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Berufungsentscheidung - Steuer (Referent), UFSI vom 14.09.2010, RV/0482-I/10

1. Vorliegen von Aus-/Fortbildungskosten bei einem Massagekurs 2. Rechtzeitigkeit von FinanzOnline-Anträgen auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat und Durchführung einer mündlichen Verhandlung 3. Rechtmäßigkeit von institutionalisierten Nachbescheidkontrollen

Entscheidungstext

Berufungsentscheidung

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes A vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2008 entschieden:

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen. Sie bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruchs.

Entscheidungsgründe

Die Berufungswerberin (kurz: Bw.) wandte in ihrer Berufung gegen den - nach Aufhebung eines früheren Einkommensteuerbescheids gemäß § 299 BAO - ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 (mit Ausfertigungsdatum ) ein, es sei ihr nicht klar, welche Kosten warum nicht anerkannt würden.

Mit Schreiben des Finanzamtes vom wurde die Bw. ersucht, eine Stellungnahme zu der Frage nachzureichen, in welchem beruflichen Zusammenhang die geltend gemachten "Aus-/Fortbildungskosten" stünden. Die Bw. gab, vertreten durch eine berufsmäßige Parteienvertreterin, eine Stellungnahme ab (Schreiben vom ).

In der (teilweise stattgebenden) Berufungsvorentscheidung vom wurden die geltend gemachten "Aus-/Fortbildungskoten" nicht anerkannt. Begründend wurde ausgeführt:

"Fortbildungskosten dienen dazu, im jeweils ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben, um den Anforderungen gerecht zu werden. Ausbildungskosten sind Aufwendungen zur Erlangung von Kenntnissen, die eine Berufsausübung ermöglichen. Das Absolvieren eines Massagekurses ist weder dafür erforderlich, den Anforderungen der ausgeübten Tätigkeit gerecht zu werden, noch dafür, die Ausübung der Tätigkeit zu ermöglichen"

Mit Eingabe vom wurde der Antrag gestellt, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen. Mit einem "Sonstigen Anbringen", das im Verfahren FinanzOnline rund fünf Minuten später eingebracht wurde, wurde "ergänzend zum soeben gestellten Vorlageantrag der Antrag gestellt, dass über die Berufung durch den gesamten Berufungssenat entschieden und eine mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt wird."

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Gemäß § 282 Abs. 1 Z 1 BAO obliegt die Entscheidung über Berufungen namens des Berufungssenates dem Referenten, außer es wird "in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1)" die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat beantragt. Gemäß § 284 Abs. 1 Z 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, "wenn es in der Berufung (§ 250), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1) beantragt wird".

2.) Anträge, die erst in einem den Vorlageantrag ergänzenden Schreiben gestellt werden, begründen nach ständiger Rechtsprechung des VwGH keinen Anspruch auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat bzw. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Dies gilt auch dann, wenn das Schreiben innerhalb der Berufungsfrist eingebracht wird; weiters dann, wenn der Antrag bzw. die Anträge auf dem dafür vorgesehenen elektronischen Weg, dh. im Verfahren FinanzOnline, eingebracht werden. Der Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgte auch im vorliegenden Fall nicht im "Vorlageantrag", sondern in einem ergänzenden "Sonstigen Anbringen". Die Bw. hatte daher keinen Anspruch auf Entscheidung über ihre Berufung in der beantragten Form.

3.) Werbungskosten iSd § 16 EStG 1988 sind auch "Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit sowie Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen" (Abs. 1 Z 10).

