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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSL vom 27.09.2010, RV/1159-L/10

Kammerumlage KU 1 gemäß § 122 Abs. 1 WKG 1998 - kein Verstoß gegen Art. 168 Mehrwertsteuersystemrichtlinie Zuständigkeit des UFS für Berufungen, wenn die Kammermitgliedschaft nicht bestritten ist (§ 126 Abs. 2 WKG)

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0166 eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Berufungswerberin, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Grieskirchen Wels vom betreffend Kammerumlage gemäß § 122 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz 1998 für die Zeiträume 1-3/2009, 4-6/2009, 1-3/2010 und 4-6/2010 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (in der Folge kurz Bw) reichte beim zuständigen Finanzamt am für das 2. Quartal 2010 eine Erklärung ein, wonach sich auf Grund einer Bemessungsgrundlage von 355.462,24 € zwar eine Kammerumlage von 1.066,39 € ergäbe, die Bw auf Grund folgender Rechtsansicht jedoch beantragte, die Kammerumlage mit Bescheid mit 0,00 € festzusetzen:

Die Bw sei eine Steuerpflichtige iSd Art. 9 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ("MWSt-Systemrichtlinie"). Die Bw berufe sich auf einen Verstoß des § 122 WKG gegen Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie. Der Verstoß liege darin, dass Art 168 MWSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsehe, während Art. 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterziehe und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der MWSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei.

Mit e-mail vom wurde dem Finanzamt seitens der Bw mitgeteilt, dass für folgende Zeiträume eine derartige Nullmeldung abgegeben werde:


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Beträge in Euro
1-3/2009
4-6/2009
1-3/2010
4-6/2010
Vorsteuern (ohne EUSt)
200.946,58
206.697,41
138.157,51
136.729,29
Vorsteuern innergemeinschaftl. Erwerb
227.881,04
240.058,47
273.132,11
208.176,79
Vorsteuern § 19 Abs. 1, Art. 19 Abs. 2
7.913,01
4.898,08
8.057,46
10.556,16
EUSt gemäß § 26 Abs. 3
85,04
Summe
436.825,67
451.653,96
419.347,08
355.462,24
ergäbe Kammerumlage
1.310,22 €
1.354,96 €
1.256,02 €
1.066,39 €
Beantragte Festsetzung
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €

Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt die Kammerumlage gemäß § 122 Abs. 1 Wirtschaftskammergesetz für die vier gegenständlichen Quartale sinngemäß wie folgt fest:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Beträge in Euro
1-3/2009
4-6/2009
1-3/2010
4-6/2010
Vorsteuer
200.946,58
206.697,41
138.157,51
136.729,29
Erwerbsteuer
227.881,04
240.058,47
273.132,11
208.176,79
Vorsteuern aus Reverse Charge
7.913,01
4.898,08
8.057,46
10.556,16
Einfuhrumsatzsteuer
85,04
Summe
436.825,67
451.653,96
419.347,08
355.462,24
davon 3,00 Promille Kammerumlage
1.310,22 €
1.354,96 €
1.258,04 €
1.066,39 €
Für den Zeitraum bereits gebucht
0,00 €
0,00 €
0,00 €
0,00 €
Somit verbleiben als Nachzahlung
1.310,22 €
1.354,96 €
1.258,04 €
1.066,39 €

Das Finanzamt begründete diese Bescheide nach dem sinngemäßen Hinweis darauf, dass die Bw für das jeweilige Quartal wegen des in ihrem Schreiben vom und E-Mail vom Folgetag behaupteten Verstoßes von § 122 WKG gegen Art. 168 der MWSt-Systemrichtlinie bisher keine Kammerumlage entrichtet habe, wie folgt:

Die Kammerumlage 1 sei nicht EU-rechtswidrig. Die Einforderung der Umlage stelle keine Rückgängigmachung der gemäß Art. 168 MWST-Systemrichtlinie gewährten Vorsteuer dar. Ein Verstoß gegen die MWST-Systemrichtlinie (vorher Art. 33) sei nicht gegeben, weil die Kammerumlage keine der Mehrwertsteuer ähnliche Abgabe sei. Auch die Niederlassungsfreiheit und das Beihilfenrecht würden durch das WKG in diesem Zusammenhang nicht verletzt.

