Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 15.01.2009, RV/1821-W/08

Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Erbschaftssteuer, trotz Aufhebung des § 1 Abs.1 Z 1 ErbStG durch den VfGH

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., (Bw.), gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien betreffend Festsetzung der Erbschaftssteuer entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

J.P. (J.P.) verstarb am . Aufgrund der am von der Bw, als erblicher Schwester, abgegebenen unbedingten Erbantrittserklärung, wurde dieser die Verlassenschaft nach J.P. mit Beschluss des Bezirksgerichtes T. vom18. März 2008 zu ¼ eingeantwortet. Es wurde nachstehende Vermögenserklärung erstellt:


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Aktiva
1) Guthaben
RA.,zu Girokonto Nr.00.000
€ 713,15
RB., zu Bausparvertrags Nr.000.000
€ 986,59
Fa. S.
€ 2.863,76
Nicht entrichteter Kaufpreis für PKW der Marke C.
€ 500,00
Summe der Guthaben
€ 5.063,50
2) Liegenschaftsbesitz EZ 29 GB A. mit dem Grundstück 554 Baufläche (Gebäude) Baufläche (begrünt) F. laut Einheitswertbescheid des Finanzamtes T., Einfamilienhaus, per im erhöhten dreifachen Einheitswert von
€ 16.351,38
3) Hausrat, Möbel, Kleidung und Wäsche
Ohne Verkehrswert
Summe der Aktiva
€ 21.414,88
Passiva
Begräbniskosten: Bestattung, Grab, Gärtnerei, Kirchenchor, Marktgemeinde AD., Landgasthof SN.
€ 3.803,50
Reiner Nachlass
€ 17.611,38

Laut Schreiben der RV an das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom ,wurde der Bw, als Begünstigte, infolge des Todes des Erblassers ein Betrag in der Höhe von € 2.799,09 ausbezahlt.

Laut Schreiben AE, an die genannte Behörde vom war infolge des Ablebens des Erblassers ein Betrag von € 4.406,36 fällig geworden, für welchen die gesetzlichen Erben aufgrund des vom Versicherungsnehmer (Erblasser) festgesetzten Bezugsrechtes begünstigt waren.

In der Folge wurde mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom gegenüber der Bw. die Erbschaftssteuer gemäß §§§ 8 Abs.1 und Abs.4 ErbStG im Betrage von € 563,47 festgesetzt. Die Bemessungsgrundlage (steuerpflichtiger Erwerb) für diese Festsetzung wurde wie folgt ermittelt:


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Erbanfall zu 1/4
steuerlich maßgeblicher Wert der Grundstücke
€ 4.087,84
Lebensversicherung
€ 1.101,59
bezugsberechtigte Versicherung
€ 2.799,09
Guthaben bei Banken
€ 424,93
Guthaben beim Arbeitgeber
€ 715,94
andere bewegliche Gegenstände (PKW)
€ 125,00
abzüglich Kosten der Bestattung
€ 950,87
abzüglich Kosten der Regelung des Nachlasses
€ 305,97
abzüglich Freibetrag gemäß § 14 Abs.1 ErbstG
€ 440,00
abzüglich Freibetrages gemäß § 15 Abs.1 Z 1 lit.b ErbstG
€ 125,00
abzüglich Freibetrages gemäß § 15 Abs.1 Z 17 ErbstG
€ 424,93
steuerpflichtiger Erwerb
€ 7.007,62

Dagegen erhob die Bw. nachstehende Berufung:

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Geschäftszahl G54/06 ua, wird das derzeitige Erbschaftssteuergesetz für verfassungswidrig befunden. § 1 Abs. 1, Z. 1 ErbStG, vom , betreffend die Erhebung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer (Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955), BGBl. Nr. 141, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Unter anderem wird im Erkenntnis angeführt, dass nicht nur die Bewertung von Grundbesitz für sich (einschließlich der Abgrenzung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens vom Grundvermögen) nur geregelt werden müsste, sondern dabei offenbar auch die steuerliche Behandlung des Grundbesitzes (einschließlich der damit zusammenhängenden Lasten) im Rahmen der Erbschaftssteuer insgesamt überdacht und mit der erbschaftssteuerlichen Behandlung anderer Vermögenswerte (im Hinblick auf die Steuerbarkeit, die Steuerbefreiung, Freibeträge und Steuertarif) abgestimmt werden müsste, woraus sich - im Hinblick auf die im Prüfungsbeschluss vom angesprochene Situation - die Notwendigkeit einer umfassenden Reform ergeben könnte.

Weiters wird angeführt, da nach dem Ergebnis dieses Verfahrens der Sitz der Verfassungswidrigkeit im Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG selbst gelegen ist und diese Vorschrift aufgehoben wird, sind die zu §19 Abs. 2 und 3, sowie § 2 Abs. 2 Z. 4 ErStG angeführten Gesetzesprüfungsverfahren gegenstandslos geworden und daher einzustellen.

In gegenständlicher Berufung wird ebenfalls die Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO ins Treffen geführt und diese im § 3 BAO definiert, wo unter anderem enthalten ist - Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhabung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Ich ersuche um positive Behandlung der Berufung, auch unter dem Gesichtspunkt, dass nach Ablauf der Reparaturfrist des Gesetzes mit , höchstwahrscheinlich das Erbschaftssteuergesetz in jetziger Fassung nicht mehr vorhanden sein wird.

Diese Berufung wurde vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern am gemäß § 276 Abs.6 BAO, ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung, dem unabhängigen Finanzsenat (UFS) zur Entscheidung vorgelegt.(§ 276 Abs.6 BAO)

Über die Berufung wurde erwogen:

Im vorliegendem Fall lauten die, im entscheidungsmaßgeblichen Zeitpunkt wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen wie folgt:

Gemäß § 1 Abs.1 Z 1 ErbStG unterliegt der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen. (BGBl I 2005/161, AbgÄG 2005, gültig bis zum ).

Gemäß § 2 Abs.1 Z 1 ErbStG gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches. Der Erbanfall erfolgt durch den Tod des Erblassers und setzt ein Erbrecht, eine abgegebene Erbantrittserklärung und eine Einantwortung voraus.

Gemäß § 7 Abs.1 ErbStG gehören Geschwister des Erblassers der Steuerklasse III an.

Gemäß § 8 Abs.1 ErbStG beträgt bei Erwerben bis einschließlich 7.300 Euro in der Steuerklasse III 6 v.H. des Erwerbes.

Gemäß § 8 Abs.4 lit.b ErbStG erhöht sich bei anderen Personen als der Ehegattin, einem Elternteil, einem Kind, einem Stiefkind, einem Wahlkind oder einem Schwiegerkind des Zuwendenden (Abs.1) die sich nach Abs.1, 2 oder 3 ergebende Steuer um 3,5 v.H. des Wertes der durch die Zuwendung erworbenen Grundstücke.

Gemäß § 12 Abs.1 Z 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerb von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers.

Gemäß § 13 Abs.1 ErbStG ist Steuerschuldner bei einem Erwerb von Todes wegen der Erwerber.

Laut dem angeführten, höchstgerichtlichem Erkenntnis trat die damit erfolgte Aufhebung der Bestimmung des § 1 Abs.1 Z 1 ErbStG erst mit Ablauf des in Kraft. Daher ist von den zuständigen Verwaltungsbehörden die verfassungswidrige Bestimmung auf die zuvor verwirklichten Tatbestände, das heißt auf Fälle, bei denen der Todeszeitpunkt des Erblassers vor dem liegt (§ 12 Abs.1 ErbStG), - mit Ausnahme der im angeführten Erkenntnis genannten Anlassfälle und jener Rechtssachen, auf die der Verfassungsgerichtshof gemäß Art.140 Abs.7 zweiter Satz B-VG die Anlasswirkung ausgedehnt hat (das sind die beim Verwaltungsgerichtshof zu den Zahlen 2004/16/0143, 2005/16/0065, 2006/16/0081, 0082 und 2006/16/0209 anhängige Verfahren) - weiterhin anzuwenden.

