Keine Aussetzung der Einhebung bei einem bereits im Festsetzungsverfahren auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichteten Verhalten des Abgabepflichtigen.
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Miterledigte GZ: |
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RV/1011-L/11 |
Entscheidungstext
Berufungsentscheidung
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung vom
betreffend die Firma D-GmbH, über deren Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichtes Passau vom (Az. 000) das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwältin RA, zur Insolvenzverwalterin bestellt wurde,
eingebracht von der Stb, als damaliger steuerlicher Vertreterin der Gesellschaft,
gegen die Bescheide des Finanzamtes Linz vom betreffend
1) Aufhebung des Bescheides vom über die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 299 der Bundesabgabenordnung (BAO) und
2) Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung der Körperschaftsteuer 2007 und der Umsatzsteuer 2007 gemäß § 212a BAO entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Firma D GmbH (im Folgenden bezeichnet als Berufungswerberin) mit Sitz zuletzt in Passau (Amtsgericht Passau HRB 0000, vorher Amtsgericht München HRB 00000) unterhielt in Österreich (Schärding) eine Zweigniederlassung, welche im österreichischen Firmenbuch zu FN protokolliert ist und beim Finanzamt Linz zur StNr geführt wird.
Liegt der Sitz einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Ausland, so ist die Gesellschaft gemäß § 107 Abs. 1 österreichisches GmbH-Gesetz durch die Geschäftsführer zur Eintragung in das Firmenbuch anzumelden, wenn sie eine inländische Zweigniederlassung hat. Gegenstand dieser Firmenbucheintragung ist dabei der ausländische Rechtsträger selbst. Verträge kommen mit der ausländischen GmbH zustande, weil die Zweigniederlassung selbst weder rechts- noch parteifähig ist. Wenn die ausländische Gesellschaft selbst aufgelöst wird, kommt es zwangsläufig auch zur Auflösung und Liquidation der inländischen Zweigniederlassung (Kalss/Nowotny/Schauer, Österreichisches Gesellschaftsrecht, Rz 4/113 und 4/116). Durch die Eintragung der ausländischen Gesellschaft im Inland wird folglich kein neuer inländischer Rechtsträger geschaffen. Zur Beurteilung der Rechtsnatur der Zweigniederlassung ist inländisches Recht maßgeblich, womit der Niederlassung eine eigenständige Rechtsfähigkeit selbst dann abzusprechen wäre, wenn ihr das ausländische Gesellschaftsstatut eine solche zubilligen würde (Straube, GmbHG, § 107 Rz 61). Die inländische Zweigniederlassung der Berufungswerberin besaß daher nie eigene Rechtspersönlichkeit, Rechtsträger war immer die Gesellschaft (Berufungswerberin) selbst.
In einem Telefax vom betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2006 teilte die Berufungswerberin dem Finanzamt unter anderem mit, dass die Zweigniederlassung in Schärding "seit Ende 2007 nicht mehr aktiv" sei und sich der "alleinige Sitz" der Gesellschaft in Passau befinde.
Da trotz wiederholter Erinnerungen, gewährter Fristverlängerungen und Androhung einer Zwangsstrafe (auch) für das Jahr 2007 weder die Umsatzsteuererklärung noch die Körperschaftsteuererklärung eingereicht wurde, setzte das Finanzamt mit Bescheid vom die Körperschaftsteuer 2007 und mit Bescheid vom die Umsatzsteuer 2007 jeweils unter Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO fest.