Mit am 14. September 20010 zu Post gegebenen Schriftsatz vom erhob die Abgabepflichtige Berufung gegen die ihr am zugestellten oben genannten Bescheide des Finanzamtes vom , beantragte deren ersatzlose Aufhebung und die festgesetzte Kammerumlage dem Abgabenkonto der Bw wieder gutzuschreiben und begründete dies nach Wiedergabe der Begründung der angefochtenen Bescheide und dem Hinweis, nähere Ausführungen, auf welche Rechtsgrundlage(n) sich das Finanzamt konkret stütze, seien den Bescheiden nicht zu entnehmen, im Wesentlichen wie folgt:

1. Gemäß § 122 WKG sei die Umlage in einem Tausendsatz von jenen Beträgen zu berechnen, die

a. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmen erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,

b. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,

c. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitglieds oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.

2. Die Bw. sei eine Steuerpflichtige iSd Art. 9 der RL 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MWSt-Systemrichtlinie).

3. Nach Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie sei ein Steuerpflichtiger berechtigt, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet würden, in dem Mitgliedsstaat, in dem er diese Umsätze bewirke, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a. Die in diesem Mitgliedsstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

b. die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen bzw dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Art. 18 lit. a MWSt-Systemrichtlinie sowie Art. 27 MWSt-Systemrichtlinie gleichgestellt sind,

c die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. b Z i MWSt-Systemrichtlinie geschuldet wird;

d. die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Art. 21 und 22 MWSt-Systemrichtlinie geschuldet wird;

e. die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist.

4. Die Bestimmung des Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie sei eindeutig, genau und unbedingt und erfülle daher die Voraussetzungen dafür, dass sich ein Einzelner vor den nationalen Behörden und Gerichten auf diese Bestimmung berufen könne (vgl. zur Vorgängerbestimmung Art. 17 der 6. RL des Rates 77/388/EWG; schon , "Lennartz").

5. Wie der EuGH in ständiger Rechtsprechung ausführe, folge aus dem Mehrwertsteuersystem, dass die Steuerpflichtigen das Recht auf Abzug der gesamten Steuerbelastung sofort ausüben dürften, sofern es keine Vorschrift gebe, die den Mitgliedstaaten eine Einschränkung dieses Rechtes gestatte. Da derartige Einschränkungen in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten müssten, seien Ausnahmen nur in den in der Richtlinie ausdrücklich vorgesehenen Fällen zulässig (vgl. , "Lennartz", Rz 27 und , "Kommission/Frankreich", Rz 16 und 17).

6. Die Bw berufe sich auf einen Verstoß von § 122 WKG gegen Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie. Der Verstoß liege darin, dass Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie einen Vorsteuerabzug für bestimmte Beträge vorsehe, während § 122 WKG diese Beträge der Umlagepflicht unterziehe und somit den Vorsteuerabzug in einer Weise einschränke, die nach der MWSt-Systemrichtlinie nicht ausdrücklich zugelassen sei.

Das Finanzamt legte die Berufung am dem Unabhängigen Finanzsenat mit dem Antrag auf Abweisung zur Entscheidung vor und führte ergänzend im Wesentlichen Folgendes aus:

Gemäß § 1 WKG seien die Wirtschaftskammern zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder errichtet worden. Nach § 122 Abs. 1 WKG könne zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammern von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden, wobei diese Verhältnismäßigkeit auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu mesen sei.

Die Kammerumlage sei im Berufungszeitraum entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen in § 122 Abs. 1 Z 1 bis 3 WKG festgesetzt worden. Strittig sei lediglich, ob in der Festsetzung der Kammerumlage ein Verstoß gegen Art. 168 MwSt-Systemrichtlinie zu erblicken sei.

