Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSS vom 24.07.2012, RV/0493-S/11

Antrag auf Aufhebung eines Bescheides gemäß § 299 BAO wegen Unionsrechtswidrigkeit bzw. Widerspruch mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vorschriften oder wegen Verstoß gegen innerstaatliche Normen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Erben als Gesamtrechtsnachfolger der ER, 5020 Salzburg, vertreten durch KPMG Treuhand - Salzburg GmbH, 5020 Salzburg, Kleßheimer Allee 47, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt, vertreten durch Mag. Dieter Lukesch, vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aufhebung gemäß § 299 BAO hinsichtlich Einkommensteuer 2002, 2003 und 2004 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Frau ER, verstorben am XX.XX.2006, zuletzt wohnhaft gewesen in 5020 Salzburg, A-Straße, bezog im Jahr 2002 Pensionseinkünfte (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Geschäftsführerin. Sie war weiters in Österreich an zwei Gesellschaften beteiligt und erzielte daraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Die Erblasserin erzielte auch Einkünfte in Deutschland, sie war ua. an der R-M-GmbH&CoKG in F als Kommanditistin beteiligt.

Das Finanzamt setzte mit den Bescheiden vom und die Einkommensteuer für die Jahre 2002 bzw. 2003 und 2004 fest.

Mit Schreiben vom wurde angeregt, die Einkommensteuerveranlagungen von Amts wegen gemäß § 303 BAO wiederaufzunehmen. Unter Hinweis auf das Erkenntnis des , wurde ersucht, die in Deutschland erwirtschafteten Verluste aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen. Die geltend gemachten Verluste seien originär bei der Veräußerung sämtlicher Anteile an der Firmen der R -Gruppe per entstanden und wurden zunächst mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2002 unter Vorbehalt festgestellt. Nach erfolgter Betriebsprüfung der Jahre 1999 bis 2002 bei R F im Jahr 2005 sei der fortgeschriebene Verlustvortrag von Fr. ER endgültig festgesetzt worden. Weiters wird darauf hingewiesen, dass in den Verlusten auch Verluste aus Vermietung und Verpachtung iHv € 6.538,00 aus dem Jahr 2002 enthalten sind. Auf Grund der Regelungen zum horizontalen Verlustausgleich sei davon auszugehen, dass diese Verluste im Jahr 2002 in Österreich zunächst mit den positiven Einkünften aus Vermietung und Verpachtung verrechnet werden könnten.

Das Finanzamt folgte der Anregung auf Wiederaufnahme nicht und begründete dies wie folgt:

"Bis zur Gesetzesänderung durch das StReformG 2005 bestand für Verluste ausländischer Betriebsstätten bezüglich der Geltendmachung beim inländischen Stammhaus ein Wahlrecht. Dieses Wahlrecht konnte der Steuerpflichtige durch Aufnahme oder nicht Aufnahme in die Steuererklärung nutzen. Mit Inkrafttreten des § 2 Abs. 8 sind ausländische Verluste zwingend in die österreichische Steuererklärung aufzunehmen.

Die Regelung der Nutzungsmöglichkeit, ob Wahlrecht oder zwingendes Recht, ist eine rein innerstaatliche Regelung.

Eine DBA-Regelung kann das Besteuerungsrecht eines Staates einschränken aber nicht ausdehnen.

Das Wahlrecht zur Geltendmachung der Auslandsverluste der Frau ER, Salzburg, wurde folgendermaßen genutzt:

2002: Ausländische Verluste in Höhe von 1.448.513,-- wurden unter der KZ 746 erklärt und erklärungsgemäß veranlagt.

2003 und 2004: Das Wahlrecht wurde durch die Nichtaufnahme in die Steuerklärung in Österreich genutzt und somit auf die Berücksichtigung dieser Auslandsverluste verzichtet.

Eine Neuausübung des konsumierten Wahlrechtes und eine nachträgliche Geltendmachung der ausländischen Betriebsstättenverluste sind nicht mehr möglich. Das Risiko, bei einem Verzicht und sich ändernden Rahmenbedingungen die Verluste weder im Inland noch im Ausland verwerten zu können, liegt beim Steuerpflichtigen. Daran vermag auch der Verweis auf die Entscheidung des in der RS C-414/06 Lidl ua. nichts ändern, da sie seinerzeitige Ausübung des Wahlrechtes durch den Steuerpflichtigen eine rein innerstaatliche Maßnahme darstellt und in keinem Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union steht."

