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Beschwerdeentscheidung - Strafsachen (Referent), UFSK vom 21.01.2008, FSRV/0008-K/07

Einleitung des Finanzstrafverfahrens

Entscheidungstext

Beschwerdeentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz hat durch das Mitglied des Finanzstrafsenates 4, Mag. Bernhard Lang, in der Finanzstrafsache gegen A.B., vertreten durch Dr. Teja H. Kapsch, Rechtsanwalt, 8010 Graz, Marburgerkai 47/I, über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen den Bescheid über die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gemäß § 83 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , SN 400/12345, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom hat das Zollamt Klagenfurt Villach als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen die Beschwerdeführerin (Bf.) zur SN 400/12345 ein finanzstrafbehördliches Untersuchungsverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestehe, dass diese anlässlich ihrer Einreise aus der Türkei über den Flughafen Graz am ein Collier im Wert von € 12.000,00, auf welchem Eingangsabgaben in Höhe von € 2.760,00 lasten, vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht und hiemit das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs.1 lit.a FinStrG begangen hat.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Beschuldigten vom , in welcher im Wesentlichen wie folgt vorgebracht wurde:

Die Bf. sei am 28. Feber 2007 von Beamten des Zollamtes Klagenfurt Villach zu Hause aufgesucht worden und erkundigten sich diese nach einem in der Türkei erworbenen Teppich. Im Zuge des Gespräches habe die Bf. den Beamten aus freien Stücken erzählt, dass ihr in der Türkei auch ein Collier um € 12.000,00 angeboten worden sei, welches sie gegen Erlag einer Verfallskaution von € 1.000,00 nach Österreich mitgenommen habe, um es begutachten zu lassen. Eine Schätzung des Schmuckes in Österreich hätte ergeben, dass ihr das Collier zu einem weit überhöhten Preis angeboten worden sei. Die Bf. habe daher vom beabsichtigten Kauf Abstand genommen und das Collier dem Anbieter in die Türkei zurückgestellt. Die entsprechende Anmeldung der Ware im Vormerkverkehr sei nur aus Unwissenheit unterblieben, zudem habe sie das Collier überhaupt nie erworben. Aufgrund der von der Bf. freiwillig getätigten Angaben liege eine Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG vor, weshalb der angefochtene Bescheid aufzuheben und das eingeleitete Finanzstrafverfahren zur Einstellung zu bringen sei.

Zur Entscheidung wurde erwogen:

Gemäß § 82 Abs.1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz alle von ihr selbst wahrgenommenen oder sonst zu ihrer Kenntnis gelangten Finanzvergehen darauf zu prüfen, ob genügend Verdachtsgründe für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben sind.

Ergibt die Prüfung, dass die Durchführung des Finanzstrafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat sie gemäß § 82 Abs.3 FinStrG das Finanzstrafverfahren einzuleiten.

Von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens darf sie nur in jenen Fällen absehen, in denen die Tat nicht erwiesen werden kann, wenn die Tat überhaupt kein Finanzvergehen bilden könnte, wenn der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen haben kann, oder Umstände vorliegen, welche die Tat rechtfertigen, die Schuld des Täters ausschließen oder aufheben, oder wenn Umstände vorliegen, die eine Verfolgung des Täters hindern könnten.

Für die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens genügt es nach ständiger Rechtssprechung des VwGH, wenn gegen den Verdächtigen genügende Verdachtsgründe vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er als Täter eines Finanzvergehens in Frage kommt. Der Verdacht muss sich dabei sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken (vgl. ). Ein Verdacht kann immer nur aufgrund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Ohne Tatsachen - wie weit sie auch vom vermuteten eigentlichen Tatgeschehen entfernt sein mögen - gibt es keinen Verdacht. Ein derartiger Verdacht, der die Finanzstrafbehörde I. Instanz verpflichtet, entsteht auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann (vgl. das Erkenntnis des Zl. 90/14/0260).

Hinsichtlich der Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist nicht zu prüfen, ob ein Finanzstrafvergehen wirklich bewiesen ist. Die endgültige Beantwortung der Frage, ob der Beschuldigte das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen habe, bleibt dem Ergebnis des nachfolgenden Untersuchungsverfahren vorbehalten, an dessen Ende die Einstellung oder ein Schuldspruch (Verwarnung, Strafverfügung, Erkenntnis) zu stehen haben wird (vgl. Zl. 93/14/0020, 0060, 0061). Bei der Einleitung des Finanzstrafverfahrens geht es nicht darum die Ergebnisse des förmlichen Finanzstrafverfahrens vorweg zu nehmen, sondern lediglich darum, ob die der Finanzstrafbehörde zugekommenen Informationen für einen Verdacht ausreichen. Ob der Verdächtige das ihm zur Last gelegte Finanzvergehen tatsächlich begangen hat, ist jedenfalls dem Untersuchungsverfahren nach §§ 115 ff. FinStrG vorbehalten (Vgl. ).

