Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSW vom 23.01.2008, RV/2957-W/07

Vorliegen eines haftungsbegründenden Sachverhaltes

Beachte

VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/16/0072 (vormals 2008/13/0048) eingebracht. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des OR, vertreten durch EP, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Haftung gemäß § 9 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Haftungsbescheid vom nahm das Finanzamt den Berufungswerber (Bw.) als Haftungspflichtigen gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der P-GmbH im Ausmaß von € 8.277,33 in Anspruch.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung beantragte der Bw., den angefochtenen Haftungsbescheid ersatzlos aufzuheben.

Die Haftung solle aus der Nichtabfuhr von Umsatzsteuer für das Jahr 2000 der P-GmbH resultieren. Anfang 2001 sei bekanntlich über das Vermögen der P-GmbH ein Konkursverfahren eröffnet worden. Gemäß den dem Bw. vorliegenden Informationen seien in diesem Konkursverfahren seitens des Finanzamtes offenbar keine Forderungen geltend gemacht worden. Bis zum Erlass des Haftungsbescheides seien auch gegen den Bw. keine Ansprüche seitens des Finanzamtes geltend gemacht worden.

Da es über einen Zeitraum von 6 Jahren zu keiner Festsetzung einer Abgabenverbindlichkeit gegenüber dem Bw. gekommen sei, seien allfällige Haftungsansprüche bereits verjährt. Weiters sei die Nichtabfuhr von Umsatzsteuer im Jahr 2000 auf Grund des bevorstehenden Insolvenzverfahrens nicht erfolgt. Dadurch habe eine allfällige Gläubigerbevorzugung vermieden werden sollen.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab.

In dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz brachte der Bw. ergänzend vor, dass bis zum Erlass des Haftungsbescheides ihm gegenüber keinerlei Verfolgungshandlung gesetzt worden sei. Insbesondere sei gegen ihn diesbezüglich kein Vorhalt gerichtet worden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 238 Abs. 1BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. § 209a gilt sinngemäß.

Gemäß § 238 Abs. 2 BAO wird die Verjährung fälliger Abgaben durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen, durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung oder durch Erlassung eines Haftungsbescheides unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Gemäß § 9 Abs. 1 KO wird durch die Anmeldung im Konkurs die Verjährung der angemeldeten Forderung unterbrochen. Die Verjährung der Forderung gegen den Gemeinschuldner beginnt von Neuem mit dem Ablauf des Tages, an dem der Beschluss über die Aufhebung des Konkurses rechtskräftig geworden ist.

Unbestritten ist, dass dem Bw. als selbstständig vertretungsbefugtem Geschäftsführer der Abgabepflichtigen laut Eintragung im Firmenbuch von bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der Gesellschaft oblag.

Die ebenfalls nicht bestrittene Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabe bei der Primärschuldnerin steht auf Grund der Aufhebung des Konkurses nach Schlussverteilung mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom fest.

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom , 97/15/0115) ist es im Falle der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht Sorge getragen hat, dass die Gesellschaft die anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet hat, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung annehmen darf. In der Regel wird nämlich nur der Geschäftsführer jenen ausreichenden Einblick in die Gebarung der GmbH haben, der ihm entsprechende Behauptungen und Nachweise ermöglicht.

Hatte der Geschäftsführer Gesellschaftsmittel zur Verfügung, die zur Befriedigung sämtlicher Schulden der Gesellschaft nicht ausreichten, so ist er nur dann haftungsfrei, wenn er im Verwaltungsverfahren nachweist, dass er die vorhandenen Mittel zur anteiligen Befriedigung aller Verbindlichkeiten verwendet und somit die Abgabenschulden nicht schlechter behandelt hat. Wenn die Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der in den Fälligkeitszeitpunkten der Abgaben zur Verfügung stehenden Mittel im Verwaltungsverfahren unterlassen wird, kommt eine Beschränkung der Haftung bloß auf einen Teil der uneinbringlichen Abgabenschulden nicht in Betracht.