Die Zustellung dieser Bescheide wurde mit Internationalem Rückschein an den Sitz der Berufungswerberin in Passau veranlasst. In einem solchen Fall richten sich die Voraussetzungen und die Wirksamkeit des Zustellvorganges nach dem am Zustellort anzuwendenden Recht (vgl. Ritz, BAO4, § 11 ZustellG, Tz 3 mit Judikaturnachweisen), im gegenständlichen Fall daher nach deutschem Recht. Die Übernahme der Sendung wurde laut Vermerk des deutschen Zustellers auf dem Briefkuvert verweigert. Die Sendung wurde entgegen der hier gemäß § 3 Abs. 2 des deutschen Verwaltungszustellungsgesetzes entsprechend anzuwendenden Bestimmung des § 179 der deutschen ZPO (Zustellung bei verweigerter Annahme) nicht an der Abgabestelle (Wohnung oder Geschäftsraum) zurückgelassen, womit das Schriftstück gemäß § 179 letzter Satz ZPO als zugestellt gegolten hätte, sondern unrichtigerweise an das Finanzamt Linz (mit dem Vermerk: Annahme verweigert) retourniert. Dieser Zustellvorgang entfaltete daher keine Rechtswirkungen.
Aus diesem Grund veranlasste das Finanzamt Linz neuerlich eine Zustellung der Bescheide, und zwar im Rechtshilfeverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland (Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom ). Das dabei um Rechtshilfe ersuchte Finanzamt Passau teilte dem Finanzamt Linz am mit, dass ein (weiterer) Zustellversuch per Einschreiben erfolglos geblieben wäre, da die Annahme der Sendung (wieder) verweigert worden sei. Die Zustellung sei daher gemäß § 10 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz (Öffentliche Zustellung) vorgenommen worden. Die Sendung gelte mit als zugestellt.
Am , somit innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist des § 245 BAO, langten beim Finanzamt Umsatz- und Körperschaftsteuererklärung für 2007 ein. Das Finanzamt wertete diese als Berufung gegen die am zugestellten Abgabenbescheide, und leitete ein umfangreiches Ermittlungsverfahren zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen ein.
Im Zuge dessen wurde die Berufungswerberin unter anderem schriftlich mit Erinnerung vom aufgefordert, die Zusammenfassenden Meldungen gemäß Art. 21 UStG betreffend die Innergemeinschaftlichen Lieferungen für die Monate Jänner bis Dezember 2007 vollständig und ordnungsgemäß einzureichen. Diese Sendung wurde von der deutschen Post wieder mit dem Vermerk "Annahme verweigert" an das Finanzamt retourniert.
In einem Telefax vom führte die Berufungswerberin aus, dass ihr die Abgabe der Zusammenfassenden Meldungen bisher wegen Fehlens entsprechender Formulare nicht möglich gewesen sei.
Das Finanzamt erläuterte daraufhin sowohl in einer E-Mail vom als auch in einem an die Berufungswerberin wieder mit Internationalem Rückschein übermittelten inhaltsgleichen Schreiben vom eingehend die Rechtslage betreffend die angeforderten Zusammenfassenden Meldungen. Auch diese Sendung wurde von der deutschen Post mit dem Vermerk "Annahme verweigert" an das Finanzamt Linz zurückgeschickt.
Mit Berufungsvorentscheidungen gemäß § 276 BAO vom wurde den Berufungen betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2007 mit eingehender Begründung nur teilweise stattgegeben. Die Zustellung dieser Bescheide erfolgte im Rechtshilfeverkehr durch das Finanzamt Passau und konnte am bewirkt werden.
Mit Eingabe vom wurde vom damaligen steuerlichen Vertreter die Entscheidung über die Berufung gegen den Umsatz- und den Körperschaftsteuerbescheid 2007 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt (Vorlageantrag).
Mit Eingabe vom wurde die Aussetzung der Einhebung der Umsatz- und Körperschaftsteuer 2007 gemäß § 212a BAO bis zur Erledigung des Vorlageantrages beantragt. Ein Verhalten der Berufungswerberin, welches auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet sei, könne verneint werden, da laut beigelegter Aufstellung ein positives Eigenkapital vorliege und auf eine gute Geschäftsentwicklung in Deutschland verwiesen werden könne.
Das Finanzamt bewilligte zunächst mit Bescheid vom antragsgemäß die begehrte Aussetzung der Einhebung in Höhe von 6.598,38 € (KÖSt) und 209.632,00 € (USt).
