Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 06.08.2013, RV/1350-W/13

Für Asylverfahren, die vor dem 1.1.2006 eingeleitet worden sind, gilt grundsätzlich 60 Monate dauernder Aufenthalt in Österreich für Gewährung von Familienbeihilfe.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., X., gegen den Bescheid des Finanzamtes Baden Mödling betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum bis  entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (Bw.) ist armenische Staatsbürgerin. Am reisten die Bw. und ihr Sohn A., geb.1996, nach Österreich ein und stellten einen Asylantrag. Am reiste ihr Sohn B., geb. 1991, nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Im Februar 2013 stellte die Bw. für ihre beiden Kinder den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe rückwirkend ab Februar 2008. A. und B. halten sich nachweislich seit Jänner 2008 in Österreich auf. Die Bw. legte Schulbesuchsbestätigungen bis 2013 vor.

Die Bw. legte weiters ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom vor: "...Die Bezirkshauptmannschaft Mödling - Abteilung Fremdenpolizei - bestätigt hiermit, dass...

Y. H., geb. 1963, StA: Armenien, in der Zeit von bis eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Asylgesetz 1997 innehatte. Am brachte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein und ist nun im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig von bis ;

Bw., geb. 1971, StA: Armenien, in der Zeit von bis eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 Asylgesetz 2005 innehatte. Am brachte sie einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein und ist nun im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig von bis ;

Y. B., geb. 1991, StA: Armenien, in der Zeit von bis eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 Asylgesetz 2005 innehatte. Am brachte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein und ist nun im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig von bis ;

J. A. , geb. 1996 , StA: Armenien, in der Zeit vom bis eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 51 Asylgesetz 2005 innehatte. Am brachte er durch seine Mutter einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ein und ist nun im Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gemäß § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig von bis ;"

Ein Sozialversicherungsauszug vom bestätigte, dass die Bw. vom bis als Asylwerberin bzw. Flüchtling gemeldet war. Vom bis war sie als geringfügig Beschäftigte Arbeiterin bei der Firma P. Gesellschaft mbH erfasst.

Ein Sozialversicherungsauszug vom bestätigte, dass der Gatte der Bw. seit bis als Flüchtling bzw. Asylwerber gemeldet war. Von bis war er selbstversichert.

Die Bw. legte die Kopien ihrer Rot-Weiss-Rot-Karte Plus sowie die ihres Gatten und ihrer Kinder gültig von bis vor.

Auf Grund einer Anfrage des Finanzamtes gab der Gatte der Bw. telefonisch bekannt, dass es für den Zeitraum ab 02/2008 keinen positiven Aufenthaltstitel gibt.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Familienbeihilfe mit Bescheid vom für den Zeitraum Februar 2008 bis Jänner 2013 mit folgender Begründung ab:

"Zu J.B.:

Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen.

Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden. Anspruch auf Familienleistungen in Österreich besteht ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Aufenthaltstitels (Rot-Weiß-Rot-Karte plus) für Ihre Söhne B. und A., das ist der .

Ihr Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2008 war daher abzuweisen.

Zu J.A.:

Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen.

Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.

Anspruch auf Familienleistungen in Österreich besteht ab dem Zeitpunkt der Ausstellung des Aufenthaltstitels (Rot-Weiß-Rot-Karte plus) für Ihre Söhne B. und A., das ist der .

Ihr Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe ab Februar 2008 war daher abzuweisen."

Die Bw. brachte gegen den Abweisungsbescheid Berufung mit folgender Begründung ein:

"...Flüchtlinge, die nach dem eingereist sind, haben erst ab der Asylgewährung Anspruch auf Familienbeihilfe, wohingegen bei AsylwerberInnen, die vor 2006 eingereist sind und deren Verfahren im Dezember 2005 noch anhängig war, die frühere Rechtslage (in der Fassung 142/2004) zur Anwendung gelangt. Nach der alten Rechtslage kommt es nur auf den tatsächlichen Aufenthalt, nicht jedoch auf den Aufenthaltstitel an. Der Anspruch entsteht bei einer länger als 3 Monate dauernden Beschäftigung sowie ab einem Aufenthalt von 60 Monaten in Österreich.

