TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 13.08.2013, RV/1688-W/13

Die Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof hat nicht zur Folge, dass die Jahresleistungen nach § 29 ErbStG nach dem 31. Juli 2008 wegfallen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Frau A.F., X., vertreten durch W.S., gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom betreffend Abweisung eines Antrags auf Überprüfung der Festsetzung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Von Frau A.F., der Berufungswerberin, wird für einen Erwerb von Todes wegen (Todestag vor dem ) gemäß § 29 ErbStG die Erbschaftssteuer jährlich im Voraus vom Jahreswert entrichtet.

Mit Eingabe vom wurde für Frau A.F. von deren steuerlichen Vertretung der Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung der Erbschaftssteuer 2011 und gegebenenfalls um deren Stornierung gestellt. Dieser Antrag bezieht sich auch auf die vorangegangenen Jahre ab dem Stichtag . In diesem Zusammenhang verweist die Berufungswerberin auf die Rechtsmeinung von Beiser, nach der die gegenständliche "Vorschreibung" bzw. die nach dem festgesetzten und bezahlten "Vorschreibungen" nicht mehr steuerbar wären.

Dieser Antrag wurde vom Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit Bescheid vom abgewiesen. Diese Abweisung wurde wie folgt begründet:

"Da im gegenständlichen Fall die Steuerschuld vor dem entstanden ist wird die Erbschaftssteuer weiter erhoben."

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde beantragt, den abweisenden Bescheid vom aufzuheben und im neu zu erlassenden Bescheid alle "Erbschaftssteuervorschreibungen" nach dem als nicht mehr steuerbar zu erklären. Begründet wurde dieses Vorbringen wieder unter Verweis auf Beiser damit, dass im Falle einer Jahresbesteuerung nach § 29 ErbStG die Erbschaftssteuerpflicht mit Ablauf des ende.

Vom Finanzamt wurde der Akt ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Finanzsenat vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 1 Abs. 1 Z. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. Nr. 141 - ErbStG, der vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 54/06 u. a., als verfassungswidrig aufgehoben wurde, unterlagen der Steuer nach diesem Bundesgesetz der Erwerb von Todes wegen. Die Aufhebung dieser Bestimmung trat mit Ablauf des in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen traten nach dem genannten Erkenntnis nicht wieder in Kraft.

Nach § 2 Abs. 1 leg. cit. gilt als Erwerb von Todes wegen der Erwerb durch Erbanfall, durch Vermächtnis oder auf Grund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruches.

Nach § 12 Abs. 1 Z. 1 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Nach § 18 leg. cit. ist für die Wertermittlung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist, der Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld maßgebend.

Nach § 29 Abs. 1 ErbStG kann, wenn die Steuer vom Kapitalwert von Renten oder anderen wiederkehrenden Nutzungen oder Leistungen zu entrichten ist, diese nach Wahl der Steuerpflichtigen statt vom Kapitalwert jährlich im Voraus vom Jahreswert entrichtet werden. Die Steuer wird in diesem Fall nach dem Hundertsatz erhoben, der sich nach § 8 ErbStG für den gesamten Kapitalbetrag ergibt.

§ 29 Abs. 1 ErbStG räumt der Erwerberin einer Rente oder einer anderen wiederkehrenden Nutzung oder Leistung ein Wahlrecht hinsichtlich der Steuerentrichtung ein. Zweck der Bestimmung ist es, der Steuerpflichtigen die Entrichtung der Erbschaftssteuer zu erleichtern, indem sie ihr gestattet, die Steuern im gleichen Schritt mit dem Empfang der Jahresleistungen zu entrichten. Der Jahreswert der Rente ist nach den Bestimmungen des Bewertungsgesetzes zu ermitteln. Er ist nach den Wertverhältnissen zum Zeitpunkt des Entstehens der Steuerschuld nach den §§ 15 bis 17 BewG festzusetzen. Bei Nutzungen und Leistungen, die in ihrem Betrag schwanken, ist nach § 17 Abs. 3 BewG vorzugehen. Der Jahreswert unterliegt keiner Veränderung, wenn sich nach der Entstehung der Steuerschuld am Wert der Rente etwas ändert. Hat die Steuerpflichtige von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, dann ist die Steuer jährlich im Voraus zu entrichten. Im Steuerbescheid wird eine besondere Fälligkeit der einzelnen Jahressteuerbeträge anzuführen sein. Bei solchen Bescheiden handelt es sich um Dauerbescheide, mit denen die Erbschaftssteuer auch im Fall einer bewilligten Jahresversteuerung ein für alle Mal festgesetzt wird.

Es entstehen nicht Jahr für Jahr mit den laufenden wiederkehrenden Leistungen neue Steuerfälle. Die entstandene Steuerschuld erfährt durch die Besteuerung nach § 29 ErbStG keine Änderung; lediglich die Entrichtung der Steuer vom bereits erfolgten Anfall und berechnet vom Kapitalwert wird zeitlich verschoben wirksam.

Die Erbschaftssteuerschuld entsteht beim Erwerb einer Rente von Todes wegen auch dann im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, wenn die Steuerpflichtige die Entrichtung der Steuer gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG vom Jahreswert der Rente anstatt vom Kapitalwert wählt.