Mit Bescheid vom wurde dieser Bewilligungsbescheid allerdings wieder gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufgehoben, da die Voraussetzungen des § 212a BAO nicht vorlägen und sich daher der Spruch des Bewilligungsbescheides als nicht richtig erweise. Da die inhaltliche Rechtswidrigkeit eine nicht bloß geringfügige Auswirkung habe, sei die Bescheidaufhebung von Amts wegen zu verfügen gewesen. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen gewesen. Die inhaltliche Unrichtigkeit des aufgehobenen Bescheides liege darin, dass ein auf Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten der Berufungswerberin vorliege, welches der Aussetzung der Einhebung entgegenstehe. Die Berufungswerberin habe die Annahme von Schriftstücken verweigert, auf erhaltene Schriftstücke nicht oder nur sporadisch und dann unzureichend reagiert, und nachweislich zugestellte Schriftstücke angeblich nicht erhalten. Eine Zusammenarbeit mit der Finanzverwaltung finde nicht statt, Daten würden nur unzureichend und unvollständig offen gelegt, Fristen würden nicht eingehalten. Zusätzlich sei die Niederlassung in Österreich bereits geschlossen und die Berufungswerberin nur mehr in Deutschland erreichbar. Auf die Begründung im Bescheid vom über die Abweisung eines Aussetzungsantrages (siehe sogleich unten) werde verwiesen. Bedeutsam sei nicht nur ein im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag stehendes Gefährdungsverhalten, sondern auch ein zeitlich davor liegendes Verhalten.
Im gleichzeitig mit dem Aufhebungsbescheid erlassenen weiteren Bescheid vom über die Abweisung des Aussetzungsantrages vom führte das Finanzamt ergänzend noch aus, dass die Steuererklärungen erst nach mehrfacher Aufforderung abgegeben worden seien und die Buchhaltung trotz Aufforderung nicht vor- bzw. offengelegt worden sei; es wären nur einzelne Belege übermittelt worden. Es seien Fristen nicht eingehalten und laufende Abgaben nicht entrichtet worden. Die Berufung gegen die Abgabenbescheide sei auch wenig erfolgversprechend, da im Zuge der internationalen Amtshilfeverfahren festgestellt worden sei, dass die Beträge beim angeblichen Geschäftspartner der Berufungswerberin nicht versteuert worden bzw. die Geschäfte in dessen Unterlagen nicht nachvollziehbar wären. Zusätzlich entsprächen die Liefernachweise nicht den formalen Voraussetzungen.
Diese Bescheide vom wurden eingeschrieben und mit Internationalem Rückschein zugestellt. Es erfolgte eine Ersatzzustellung durch Niederlegung (§ 3 Abs. 2 Verwaltungszustellungsgesetz iVm § 181 deutsche ZPO). Als Datum der Zustellung wurde vom Zusteller am Umschlag des zuzustellenden Schriftstückes der vermerkt. Die Sendung wurde in weiterer Folge von der Berufungswerberin jedoch nicht behoben und an das Finanzamt Linz mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" retourniert.
Am wurden die Bescheide dem steuerlichen Vertreter vom Finanzamt mittels E-Mail zur Kenntnis gebracht.
Dieser brachte daraufhin mit Schriftsatz vom eine Berufung gegen diese Bescheide ein und stellte den Antrag, die ursprüngliche Bewilligung der Aussetzung der Einhebung wieder aufleben zu lassen. In der Berufungsbegründung wurde ausgeführt:
"Die Behörde verweist in ihrer Begründung unter anderem auf ein die Einbringlichkeit der Abgabenschuldigkeiten gefährdendes Verhalten des Abgabepflichtigen. Es wird unter anderem erwähnt, dass der Abgabepflichtige schon in der Vergangenheit nicht mit der Finanzbehörde "zusammenarbeiten" wollte und auch schon früher nur spärlich oder wenn überhaupt verspätet Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden.