Der Unabhängige Finanzsenat, Außenstelle Linz, hat unter GZ. RV/0612-L/08 am entschieden, dass auch bei AsylwerberInnen, deren Verfahren nach dem AsylG 1997 geführt wird, ab einem 60-monatigen Aufenthalt Anspruch auf Familienbeihilfe entsteht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom , 2009/16/0208, betreffend einen vergleichbaren Sachverhalt zu § 3 Abs. 2 FLAG in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes unter Zitierung seiner Entscheidung vom , 98/15/0025, klargestellt, dass der dort geforderte ständige Aufenthalt im Bundesgebiet dem ständigen Aufenthalt im Sinn des § 26 Abs. 2 BAO entspricht und es dabei auf die körperliche Anwesenheit ankommt. Damit werde auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf einen "berechtigten Aufenthalt" abgestellt. In der Folge verweist er auf seine im Erkenntnis vom , 2009/16/0178, zum insoweit vergleichbaren Tatbestand des ständigen Aufenthaltes in § 5 Abs. 3 FLAG erfolgte Klarstellung, dass auch dieser ständige Aufenthalt dem gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn des § 26 Abs. 2 BAO entspricht, dass es bei der Frage dieses Aufenthalts um objektive Kriterien geht und eine Berechtigung zum dauernden Aufenthalt nicht ausschlaggebend ist.

Im Sinn dieser Rechtsprechung ist auch im gegenständlichen Fall unwesentlich, ob die Aufenthaltsberechtigung des Berufungswerbers nur eine vorläufige ist. Vielmehr ist der tatsächliche Aufenthalt im Bundesgebiet von Bedeutung. Mit seiner Einreise nach Österreich im September 2002 erfüllt der Berufungswerber jedenfalls im Berufungszeitraum die Voraussetzung eines mehr als sechzigmonatigen ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und damit auch für den Anspruch auf Familienbeihilfe.

AsylwerberInnen, deren Asylverfahren am noch anhängig war, können also Familienbeihilfe beantragen, und zwar ab dem 61. Aufenthaltsmonat..."

Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.

Der unabhängige Finanzsenat ersuchte die Bw. den Asylbescheid ihres Gatten und Unterlagen, die einen dauernden Aufenthalt ihres Gatten in Österreich vor November 2005 belegen, vorzulegen.

Vorgelegt wurden eine Kopie der Niederschrift der Ersteinvernahme im Asylverfahren vom , eine Kopie der Einvernahme des Bundesasylamtes vom , der Bescheid vom , mit dem der Antrag auf Asyl abgewiesen und der Gatte der Bw. ausgewiesen wurde und die Berufung dagegen.

Aus den vorgelegten Unterlagen geht hervor, dass der Gatte der Bw. am mittels einer Schlepperorganisation mit einem LKW nach Österreich gebracht wurde. In der Zeit davor, war er von 1991 bis November 2005 in Russland beschäftigt.

Laut telefonischer Auskunft des Bundeasylamt Traiskirchen wurde eine Beschwerde mit abgelehnt, somit ist das Asylverfahren abweisend rechtskräftig entschieden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Die Berufungswerberin (Bw.) ist armenische Staatsbürgerin.

Sie reiste am mit ihrem Sohn A., geb. 1996 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag. Am reiste ihr Sohn B., geb. 1991 nach Österreich ein und stellte einen Asylantrag.

Im Februar 2013 stellte die Bw. für ihre beiden Kinder den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe rückwirkend ab Februar 2008.

A. und B. halten sich nachweislich seit Jänner 2008 in Österreich auf. Die Bw. legte Schulbesuchsbestätigungen bis 2013 vor.

Folgende entscheidungsrelevanten Unterlagen liegen im Familienbeihilfenakt auf und werden der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Laut Sozialversicherungsauszug ist der Gatte der Bw. seit als Flüchtling bzw. Asylwerber gemeldet und laut Fremdenpolizei hat er seit in Österreich eine Aufenthaltsbestätigung.

Sein Asylantrag wurde 2009 rechtskräftig abweisend entschieden.