4.) Die Bw. ist Kinderkrankenschwester, was dem Finanzamt auf Grund der eingereichten elektronischen Erklärung bekannt gewesen ist. Offenbar über Ersuchen vom hat sie eine Bestätigung über die Stundenanzahl und den Preis des Lehrgangs "Klassische Massage" mit einer Gesamtstundenanzahl von 165 Unterrichtseinheiten vorgelegt, aus der hervorging, dass in einem Umfang von 65 Stunden Theorie (mit den Fächern Anatomie, Physiologie, Pathologie, Histologie, Hygiene, Erste Hilfe, Grundlagen der Kommunikation und patientenorientierte Psychologie, Persönlichkeitsentwicklung, ethische Grundlagen und Recht) unterrichtet werden und eine Praxis von 100 Stunden vorgesehen ist. Die Kurszeiten teilen sich der Bestätigung zufolge fast immer auf ca. ein Jahr auf. Einmal im Quartal legen die Teilnehmer einen schriftlichen Test ab, der über den aktuellen Wissensstand Auskunft gibt. Am Ende des Lehrgangs wird unter Beisitz eines Mediziners eine Prüfung abgehalten, die einen praktischen und einen theoretischen (schriftlichen und mündlichen) Teil zum Inhalt hat.

Im Schreiben vom teilte die steuerliche Vertreterin der Bw. ergänzend Folgendes mit:

"Frau B ist Intensivschwester auf der Kinderintensivstation der C. Diese Tätigkeit erstreckt sich auch auf die Betreuung von Langzeitintensivpatienten. Um Kinder, die mehrere Wochen bettlägrig sind, besser betreuen zu können, hat Frau B 2008 eine Massageausbildung begonnen. Es handelt sich also um eine Verbesserung der Kenntnisse ihres derzeitigen Berufes und damit um Fortbildungskosten.

Nachdem diese Ausbildung vom Umfang weit über einen "Hobby-Kurs" hinausgeht und auch von der Wirtschaftskammer anerkannt wird, könnte sich Frau B darüber hinaus langfristig, nach Abschluss des Lehrganges, auch eine Umschulung in diesen Bereich (wie zB Hauskrankenpflege, in der beide Berufsbilder vereint werden) vorstellen."

5.) Die Bw. wandte in ihrem Vorlageantrag ein, dass sie diesen Kurs zusammen mit einer Arbeitskollegin besucht habe, deren Werbungskosten anerkannt worden seien. Sie arbeite seit heuer auch noch in der mobilen Kinder-Hauskrankenpflege.

Weiters wurde vorgebracht:

"Auf der Kinderintensivstation werden auch Kinder betreut, die über mehrere Wochen dort bleiben müssen. Viele sind bereits vorher schwer krank und schwach. Bei diesen Patienten werden Massagen zum Lösen von Verspannungen aufgrund des langen Liegens durchgeführt. Weiters können durch die Massagen (besonders der Beine) die Muskeln gestärkt werden, um so die Mobilisierung wieder zu forcieren. Durch eine Bauchmassage bzw. über die Fussreflexzonen kann die durch das lange Liegen deutlich verminderte Darmmotorik wieder angeregt werden. Babymassage gehört zum Standard bei der Versorgung von Säuglingen, insbesondere von sog. Schreibabys. Darüber hinaus lösen die Massagen Muskelverspannungen bei spastischen Lähmungen.

Sowohl bei ihrer Tätigkeit als Krankenschwester als auch für ihre Tätigkeit in der mobilen Hauskrankenpflege benötigt Frau B die 2008 und 2009 (Fortsetzungskurs Fußreflexzonenmassage) erlernten Fähigkeiten. Auch das für die Fortbildung von medizinischem Personal zuständige D-Zentrum des E bietet zahlreiche Massagekurse (zB Fußreflexzonen-, Schmetterlingsmassage) an".

