Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 28.02.2006, RV/0372-W/06

insolvenzrechtliche Einordnung einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 UStG

Rechtssätze


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Stammrechtssätze
RV/0372-W/06-RS1
Für die konkursrechtliche Beurteilung einer Umsatzsteuerforderung, die auf Grund einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 1 Z 2 UStG entstanden ist, liegt der dafür maßgebliche Sachverhalt im ursprünglichen Leistungsaustausch, zumal auch die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG von der entsprechenden Berichtigung des für den Umsatz in Anspruch genommenen Vorsteuerabzuges spricht.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A-GmbH, vertreten durch RK, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Rückzahlung und Abrechnung entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Eingabe vom beantragte die Berufungswerberin (Bw.), das auf ihrem Abgabenkonto befindliche Guthaben in Höhe von zumindest € 2.733,49 auf das Masseanderkonto zu überweisen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom ab, da kein rückzahlbares Masseguthaben bestehe.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte die Bw. aus, dass über das Vermögen der Bw. am das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Zum habe das Abgabenkonto der Bw. ein Guthaben in Höhe von € 2.733,49 ausgewiesen. Der Rückzahlungsantrag des Masseverwalters sei eine Masseforderung. Davon zu unterscheiden seien etwaige Forderungen der Republik Österreich bzw. des Finanzamtes für die Zeit vor Konkurseröffnung, die als Konkursforderungen bei Gericht anzumelden seien. Offensichtlich sei hier eine nicht zulässige Kompensation von Konkursforderungen mit Masseforderungen erfolgt.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte die Bw. ergänzend vor, dass im Juli 2005 keine Umsatzsteuerforderung entstanden sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Soweit Guthaben nicht gemäß Abs. 1 bis 3 zu verwenden sind, sind sie gemäß § 215 Abs. 4 BAO nach Maßgabe der Bestimmungen des § 239 zurückzuzahlen oder unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen über Antrag des zur Verfügung über das Guthaben Berechtigten zugunsten eines anderen Abgabepflichtigen umzubuchen oder zu überrechnen.

Gemäß § 216 BAO ist mit Bescheid (Abrechnungsbescheid) über die Richtigkeit der Verbuchung der Gebarung (§ 213) sowie darüber, ob und inwieweit eine Zahlungsverpflichtung durch Erfüllung eines bestimmten Tilgungstatbestandes erloschen ist, auf Antrag des Abgabepflichtigen (§ 77) abzusprechen. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben (§ 215 Abs. 4) auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so können Rückzahlungen mit Wirkung für ihn unbeschadet der Vorschrift des § 80 Abs. 2 nur an diejenigen erfolgen, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

Gemäß § 239 Abs 2 BAO kann die Abgabenbehörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

Gemäß § 19 Abs. 1 KO brauchen Forderungen, die zur Zeit der Konkurseröffnung bereits aufrechenbar waren, im Konkurs nicht geltend gemacht zu werden.

Gemäß § 19 Abs. 2 KO wird die Aufrechnung dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Forderung des Gläubigers oder des Gemeinschuldners zur Zeit der Konkurseröffnung noch bedingt oder betagt, oder daß die Forderung des Gläubigers nicht auf eine Geldleistung gerichtet war. Die Forderung des Gläubigers ist zum Zwecke der Aufrechnung nach §§ 14 und 15 zu berechnen. Ist die Forderung des Gläubigers bedingt, so kann das Gericht die Zulässigkeit der Aufrechnung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen.

Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 geändert, so haben gemäß § 16 Abs. 1 UStG

1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag, und

2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die Berichtigungen sind für den Veranlagungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung des Entgeltes eingetreten ist.

Gemäß § 16 Abs. 3 Z 1 UStG gilt Abs. 1 sinngemäß, wenn das Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, so sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen.