Die Bw., deren Gatte und deren Kinder sind in Besitz einer Rot-Weiß-Rot-Karte-Plus gemäß § 41 Abs.9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, gültig von bis .

Strittig ist, ob für die beiden Kinder, die sich seit 2007 in Österreich ohne gültigen Aufenthaltstitel aufhalten rückwirkend ab Feb. 2008 ein Anspruch auf Familienbeihilfe gegeben ist.

Die Rechtsgrundlagen stellen sich wie folgt dar:

§ 3 FLAG idF des Pensionsharmonisierungsgesetzes BGBl 2004/142 lautet folgendermaßen: Absatz 1: Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie im Bundesgebiet bei einem Dienstgeber beschäftigt sind und aus dieser Beschäftigung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder zufolge einer solchen Beschäftigung Bezüge aus der gesetzlichen Krankenversicherung im Bundesgebiet beziehen; kein Anspruch besteht jedoch, wenn die Beschäftigung nicht länger als drei Monate dauert. Kein Anspruch besteht außerdem, wenn die Beschäftigung gegen bestehende Vorschriften über die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer verstößt. Absatz 2: Absatz 1 gilt nicht für Personen, die sich seit mindestens sechzig Kalendermonaten ständig im Bundesgebiet aufhalten, sowie für Staatenlose und für Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 1997 gewährt wurde.

Nach § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach Abs. 2 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten. § 3 Abs. 3 leg.cit. besagt: Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

Die Änderung des § 3 FLAG erfolgte im Zuge umfangreicher Gesetzesänderungen durch das Fremdenrechtspaket 2005, BGBl. I Nr. 100/2005. Im Zuge dieser Änderungen wurde folgende Übergangsbestimmung des § 55 FLAG angefügt: Die §§ 2 Abs. 8 erster Satz und 3 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 100/2005, treten mit , nach Maßgabe der Übergangsbestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, sowie des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft.

Das Asylgesetz 2005 enthält unter anderem in seinem § 75 Absatz 1 folgende Übergangsbestimmung: Alle am anhängigen Verfahren sind nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 zu Ende zu führen. § 44 AsylG 1997 gilt. Die §§ 24, 26, 54 bis 57 und 60 dieses Bundesgesetzes sind auf diese Verfahren anzuwenden. ......

Auf Grund dieser Übergangsbestimmungen hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom , 2007/15/0170, die Feststellung getroffen, dass § 3 FLAG in der Fassung des Fremdenrechtspaketes 2005 für Personen, die vor dem einen Asylantrag gestellt haben und deren Asylverfahren daher noch nach dem Asylgesetz 1997 abgeführt wird, auch für Zeiträume ab dem noch nicht anzuwenden ist. Für diesen Personenkreis kommt § 3 FLAG zunächst noch in der Fassung des Pensionsharmonisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 142/2004, zur Anwendung.

Im gegenständlichen Fall wurde das Asylverfahren des Gatten der Bw. im Jahr 2005 eingeleitet und am abweisend rechtskräftig entschieden. Ein 60 monatiger ständiger Aufenthalt im Bundesgebiet war nicht gegeben.

Laut seiner Aussage in dem Asylbescheid vom hat er Armenien am verlassen. Am ist er mit dem LKW einer Schlepperorganisation nach Österreich gebracht worden. Davor hat er in Russland gearbeitet.

Ein dauernder Aufenthalt in Österreich seit 2002 - wie in der Berufung ausgeführt - war daher nicht gegeben.

Die Kinder sind 2007 nach Österreich eingereist und haben einen Asylantrag gestellt. Das Asylverfahren war daher nach dem Asylgesetz 2005 abzuführen.

Ab besteht ein Anspruch nur, wenn Asyl nach dem AsylG 2005 gewährt wurde oder ein Aufenthaltstitel nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, gegeben ist.

Ab Februar 2013 haben die beiden Kinder eine Aufenthaltstitel (Rot-Weiss-Rot-Plus-Karte) in Österreich.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 19 AsylG, Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997
§ 41a Abs. 9 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 51 AsylG 2005, Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 26 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 3 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 8 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 9 NAG, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005
§ 44 AsylG, Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at