6.) Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass die von der Bw. aufgewendeten Kosten in steuerlicher Hinsicht als Fortbildungskosten im Sine des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 anzusehen sind: es ist weder nachvollziehbar, warum es sich im vorliegenden Fall um "Ausbildungskosten" und keine "berufsspezifische Fortbildung" handeln soll, deren Aufwendungen steuerlich "nicht berücksichtigt" werden können (Bescheidbegründung vom ), noch, weshalb das Absolvieren eines solchen Kurses nicht dazu dienen sollte, im bereits ausgeübten Beruf auf dem Laufenden zu bleiben und den jeweiligen "Anforderungen der ausgeübten Tätigkeit gerecht zu werden" (Begründung der Berufungsvorentscheidung). Einer steuerlichen Berücksichtigung von Werbungskosten steht der Umstand, dass "Ausbildungskosten" vorliegen, seit dem Jahr 2000 nicht mehr entgegen (). Andererseits war auch die Eignung von Aufwendungen, "der Verbesserung der Fähigkeiten und Kenntnisse in der Ausübung des bisherigen Berufes" zu dienen, für das Vorliegen von Fortbildungskosten schon vor dem Jahr 2000 ausreichend (). Steht eine Bildungsmaßnahme mit der bereits ausgeübten Tätigkeit in Zusammenhang, ist eine Unterscheidung in Fort- und Ausbildungskosten nach der geltenden Rechtslage nicht (mehr) erforderlich, weil in beiden Fällen Abzugsfähigkeit gegeben ist. Dabei ist ein Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit jedenfalls anzunehmen, wenn die erworbenen Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten beruflichen Tätigkeit verwertet werden können. Dass dies im vorliegenden Fall nicht zutreffen sollte, geht selbst aus der Begründung der abweisenden Berufungsvorentscheidung nicht hervor.

7.) Soweit die Bw. vorbringt, dass in einem vergleichbaren Fall Werbungskosten anerkannt wurden, ist zwar darauf hinzuweisen, dass aus einer Vorgangsweise gegenüber Dritten noch keine Rechte abgeleitet werden können. Der Unmut der Bw. an der Vorgangsweise der Finanzverwaltung kann aber durchaus nachvollzogen werden, handelt es sich beim angefochtenen Bescheid doch bereits um den dritten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008, wobei die strittigen Aufwendungen zweimal anerkannt wurden und sich der Einkommensteuerbescheid vom von jenem vom nur dadurch unterschied, dass aus "verwaltungsökologischen Gründen" eine Steuer von 22,97 € (und dies auch noch zusammengefasst für Einkünfte dreier Jahre) nachgefordert wurde. Weshalb es - nach der Wiederaufnahme des Verfahrens mit Bescheid vom - noch einer neuerlichen nachprüfenden Kontrolle der Abgabenerklärung (aufgrund einer elektronischen Zufallauswahl) bedurfte, weil die Veranlagung "vorerst ohne nähere Prüfung der Erklärungsangaben durchgeführt" wurde, ist schwer verständlich, zumal eine institutionalisierte "Nachbescheidkontrolle" mit dem bestehenden Abgabenfestsetzungskonzept der BAO nicht in Einklang zu bringen ist, die Abgabenerklärungen vielmehr einzelfallgerecht vor der Erlassung von Erstbescheiden zu prüfen wären (Tanzer/Unger, SWK 2008, S 947; Jakom/Baldauf, EStG, 2010, § 42 Rz 22). Die Bw. hat zwar gegen den Bescheid betreffend die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2008 vom nicht berufen, weshalb es dem Unabhängigen Finanzsenat verwehrt ist, die Ermessensübung dieses Bescheides auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dass Vorgangsweisen der vorliegenden Art, die zu einer neuerlichen Nachforderung von 37,15 € führen, zumindest ungeeignet sind, das Vertrauen des Bürgers in die Effizienz der Steuerverwaltung zu stützen, bedarf aber keiner weiteren Erklärung.

8.) Die Aufwendungen für den Massagekurs waren daher neben den Aufwendungen, die in der Berufungsvorentscheidung anerkannt wurden, aber den Pauschbetrag nicht überstiegen haben (54,80 €), als Werbungskosten anzuerkennen. Hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen von 108,90 € wird im Ergebnis auf die Bescheidbegründung zur Berufungsvorentscheidung verwiesen (Aufwendungen der privaten Lebensführung). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
§ 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 284 Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 282 Abs. 1 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at