Mit Schriftsatz vom wurde der Antrag gestellt, die Einkommensteuerbescheide 2002, 2003 und 2004 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 299 BAO aufzuheben. Der Antrag sei fristgerecht gemäß § 302 Abs. 2 lit. c BAO (idF BGBl. I Nr. 97/2002). Für den Fall der Ablehnung des Antrages gemäß § 299 BAO wurde gleichzeitig ein Antrag gemäß § 293b BAO gestellt.

In der Begründung zum Antrag gemäß § 299 BAO wurde ausgeführt:

"Gemäß § 299 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag der Partei einen Bescheid aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist. Aufhebungen gemäß § 299 Abs. 1 BAO sind innerhalb der Verjährungsfrist zulässig, wenn diese wegen Widerspruchs des aufzuhebenden Bescheids mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen.

Entsprechend dem Erkenntnis des , sind in Fällen in denen Auslandssachverhalten eine Entlastung von der Doppelbesteuerung nach der Befreiungsmethode erfolgt, im Ausland nicht berücksichtigte Verluste bei Ermittlung des Einkommens anzusetzen. Nach Auffassung des VwGH erfolgt die Berücksichtigung der Auslandsverluste nicht auf Grund eines gesetzlichen Wahlrechts, sondern zwingend im Rahmen der Einkommensermittlung (siehe dazu Zorn, SWI 2001, 456, wonach der VwGH die zwingende Berücksichtigung von Auslandsverlusten aus den DBA-rechtlichen Prinzip der Einmalerfassung ableitet).

Selbst wenn man der Auffassung der Behörde zustimmen würde, wonach bis zur Veranlagung 2005 die Verlustberücksichtigung nur im Rahmen eines Wahlrechts erfolgt, ergibt sich für den vorliegenden Fall keine andere Beurteilung:

Frau ER erzielte im Jahr 2002 Verluste in Deutschland. Für Details zu diesen Verlusten verweisen wir auf unsere Anregung zur Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO vom . Die von der Behörde geforderte Ausübung eines Wahlrechts wurde im Jahr 2002 durch die Aufnahme in die KZ 746 ausgeübt. Irrtümlicherweise wurden die Verluste jedoch bei den Einkünften nicht abgezogen. Aus der Aufnahme der ausländischen Verluste in die Steuererklärung ist jedoch der klare Wille der Steuerpflichtigen zur Geltendmachung dieser Verluste in Österreich ersichtlich.

Der Spruch des Bescheides erweist sich somit als nicht richtig, da die Auslandsverluste im Einkommen nicht berücksichtigt wurden. Der Bescheid steht im Widerspruch zu zwischenstaatlichem Recht (DBA iSd VwGH Erkenntnisses). Somit gilt für die Antragstellung nach § 299 BAO die verlängerte Frist des § 302 Abs. 2 lit. b BAO (Verjährung), der Antrag ist somit rechtzeitig.

Die von der Behörde ins Treffen geführte Literaturmeinung von Herrn Martin Mang (SWI 2004, 486 'Verwertung von Auslandsverlusten nach dem SteuerreformG 2005 - Pflicht oder Wahlrecht'), dass eine Anwendung des § 299 BAO im Zusammenhang mit Auslandsverlusten auf Grund des VwGH-Erkenntnisses nur innerhalb der 1-Jahres-Frist möglich ist, ist uE für den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Der Autor bezieht sich in seinen Ausführungen nämlich auf die nachträgliche Sanierung eines Verzichts auf den Verlustausgleich. Da im vorliegenden Sachverhalt, wie bereits beschrieben, der ausdrückliche Wille der Steuerpflichtigen die Geltendmachung des Verlusts war, können die Ausführungen des Autors hier nicht herangezogen werden."

Das Finanzamt wies den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Einkommensteuerbescheide 2002 sowie 2003 am und 2004 am ergangen sind. Sollten die ausländischen Verluste nicht oder eventuell falsch erklärt und daher in den Bescheiden nicht berücksichtigt worden sein, so würden diese nicht im Widerspruch mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit dem Unionsrecht stehen, da aufgrund der Regelungen des § 1 Abs. 2 EStG nur inländisches Recht zur Anwendung komme. Die Antragsfrist gemäß § 299 BAO iVm § 302 Abs. 1 BAO habe daher nach einem Jahr ab Bekanntgabe der Bescheide geendet.