Außerdem stößt sich die Finanzbehörde daran, dass es immer wieder vorkam, dass Schriftstücke "angeblich" nicht erhalten bzw. angenommen wurden. Da aber wahrscheinlich schon so ziemlich jeder Betrieb oder auch private Personen es in ihrer "Laufbahn" erlebt haben, dass Postsendungen falsch oder gar nicht zugestellt wurden, ist unserer Meinung nach von einer Angeblichkeit nicht zu reden.
Um der Finanzverwaltung aber diesbezüglich entgegen zu kommen, haben wir mit die Zustellvollmacht für den gesamten Schriftverkehr zwischen der Finanzbehörde und unserer im Betreff genannten Klientin beantragt. Dies soll auch ein Zeichen dafür sein, dass die Klientin sehr wohl gewillt und in der Lage ist, geforderte Schriftstücke vorzulegen.
Was die Erfolgsaussichten betrifft, verweisen wir auf unsere Begründung im Vorlageantrag vom , worin sehr umfangreich zum Ausdruck gebracht wurde, dass unserer Meinung nach die beeinspruchten Bescheide nicht zu akzeptieren waren. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten wird dem UFS überlassen."
Am legte die steuerliche Vertreterin die Vertretung der Berufungswerberin gegenüber der Finanzverwaltung durch entsprechende Änderung der Daten im FinanzOnline Verfahren zurück.
Mit Beschluss des Amtsgerichtes Passau vom , Az. 000, wurde über das Vermögen der Berufungswerberin das Hauptinsolvenzverfahren eröffnet und RÄ zur Insolvenzverwalterin bestellt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.
Die Aussetzung der Einhebung ist gemäß § 212a Abs. 2 BAO nicht zu bewilligen, insoweit die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint (lit. a), oder insoweit mit der Berufung ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht (lit. b), oder wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist (lit. c).
Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Berufung gestellt werden (§ 212a Abs. 3 BAO).
Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist (§ 299 Abs. 1 BAO).
Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden. Dies gilt nur, wenn dieselbe Abgabenbehörde zur Erlassung beider Bescheide zuständig ist (§ 299 Abs. 2 BAO).
Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat (§ 299 Abs. 3 BAO).
Nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO macht die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig. Erst ein bestimmtes, auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen schließt die Bewilligung der Aussetzung aus. Weder aus dem Wortlaut der genannten Gesetzesstelle noch aus ihrem Zweck lässt sich aber ableiten, dass die Behörde in diesem Zusammenhang nur ein Verhalten des Abgabepflichtigen berücksichtigen darf, das in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag steht. Die Behörde hat vielmehr auch zeitlich davor liegendes Verhalten zu berücksichtigen. Entscheidend ist allein, dass das Verhalten den Schluss zulässt, der Abgabepflichtige gefährde damit die Einbringlichkeit der Abgaben. Daraus folgt, dass auch Gefährdungsverhalten des Abgabepflichtigen als Ausschließungsgrund iSd § 212a Abs. 2 lit. c BAO in Betracht kommt, das etwa im zeitlichen Zusammenhang mit einer der Abgabenfestsetzung durch das Finanzamt vorausgegangenen abgabenbehördlichen Prüfung gesetzt wurde ().
Ein solches Gefährdungsverhalten liegt darüber hinaus nicht nur dann vor, wenn es unmittelbar auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit bereits festgesetzter Abgaben gerichtet ist, wie dies etwa dann der Fall ist, wenn Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers durch Übertragung an Dritte entzogen wird (vgl. dazu die bei Ritz, a.a.O. angeführten Beispiele), sondern auch dann, wenn es mittelbar auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtet ist. Dies ist beispielsweise und vor allem dann der Fall, wenn der Abgabepflichtige durch sein Verhalten schon in dem der Abgabeneinhebung vorgelagerten Festsetzungsverfahren die Ermittlung der Abgabenschuld erschwert, behindert, verzögert oder ganz zu verhindern sucht, und damit auch die an die Festsetzung der Abgaben anschließende Einhebung der Abgabenschuld möglichst lange hinauszögert, erschwert oder behindert, kurzum gefährdet. Entscheidend ist auch dabei die objektive Gefährdungseignung, die mit dem Verhalten verbunden ist, nicht die Motivation des Abgabepflichtigen.