Die Bemessungsgrundlage der Kammerumlage setze sich aus den Vorsteuern, Einfuhrumsatzsteuern, Erwerbssteuern und den nach der Reverse-Charge-Regel geschuldeten Umsatzsteuern zusammen. Ob ein Vorsteuerabzug zulässig ist, sei für die Berechnung der Kammerumlage KU 1 nicht von Bedeutung. Bei der Kammerumlage KU 1 handle es sich daher um eine Abgabe, deren Bemessungsgrundlage an die Höhe der Vorsteuern für die bezogenen Vorleistungen anknüpfe. Diese Vorsteuerbeträge würden nur als Bezugsgröße für die Berechnung der Kammerumlage verwendet und es liege entgegen der Behauptung in der Berufungsschrift keine Einschränkung des Vorsteuerabzuges vor, sodass in der Vorschreibung der Kammerumlage keine EU-Rechtswidrigkeit zu erblicken sei.

Im Übrigen werde auf die bereits ergangene UFS-Entscheidung RV/1732-W/10 verwiesen, wo auch der Unabhängige Finanzsenat in der Vorschreibung der Kammerumlage KU 1 keine EU-Rechtswidrigkeit und damit keinen Verstoß gegen Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie gesehen habe.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998 (WKG) finden sich folgende Bestimmungen über die Wirtschaftskammern und deren Finanzierung:

Gemäß § 1 Abs. 1 WKG sind zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder Wirtschaftskammern (Landeskammern, Bundeskammer) errichtet.

Gemäß § 1 Abs. 2 WKG vertreten die Fachorganisationen (Fachgruppen im Bereich der Landeskammern, Fachverbände im Bereich der Bundeskammer) die Interessen ihrer Mitglieder.

Gemäß § 1 Abs. 3 WKG fördern die Wirtschaftskammern und Fachorganisationen die gewerbliche Wirtschaft und einzelne ihrer Mitglieder durch entsprechende Einrichtungen und Maßnahmen.

Gemäß § 1 Abs. 4 WKG kann sich die Tätigkeit der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen auch auf mögliche künftige Mitglieder, ehemalige Mitglieder und auf die Angehörigen der Mitglieder erstrecken.

Gemäß § 2 Abs. 1 WKG sind Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die Unternehmungen des Gewerbes, des Handwerks, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, des Nachrichtenverkehrs, des Rundfunks, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft sowie sonstiger Dienstleistungen rechtmäßig selbständig betreiben oder zu betreiben berechtigt sind.

Gemäß § 2 Abs. 2 WKG zählen zu den Mitgliedern gemäß Abs. 1 jedenfalls Unternehmungen, die der Gewerbeordnung unterliegen sowie insbesondere solche, die in der Anlage zu diesem Gesetz angeführt sind.

Gemäß § 2 Abs. 3 WKG sind Mitglieder auch alle im Firmenbuch eingetragenen Holdinggesellschaften, soweit ihnen zumindest ein Mitglied gemäß Abs. 1 angehört.

Gemäß § 2 Abs. 4 WKG müssen Unternehmungen im Sinne der Abs. 1 bis 3 nicht in der Absicht betrieben werden, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen.

Gemäß § 2 Abs. 5 WKG wird die Mitgliedschaft in der Bundeskammer sowie in jenen Landeskammern und Fachorganisationen begründet, in deren Wirkungsbereich eine Betriebsstätte vorhanden ist, die der regelmäßigen Entfaltung von unternehmerischen Tätigkeiten im Sinne des Abs. 1 dient.

Gemäß § 122 Abs. 1 WKG kann zur Bedeckung der in den genehmigten Jahresvoranschlägen vorgesehenen und durch sonstige Erträge nicht gedeckten Aufwendungen der Landeskammern und der Bundeskammer von den Kammermitgliedern eine Umlage nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Inanspruchnahme eingehoben werden; die Verhältnismäßigkeit ist auch an dem Verhältnis zwischen den Umlagebeträgen und der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreisen zu messen. Ist an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein Kammermitglied, dem für die im Rahmen der Gesellschaft ausgeübten Tätigkeiten keine Unternehmereigenschaft im Sinne der Umsatzsteuer zukommt, gemeinsam mit einer oder mehreren physischen oder juristischen Personen beteiligt, so gelten die Bemessungsgrundlagen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bemessungsgrundlage für die Umlage; diesfalls kann die Erhebung der Umlage bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erfolgen. Die Umlage ist in einem Tausendsatz zu berechnen von jenen Beträgen, die