Gemäß § 35 Abs.1 lit.a FinStrG macht sich des Schmuggels schuldig, wer eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet oder aus einer Freizone oder einem Freilager in einen anderen Teil des Zollgebietes verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht.

Dem angefochtenen Bescheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Anlässlich eines Türkeiurlaubes im März 2005 erwarb die Bf. ein Collier mit Smaragden. Als Kaufpreis wurde der Betrag von € 12.000,00 vereinbart, mittels "Master-Card" erfolgte eine Anzahlung von € 1.000,00. Bereits vor der Einreise nach Österreich fasste die Bf. den Entschluss, das Collier an die Verkäuferfirma zurückzugeben. Aus diesem Grund und um sich Schwierigkeiten zu ersparen, benutzte die Bf. am Flughafen Graz den Grünkanal ohne eine Zollanmeldung abzugeben. In Österreich kontaktierte die Bf. die Konsumenteninformation, wo ihr geraten wurde, das Collier in die Türkei zurückzubringen und der Verkäuferfirma zu übergeben. In der Folge flog die Bf. neuerlich in die Türkei und rückerstattete das Collier, wobei sie die entrichtete Anzahlung nicht mehr zurückerhielt.

Diese von der Bf. in der Niederschrift vom 28. Feber 2007 getätigten Angaben werden in der Beschwerdeschrift dadurch geändert, als die Bf. nunmehr erklärt, das Collier nur zu Ansichtszwecken nach Österreich mitgenommen zu haben, ein Kaufgeschäft sei niemals zustande gekommen. Die entrichteten € 1.000,00 seien keine Anzahlung, sondern eine Verfallskaution gewesen. Da sich der in Aussicht gestellte Kaufpreis in Österreich als weit überhöht herausgestellt habe, habe sie vom beabsichtigten Kauf Abstand genommen.

Mit Bescheid des Zollamtes Klagenfurt Villach vom , Zl. 400000/123456789, wurden der Bf. für das Collier gemäß Art. 202 Abs.1 Buchstabe a und Abs.3 erster Anstrich Zollkodex (ZK) i.V.m. Art. 234 Abs.2 Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) und § 2 Abs.1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) die Eingangsabgaben in Höhe von € 2.760,00 (Zoll: € 300,00; EUSt: € 2.460,00) zuzüglich einer Abgabenerhöhung gemäß § 108 Abs.1 ZollR-DG in Höhe von € 282,02 zur Entrichtung vorgeschrieben. Diese Abgabenvorschreibung wurde von der Bf. mit der Begründung bekämpft, als Bemessungsgrundlage für die Abgabenberechnung könne nur der Maximalwert für das Collier von € 5.000,00 herangezogen werden.

Der objektive Tatbestand des § 35 Abs.1 lit.a FinStrG ist - abgesehen von der Höhe des Verkürzungsbetrages - unbestritten. Es wird allerdings im fortgesetzten Verfahren zu klären sein, ob eine Kontrolle beinahe zwei Jahre nach dem Zeitpunkt der Zollschuldentstehung tatsächlich die Voraussetzungen des Art. 234 Abs.2 ZK erfüllt oder ob die Ware nicht doch der zollamtlichen Überwachung entzogen wurde.

Die subjektiven Verdachtsmomente sind dadurch begründet, dass die Bf. in der Niederschrift vom 28. Feber 2007 erklärte, das Collier anlässlich der Einreise dem Zollamt Graz nicht erklärt zu haben, um sich Schwierigkeiten zu ersparen, da sie die Absicht hatte, das Collier an die Firma zurückzugeben.

Das Vorbringen der Beschuldigten, es sei überhaupt noch kein Kauf erfolgt, der angebotene Kaufpreis sei weit überhöht gewesen und die Nichtabgabe einer Zollanmeldung sei auf Unwissenheit zurückzuführen, stellt sich inhaltlich als Beschuldigtenrechtfertigung dar, die im nachfolgenden Untersuchungsverfahren nach den §§ 115 ff. FinStrG zu prüfen und würdigen sein wird.

Zum Einwand, es liege eine strafbefreiende Selbstanzeige im Sinne des § 29 FinStrG vor, ist zu bemerken:

Gemäß § 29 Abs.1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzstrafbehörde darlegt (Selbstanzeige).