Strittig ist, ob ein am Abgabenkonto der Bw. bestanden habendes Guthaben von € 2.733,49 antragsgemäß an die Bw. zurückzuzahlen ist. Da dieses Guthaben mit einem Betrag von € 437,00 mit der am Abgabenkonto der Bw. am verbuchten Vorauszahlung auf die Körperschaftsteuer für das dritte Kalendervierteljahr 2005 und das verbleibende Guthaben mit der am Abgabenkonto am verbuchten Umsatzsteuer 7/2005 verrechnet wurde und nach § 215 Abs. 4 BAO nur ein verbleibendes Guthaben zurückzuzahlen ist, wäre dem Rückzahlungsantrag schon mangels verbleibendem Guthabens der Erfolg zu versagen gewesen. Die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag des Abgabepflichtigen im Abrechnungsbescheidverfahren (§ 216 BAO) zu klären. In Wirklichkeit besteht daher Streit über die Richtigkeit der Verbuchung am Abgabenkonto. Entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ist der angefochtene Bescheid nach seinem materiellen Gehalt einer Deutung als Abrechnungsbescheid im Sinne des § 216 BAO zugänglich.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung () die Auffassung, dass den Aufrechnungsvorschriften der KO und der AO (insbesondere §§ 19, 20 KO und AO) der Vorrang vor den Verrechnungsregeln des § 214 BAO zukommt. Besitzt - wie im vorliegenden Fall - ein Gemein-(Ausgleichs-)Schuldner schon bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Gegenforderung an den Gläubiger, eine sogenannte Passivforderung, so hat dieser nach dem zuvor genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes eine Deckung ähnlich einem Absonderungsberechtigten. Da es in einem solchen Fall nicht vertretbar wäre, vom Gläubiger Vollzahlung zu verlangen, seine Forderung gegen die Masse (Aktivforderung) aber im Insolvenzverfahren zu kürzen, kann dieser Gläubiger während des Verfahrens die Aufrechnung vornehmen, falls sie im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zulässig ist (vgl. SZ 58/169 mwN).

Entgegen der Meinung der Bw., dass im Juli 2005 keine Umsatzsteuerforderung entstanden sei, erfolgte für den genannten Monat - wie der Bw. bereits mit Berufungsvorentscheidung vom vorgehalten wurde - die Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 16 Abs. 3 UStG. Für die konkursrechtliche Beurteilung einer Umsatzsteuerforderung, die auf Grund einer Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 Abs. 3 UStG entstanden ist, liegt der dafür maßgebliche Sachverhalt im ursprünglichen Leistungsaustausch, zumal auch die Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 2 UStG von der entsprechenden Berichtigung des für den Umsatz in Anspruch genommenen Vorsteuerabzuges spricht. Liegt der Leistungsaustausch - wie im gegenständlichen Fall - vor der Konkurseröffnung und führt die nachträgliche Entgeltsminderung zu einer Abgabenforderung, dann wird diese nicht nach dem - angenommenen - Zeitpunkt der Entgeltsminderung, sondern nach Maßgabe des Zeitpunktes der Ausführung des Umsatzes an den Gemeinschuldner als Konkursforderung einzustufen sein (vgl. Kristen, Anmerkung zur Entscheidung des , ZIK 1998, 46).

Sähe man die strittigen Forderungen - entsprechend den Ausführungen in der Berufung, wonach der Rückzahlungsantrag des Masseverwalters eine Masseforderung sei - hingegen als Masseforderungen an (etwa weil der die Abgabenpflicht jeweils auslösende Sachverhalt im Sinne des § 46 Abs. 1 Z. 2 KO während des Insolvenzverfahrens verwirklicht worden wäre), stünde der Aufrechnung mit dem (vor Eintritt der Insolvenzwirkungen begründeten) Guthaben der Bw. nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () ebenfalls nichts im Wege, weil die Aufrechnung von Masseforderungen gegen Forderungen der Masse keiner insolvenzrechtlichen Sonderbestimmung unterliegt und sich bei einem solchen Fall auch aus den allgemeinen Vorschriften kein Aufrechnungsverbot ergibt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 216 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 239 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Guthaben
Aufrechnung
Konkursforderung
Masseforderung
Vorsteuerberichtigung
ursprünglichen Leistungsaustausch

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at