Nachsicht einer entrichteten Abgabenschuld
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der CG, vertreten durch M-GmbH, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit - im Original an WS gerichteten - Eingabe vom brachte die Berufungswerberin (Bw.) vor, dass sie mit Schreiben ihres Steuerberaters von Einkommensteuernachforderungen für die Jahre 2000 und 2001 informiert worden sei. Nach mühsamen Recherchen habe die Bw. herausgefunden, dass diese Nachforderung mit der Firma M zusammenhänge. Da weder die Bw. noch ihr Sohn I Anteile an dieser Firma besäßen, ersuche die Bw. dringend, diese Angelegenheit mit der Finanzbehörde zu bereinigen.
Nach Rücksprache mit Frau G habe die Bw. im August 2004 eine vorläufige Ratenzahlung vereinbart, da die Bw. im Sommer 2004 bereits einen Vollstreckungsbeamten im Haus gehabt habe. Ihre finanzielle Lage erlaube es der Bw. allerdings nicht, für ein nicht erhaltenes Einkommen Einkommensteuer zu zahlen. Die Bw. komme mit den Erfordernissen des Institutes gerade so über die Runden.
Die Anteile ihres verstorbenen Mannes KG seien zum Stichtag , also bereits vor seinem Tod im Juli 1997, um jeweils S 1,00 an WP, FH und IH verkauft worden. Dies sei aus dem Notariatsakt GZ 140 (64/96) des Notars HS ersichtlich. Die Firma M scheine auch nicht in der Verlassenschaftsabhandlung auf und die Bw. und ihr Sohn könnten daher auch nicht für etwas zur Verantwortung gezogen werden (sogar ihr minderjähriger Sohn habe Anfang letzten Jahres eine Aufforderung zur Einkommensteuernachzahlung erhalten), wofür weder I noch die Bw. jemals einen Cent bekommen hätten. Diese Angelegenheit sei umso ärgerlicher, als auch seine Beiträge zur SVA der gewerblichen Wirtschaft davon betroffen seien.
Die Bw. ersuche, gegenüber den Finanzbehörde klarzustellen, dass keine Beteiligungsverhältnisse ihrerseits noch seitens ihres Sohnes I an der Firma M seit bestünden. Sollte eine derartige Klarstellung, die die Bw. von der Bezahlung der vorgeschriebenen Einkommensteuer (€ 5.838,39) befreie, nicht umgehend vorgenommen werden, müsste die Bw. auf die sofortige Auszahlung der Gewinnanteile samt Zinsen auf ihr Konto bestehen.
Mit Eingabe vom beantragte die Bw. die Nachsicht dieser Abgabenschuld aus dem Jahr 2000 und aller damit verbundenen Zinsen und Gebühren. Die Information ihres Rechtsanwaltes HG habe ergeben, dass die Steuereinhebung zwar gesetzlich richtig erscheine (bedingte Erbserklärung, stille Gesellschafter), es aber in ihrem und im Falle ihres - damals noch minderjährigen - Sohnes (jetzt zwar über 18 Jahre alt, aber noch Schüler und später Student) zu einer unbilligen Härte führe, von ihnen die Zahlung einer Steuer zu verlangen, ohne dafür ein Einkommen erhalten zu habe (es sei kein Geld geflossen, sondern es handle sich um eine rein bücherliche Gewinnzuweisung).
Im Zuge der Erbschaftsabhandlung sei weder der Bw. noch ihrem Sohn etwas von dieser stillen Beteiligung bekannt gewesen (auch zu Lebzeiten ihres Mannes habe die Bw. nichts von dieser Beteiligung gewusst). Die Bw. schaffe es gerade (mehr recht als schlecht, aber es sei zu bewältigen), mit der Witwen- und Waisenpension und der Führung eines Massagebetriebes über die Runden zu kommen.
Mit Eingabe vom bezifferte die Bw. den Reinnachlass aus der Erbschaft ihres verstorbenen Mannes mit S 486.978,88 (€ 35.390,00). Die Ausgaben im Zuge der Abwicklung der Verlassenschaft (Gerichtsgebühren, Sachverständigengutachten, Notar, Eintragung des Pfandrechts ins Grundbuch, etc.) hätten € 10.115,00 ausgemacht. Dieser Nachlass sei nicht geldmäßig greifbar, da er sich aus gebundenen Werten (Grundstück in E und Wohnung in D) zusammensetze. Die Bw. wolle versuchen, E (durch eine Hypothek belastet) als Alterssitz zu erhalten, und die Wohnung in D habe ihr verstorbener Mann auf Leibrente erworben. Die Bw. habe die Wohnung im Zuge der Verlassenschaft zur Gänze ihrem Sohn zuschreiben lassen (wenn er mal nicht mehr mit ihr wohnen wolle, habe er eine Wohnung für sich). Inzwischen zahle natürlich die Bw. die monatliche Leibrente an die Bewohnerin.