Gemäß Abs.2 leg. cit. tritt, wenn mit der Verfehlung eine Abgabenverkürzung oder ein sonstiger Einnahmenausfall verbunden war, die Straffreiheit nur insoweit ein, als der Behörde ohne Verzug die für die Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände offen gelegt und die sich daraus ergebenden Beträge, die der Anzeiger schuldet oder für die er zur Haftung herangezogen werden kann, den Abgaben- oder Monopolvorschriften entsprechend entrichtet werden.

Gemäß Abs.3 leg. cit. tritt Straffreiheit nicht ein,

a. wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen (§ 14 Abs.3) gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren,

b. wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung einer Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war, oder

c. wenn bei einem vorsätzlich begangenen Finanzvergehen die Selbstanzeige anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nicht schon bei Beginn der Amtshandlung erstattet wird.

Die Selbstanzeige ist ein besonderer Strafaufhebungsgrund, sie hebt den bereits entstandenen Strafanspruch des Staates wieder auf. Werden nicht sämtliche vom Gesetz für die Straffreiheit vorgesehenen Bedingungen erfüllt, so kann die Selbstanzeige keine Straffreiheit, sondern nur allenfalls Strafmilderung bewirken.

Eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, hindert nicht die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens (Vgl. ; , 93/15/0098; , 93/15/0155; , 90/14/0046; , 95/16/0065; , 96/16/0234; , 98/16/0142; , 2000/13/0207).

Im gegenständlichen Fall ist nicht nur die Frage offen, ob das Kaufgeschäft bereits in der Türkei perfekt wurde oder ob allenfalls eine Überlassung der Ware zur Ansicht erfolgte. Es wurde auch der Zollwert in der Berufung gegen den Abgabenbescheid bekämpft und anstelle des Kaufpreises laut der Niederschrift vom 28. Feber 2007 in Höhe von € 12.000,00 ein Schätzwert in Höhe von € 5.000,00 begehrt. Es ist daher fraglich, ob die für Feststellung der Verkürzung oder des Ausfalls bedeutsamen Umstände ohne Verzug offen gelegt wurden. Die Offenlegung im Sinne des § 29 Abs.2 FinStrG, die zur Darstellung der Verfehlung hinzuzutreten hat, liegt nämlich nur insoweit vor, als dadurch der Behörde die Grundlage für eine sofortige richtige Entscheidung über den verkürzten Abgabenanspruch geliefert wird (Fellner, FinStrG Kommentar § 29 Rz. 11a).

Zudem lässt sich die Frage, ob die "Selbstanzeige" überhaupt rechtzeitig erfolgt ist, aus dem Akteninhalt nicht klären. Dem vorliegenden Akt ist lediglich ein Aktenvermerk vom 28. Feber 2007 zu entnehmen, wonach in Erfahrung gebracht werden konnte, dass die Bf. in ihrem Türkeiurlaub im Jahre 2005 Schmuck im Wert von einigen Tausend Euro gekauft haben soll und der Verdacht bestehe, dass dieser nicht verzollt wurde. Da dieser Aktenvermerk vom selben Tag datiert wie die Niederschrift mit der Bf., kann vom Unabhängigen Finanzsenat nicht ohne weitere Erhebungen festgestellt werden, ob die Finanzstrafbehörde bereits vor der Einvernahme am 28. Feber 2007 Kenntnis von der Einbringung des Colliers aus der Türkei hatte. Im Untersuchungsverfahren wird zu klären sein, aus welchem Grund die Beamten der Finanzstrafbehörde erster Instanz die Bf. aufgesucht haben. Sollte dies - wie von der Bf. behauptet - nur wegen des eingeführten Teppichs und nicht wegen des Colliers der Grund gewesen sein, würde zumindest ein Milderungsgrund vorliegen.

Durch den vorliegenden Sachverhalt und aufgrund der Aktenlage sind jedenfalls Tatsachen gegeben, aus denen auf ein Finanzvergehen geschlossen werden kann, sodass weitere Erhebungen erforderlich sind. Da der von der Finanzstrafbehörde erster Instanz festgestellte Sachverhalt unter Berücksichtigung der durchgeführten Erhebungen und der vorliegenden Aktenlage für den Verdacht ausreicht, die Bf. könne das ihr zur Last gelegte Finanzvergehen begangen haben, war der Bf. bescheidmäßig zur Kenntnis zu bringen, dass ein Tatverdacht gegen sie vorliegt. Die endgültige Beantwortung der Frage, ob die Bf. das ihr zur Last gelegte Finanzvergehen zu verantworten habe, und ob allenfalls ein Strafaufhebungsgrund vorliegt, bleibt ausschließlich dem nachfolgenden Untersuchungsverfahren vorbehalten (vgl. die Erkenntnisse des Zl. 92/15/0140; vom , Zl. 92/13/0275, u.a.).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Klagenfurt, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Schlagworte
Einleitung des Strafverfahrens
Verdacht
Selbstanzeige

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at