1. auf Grund der an das Kammermitglied für dessen inländische Unternehmensteile von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen vom anderen Unternehmer, ausgenommen auf Grund von Geschäftsveräußerungen, als Umsatzsteuer geschuldet werden,

2. als Umsatzsteuerschuld auf Grund der an das Kammermitglied für dessen Unternehmen von anderen Unternehmern erbrachten Lieferungen oder sonstigen Leistungen auf das Kammermitglied übergegangen ist,

3. auf Grund der Einfuhr von Gegenständen für das Unternehmen des Kammermitglieds oder auf Grund des innergemeinschaftlichen Erwerbs für das Unternehmen des Kammermitglieds vom Kammermitglied als Umsatzsteuer geschuldet werden.

Der Tausendsatz beträgt für die Bundeskammer 1,3 vT und für alle Landeskammern einheitlich 1,9 vT der Bemessungsgrundlagen gemäß Z 1 bis 3. Das Erweiterte Präsidium der Bundeskammer kann jeweils geringere Tausendsätze beschließen.

Der Kammerumlage gemäß § 122 Abs. 1 WKG (KU 1) beträgt derzeit 3,0 vT.

Gemäß § 126 Abs. 2 WKG stellen Kammerumlagen Abgaben im Sinne der Bundesabgabenordnung dar, weshalb die entsprechenden Verfahrensvorschriften insoweit anzuwenden sind, als das Wirtschaftskammergesetz keine abweichenden Bestimmungen enthält. Insbesondere hat über Rechtsmittel, mit denen die Kammerumlagepflicht dem Grunde nach bestritten wird, der Präsident der Landeskammer zu entscheiden. Solche Rechtsmittel gelten als Berufungen nach § 128 Abs. 3; § 128 Abs. 3 und 5 sind sinngemäß anzuwenden.

Die Kammerumlagen wurden im Berufungszeitraum entsprechend den geltenden gesetzlichen Bestimmungen in der von der Bw. bekannt gegebenen Höhe festgesetzt. Strittig ist nur, ob ein derart offenkundiger Widerspruch zu Art. 168 MWSt-Systemrichtlinie besteht, dass die Berufungsbehörde die Bestimmung des § 122 WKG von Amts wegen unbeachtet lassen müsste.

Der Wortsinn des eben zitierten § 126 Abs. 2 WKG ließe die Auslegung zu, dass im gegenständlichen Fall eine Zuständigkeit des Präsidenten der Landeskammer vorliege. Die Gerichtshöfe Öffentlichen Rechts (, unter Hinweis auf ) haben jedoch schon zur gleich lautenden Vorläuferbestimmung des § 57 Abs. 1 Z 3 Handelskammergesetz Folgendes erkannt: "Die Kammerumlagepflicht ist ... nur dann dem Grunde nach bestritten, wenn die Kammermitgliedschaft bestritten wird."

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber bei Erlassung des WKG von diesem Verständnis (der wortgleichen Formulierung des HKG) abgehen wollte. Der Unabhängige Finanzsenat erachtet sich daher im gegenständlichen Fall als zuständig, weil die Kammermitgliedschaft als solche zweifellos gegeben ist.

Gemäß Artikel 168 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist der Steuerpflichtige, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

b) die Mehrwertsteuer, die für Umsätze geschuldet wird, die der Lieferung von Gegenständen beziehungsweise dem Erbringen von Dienstleistungen gemäß Artikel 18 Buchstabe a sowie Artikel 27 gleichgestellt sind;

c) die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;

d) die Mehrwertsteuer, die für dem innergemeinschaftlichen Erwerb gleichgestellte Umsätze gemäß den Artikeln 21 und 22 geschuldet wird;

e) die Mehrwertsteuer, die für die Einfuhr von Gegenständen

in diesem Mitgliedstaat geschuldet wird oder entrichtet worden ist.