Zu ihrer finanziellen Situation möchte die Bw. noch sagen, dass sie auch Schulden bei der Bank (Hypothek auf E) geerbt habe, und da sie E fürs Alter erhalten wolle, habe die Bw. den Kredit übernommen (sonst hätte die Bank E verkauft). Weiters habe die Bw. eine Mietnachzahlung für das Institut (Oktober 2004 bis April 2005) von € 5.344,00 zu leisten gehabt, da die Hausverwaltung nach dem Tod ihres Mannes die Miete erhöht habe. Auch habe die Bw. bereits seit Juli 2004 monatlich € 500,00 an Einkommensteuernachzahlung geleistet. Alle diese Zahlungen hätten ihr Budget natürlich ungeheuer belastet. Die Bw. habe all diesen Verpflichtungen nur nachkommen können, weil glücklicherweise ein Bausparvertrag Ende 2004 fällig geworden sei. Die Bw. kämpfe jeden Monat ums finanzielle Überleben und wolle endlich einmal versuchen, die Auslastung des Massagebetriebes (durch Flyer, Aussendung, Homepage) zu forcieren, wozu Geld gebraucht werde.
Das Finanzamt wies die Anträge vom und hinsichtlich des Betrages von € 5.838,39 mit Bescheid vom ab.
In der - vom Finanzamt als Berufung gewerteten - Eingabe vom beantragte die Bw. erneut, sie und ihren Sohn von der Bezahlung der Steuerschuld zu befreien, da ihre finanzielle Lage sehr schwierig sei.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom ab.
In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz bedankte sich die Bw. für die erfolgte Bewilligung der Nachsicht der ihren Sohn I betreffenden Abgabenschuld. Bezüglich der Abweisung der Berufung in ihrem Fall sei die Bw. der Meinung gewesen, dass die ihren Sohn I betreffende, zur Verfügung gestellte Information auch für die Bw. Geltung habe.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der vom Gesetzgeber geforderte Tatbestand der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung im Allgemeinen dann gegeben, wenn die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen steht, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder den Steuergegenstand ergeben, also ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgaben und den im subjektiven Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen vorliegt.
Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.
Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers gefährdet. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögenschaften möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleich käme. Einbußen an vermögenswerten Interessen, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren, stellen eine Unbilligkeit nicht dar.
Eine "sachliche" Unbilligkeit wäre anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt, sodass es zu einer anormalen Belastungswirkung und, verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommt.
Mit Rücksicht auf das Erfordernis eines Antrages und in Anbetracht der Interessenslage hat bei Nachsichtsmaßnahmen der Nachsichtswerber einwandfrei und unter Ausschluß jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann. Wenn das Antragsvorbringen des Nachsichtswerbers nicht die gebotene Deutlichkeit und Zweifelsfreiheit aufweist, so kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () eine mangelnde Ermittlungstätigkeit der Abgabenbehörde nicht als Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden.
Sofern die Bw. eine Unbilligkeit darin erblickt, von ihr die Zahlung einer Steuer zu verlangen, ohne dass sie dafür ein Einkommen erhalten habe, ist dem entgegenzuhalten, dass der nachsichtsgegenständlichen Einkommensteuer 2000 ein Sanierungsgewinn der M GmbH infolge einer außergerichtlichen Vereinbarung mit dem Hauptlieferanten im Jahr 2000 zugrunde liegt, der entsprechende steuerliche Folgewirkungen auch bei den stillen Gesellschaftern hatte, zumal diese laut Gesellschaftsvertrag vom auch am Betriebsvermögen beteiligt sind. Gemäß § 36 EStG 1988 waren bei der Ermittlung des Einkommens jene Einkommensteile auszuscheiden, die durch Vermehrungen des Betriebsvermögens infolge eines gänzlichen oder teilweisen Erlasses von Schulden zum Zwecke der Sanierung entstanden sind. Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, ist § 36 EStG 1988 mit Wirkung ab der Veranlagung für das Jahr 1998 entfallen. Ab 1998 sind Sanierungsgewinne daher wie laufende Gewinne zu behandeln und dem Tarif zu unterwerfen. Die steuerliche Erfassung einer Betriebsvermögenserhöhung infolge Wegfalls von Verbindlichkeiten im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist somit eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft.
