkeit.
Diagnose nach ICD 10:
expressive Sprachschwäche F 80.1, Lese-Rechtschreibschwäche F 81.0, Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters F 93.2

Es kann somit durch die weiteren von der Bf. vorgelegten Befunde von der Beurteilung durch die Fachärztin und den Facharzt des Bundessozialamtes und vom festgestellten Grad der Behinderung des Sohnes der Bf. in zwei Sachverständigengutachten nicht abgewichen werden.

Die Reduktion des Grades der Behinderung von 50% auf 30% erscheint u.a. auch an folgenden beispielhaft herangezogenen Umständen nachvollziehbar:

- War im ersten Bundessozialamts-Gutachten vom Juni 2016, gestützt auf damals vorgelegte relevante Befunde, im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung u.a. Dyskalkulie angeführt worden und daraus die angeführte Entwicklungsstörung diagnostiziert worden,
so findet sich in dem - beiden BSA-Gutachten von Oktober 2019 und vom August 2020 - zugrunde gelegten Befund der klinischen Psychologin vom die ausdrückliche Feststellung: Es liegt keine Dyskalkulie vor (aus der retrospektiven Sicht wohl: nicht mehr vor) (vgl. die oben wiedergegebenen Gutachten).

- Im BSA-Gutachten vom Juni 2016 wurde betreffend Behandlungen festgehalten: dzt. noch keine; steht auf der Warteliste: Logopädie, Ergotherapie, Legasthenietraining.
2018 waren dann Legasthenietraining und Logopädie durchgeführt worden (vgl. BSA-Gutachten vom Mai 2019, in dem dazu angemerkt wird: derzeit pausiert).
Im BSA-Gutachten vom Oktober 2019 wird betreffend Behandlung festgehalten: Legasthenietraining wird in der Waldorfschule angeboten.
Dass durch ein zwischenzeitlich einschlägiges Training des Sohnes der Bf. bis zur Erstellung der letzten beiden BSA-Gutachten eine Verbesserung der psychologischen Situation des Sohnes erreicht worden sein kann, erscheint wahrscheinlich. Dass sich dies dann eben auch bei der ärztlichen Begutachtung in einer Minderung der Funktionsbeeinträchtigung und des Grades der Behinderung auswirkt, ist nachvollziehbar.

- Eine Begründung für die Einstufung des Grades der Behinderung von 30% im letzten BSA-Gutachten vom August 2020 war, dass eine Regelbeschulung des Sohnes der Bf. zurzeit möglich sei. Auf ebendiesen Umstand wurde auch im nachgereichten Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling vom hingewiesen mit der Feststellung: Ein Schulbesuch scheint derzeit uneingeschränkt möglich.

Durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, der Grad der Behinderung des Sohnes der Bf. ab 06/2019 betrage 30%, sind die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe für den Sohn A. der Bf. ab dem im angefochtenen Bescheid genannten Zeitpunkt nicht mehr gegeben, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Erkenntnis werden keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, da dieses in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt. Soweit darin Sachverhaltsfeststellungen getroffen wurden, liegen keine Rechtsfragen, sondern Sachverhaltsfragen vor, die grundsätzlich keiner Revision zugänglich sind.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104319.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at