Bei der gegenständlichen Kammerumlage handelt es sich um eine Abgabe, deren Bemessungsgrundlage sich aus Vorsteuern (außer bei Geschäftsveräußerung), Einfuhrumsatzsteuern, Erwerbssteuern und nach der Reverse-Charge-Regel geschuldeten Umsatzsteuerbeträgen zusammensetzt, wobei die auf den Eigenverbrauch entfallende Umsatzsteuer abgezogen werden kann. Für die Berechnung der KU 1 ist es unerheblich, ob tatsächlich ein Vorsteuerabzug zulässig ist.

Nach Ansicht der Berufungsbehörde handelt es sich bei der Kammerumlage KU 1 schon deshalb um keine Einschränkung des Vorsteuerabzuges, sondern um eine Abgabe, deren Bemessung an die Höhe der Vorsteuern für die bezogenen Vorleistungen anknüpft (so schon Ruppe, in SWI 3/1998, S 121).

Der Gesetzgeber hat sich für ein System der Finanzierung der Kammern als gesetzlicher Interessensvertretungen mit Pflichtmitgliedschaft aufgrund eines Umlagensystems entschieden, bei dem sowohl Grundumlagen erhoben werden, die von allen Mitgliedern zu entrichten sind, als auch weitere, von der Unternehmensgröße abhängige Umlagen, wobei es Freigrenzen gibt. Bei der Bemessung dieser Umlagen werden sowohl die bezogenen Vorleistungen als auch die Zahl der beschäftigten Dienstnehmer berücksichtigt.

Da die Vorsteuern bei dazu berechtigten Unternehmen in voller Höhe abgezogen werden können und diese lediglich als einfach zu ermittelnde Bezugsgröße für die Berechnung der Kammerumlagen verwendet werden, liegt nach Ansicht der Berufungsbehörde keine offenkundige EU-Rechtswidrigkeit vor, sodass die geltenden gesetzlichen Bestimmungen von Amts wegen außer Acht gelassen werden müssten (, unter Hinweis auf , SPAR Österreichische Warenhandels AG zur inhaltlich vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 122 WKG; und zur Vergleichbarkeit auf sowie Laudacher, SWK 17/2009, T 145).

Der genannten Entscheidung des , ist zur Verneinung der auch von der Bw im gegenständlichen Fall behaupteten Beeinträchtigung des Mehrwertsteuersystems durch Verstoß gegen Art. 168 MwSt-Systemrichtlinie (Art. 17 Abs. 2 Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie) im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen:

Die Bw. bezieht sich in der Berufung auf Art. 168 MwSt-Systemrichtlinie und das Verbot der Einschränkung des Vorsteuerabzuges. Die Einschränkung im gegenständlichen Fall liege darin, dass durch die Umlageverpflichtung der Vorsteuerabzug eingeschränkt werde und zwar in einer Weise, die die MwSt-Systemrichtlinie ausdrücklich nicht zulasse.

Die Bw. hat damit Teile der Argumentation des VwGH im Verfahren zu 96/15/0065 (Fettdruck: Zusatz der Berufungsbehörde) übernommen. In der Vorlage an den EuGH zur EU-Widrigkeit der Kammerumlage macht der VwGH geltend, die Regelung des § 57 Abs. 1 HKG führe nicht zur Gewährung des Vorsteuerabzuges im Ausmaß von 100%, sondern nur in einem geringeren Ausmaß. Der Betrag, der als Vorsteuer geltend gemacht werden könne, werde nämlich durch § 57 Abs. 1 HKG als Bemessungsgrundlage für eine steuerähnliche Abgabe herangezogen. Damit werde einerseits der Vorsteuerabzug nach § 12 UStG 1994 gewährt, andererseits werde für eine große Gruppe von Unternehmern ein Anteil dieses Vorsteuerbetrages wiederum vom Finanzamt rückgefordert. Dies geschehe dadurch, dass die Vorsteuern, Einfuhrumsatzsteuern und Erwerbsteuern die Bemessungsgrundlage für die KU 1 bildeten. Ein Mitgliedstaat könnte dadurch den durch Art. 17 der Richtlinie eingeräumten Vorsteueranspruch in jeder Weise einschränken, wenn die Bestimmung nicht verbiete, den Vorsteuerabzug im Wege einer Abgabe einzubehalten. § 57 HKG dürfte daher bei einem Verstoß gegen Art. 17 der Richtlinie nicht zur Anwendung kommen.