Im gegenständlichen Fall war das Verhalten der Berufungswerberin auf eine größtmögliche Erschwerung und Behinderung des Festsetzungsverfahrens gerichtet. Trotz wiederholter Erinnerungen und gewährter Fristerstreckungen wurden keine Steuererklärungen (unter anderem betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2007) eingereicht, sodass die Besteuerungsgrundlagen zunächst im Schätzungsweg ermittelt werden mussten. Die Verweigerung der Annahme behördlicher Schriftstücke stellte keinen Ausnahmefall sondern die Regel dar; die im Einzelnen wegen verweigerter Annahme an das Finanzamt retournierten Sendungen und der damit verbundene erhöhte Verwaltungsaufwand wurde oben dargestellt. Das Festsetzungsverfahren wurde dadurch ganz erheblich verzögert, womit gleichzeitig eine massive Hinauszögerung des Einhebungsverfahrens verbunden war.
Auch das vom Finanzamt nach Einlangen der Steuererklärungen durchgeführte umfangreiche Ermittlungsverfahren war von einem allein auf Verzögerung der Festsetzung gerichteten Verhalten der Berufungswerberin gekennzeichnet. Die Feststellung des Finanzamtes, dass die Berufungswerberin auf zugestellte Schriftstücke nur sporadisch reagiert habe und die Buchhaltung trotz Aufforderung nicht vor- bzw. offengelegt wurde, blieb ebenso unbestritten wie die Feststellung, dass Fristen nicht eingehalten und laufende Abgaben nicht entrichtet worden wären.
Bei dieser Sachlage war die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a Abs. 2 lit. c BAO nicht zulässig. Der Spruch des Bewilligungsbescheides vom erwies sich daher als nicht richtig im Sinne des § 299 BAO, weshalb die Aufhebung des Bewilligungsbescheides zulässig und geboten war. Die Aufhebung nach dieser Gesetzesbestimmung liegt im Ermessen der Abgabenbehörde. Dabei kommt dem Prinzip der Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) zu (Ritz, BAO4, § 299 Tz 54 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Aufhebung wäre nur dann zu unterlassen, wenn die Rechtswidrigkeit bloß geringfügig wäre bzw. wenn sie keine wesentlichen Folgen nach sich gezogen hätte (Ritz, BAO4, § 299 Tz 55 mit Judikaturnachweisen), was gegenständliche jedoch nicht der Fall ist. Im Übrigen wurden von der Berufungswerberin keine (Billigkeits-)Gründe vorgebracht, welche gegen die auf eine Vornahme der Aufhebung gerichtete Ermessensübung sprechen würden.
Schließlich wird noch bemerkt, dass im Hinblick auf das am eröffnete Insolvenzverfahren die Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung nicht mehr in Betracht käme. Der Unabhängige Finanzsenat hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Einhebung einer Abgabe nur dann ausgesetzt werden kann, wenn Einhebungsschritte in Betracht kommen, was nach Insolvenzeröffnung aufgrund der damit verbundenen Exekutionssperre (§ 10 österreichische Insolvenzordnung) jedoch nicht (mehr) der Fall ist (z.B. mit eingehender Begründung und Hinweis auf -G/04 und -G/04). Auch § 89 deutsche Insolvenzordnung normiert ein Vollstreckungsverbot; demnach sind Zwangsvollstreckungen für einzelne Insolvenzgläubiger während der Dauer des Insolvenzverfahrens weder in die Insolvenzmasse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 10 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914 § 107 GmbHG, GmbH-Gesetz, RGBl. Nr. 58/1906 § 11 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 |
Verweise | -G/04 -G/04 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at