Fristgerecht wurde dagegen Berufung erhoben und die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat beantragt.

Mit Bericht vorm wurden die Berufung und der entsprechende Verwaltungsakt dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Schriftsatz vom wurde der Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat zurückgezogen.

Über die Berufung wurde erwogen:

Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen gemäß § 299 Abs. 1 BAO (idF BGBl I 124/2003) einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

Nach § 302 Abs. 1 BAO sind Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden, soweit nichts anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

Aufhebungen nach § 299 sind gemäß § 302 Abs. 2 lit. b BAO auch dann zulässig, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist.

Gemäß § 302 Abs. 2 lit. c BAO (idF BGBl I 97/2002) sind Aufhebungen nach § 299, die wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist, auch nach Ablauf dieser Frist zulässig.

Das Recht, eine Abgabe festzusetzen, unterliegt gemäß § 207 Abs. 1 BAO nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt grundsätzlich fünf Jahre (vgl. § 207 Abs. 2 BAO). Werden innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen, so verlängert sich die Verjährungsfrist gemäß § 209 Abs. 1 erster Satz BAO (idF BGBl I 180/2004) um ein Jahr.

Wird ein Antrag auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO wegen Widerspruchs mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit dem Unionsrecht innerhalb der Verjährungsfrist eingebracht, so ist der Antrag bei Verneinung eines Widerspruchs mit den erwähnten Normen nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen (vgl. ).

Im gegenständlichen Fall wurde mit Schriftsatz vom , beim Finanzamt eingelangt am , ein Antrag auf Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2004 gemäß § 299 iVm 302 Abs. 2 lit. c BAO gestellt. Die Einkommensteuerbescheide sind am (für 2002 sowie 2003) und am (für 2004) ergangen. Nach dem Ergehen der Einkommensteuerbescheide 2002 und 2004 sind laut Aktenlage in diesen Veranlagungsjahren keine weiteren nach außen erkennbaren Amtshandlungen gesetzt worden. Betreffend Einkommensteuer 2003 wurde noch im Jahr 2005 ein Vorhalteverfahren betreffend Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung durchgeführt.

Hiezu ist festzuhalten, dass die in § 302 Abs. 1 BAO normierte Aufhebungsfrist von einem Jahr nach Bekanntgabe der Bescheide im Zeitpunkt der Antragstellung bereits jeweils abgelaufen war. Davon abgesehen ist die Antragstellung hinsichtlich aller drei Bescheide innerhalb offener Verjährungsfrist erfolgt.

Strittig ist nun die Frage, ob die gegenüber § 302 Abs. 1 BAO speziellere Norm des § 302 Abs. 2 lit. c BAO, welche für Anträge auf Aufhebungen gemäß § 299 BAO die Jahresfrist auf die Verjährungsfrist ausdehnt, zur Anwendung kommen kann und damit der Antrag auf Aufhebung nach § 299 BAO vom als fristgerecht eingebracht anzusehen ist oder ob dies nicht der Fall ist. Voraussetzung dafür ist, dass die Bescheidaufhebungen nach § 299 BAO wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union zu erfolgen haben.

Im Antrag wird vorgebracht, dass die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Erblasserin im Jahr 2002 neben inländischen Einkünften Verluste in Deutschland erwirtschaftet hat, welche in den Einkommensteuerbescheiden 2002 bis 2004 keine Berücksichtigung gefunden haben.

Nach § 1 Abs. 2 erster Satz EStG 1988 sind unbeschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Nach § 1 Abs. 2 zweiter Satz EStG 1988 erstreckt sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf alle in- und ausländischen Einkünfte.

Gemäß § 2 Abs. 1 EStG 1988 ist der Einkommensteuer das Einkommen zugrunde zu legen, das der Steuerpflichtige innerhalb eines Kalenderjahres bezogen hat.

Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 idF BGBl I 142/2000 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35) sowie der Freibeträge nach den §§ 104 und 105.

Wie das Einkommen zu ermitteln ist, bestimmt sich nach dem Einkommensteuergesetz 1988.