Hinsichtlich des Entstehens der Steuerschuld besteht dann kein Unterschied zu dem Fall der Einmalentrichtung der Erbschaftssteuer vom Kapitalwert der Rente. Statt die Steuer einmal vom kapitalisierten Wert der Rente zu entrichten, kann die Steuerpflichtige verlangen, dass die Steuer jährlich im Vorhinein jeweils vom Jahreswert entrichtet wird, wobei der Steuersatz der gleiche ist, wie bei der einmaligen Berechnung des Gesamtwertes der Rente (vgl. ).

Es ist richtig, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , G 54/06 u.a. die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Z. 1 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 und damit den Erbschaftssteuergrundtatbestand als verfassungswidrig aufgehoben hat. Er hat in diesem Erkenntnis gleichzeitig ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des in Kraft tritt.

Mit Bundesgesetzblatt vom - BGBl. I 2007/9 - wurde die Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955 durch den Verfassungsgerichtshof entsprechend der Bestimmung des Art. 140 Abs. 5 B-VG kundgemacht. In dieser Kundmachung ist entsprechend den Bestimmungen des B-VG auch die vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis gesetzte Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung, nämlich der , beinhaltet.

Nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis diese Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung gesetzt hat, bewirkt dies gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG, dass diese Bestimmung des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 auf alle bis zum Ablauf des verwirklichten Tatbestände, mit Ausnahme des Anlassfalles, anzuwenden sind.

Dass die Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des Tages der Kundmachung (oder mit Ablauf der nach Art. 140 Abs. 5 B-VG bestimmten Frist) in Kraft tritt, bedeutet, dass das aufgehobene Gesetz auf Sachverhalte, die sich vor diesem Zeitpunkt ereignet haben, weiterhin anzuwenden ist; ausgenommen ist jedenfalls der Anlassfall. Wann ein "verwirklichter Tatbestand" gegeben ist, hängt im Allgemeinen vom materiellen Recht ab, um dessen Anwendung es geht. Verwirklicht wird ein Sachverhalt dabei zu jenem tatsächlichen Zeitpunkt, zu dem er sich in der Realität tatsächlich ereignet. Die Frage, ob ein verwirklichter Sachverhalt irgendeinen Tatbestand der Rechtsordnung erfüllt, spielt bei der Feststellung dieses Zeitpunktes keine Rolle (vgl. mit Verweis auf Rohregger in Korinek/Krejci, Kommentar zum B-VG, Rz 310 zu Art. 140).

Zur Beantwortung der Frage, ob die mit dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes verfügte, mit Ablauf des in Kraft getretene Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG im gegenständlichen Fall Wirkung entfaltete, sind die weiteren materiell-rechtlichen Bestimmungen des ErbStG heranzuziehen. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 2004/16/0035, näher darlegte, entsteht die Erbschaftssteuerschuld beim Erwerb einer Rente von Todes wegen auch dann im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, wenn die Steuerpflichtige die Entrichtung der Steuer gemäß § 29 Abs. 1 ErbStG vom Jahreswert der Rente anstatt vom Kapitalwert wählt. Mit den laufenden wiederkehrenden Leistungen entstehen nicht Jahr für Jahr neue Steuerfälle. Die entstandene Steuerschuld erfährt durch die Besteuerung nach § 29 ErbStG keine Änderung; lediglich die Entrichtung der Steuer vom bereits erfolgten Anfall und berechnet vom Kapitalwert wird zeitlich verschoben wirksam. Für die Vorschreibung der Erbschaftssteuer ist demnach entscheidend, dass die Steuerschuld entstanden ist. § 29 Abs. 1 ErbStG ist eine Bestimmung zur Steuerfestsetzung.

Daraus folgt, dass die mit Ablauf des in Kraft getretene Aufhebung des Grundtatbestandes des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG im gegenständlichen Fall keine Wirkung entfalten konnte, weil der nach dem Gesagten maßgebliche Sachverhalt für das Entstehen der Steuerschuld, nämlich der Todesfall, sich vor dem In-Kraft-Treten der Aufhebung des Grundtatbestandes ereignet hatte. Daran ändert auch die von der Berufungswerberin bevorzugte Entrichtung der Steuer jährlich im Voraus vom Jahreswert nach § 29 Abs. 1 ErbStG nichts, sodass auch in diesem Fall das Außerkrafttreten des Grundtatbestandes mit Ablauf des an der bereits entstandenen Steuerschuld nichts mehr ändert (vgl. ).

Die Ausübung des Wahlrechtes bindet die Steuerpflichtige und die Abgabenbehörde von dem Zeitpunkt an, in dem sie einen solchen Antrag gestellt hat (vgl. Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer, § 29, Tz 9 und die dort zitierte Judikatur). Die Aufhebung des § 1 Abs. 1 Z. 1 ErbStG durch den Verfassungsgerichtshof hat nicht zur Folge, dass die Jahresleistungen nach § 29 ErbStG nach dem wegfallen. Von der Berufungswerberin sind daher auch nach dem die Jahresbeträge zu leisten.

Aus diesen Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at