Die Frage nach der Beziehung der Kammerumlage zu Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie hat der , "Spar", nicht explizit beantwortet, sondern nur darauf verwiesen, dass beide Fragen des vorlegenden Gerichts (Art. 17 und Art. 33 betreffend) zusammen zu prüfen seien (Rn 13) und dass - nach Prüfung der Merkmale - die Art. 17 Abs. 2 und 33 es nicht verbieten würden, eine Abgabe wie die KU 1 zu erheben.

Die Formel von der "Beeinträchtigung der Funktion des Mehrwertsteuersystems" ist in den Urteilen des EuGH regelmäßiger Bestandteil der Prüfung des Art. 33 (Art. 401). Auch in der Vorabentscheidung zur Kammerumlage wurde diese Beeinträchtigung mit Blickwinkel auf den Art. 33 (Art. 401) vom VwGH angesprochen (... "ob durch die Regelung der Kammerumlage I nicht gegen das in Art. 33 der Richtlinie normierte Verbot von Steuern mit Umsatzsteuercharakter verstoßen wird; ... erhebt sich die Frage, ob sie nicht der Intention und dem Geist der Richtlinie 77/388/EWG widerspricht"). Der EuGH hat den Aspekt einer Beeinträchtigung des Mehrwertsteuersystems aber nicht direkt aufgegriffen und eine getrennte Betrachtung des Art. 17 abgelehnt.

Das Urteil des EuGH zur Kammerumlage lässt daher folgende Schlussfolgerung zu: Eine Abgabe kann nicht per se - wie vom VwGH in der Vorabentscheidung angedeutet - durch ihre Normierung als Einschränkung des Vorsteuerabzuges nach Art. 17 Abs. 2 (Art. 168) oder als "atypische Erhöhung der Umsatzsteuer" im Bereich des Art. 33 (Art. 401), die das System der Mehrwertsteuer beeinträchtigt, gesehen werden. Die Frage nach einer Einschränkung des Vorsteuerabzuges betreffend Art. 17 Abs. 2 (Art. 168) macht nur dann Sinn, wenn gleichzeitig Art. 33 (Art. 401) geprüft und bejaht wird, also eine der Mehrwertsteuer gleichwertige Abgabe vorliegt. Denn wenn eine Abgabe die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist, zieht sie gar keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 nach sich (, "Spar", Rn 28). Es kann daher durch die Einführung oder Beibehaltung einer Abgabe, die die wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht hat, von vorneherein keine "Einschränkung des Vorsteuerabzuges" iSd Art. 17 (bzw. Art. 401) vorliegen. Schon Ruppe () hat darauf verwiesen, dass das Ziel der KU 1 in der Finanzierung der Interessenvertretung gelegen ist und die Anknüpfung an den Vorsteuerabzug nur der Ermittlung eines objektiven und praktikablen Maßstabes dienen soll, aber keine Vorsteuereinschränkung beabsichtigt ist. Art. 17 (Art. 168) ist daher von der Bemessung der Abgabe von den Vorsteuern, Einfuhrumsatz- und Erwerbsteuern (und damit von § 57 HKG bzw § 122 WKG) gar nicht berührt. Gegen Art. 33 (Art 401) wiederum liegt kein Verstoß vor, weil keine der Mehrwertsteuer gleichwertige Abgabe normiert wurde. In diesem Zusammenhang ergibt die vom EuGH vorgenommene gemeinsame Prüfung beider Bestimmungen auch einen klar erkennbaren Sinn, sodass die auf Art. 168 (Art. 17) bezogene Kritik einer "Rückgängigmachung der Vorsteuer" (Vorabentscheidung) bzw deren "Einschränkung in einer Weise, die nach der Richtlinie nicht ausdrücklich zugelassen ist" (Berufung betreffend Art 168) ins Leere geht.

Der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 122 Abs. 1 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
§ 126 Abs. 2 WKG, Wirtschaftskammergesetz 1998, BGBl. I Nr. 103/1998
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at