Im gegenständlichen Fall steht außer Streit, dass die Erblasserin unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und daher nach innerstaatlichem Recht mit ihrem Welteinkommen in Österreich steuerpflichtig war. Im Hinblick auf die Einkünfte in Deutschland sind grundsätzlich auch das bzw. die mit Deutschland abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen zu beachten. Ab 2003 hat das DBA-Deutschland BGBl. III 182/2002 gegolten, davor das DBA-Deutschland 221/1955 idF 361/1994, in welchen jeweils zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Betriebsstättengewinnen unbestrittenermaßen die Quellenzuteilungsmethode bzw. Befreiungsmethoden vorgesehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Erkenntnis vom , 99/14/0217, nachstehende Rechtssätze verfasst:

"Bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt werden gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 Verluste aus einzelnen Einkunftsarten idR ausgeglichen. Nur das Einkommen, also die saldierte Größe, wird der Besteuerung unterworfen. Etwas anderes kann aber auch für grenzüberschreitende Sachverhalte unter Berücksichtigung des DBA-Deutschland nicht gelten. Dies ergibt sich aus Art. 1 Abs. 1 DBA-Deutschland. Es liegt nämlich kein Fall einer dort angesprochenen Doppelbesteuerung vor. Durch die Berücksichtigung des in Deutschland erwirtschafteten (nach den Bestimmungen des österreichischen Steuerrechtes ermittelten) Verlustes bei der Ermittlung des (österreichischen) Einkommens, wie dies durch die innerstaatliche Norm des § 2 Abs. 2 EStG 1988 vorgeschrieben wird, wird der Steuerpflichtige nicht iSd Art. 1 Abs. 1 DBA-Deutschland "doppelt zu Steuern herangezogen". Das DBA-Deutschland steht somit einer Berücksichtigung des in Deutschland erwirtschafteten Verlustes bei der Ermittlung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 und damit bei der Berechnung der (österreichischen) Einkommensteuer nicht entgegen. Zum gleichen Ergebnis führt die Überlegung, dass DBA bloß eine Schrankenwirkung insofern entfalten, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Sie führen keineswegs zu einer erweiterten Steuerpflicht ("negative Wirkung" von Doppelbesteuerungsabkommen, vgl. Doralt/Ruppe, Steuerrecht II4, 326; Vogel, DBA3 Einl Rz 46). Ob Steuerpflicht besteht, ist also zunächst stets nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein DBA eingeschränkt wird. Ein DBA vermag also den sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebenden Besteuerungsanspruch einzuschränken, nicht aber einen im innerstaatlichen Steuerrecht gar nicht bestehenden Besteuerungsanspruch zu begründen. Das innerstaatliche Einkommensteuerrecht erfasst im Beschwerdefall nur das um den in Deutschland erwirtschafteten Verlust verminderte Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 als Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer. (Abgehen von E , 83/14/0107, RS 2; E , 85/14/0001, RS 2). "

"Zur Vermeidung einer Wettbewerbsverzerrung und somit um den in Art. 1 Abs. 1 DBA-Deutschland festgelegten Zweck zu entsprechen, muss sichergestellt sein, dass ein in Deutschland erwirtschafteter Verlust nicht doppelt - in einem Jahr im Wohnsitzstaat und in einem anderen Jahr im Betriebsstättenstaat - verwertet wird. Vom Zweck des DBA und der offenkundigen Absicht der Vertragsparteien ist die Schaffung ungerechtfertigter Vorteile für grenzüberschreitende im Vergleich zu rein innerstaatlichen Sachverhalten - insbesondere in Form der mehrfachen Verlustverwertung - nicht gedeckt. Die "einfache" Verlustverwertung kann aus Art 4 DBA-Deutschland abgeleitet werden. Diese Bestimmung räumt dem "anderen" Staat (Betriebsstättenstaat) ein Besteuerungsrecht ein. Entsteht im "anderen" Staat in einem Folgejahr ein Gewinn, so wird im Rahmen der Einkommensbesteuerung in diesem "anderen" Staat der Gewinn nach dessen innerstaatlichem Recht um den Verlustvortrag gekürzt. Dem Begriff der Einkünfte iSd Art 4 DBA-Deutschland ist nun vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 1 leg. cit. die Bedeutung beizumessen, dass die um den Verlustvortrag gekürzte Größe gemeint ist. Der Wohnsitzstaat hat im Rahmen der Ermittlung des Einkommens und damit der Berechnung der Einkommensteuer nur Einkünfte in diesem Sinn gemäß Art. 15 DBA-Deutschland aus dem von ihm zu erfassenden Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 (Welteinkommen) auszuscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof gelangt somit zu dem Ergebnis, dass das DBA-Deutschland einerseits sicherstellt, dass ein in Deutschland erwirtschafteter Verlust im Jahr seines Entstehens im Wohnsitzstaat Österreich im Rahmen der Ermittlung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 und damit bei der Berechnung der (österreichischen) Einkommensteuer berücksichtigt wird, anderseits gewährleistet, dass eine Wettbewerbsverzerrung durch eine doppelte Verlustverwertung unterbleibt (Hinweis Tumpel, SWI 2001, 55 ff). Mit der Verweigerung des Ausgleiches des in Deutschland erwirtschafteten Verlustes bei der Berechnung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 für die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtige Abgabepflichtige hat die Behörde somit die Rechtslage verkannt. Daraus ergibt sich, dass der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhält, die er in den Erkenntnissen vom , 83/14/0107, und vom , 85/14/0001, zum Ausdruck gebracht hat."