Der Meinung der Bw., dass weder sie noch ihr Sohn Anteile an dieser Firma besäßen, ist zu entgegnen, dass die Bw. auch laut Bilanz zum und Ergebnisverteilung für 2004 noch Gesellschafterin mit einem Anteil am Ergebnis in Höhe von 10,14% ist. Diese Beteiligung führte laut Einkommensteuerbescheid der Bw. für 2003 infolge eines anteiligen Verlustes in Höhe von € 644,62 auch zu einer entsprechenden Verminderung des Gesamtbetrages der Einkünfte und der darauf entfallenden Einkommensteuer.
Dass durch die Einhebung der Abgaben, deren Nachsicht begehrt wurde, die Existenz der Bw. gefährdet würde, wird von ihr nicht behauptet. Laut Feststellungen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bw. vom bezieht die Bw. zwei Witwenpensionen in Höhe von insgesamt € 1.324,00 (netto) monatlich. Zusätzlich hat sie Gewinne aus dem Massagestudio von etwa € 200,00 monatlich. Die Ausgaben wurden für die Privatwohnung mit € 650,00 (Miete) und € 150,00 (Strom und Gas monatlich) und für die Firma mit € 940,00 (Miete) und € 120,00 (Strom und Gas monatlich) beziffert. Neben einem Drittelanteil an der Liegenschaft EZ 899 KG Eichgraben verfügt die Bw. an sonstigen Werten über eine Pensionsvorsorge bei W und der B, einen Lebensversicherungsvertrag (stillgelegt) bei der In und einem Bausparvertrag bei W, wobei die Guthabensstände der vorgenannten Werte nicht bekannt ist. Weiters besitzt die Bw. ein Sparbuch mit einem Guthaben in Höhe von rund € 3.000,00. Der Beteiligung bei der M GmbH & Stille Gesellschaft ist laut Vorhaltbeantwortung vom auf Grund der derzeitigen wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft kein positiver Verkehrswert zuzuordnen. Die Bankschulden in Höhe von ca. € 110.000,00 werden durch monatliche Ratenzahlungen in Höhe von € 400,00 getilgt.
Abgesehen davon, dass die Bw. mangels Darlegung der Guthabensstände der Pensionsvorsorge, Lebensversicherung und des Bausparvertrages ihre wirtschaftliche Lage nicht zweifelsfrei dargelegt hat, kann aus ihrem Vorbringen, dass ihre finanzielle Situation sehr schwierig sei und sie es gerade schaffe, über die Runden zu kommen, nicht erkannt werden, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit außergewöhnlichen Auswirkungen verbunden wäre, sondern stellen diese Auswirkungen lediglich Einbußen an vermögenswerten Interessen dar, die mit Abgabenleistungen allgemein verbunden sind und die jeden gleich berühren können. Angesichts der vorliegenden Relation zwischen der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuld in Höhe von € 5.838,39 und der Bankschulden in Höhe von ca. € 110.000,00 liegt eine persönliche Unbilligkeit der Einhebung auch deshalb nicht vor, weil eine Nachsicht im Hinblick auf den gesamten Schuldenstand zu keiner wesentlichen Veränderung der wirtschaftlichen Lage der Bw. führen würde (vgl. ).
Zudem wurde auf Antrag vom mit Bescheid des Finanzamtes vom die Entrichtung des aushaftenden Rückstandes in Höhe von € 7.798,92 in Raten von € 500,00 bewilligt. Können Zahlungserleichterungen Härten aus der Abgabeneinhebung abhelfen, so bedarf es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () keiner Abgabennachsicht. Infolge Zahlung der monatlichen Raten haftet die nachsichtsgegenständliche Einkommensteuer 2000 in Höhe von € 5.838,39 laut Rückstandsaufgliederung vom nicht mehr unberichtigt aus. Die von der Bw. vorgetragenen Tatsachen sind auch nicht geeignet aufzuzeigen, dass die von der Bw. vorgetragenen, nach ihrer Meinung für eine Unbilligkeit der Einhebung sprechenden Umstände durch die Tilgung der Abgabenschuldigkeit nicht beseitigt wären (vgl. ).
Mangels Vorliegens der Voraussetzung der Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles des § 236 BAO konnte die beantragte Nachsicht somit nicht gewährt werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte | sachliche Unbilligkeit persönliche Unbilligkeit Sanierungsgewinn wirtschaftliche Lage Zahlungserleichterungen Tilgung |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at
Fundstelle(n):
SAAAD-21065