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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSF vom 02.03.2007, RV/0119-F/06

Begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit; Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 6.12.2006, G151/06

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., B, Str., vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Rudari, Wirtschaftsprüfer u. Steuerberater, 6706 Bürs, Felderstraße 5, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 erklärte der als sB tätige Berufungswerber Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von 69.949,12 € und beantragte diesbezüglich, die begünstigte Besteuerung gemäß § 11a EStG 1988 (Hälftesteuersatz) für einen nicht entnommenen Gewinn in Höhe von 18.294,14 € anzuerkennen.

Das Finanzamt gab seinem Begehren nicht statt. Begründend führte es aus, dass diese begünstigte Besteuerung für nicht entnommene Gewinne nur für die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewährt werden könne. Da es sich im gegenständlichen Fall um Einkünfte aus selbständiger Arbeit handle, könne der Hälftesteuersatz für den nicht entnommenen Gewinn nicht gewährt werden.

Mit Berufung vom ersuchte der steuerliche Vertreter des Berufungswerbers, die Begünstigung gemäß § 11a EStG 1988 zu gewähren, und brachte Folgendes vor: Die Begünstigung sei vom Finanzamt mit dem Hinweis auf § 11a Abs. 1 EStG 1988, wonach diese nur für durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelte Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus Gewerbebetrieb in Anspruch genommen werden könne, nicht gewährt worden. Sein Klient sei sB und als solcher freiberuflich tätig. Der Gewinn sei durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt worden. Der Ausschluss der freien Berufe von dieser Begünstigung sei nach seiner Auffassung verfassungswidrig, weil dies gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

Mit Vorlageantrag beantragte der steuerliche Vertreter des Berufungswerbers die Berufung dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorzulegen.

Über die Berufung wurde erwogen:

§ 11a Abs. 1 und 2 EStG 1988 (in der Fassung des AbgÄG 2004, BGBl. I Nr. 189/2004) lauten: "Natürliche Personen, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können den Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne (§ 4 Abs. 10) und Veräußerungsgewinne (§ 24), bis zu dem in einem Wirtschaftsjahr eingetretenen Anstieg des Eigenkapitals, höchstens jedoch 100.000 Euro, mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 37 Abs. 1 versteuern (begünstigte Besteuerung). Der Höchstbetrag von 100.000 Euro steht jedem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum nur einmal zu. Der Anstieg des Eigenkapitals ergibt sich aus jenem Betrag, um den der Gewinn, ausgenommen Übergangsgewinne und Veräußerungsgewinne, die Entnahmen (§ 4 Abs. 1) übersteigt. Einlagen (§ 4 Abs. 1) sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie betriebsnotwendig sind.Bei Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind und die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, können nur die Gesellschafter die begünstigte Besteuerung im Sinne des Abs. 1 in Anspruch nehmen. Der Betrag von 100.000 Euro (Abs. 1) ist bei den Mitunternehmern mit einem der Gewinnbeteiligung entsprechenden Teilbetrag anzusetzen. Die begünstigte Besteuerung ist nicht zulässig, wenn der Mitunternehmer die Beteiligung in einem Betriebsvermögen eines Betriebes hält, für den der laufende Gewinn ganz oder teilweise unter Anwendung des Abs. 1 begünstigt besteuert werden kann."

Der Anwendungsbereich der Norm ist auf natürliche Personen und Mitunternehmer, die den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft bzw. Gewerbebetrieb durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln, eingeschränkt. Unternehmen, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen, sind von der Begünstigung ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 11a EStG 1988 ist klar und eindeutig, sodass sie einer von ihrem Wortlaut abweichenden Auslegung nicht zugänglich ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat (aus Anlass einer Individualbeschwerde eines Facharztes für Radiologie) mit Beschluss vom , B 3334/05 - 11, ein Gesetzesprüfungsverfahren zu § 11a EStG 1988 eingeleitet. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes richteten sich gegen den Ausschluss der selbständigen Einkünfte, insbesondere der freien Berufe. Das Höchstgericht stufte den Ausschluss selbständig Tätiger als bedenklich ein und hat in seinem Erkenntnis vom , G 151/06, die Beschränkung der begünstigten Besteuerung nicht entnommener Gewinne auf Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieben sowie Land- und Fortwirtschaft als verfassungswidrig aufgehoben. Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Aufhebung damit, dass diese Beschränkung unsachlich war. Die Grenzen zwischen den betrieblichen Einkunftsarten, speziell zwischen den Einkünften aus einem Gewerbebetrieb und den Einkünften aus selbständiger Arbeit, seien fließend und oft zufällig geworden. Auch das betriebswirtschaftliche Umfeld freiberuflicher Tätigkeiten habe sich dem von Gewerbebetrieben stark angenähert. Die Beschränkung der steuerlichen Begünstigung auf die Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieben und Land- und Forstwirtschaft bei gleichzeitigem Ausschluss dieser Begünstigung für Bezieher von Einkünften aus selbständiger Arbeit sei daher sachlich nicht zu rechtfertigen.

Die Rechtswirkung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes ist in Art. 140 B-VG geregelt (vgl. dazu auch Mayer³, B-VG, Bundes-Verfassungsrecht, S 432 ff). Gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG tritt die Aufhebung eines Gesetzes mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt hat. Hat das Höchstgericht in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist nach Art. 140 Abs. 7 letzter Satz B-VG das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist jedoch das aufgehobene Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Im Falle der Aufhebung ist das Gesetz - mit Ausnahme des Anlassfalles und soweit der Verfassungsgerichtshof nichts anderes anordnet - auf die bis zur Aufhebung verwirklichten Tatbestände weiterhin anzuwenden (Abs. 7). Aus diesen Bestimmungen wird deutlich, dass die Aufhebung (sofern diese nicht rückwirkend erfolgt) das "Außerkrafttreten" des Gesetzes mit dem Tag der Kundmachung zur Folge hat, dass es aber auf die bis dahin verwirklichten Tatbestände weiter anzuwenden ist.

Da gegenständlich die Aufhebung der Worte "aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb" ohne Fristsetzung erfolgte, ist diese somit bereits mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt (BGBl. I Nr. 3/2007) zum wirksam geworden (vgl. Art. 140 Abs. 5 B-VG). Da gegenständlich zweifelsohne kein Anlassfall vorlag und das Höchstgericht nichts anderes angeordnet hat, war das Gesetz in der Fassung AbgÄG 2004, BGBl I Nr. 189/2004, im Streitjahr jedenfalls noch anzuwenden. Für das Jahr 2004 tritt im Ergebnis keine Änderung in Bezug auf den Ausschluss von Unternehmen, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehen, ein.

Mangels Vorliegen von Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus Gewerbebetrieb steht im Streitjahr die begünstigte Besteuerung nach § 11a EStG nicht zu, weshalb die Berufung als unbegründet abzuweisen war.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Besteuerung
Begünstigung
nicht entnommene
Gewinne
Einkünfte
Verfassungsgerichtshof
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at