Mit dem höchstgerichtlichen Erkenntnis vom wurde die bis dahin bestehende Rechtsprechung zur Frage der Berücksichtigung von Auslandsverlusten im Fall von DBA mit Befreiungsmethode geändert, nämlich Betriebsstättenverluste nur für den Progressionsvorbehalt heranzuziehen (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2011, § 2 Rz 195) .

Mit dem SteuerreformG 2005, BGBl I 57/2004, wurden die darin getroffenen Aussagen zum Anlass genommen, dem § 2 EStG 1988 einen Abs. 8 anzufügen, mit dem vor allem die Nachversteuerung der im Inland verrechneten Auslandsverluste gesetzlich festgelegt wurde. Die Bestimmung des § 2 Abs. 8 EStG 1988 ist ab der Veranlagung für das Jahr 2004 anzuwenden.

Nach der Regelung in § 2 Abs. 8 "sind im Ausland nicht berücksichtigte Verluste bei der Ermittlung des Einkommens anzusetzen". Damit werden der verpflichtende Ausweis der negativen ausländischen Einkünfte und deren Ausgleich ausdrücklich normiert. Ein Wahlrecht zur Verwertung wäre nicht gesetzeskonform. Seit der VwGH-Rechtsprechung des Jahres 2001 sind die Auslandsverluste Teil des Verlustausgleichsregimes nach § 2 Abs. 2 und damit inländischen Verlusten gleichzuhalten. Bei inländischen Verlusten ist kein Wahlrecht für deren Ansatz möglich, weil dies dem System der Einkommensermittlung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zuwiderlaufen würde. Die ausländischen Verluste sind daher ab 2001 anzusetzen. Ein Verzicht des Steuerpflichtigen käme einer Nichterklärung von Einkünften gleich (vgl. Jakom/Laudacher, EStG, 2011, § 2 Rz 199).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich die Berücksichtigung des in Deutschland entstandenen Verlustes bei der Ermittlung des der österreichischen Besteuerung zu unterwerfenden Einkommens bereits aus der originär nationalen Norm des § 2 Abs. 2 EStG 1988 (vgl. dazu Zorn, Verwertung von Auslandsverlusten bei DBA mit Befreiungsmethode, SWI 11/2001, 456). Ausländische Verluste sind im Rahmen der Ermittlung des Welteinkommens eines österreichischen Steuerpflichtigen in Abzug zu bringen, ohne dass es dazu einer speziellen Regelung bedarf.

Laut Antrag wurden die ausländischen Verluste in den Einkommensteuerbescheiden 2002 bis 2004 nicht berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass diese Bescheide nicht den Bestimmungen des § 2 Abs. 2 EStG bzw. § 2 Abs. 8 EStG 1988 entsprechen. Es liegt somit im gegenständlichen Fall ein Verstoß gegen innerstaatliche Normen vor, welche in unionskonformer Weise die Berücksichtigung von ausländischen Verlusten auf Ebene der Bemessungsgrundlage sicherstellen.

Eine Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2004 wäre dementsprechend nach § 302 Abs. 1 iVm Abs. 2 lit. b BAO nur aufgrund eines bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides eingebrachten Antrags zulässig gewesen.

Wie bereits oben ausgeführt, wurde der Antrag außerhalb der in § 302 Abs. 2 lit. b BAO vorgesehenen Jahresfrist gestellt. Die angefochtenen Bescheide entsprechen daher der Rechtslage, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 302 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at