Im vorliegendem Fall liegt weder eine der genannten Ausnahmen vor, noch verstarb der Erblasser nach dem .

Im Lichte der vorstehenden rechtlichen Ausführungen vermag die vorliegende Berufung, unbeschadet dessen, dass zum Stichtag (Todeszeitpunkt des Erblassers) aufgrund des Inhaltes des aufgezeigten Erkenntnisses zumindest mit einer Reparatur des ErbStG 1955 zu rechnen war, keine Rechtswidrigkeit hinsichtlich der Festsetzung der Erbschaftssteuerschuld unter Anwendung des § 1 Abs.1 Z 1 ErbStG aufzuzeigen. Diese erfolgte seitens des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien unter Beachtung der angeführten erbschaftssteuerrechtlichen Bestimmungen gegenüber der Bw, als Erwerberin, zu Recht. Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass auch die, der Bemessung der Erbschaftssteuer zugrunde liegende, Festsetzung des steuerpflichtigen Erwerbes gemäß dem vorliegenden Vermögensbekenntnis und unter Abzug der gesetzlich zustehenden Freibeträge sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht zu Recht erfolgte.

Aufgrund des Legalitätsprinzips (Art.18 B-VG) ist auch der UFS als Verwaltungsbehörde in diesem Fall sowohl an die als verfassungswidrig aufgehobene Bestimmung als auch an die übrigen Bestimmungen des Erbschaftssteuergesetzes gebunden.

Im der vorliegenden Berufung führt die Bw. auch folgendes an:

In gegenständlicher Berufung wird ebenfalls die Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO ins Treffen geführt und diese im § 3 BAO definiert, wo unter anderem enthalten ist - Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhabung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Dazu ist festzustellen:

Gemäß § 236 Abs.1 Bundesabgabenordnung (BAO) können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Gemäß § 3 Z 1 der Verordnung des Bundesminister für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO liegt eine sachliche Unbilligkeit bei der Einhebung der Abgaben insbesondere vor soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die entsprechende Rechtssprechung für die Verwirklichung des die Abgabenpflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden.

Diese Bestimmungen betreffen ausdrücklich die Einhebung und nicht schon die Festsetzung der Abgaben.

So wie die Nachsicht nicht dazu dient Einwendungen nachzuholen, die in der Berufung gegen die Festsetzung der Abgaben verabsäumt wurden, so dient das Berufungsverfahren gegen die Festsetzung der Abgaben nicht dazu, die in einem allfälligen Nachsichtsverfahren zu treffende Entscheidung vorwegzunehmen.

Die Abschreibung von Abgabenschuldigkeiten durch Nachsicht setzt einen hierauf gerichteten Antrag voraus. Dieser ist nicht bloß ein Formalerfordernis; es muss ein begründeter Antrag sein. Das Antragsrecht des Abgabenschuldners ist nur für bereits entrichtete Abgaben befristet, in diesem Falle ist der Antrag nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres der Entrichtung zulässig.

Im vorliegendem Fall wird, im Falle der Einbringung eines Nachsichtsansuchens durch die Bw, das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien darüber zuständigkeitshalber (§ 4 AVOG) zu entscheiden haben.

Der verfahrensgegenständlichen Berufung gegen die Festsetzung der Erbschaftssteuer war aus den aufgezeigten Gründen der Erfolg zu versagen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Erbschaftssteuer
Rechtmäßigkeit
Verfassungsgerichtshof
Verwaltungsgerichtshof
Anlassfall
Legalitätsprinzip
Nachsicht

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at