Dass für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Abgabe keine Mittel zur Verfügung gestanden wären, wurde vom Bw. nicht behauptet. Zwar entbindet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch eine qualifizierte Mitwirkungspflicht des Vertreters die Behörde nicht von jeglicher Ermittlungspflicht; eine solche Pflicht besteht etwa dann, wenn sich aus dem Akteninhalt deutliche Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung ergeben, doch bestehen laut Aktenlage in Hinblick auf regelmäßige Zahlungen auf das Abgabenkonto der Gesellschaft (: S 18.126,00, : S 18.587,00, : S 18.190,00, : S 17.630,00) keine deutlichen Anhaltspunkte für das Fehlen der Mittel zur Abgabenentrichtung.

Auf Grund des nachweislichen Vorhandenseins von Mittel konnte dem Bw. mangels Darlegung des Fehlens der Mittel im maßgeblichen Zeitraum der Fälligkeit der Abgabenverbindlichkeit zu deren vollständiger Entrichtung, was er nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () tauglich nur durch Darstellung auch der Einnahmesituation der Primärschuldnerin hätte aufzeigen können, und mangels Behauptung und Nachweisung des Ausmaßes der quantitativen Unzulänglichkeit der im Fälligkeitszeitpunkt der Abgabe () zur Verfügung stehenden Mittel nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die uneinbringlichen Abgabe zur Gänze vorgeschrieben werden.

Dem Einwand, dass die Nichtabfuhr von Umsatzsteuer im Jahr 2000 auf Grund des bevorstehenden Insolvenzverfahrens nicht erfolgt sei und hiedurch eine allfällige Gläubigerbevorzugung vermieden hätte werden sollen, ist zu erwidern, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () die Frage, ob bzw. inwieweit vom Bw. geleistete Zahlungen nach den Bestimmungen der Konkursordnung rechtunwirksam bzw. anfechtbar gewesen wären, ausschließlich im Konkursverfahren zu prüfen ist. Zudem wurden vom Bw. entgegen diesem Vorbringen ohnehin bis Zahlungen geleistet.

Der eingewendeten Einhebungsverjährung ist entgegenzuhalten, dass die haftungsgegenständliche Abgabe mit Schreiben vom im Konkurs über das Vermögen der P-GmbH angemeldet wurde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () wirken Unterbrechungshandlungen anspruchsbezogen, unterbrechen also die Verjährung gegenüber jedem, der als Zahlungspflichtiger in Betracht kommt, ohne dass es rechtlich von Bedeutung wäre, gegenüber wem sich solche Amtshandlungen richten. Gemäß § 9 Abs. 1 KO begann somit mit Rechtskraft des Beschlusses vom die Verjährung von Neuem zu laufen.

Dem Vorbringen des Bw., dass gegen ihn bezüglich der Haftung kein Vorhalt gerichtet worden sei, ist zu entgegnen, dass dem Bw. sowohl in der Begründung des angefochtenen Bescheides als auch in der Begründung der Berufungsvorentscheidung der Sachverhalt und die Rechtslage ausführlich dargelegt wurden, sodass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () im Hinblick auf die Vorhaltswirkung der Berufungsvorentscheidung Sache des Bw. gewesen wäre, in seinem Vorlageantrag aufzuzeigen, warum die Voraussetzungen für eine Haftung gemäß § 9 BAO nicht gegeben sein sollten.

Infolge der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Bw. konnte die Abgabenbehörde nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben war.

Auf Grund des Vorliegens der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 BAO erfolgte somit die Inanspruchnahme des Bw. als Haftungspflichtiger gemäß § 9 BAO für die laut Rückstandsaufgliederung vom nach wie vor unberichtigt aushaftende Abgabenschuldigkeit der P-GmbH im Ausmaß von € 8.277,33 zu Recht.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 9 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Gläubigerbevorzugung
Geschäftsführer
Uneinbringlichkeit
Einhebungsverjährung
qualifizierte Mitwirkungspflicht
Konkurs
Unterbrechungshandlungen
Vorhaltswirkung

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at